LVwG-050027/9/Gf/Rt

Linz, 02.10.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K !

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des Dr. E, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Perg vom 14. April 2014, Zl. SanRB01-2014, wegen behördlicher Aufträge nach der Apothekenbetriebsordnung (ApBO)

 

 

z u  R e c h t  e r k a n n t :

 

 

I. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 72 Abs. 2 Z. 2 ApBO i.V.m. § 28 Abs. 2 VwGVG spätestens ab dem 1. Jänner 2015 zu gewährleisten, dass

 

1.) in der von ihm geführten Hausapotheke die Lagerung von temperatursensiblen Arzneimitteln (wie Impfstoffen, Biopharmazeutika, Insulinen, Antibiotika u. dgl.) stets bei einer konstanten Temperatur zwischen +2°C und +8°C erfolgt und er zu diesem Zweck entweder einen Arzneimittelkühlschrank oder einen Lebensmittelkühlschrank verwendet, wobei es in letzterem Fall dem Beschwerdeführer obliegt, diesen technisch in der Weise auszugestalten, dass es insgesamt besehen objektiv plausibel erscheint, dass die zuvor festgelegten Temperaturgrenzen weder unter- noch überschritten werden, sowie, dass technische Defekte – wie insbesondere ein Stromausfall oder ein unzulässiger Temperaturanstieg oder Temperaturabfall umgehend optisch und akustisch signalisiert werden, und

 

2.) hierüber dem Stand der Wissenschaft entsprechende Aufzeichnungen geführt werden sowie

 

3.) diese Aufzeichnungen monatlich der Bezirksverwaltungsbehörde übermittelt werden.

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

 

I.

 

1. Mit dem auf § 72 Abs. 2 der Apothekenbetriebsordnung gestützten Bescheid des Bezirkshauptmannes von Perg vom 14. April 2014, Zl. SanRB01-2014, wurde dem Beschwerdeführer in seiner Funktion als Betreiber einer ärztlichen Hausapotheke zum einen vorgeschrieben, spätestens ab dem 20. Mai 2014 die Lagerung von Arzneimitteln in einem Lebensmittelkühlschrank einzustellen und stattdessen einen Arzneimittelkühlschrank mit Temperaturaufzeichnung zu verwenden; zum anderen wurde ihm aufgetragen, spätestens ab dem 20. Juli 2014 sämtliche Arzneimittel in einem abgesonderten Raum zu lagern und diesen gegen einen Zutritt durch Unbefugte entsprechend baulich abzusichern. Weiters wurde angeordnet, dass der Rechtsmittelwerber die Erfüllung dieser Maßnahmen der Behörde jeweils schriftlich bekannt zu geben habe.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass im Zuge einer am 1. August 2013 vorgenommenen behördlichen Überprüfung der Hausapotheke des Rechtsmittelwerbers durch die Amtsärztin und durch einen pharmazeutischen Sachverständigen entsprechende Ordnungswidrigkeiten festgestellt worden und diese daher als erwiesen anzusehen seien. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass lediglich mit einem speziellen Arzneimittelkühlschrank die für die Wirksamkeit gewisser Medikamente erforderliche Temperatur zwischen +2°C und +8°C stets konstant gehalten und nur mit einem Frostschutzthermostat, mit dem ein gewöhnlicher Lebensmittelkühlschrank in der Regel nicht ausgestattet sei, sichergestellt werden könne, dass die Temperatur nie unter einen für die Wirksamkeit solcher Arzneimittel kritischen Wert von mindestens 0°C  absinken könne.

 

2. Gegen diesen ihm am 17. April 2014 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 12. Mai 2014 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene, lediglich gegen die Vorschreibung der Verwendung eines Arzneimittelkühlschranks gerichtete Beschwerde.

 

Darin wird vorgebracht, dass einerseits jenen Ö-Normen, die für Arzneimittel eine konstante Lagertemperatur zwischen +2°C und +8°C vorsehen, keine Rechtsverbindlichkeit zukomme, und andererseits die ApBO nicht zwingend die Verwendung eines speziellen Arzneimittelkühlschrankes, sondern lediglich eine Lagerung der Medikamente unter dem aktuellen Stand der Wissenschaften entsprechenden Bedingungen anordne; dies lasse sich jedoch auch durch einen Lebensmittelkühlschrank, der mit einem regelmäßig kalibrierten Min-Max-Thermometer ausgestattet ist, oder bei dem im Wege eines sog. „Datenloggers“ eine kontinuierliche Temperaturmessung und ‑aufzeichnung erfolgt, erreichen. Dem entsprechend sei bei einem hausapothekenführenden Arztkollegen im Bezirk Braunau am Inn die Verwendung eines Lebensmittelkühlschrankes von der dortigen Behörde auch nicht beanstandet worden.

