LVwG-840047/4/Kl/Rd/IH

Linz, 11.12.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Ilse Klempt  über den Antrag der B T, vertreten durch P V Rechtsanwälte in R vom 9. Dezember 2014 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabever­fahren der Stadtgemeinde S betreffend das Vorhaben "ABA S BA 20, Kanalisation S 2015/2016, Ableitungskanal T NS 3, Teil 3 und Teil 4",

zu Recht    e r k a n n t :

I.         Dem Antrag wird gemäß § 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 90/2013, insofern stattgegeben, als für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens, längstens aber bis 9. Februar 2015, das Vergabeverfahren ausgesetzt und die Angebotsöffnung untersagt wird.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Mit Eingabe vom 9. Dezember 2014 hat die B T (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf  Nichtigerklärung der Ausschrei­bung, in eventu der im Antrag näher angeführten Festlegungen der Ausschrei­bung, sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, den Lauf der Angebotsfrist für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens auszusetzen der Auftraggeberin die Öffnung der Angebote bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt 4.500 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hierzu aus, dass das gegenständliche Bauvorhaben als offenes Verfahren im Unterschwellenbereich durchgeführt werde und der Zuschlag nach dem Billigstbieterprinzip erfolge. Die Ausschreibungsunterlagen (kurz: AU) seien vom 10.11.2014 bis 15.12.2014 bei der ausschreibenden Stelle erhältlich. Das Ende der Angebotsfrist sei mit 17.12.2014, 11.00 Uhr, festgelegt worden und erfolge am selben Tag um 11.15 Uhr die Angebotsöffnung. Gegenstand der Leistungen der Ausschreibung seien Erd-, Baumeister- und Rohrverlegungsarbeiten sowie unterirdische Neu
ver­legung. Die Antragstellerin sei ein gewerbliches Bohrunternehmen mit jahrzehn­telanger Erfahrung auf dem Fachgebiet des Leitungsbaus und habe ein Interesse an der Teilnahme am Vergabeverfahren als Bieterin durch Abgabe eines Angebots und an einer Beauftragung durch die Auftraggeberin mit den ausgeschriebenen Leistungen.

 

Die Ausschreibung der Auftraggeberin entspreche jedoch nicht den Bestim­mungen des BVergG 2006 und sei für nichtig zu erklären.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihrem Recht auf Durchführung eines rechtmäßigen Vergabeverfahrens und auf eine ordnungsgemäße Anwendung der Bestimmungen des Vergabegesetzes, insbesondere auf Teilnahme an einer Ausschreibung, welche unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten sowie des Diskriminierungsverbotes und des Transparenzgebotes entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbe­handlung aller Bewerber und Bieter vorgenommen wird, und Erteilung des Zuschlages, verletzt.

 

Zu den Vergaberechtswidrigkeiten der Ausschreibung wurde ausgeführt, dass nach den Pkt B4, D1 und D.12 die ausgeschriebenen Leistungen in 5 Bauteile unterteilt seien, für die je Bauteil Teilangebote zugelassen sind. Diese Bauteile können getrennt vergeben werden. Dem objektiven Erklärungswert, dass die Bauteile 1 bis 5 getrennt vergeben werden können, sei zu entnehmen, dass sich die Auftraggeberin die freie Wahl vorbehalten möchte, ob sie die Bauteile 1 bis 5 als Gesamtleistung an einen Bieter vergibt oder jeder Bauteil getrennt oder mehrere Bauteile gemeinsam als Paket an mehrere Bieter vergeben werden sollen. Die Auftraggeberin habe es aber in der Ausschreibung unterlassen, festzulegen, unter welchen Bedingungen eine Gesamtvergabe, Paketvergabe oder Einzelvergabe der Bauteile erfolge und damit zusammenhängend, wie der Billigstbieter ermittelt werde. Somit entspreche die Ausschreibung nicht den unionsrechtlichen Grundfreiheiten, dem Diskriminierungsverbot, dem Grundsatz des freien und lauteren Wettbewerbs und Gleichbehandlung aller Bieter, ins­besondere dem Transparenzgebot. Für die Bieter sei nicht erkennbar, ob ihrem Angebot der Zuschlag erteilt werden wird, wenn zwar bspw. ihr Teilangebot für den Bauteil 3 das billigste Teilangebot wäre, jedoch das Gesamtangebot oder Paketangebot eines Mitbieters billiger wäre. Damit wäre auch eine Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung für eine Vergabekontrollbehörde, ob die Auftrag­geberin zu Recht eine Gesamtvergabe des Bauvorhabens vorgenommen oder Bauteilen separat den Zuschlag erteilt oder für mehrere Bauteile gemeinsam im Paket den Zuschlag vorgenommen habe, nicht nachprüfbar. Die Ausschreibung beinhalte damit einen willkürlichen Entscheidungsspielraum der Auftraggeberin, welchem Bieter in welchem Umfang der Zuschlag erteilt werde.