 

Daher wird die Aufhebung dieser bescheidmäßigen Anordnung beantragt.

 

 

II.

 

1. Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Perg zu Zl. SanRB01-2014 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 4. September 2014, zu der als Parteien einerseits der Beschwerdeführer und dessen Rechtsberater Mag. V (Ärztekammer ) und andererseits Mag. P sowie Dr. B (Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Perg) als Vertreter der belangten Behörde sowie der Zeuge Mag. H (Sachverständiger für Apothekenwesen) erschienen sind.

 

1.1. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

 

Am 1. August 2013 haben die Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Perg und der sachverständige Zeuge eine Kontrolle der Ordination des Beschwerdeführers durchgeführt und dabei festgestellt, dass der Rechtsmittelwerber, der eine ärztliche Hausapotheke führt, jene Medikamente, die gekühlt zu lagern sind, in einem gewöhnlichen Lebensmittelkühlschrank aufbewahrt. Bestimmte, insbesondere die einen hohen Eiweißanteil aufweisenden Arzneimittel – wie z.B. Impfstoffe, Insuline, Antibiotika oder Augentropfen – müssen jedoch deshalb stets bei einer stabilen Temperatur zwischen +2°C und +8°C gelagert werden, weil diese im Falle eines Gefrierens oder einer Überhitzung in ihrer Qualität beeinträchtigt werden oder ihre Wirksamkeit zur Gänze verlieren können.

 

Eine derartige Konstanz ist aber bei einem gewöhnlichen Lebensmittelkühlschrank i.d.R. deshalb nicht gewährleistet, weil bei einem solchen insbesondere im Türbereich sowie im Umfeld der Hinterwand eine Temperatur vorherrscht, die sich vom sonst im Kühlschrank vorzufindenden Temperaturniveau signifikant unterscheidet. Außerdem können Medikamente wirkungslos bzw. in ihrer Heilkraft beeinträchtigt werden, wenn diese beim Abtauen des Kühlschrankes mit gefrierendem Kondenswasser in Kontakt kommen. Schließlich verfügen Lebensmittelkühlschränke in aller Regel auch nicht über eine optische oder akustische Signaleinrichtung zur Anzeige von Temperaturschwankungen, Stromausfällen etc.

 

Dem gegenüber weisen spezifische Arzneimittelkühlschränke im gesamten Inneren stets eine konstante Temperatur auf; solche Kühlschränke müssen auch nicht abgetaut werden und sind zudem standardmäßig mit einer Alarmeinrichtung für Funktionsstörungen sowie mit einem Ventilator ausgestattet, der gewährleistet, dass die Temperatur im gesamten Kühlbereich gleichermaßen konstant gehalten wird und zwischen +2°C und +8 °C beträgt. Außerdem können solche Kühlschränke auch versperrt werden.

 

Mittels sog. „Datenlogger“ lassen sich in einem gewöhnlichen Lebensmittelkühlschrank permanent Temperaturmessungen durchführen und graphisch aufzeichnen. Solche Datenlogger können zudem auch derart ausgestaltet sein, dass diese sowohl optische als auch akustische Signale abgeben, wenn die Temperatur unter +2°C sinkt oder über +8°C ansteigt, sowie per WLAN mit einem Smartphone verbunden werden, sodass diese Warnsignale vom Handybesitzer sofort registriert werden können. Werden die Datenaufzeichnungen de facto allerdings nicht täglich kontrolliert, könnte der Fall eintreten, dass eine nicht mehr tolerierbare Temperaturschwankung erst zu einem Zeitpunkt festgestellt wird, nachdem unwirksame oder in ihrer Wirksamkeit eingeschränkte Medikamente  bereits zuvor an Patienten abgegeben und von diesen auch konsumiert wurden.

 

Im Besonderen weist der vom Beschwerdeführer verwendete Lebensmittelkühlschrank kein Gefrierfach auf; weiters ist dieser mit einem Ventilator ausgestattet.

 

1.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den glaubwürdigen und widerspruchsfreien Aussagen der in der öffentlichen Verhandlung einvernommen Zeugen und des Beschwerdeführers sowie aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt.

 

Unter einem wird das Verhandlungsprotokoll (vgl. ONr. 5 des hg. Aktes) zum integrierenden Bestandteil der Begründung dieses Erkenntnisses erklärt.

 

2. Weil im Arzneimittelgesetz, im Apothekengesetz und in der Apothekenbetriebsordnung Abweichendes nicht angeordnet ist, hatte das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich im vorliegenden Fall gemäß Art. 135 Abs. 1 B VG durch einen Einzelrichter zu entscheiden.

 

 

III.

 

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich über die vorliegende, lediglich gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides gerichtete Beschwerde erwogen:

 

1.1. Zunächst ergibt sich aus § 31 (Abs. 4) i.V.m. § 7 (Abs. 1) des Apothekengesetzes, RGBl.Nr. 5/1907 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 32/2014 (im Folgenden: ApG), dass die Bestimmungen der Apothekenbetriebsordnung, BGBl.Nr. II 65/2005 i.d.g.F. BGBl.Nr. II 83/2014 (im Folgenden: ApBO), auch für die Führung von ärztlichen Hausapotheken maßgeblich sind.

 

1.2. Gemäß § 3 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes, BGBl.Nr. 185/1983 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 162/2013 (im Folgenden: ArzneiMG), ist es verboten, Arzneimittel in Verkehr zu bringen, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und nach den praktischen Erfahrungen nicht gesichert erscheint, dass diese bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine schädliche Wirkung haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgeht.

 

Nach § 4 Abs. 1 ArzneiMG ist es weiters verboten, Arzneimittel oder Wirkstoffe herzustellen oder in Verkehr zu bringen, die in ihrer Qualität dem jeweiligen Stand der Wissenschaft nicht entsprechen; eine derartige Entsprechung liegt gemäß § 4 Abs. 2 ArzneiMG insbesondere dann nicht vor, wenn sie den Qualitätsanforderungen des Arzneibuches i.S.d. § 1 des Arzneibuchgesetzes, BGBl. I Nr. 44/2012 (im Folgenden: ArzneibuchG); oder den Qualitätsanforderungen des Arzneibuches einer anderen Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes;

den Qualitätsanforderungen anderer Arzneibücher, deren Standard dem des Arzneibuches i.S.d. § 1 ArzneibuchG gleichgehalten werden kann; sonstigen hierfür bestehenden international anerkannten Mindestnormen; oder den vom Hersteller selbst gemäß dem jeweiligen Stand der Wissenschaft festgelegten Normen nicht entsprechen.

 

1.2.1. Nach § 1 ArzneibuchG ist das Arzneibuch eine vom Bundesminister für Gesundheit (im Folgenden: BMinG) bekannt gemachte Sammlung von anerkannten pharmazeutischen, u.a. auch die Lagerung von Arzneimitteln betreffenden Regeln; es besteht aus dem i.S.d. Regierungsübereinkommens BGBl.Nr. 181/1979 ausgearbeiteten „Europäischen Arzneibuch“ und aus dem „Österreichischen Arzneibuch“.

 

Nach § 2 Abs. 1 ArzneibuchG hat der BMinG die deutschsprachige Fassung des Europäischen Arzneibuchs durch Verordnung als „Europäisches Arzneibuch, Amtliche Österreichische Ausgabe“ verbindlich zu erklären und durch Auflage beim BMinG und bei den Bezirksverwaltungsbehörden kundzumachen; dabei ist eine unentgeltliche öffentliche Einsichtnahme sicherzustellen. Jene Regelungen des Österreichischen Arzneibuchs, die durch das Europäische Arzneibuch, Amtliche Österreichische Ausgabe, nicht ersetzt werden, sind vom BMinG unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand der Wissenschaft und unter Berücksichtigung der besonderen Erfordernisse Österreichs durch Verordnung als „Österreichisches Arzneibuch, Amtliche Ausgabe“ verbindlich zu erklären (vgl. i.d.S. zuletzt die Verordnung BGBl.Nr. II 98/2014, nach der gegenwärtig die 7. Ausgabe des Europäischen Arzneibuches 2011 i.d.F. des achten Nachtrages hierzu und das Österreichische Arzneibuch, Amtliche Ausgabe 2014, in Kraft stehen).