 

Weiters sehe die AU in den Pkt. B4, D1 und D.12 vor, dass sich die Auf­traggeberin vorbehalte zu entscheiden, welcher der drei jeweils für den Bauteil 4 und 5 ausgeschriebenen Varianten der Zuschlag erteilt werde. Durch die freie Wahl, welche Variante des Bauteils 4 bzw. des Bauteils 5 jeweils zum Zug kommen wird, ohne bereits in der Ausschreibung verbindlich anzugeben, unter welchen objektiven, nicht diskriminierenden Bedingungen einem der Varianten­angebote der Zuschlag erteilt wird, beinhalte die Ausschreibung auch in diesem Punkt einen willkürlichen Entscheidungsspielraum, der jedenfalls eine Verletzung des Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatzes darstelle.

 

Die bekämpfte Ausschreibung sieht in Pkt. C4 eine Vertragsstrafe bei Über­schreitung der unter Abschnitt D angegebenen pönalisierten Zwischentermine vor. Pkt. D.11 der AU sieht dabei für den „Horizontalvortrieb von S6 nach S6a“ einen Zeitraum von 2.11.2015 bis 31.12.2015 vor. In diesem Zeitraum stehen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Feiertage lediglich 47 Werktage zur Verfügung. In diesem Zeitraum sei aber das notwendige Einrichten und Räumen der Baustelle, eine Stillliegezeit von 20d, der Ersteinbau im Startschacht, das Wenden im Startschacht, eine Querschnittsänderung von DN 1500 auf DN 1200, der Abbau von 50m³ Bodenklasse 6 + 7, usw., das Abbauen von 200 m Findlingen und ein Einbringen von 4.000 kg Hochdruckmörtel technisch nicht möglich. Das Vorsehen von Leistungen in einem Zeitraum, der technisch nicht machbar sei, unter gleichzeitiger Pönalisierung der Nichteinhaltung dieses Zeitraumes, mache die Ausschreibung vergaberechtswidrig und verhindere eine  Vergleichbarkeit der Angebote. Die Bieter wären ansonsten gezwungen, ein Angebot für eine Leistung zu legen, welches zeitlich technisch nicht machbar sei. Dies hätte zur Konsequenz, dass die Angebote bereits von vornherein eine Vertragsstrafe mit zu berücksichtigen hätten. Dies würde jedoch verhindern, dass der Zuschlag Angeboten mit angemessenen Preisen von leistungsfähigen Bietern erteilt werden könnte, was nach den fundamentalen Grundsätzen des Vergaberechts jedoch gefordert sei.

Auch der im LV in Pkt. LG 25, 0015 der AU erwähnte Schicht- oder Dekaden­betrieb ändere nichts an der technischen Unmöglichkeit der Einhaltung des Zeitraumes. Zudem handle es sich um lärmerzeugende Bauarbeiten iSd § 12 Oö. BauTV, welche im gegenständlichen Wohngebiet nur zeitlich begrenzt vorge­nommen werden dürfen. Ob und in welchem Umfang die Baubehörde im Aus­nahmefall einen längeren Tätigkeitszeitraum genehmigen würde, sei ungewiss. Soweit Pkt. 25, 0015 das Risiko hierfür den Bietern übertragen will, werde die Ausschreibung mit einem unkalkulierbaren Risiko für die Antragstellerin und die Bieter belastet, was ebenfalls eine Vergabe zu angemessenen Preisen verhindern würde, zumal die Bieter diese Ungewissheit in ihre Preiskalkulation mit auf­nehmen müssten. Auch dieser Ausschreibungspunkt stelle sich als vergabe­rechtswidrig dar.

 

Pkt. D.13 Z10 der AU sehe vor, dass Erschwernisse nur in dem Ausmaß aner­kannt werden, als dafür Erschwernispositionen vorgesehen sind. Voraussehbare Erschwernisse seien in den Positionen des Angebots einzurechnen und werden von der Auftraggeberin nicht gesondert vergütet. AU seien jedoch so auszu­arbeiten, dass Preise ohne Übernahme nicht kalkulierbarer Risiken von den Bietern ermittelt werden können. Diese Ausschreibungsbestimmung würde etwa auch bedeuten, dass insbesondere das Bodenrisiko, welches nach der Lehre und der oberstgerichtlichen Rechtsprechung in die Sphäre des Auftraggebers als „Stoff“ iSd § 1168 ABGB fällt, nicht die Auftraggeberin als Bauherrin, sondern die Antragstellerin und die übrigen Bieter treffen würde. Eine derartige Ausschrei­bungsbestimmung sei demnach unsachlich und sittenwidrig und widerspreche den Bestimmungen des BVergG 2006. Eine derartige Klausel führe dazu, dass für die Bieter bei der Kalkulation der Angebotspreise ein großes Risiko und Schwierigkeiten bestehen. Werde ein nicht kalkulierbares Baugrundrisiko auf die Bieter übergewälzt, so führe das zu nicht vergleichbaren Angeboten der Bieter.

 

Das LV sehe unter Pkt. LG 03 für den Bauteil 3 in Pkt. 0403 einen „Abbruch ober Tag“, also Erd- und Aufbrucharbeiten über Gelände vor. Tatsächlich finden jedoch nach den AU nur Erd- und Aufbrucharbeiten in Bauteil 3 unter Tag statt. Die Ausschreibung sehe Leistungspositionen vor, welche tatsächlich nicht zu erbringen sind. Damit wären die Antragstellerin und die übrigen Bieter gezwungen, eine Position anzubieten, die gar nicht zu erbringen sei, was dazu führen würde, dass die Vergleichbarkeit der Angebote nicht mehr sichergestellt wäre. Eine entsprechende Anfrage an die Auftraggeberin sei unbeantwortet geblieben.

 

Das LV sehe unter Pkt. LG 25, 1006K vor, dass entweder Vortriebsrohre aus Stahlbeton mit genau definierten Leistungsanforderungen verwendet werden oder – alternativ – Vortriebsrohre aus GFK. Die AU unterlasse aber, Mindest­quali­tätsanforderungen an diese alternativen GFK-Vortriebsrohre festzuschrei­ben. Da die Qualität eines Vortriebsrohres aus GFK natürlich Einfluss auf den Angebotspreis habe, führe diese fehlende Anforderung an das alternative Rohrmaterial dazu, dass die Angebote keine Billigstbieterermittlung zulasse, da die Möglichkeit bestehe, GFK-Rohre von unterschiedlicher Qualität anzubieten. Damit sei aber die Vergleichbarkeit der Angebote miteinander nicht mehr möglich.

 

Pkt. LG 25, 3011A-E des LV sieht eine Hochdruckvermörtelung vor. Der AU sei jedoch nicht zu entnehmen, zu welchem Zweck die Hochdruckvermörtelung eingesetzt werden soll und wie diese Leistungen auszuführen sind. Durch die Übernahme nicht kalkulierbarer Risiken für die Antragstellerin und die übrigen Bieter sei eine Vergleichbarkeit der Angebote nicht sichergestellt. In Pkt. LG 25, 1005C des LV sei ein Aufpreis „TS Querschnittsänderung“ und in Pkt. 1005B eine Position „TS Wenden“ für den Bauteil 3 vorgesehen. Beide Leistungen sind nach den AU für den Bauteil 3 nicht erforderlich. Gleiches gelte für die Pos. LG 25, 1014A, die für den Bauteil 4 eine Position „Aufpreis TS im Bogen“ vorsehe, jedoch sei in den AU kein Bogen dargestellt.

 

In Pkt. A der AU sei festgelegt worden, dass die Preise als Festpreise gelten. Da in Pkt. D.11 als Gesamtfertigstellungstermin der 30.6.2016 vorgesehen sei, be­deute dies, dass die Antragstellerin und die übrigen Bieter Festpreise für einen Zeitraum von Dezember 2014 bis Juni 2016, sohin für einen Zeitraum von 19 Monaten, anbieten müssen. Damit werde die zulässige Preisbindung des in § 24 Abs.7 BVergG 2006 vorgesehenen Maximalzeitraumes für die Geltung fester Preise von 12 Monaten, ohne dies zu begründen, überschritten. Dies stelle eine unsachliche und gröblich benachteiligende Ausschreibungsklausel zu Lasten der Antragstellerin und der übrigen Bieter dar.

 

In der AU Pkt. D.13 Z 19 werde zur Sicherstellung ein Deckungsrücklass in Höhe von 10 % von der jeweiligen Abschlagsrechnung und ein Haftrücklass in Höhe von 5 % der Schlussrechnung festgelegt. Die vorgesehene Sicherstellung überschreite die zulässige Höhe der Rücklässe der ÖNORM B 2110 um zumindest das Doppelte. Darüber hinaus sei in der Ausschreibung – entgegen der ÖNORM A 2110 – nicht vorgesehen, dass der Deckungsrücklass mit der Schlussrechnung durch den Haftungsrücklass zu ersetzen sei. Das Abgehen von der ÖNORM als geeignete Leitlinie verstoße gegen die Bestimmungen des § 99 Abs.2 BVergG 2006, zumal das Abgehen auch nicht begründet worden sei.