 

1.2.2. In diesem Zusammenhang ist vorweg darauf hinzuweisen, dass sich auf der Internetseite des BMinG lediglich Links zum Bestellen des Europäischen Arzneibuches und des Österreichischen Arzneibuches in Buch- bzw. in elektronischer Form bzw. ein kostenpflichtiger online-Zugang zum Europäischen Arzneibuch finden[1]; eine unentgeltliche Einsichtnahme i.S.d. § 2 Abs. 1 letzter Satz ArzneibuchG ist hingegen in dieser Form nicht möglich.

 

Nach Mitteilung der belangten Behörde liegt bei dieser das Europäische Arzneibuch nicht in der aktuellen Fassung (und die Ö-Norm K 2040 vom 1. April 2009 überhaupt nicht) auf.

 

1.2.3. Normen, die nicht in der gesetzlich dafür vorgesehenen Form – hier: im Wege eines für den Bürger unentgeltlichen Zuganges gemäß § 2 Abs. 1 ArzneibuchG – kundgemacht sind, kann keine rechtliche Wirksamkeit zukommen.

 

Sollte sich daher im Europäischen Arzneibuch oder im Österreichischen Arzneibuch eine explizite Anordnung dahin finden, dass bestimmte Arzneimittel bei einer konstanten Temperatur zwischen +2°C und +8°C zu lagern sind und/oder hierfür ein spezifischer Arzneimittelkühlschrank zu verwenden ist, so wäre diese für den Beschwerdeführer nicht bindend.

 

Gleiches gilt für die Ö-Norm K 2040 vom 1. April 2009, der es von vornherein an einer gesetzlich oder verordnungsmäßig festgelegten Verbindlicherklärung (bzw. wenn eine solche [bloß] im Wege des Europäischen Arzneibuches oder des Österreichischen Arzneibuches vorgenommen worden wäre: an einer entsprechenden ordnungsgemäßen Kundmachung) fehlt und die für die Bürger ebenfalls nicht unentgeltlich zugänglich ist, sowie für die Arzneimittelbetriebsordnung, BGBl.Nr. II 324/2008 i.d.g.F. BGBl.Nr. II 179/2013 (im Folgenden: ArzneiMBO): Denn § 30 Abs. 2 zweiter Satz ArzneiMBO sieht zwar ausdrücklich vor, dass die Lagertemperatur und die Luftfeuchtigkeit in regelmäßigen Abständen zu messen und aufzuzeichnen sind; vom Anwendungsbereich dieser Verordnung sind jedoch ärztliche Hausapotheken gemäß § 1 Abs. 3 Z. 5 ArzneiMBO explizit ausgenommen.

 

1.2.4. Unter den im gegenständlichen Fall konkret vorliegenden Umständen haben daher das Europäische Arzneibuch und das Österreichische Arzneibuch sowie die Ö-Norm K 2040 und die ArzneiMBO im Zuge der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffes des „Standes der Wissenschaft“ i.S.d. § 4 Abs. 1 ArzneiMG i.V.m. § 5 Abs. 5 ApBO außer Betracht zu bleiben.

 

1.3. Nach § 62a Abs. 1 und 2 ArzneiMG hat der BMinG – soweit dies u.a. geboten ist, um die für die Gesundheit und das Leben von Mensch oder Tier erforderliche Beschaffenheit der Arzneimittel zu gewährleisten – durch Verordnung eine Betriebsordnung für den Betrieb von Apotheken zu erlassen und in dieser u.a. auch nähere Anordnungen über die Lagerung (bzw. das Vorrätighalten) – als Sonderform des Inverkehrbringens (vgl. § 2 Abs. 11 ArzneiMG) – von Arzneimitteln (vgl. § 62a Abs. 2 Z. 4 ArzneiMG) festzulegen.

 

Davon ausgehend müssen Arzneimittel gemäß § 5 Abs. 1 ApBO übersichtlich und so gelagert werden, dass deren Qualität nicht nachteilig beeinflusst wird; sofern nicht im Arzneibuch oder durch andere arzneimittelrechtliche Vorschriften spezifische Lagerungsbedingungen festgelegt sind, hat die Lagerung nach § 5 Abs. 5 ApBO unter Bedingungen zu erfolgen, die dem Stand der Wissenschaften entsprechen.

 

Gemäß § 72 Abs. 2 Z. 2 ApBO hat die Bezirksverwaltungsbehörde in Fällen drohender Gefahr für die Gesundheit von Mensch oder Tier durch Arzneimittel entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung Auflagen vorzuschreiben, um die Einhaltung der Bestimmungen des ApG und der ApBO zu gewährleisten; sofern nicht Gefahr im Verzug gegeben ist, ist für die Erfüllung der Auflagen eine angemessene Frist zu gewähren.

 

2. Im gegenständlichen Fall kann als zum gegenwärtigen Zeitpunkt gesicherter Stand der Wissenschaft jedenfalls angesehen werden, dass Arzneimittel mit einem hohen Eiweißanteil – wie z.B. Impfstoffe, Insuline oder Antibiotika – bei einer zwischen +2°C und +8°C konstanten Temperatur gelagert werden müssen, um ihre volle Wirksamkeit zu behalten. Dies geht nicht nur aus den Stellungnahmen der Amtsärztin der belangten Behörde und des sachverständigen Zeugen für Apothekenwesen, sondern auch aus einschlägigen wissenschaftlichen Untersuchungen hervor (vgl. z.B. E. Adams, Sicherung der Qualität von kühlpflichtigen Arzneimitteln, Basel 2011, S. 3 ff, m.w.N.[2]) und wird auch vom Beschwerdeführer selbst gar nicht in Abrede gestellt.

 

Weiters steht allseits unbestritten fest, dass die Verwendung eines spezifischen Arzneimittelkühlschrankes, der mit einem Temperarturregler, einer Alarmeinrichtung und mit einem Aufzeichnungssystem ausgestattet ist, die dauerhafte Einhaltung dieses Temperaturrahmens gewährleistet bzw. dessen Über- oder Unterschreitung umgehend und dauerhaft signalisiert.

 

3. Hinsichtlich der Frage, ob dem Stand der Wissenschaft i.S.d. § 4 Abs. 1 ArzneiMG i.V.m. § 5 Abs. 5 ApBO auch durch die Verwendung eines mit mehreren Datenloggern, die über WLAN mit einer auf dem Handy des Beschwerdeführers installierten Warn-Application verbunden sind, versehenen gewöhnlichen Lebensmittelkühlschrank entsprochen werden kann, ist zunächst wiederum auf die vorzitierte Studie zu verweisen, in der festgestellt wurde, dass der Grenzbereich zwischen +2°C und +8°C bei Lebensmittelkühlschränken im Vergleich zu Arzneimittelkühlschränken nicht nur häufiger, sondern auch dauerhafter (unter-, v.a. aber [vornehmlich im Türbereich]) überschritten wurde (vgl. E. Adams, a.a.O., S. 45 ff).

 

Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Verwendung eines Lebensmittelkühlschrankes derart, wie der Beschwerdeführer dies intendiert, keinesfalls dazu geeignet ist, in annähernd gleicher Weise zu gewährleisten, dass der kritische Bereich zwischen +2°C und +8°C mit einem Grad an hoher Verlässlichkeit eingehalten wird, zumal sich aus der vorzitierten Untersuchung auch ergibt, dass selbst die Verwendung von Arzneimittelkühlschränken eine Über- bzw. Unterschreitung des Temperaturgrenzbereiches durchaus nicht mit Sicherheit auszuschließen vermag (vgl. wiederum E. Adams, a.a.O., S. 51).

 

4. Zusammengefasst ergibt sich aus all dem:

 

Die gegenwärtig geltende Rechtslage bietet der Behörde keine Handhabe, dem Rechtsmittelwerber dezidiert die Verwendung eines Arzneimittelkühlschrankes vorzuschreiben, weil diesbezügliche Zwangsnormen (noch) nicht existieren bzw. solche (bislang) nicht als rechtsverbindlich erklärt bzw. ordnungsgemäß kundgemacht wurden.