 

Die AU sehe in Pkt. D.13 Z 20 eine Zahlungsfrist für die Schlussrechnung von 3 Monaten nach Eingang bzw. binnen 14 Tagen mit 3 % Skonto nach Ablauf der Prüffrist vor. Damit werde gegen die Bestimmung des § 87a BVergG 2006 verstoßen. Die vorgesehene Festlegung einer Zahlungsfrist von 3 Monaten und einer Prüffrist von 3 Monaten sei gröblich benachteiligend iSd § 459 UGB und somit rechtswidrig. Gründe für derartig lange Zahlungs- und Prüfungsfristen sind durch die Auftraggeberin nicht bekannt gegeben worden.

 

Darüber hinaus beinhalte die Zahlungsfrist für die Schlussrechnung auch per se eine unsachliche Regelung, in dem der Auftraggeberin die Möglichkeit gegeben werde, die Schlussrechnung entweder binnen 3 Monaten nach Rechnungseingang (ohne Skonto) zu bezahlen  oder – wahlweise – binnen 14 Tagen mit 3 % Skonto nach Ablauf der Prüffrist, welche ebenfalls 3 Monate betrage.

 

Da die Antragstellerin und die übrigen Bieter gezwungen wären, diese unzu­lässigen Zahlungs- und Prüffristen in ihren Angeboten miteinzukalkulieren, würde die Gefahr bestehen, dass eine Billigstbieterermittlung auf Basis von angemes­senen Preisangeboten nicht mehr möglich sei.

 

Der Antragstellerin komme naturgemäß ein evidentes Interesse an der Beteili­gung an der Ausschreibung und am Vertragsabschluss mit der Auftraggeberin zu, da sie einerseits einen Gewinn aus dem abgeschlossenen Vertrag lukrieren könne, andererseits würde die bei der Auftragsdurchführung gegebene Aus­lastung die Geschäftsgemeinkosten der Antragstellerin abdecken. Auch würde der zu vergebende Auftrag ein Referenzprojekt darstellen. Sollte der Zuschlag aufgrund der rechtswidrigen Ausschreibung nicht der Antragstellerin erteilt werden, würde ihr ein Schaden durch entstandene frustrierte Kosten der Aus­schreibung von ca. 9.500 Euro sowie Schaden durch den Entgang aus der fehlen­den Deckung der Gemeinkosten infolge geringerer Auslastung von schätzungs­weise 300.000 Euro erwachsen.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antrag­stellerin zunächst auf ihre Ausführungen zum Hauptantrag. Weiters wurde vorgebracht, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens nicht ersichtlich sei. Demgegenüber bestehe ein evidentes Interesse der Antragstellerin an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren. Im Übrigen habe die Auftraggeberin ihr fehlendes Dringlichkeitsinteresse dadurch dokumentiert, dass keine beschleunigte Verfahrensart gewählt worden sei. Es liege zumindest ein überwiegender Nachteil im Fall des Unterbleibens einer einstweiligen Verfügung für die Antragstellerin vor.

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat die Stadtgemeinde S als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Von dieser wurde zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung keine Stellungnahme abge­geben.

 

3.  Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß Art.14b Abs.2 Z2 lit.a B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch die Gemeinde. Das gegenständliche Nach­prüfungsverfahren unterliegt daher den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.  

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2. Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Ver­fügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerde­punkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Bauauftrages sind die Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung ent­standene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antrag­stellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4. Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art.2 Abs.5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechts­schutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessens­abwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftrag­geber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des dis­kriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlos­sen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen der vorläufigen Aussetzung der Frist für die Einreichung von Angeboten bzw. des vorläufigen Angebotsöffnungsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Öffnung der Angebote abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Ver­gabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Landesverwal­tungs­gericht Oberösterreich zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interes­sens­abwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsver­fahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrig­keiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Bei der Aussetzung des Vergabeverfahrens iVm der Untersagung der Öffnung der Angebote durch die Auftraggeberin handelt es sich um die gelindeste, noch zum Ziel führende Maßnahme.  

 

Die Dauer der Aussetzung/Untersagung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für das Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Frist für die Einreichung von Angeboten bzw. die Untersagung der Angebotsöffnung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 14,30 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen  durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt oder eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Ilse Klempt