 

Dem Stand der Wissenschaft entspricht es allerdings, bestimmte Arzneimittel stets bei einer Temperatur zu lagern, die den Wert von +2°C nicht unter- und jenen von +8°C nicht überschreitet; davon ausgehend ist die Behörde aber dazu befugt, den Beschwerdeführer bescheidmäßig dazu zu verpflichten, dass dieser zu gewährleisten hat, dass in der von ihm geführten Hausapotheke die Lagerung von Impfstoffen, Biopharmaka, Insulinen, Antibiotika u. dgl. bei einer konstanten Temperatur zwischen +2°C und +8°C zu erfolgen und er zu diesem Zweck entweder einen Arzneimittelkühlschrank oder einen Lebensmittelkühlschrank zu verwenden hat, wobei es in letzterem Fall dem Rechtsmittelwerber obliegt, diesen (z.B. durch die Installierung eines [oder mehrerer] Datenlogger[s], eines Ventilators, eines Temperaturaufzeichnungssystems, einer WLAN-unterstützten Handy-Application, o.Ä.) technisch in der Weise auszugestalten, dass die Einhaltung dieser Verpflichtung insgesamt auch objektiv plausibel erscheint, was wiederum durch die belangte Behörde zu beurteilen ist.

 

5. In diesem Sinne war daher der vorliegenden Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wie im Spruch dieses Erkenntnisses ausgeführt stattzugeben; im Übrigen war diese hingegen als unbegründet abzuweisen.

 

IV.

 

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig, weil im Zuge des vorliegenden Verfahrens keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt; eine solche liegt nämlich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes selbst dann, wenn bisher eine Rechtsprechung fehlt, nicht vor, wenn die anzuwendenden Rechtsvorschriften einen klaren, nicht auslegungsbedürftigen Inhalt haben (vgl. z.B. VwGH vom 27. August 2014, Zl. Ra 2014/05/0007, und vom 27. August 2014, Zl. Ra 2014/05/0010).

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Eine solche Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb derselben Frist auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigen Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Ver-waltungsgerichtshof zu entrichten.

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr.  G r o f

 

 

 

LVwG-050027/9/Gf/Rt vom 2. Oktober 2014

 

Erkenntnis

 

Rechtssatz

 

ArzneibuchG §2 Abs1

ArzneiMG §4 Abs1

ArzneiMBO §1 Abs3 Z5

ApBO §5 Abs5

Ö-Norm K 2040

 

* Nach § 2 Abs. 1 ArzneibuchG hat der BMinG die deutschsprachige Fassung des Europäischen Arzneibuchs und des Österreichischen Arzneibuchs jeweils durch Verordnung als verbindlich zu erklären und durch Auflage beim BMinG und bei den Bezirksverwaltungsbehörden kundzumachen; dabei ist eine unentgeltliche öffentliche Einsichtnahme sicherzustellen. Dadurch, dass sich auf der Internetseite des BMinG Links zum Bestellen des Arzneibuches in Buch- bzw. in elektronischer Form bzw. ein kostenpflichtiger online-Zugang finden, ist dieser Kundmachungsvorschrift allerdings nicht entsprochen. Wenn überdies nach Mitteilung der belangten Behörde bei dieser das Europäische Arzneibuch nicht in der aktuellen Fassung aufliegt, so resultiert daraus insgesamt, dass alle diese  Rechtsvorschriften für den Beschwerdeführer nicht bindend sein können; Gleiches gilt für die Ö-Norm K 2040 vom 1. April 2009, der es von vornherein an einer gesetzlich oder verordnungsmäßig festgelegten Verbindlicherklärung fehlt und die für die Bürger ebenfalls nicht unentgeltlich zugänglich ist, sowie für die ArzneiMBO, von deren Anwendungsbereich ärztliche Hausapotheken gemäß § 1 Abs. 3 Z. 5 ArzneiMBO explizit ausgenommen sind; daher haben das Europäische Arzneibuch, das Österreichische Arzneibuch, die Ö-Norm K 2040 und die ArzneiMBO im Zuge der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffes des „Standes der Wissenschaft“ i.S.d. § 4 Abs. 1 ArzneiMG i.V.m. § 5 Abs. 5 ApBO von vornherein außer Betracht zu bleiben;

 

* Dass Arzneimittel mit einem hohen Eiweißanteil – wie z.B. Impfstoffe, Biopharmaka, Insuline oder Antibiotika – bei einer zwischen +2°C und +8°C konstanten Temperatur gelagert werden müssen, um ihre volle Wirksamkeit zu behalten, kann jedenfalls als zum gegenwärtigen Zeitpunkt gesicherter Stand der Wissenschaft angesehen werden. Die gegenwärtig geltende Rechtslage bietet der Behörde allerdings keine Handhabe, dem Bf. hierfür dezidiert die Verwendung eines Arzneimittelkühlschrankes vorzuschreiben, weil diesbezügliche Zwangsnormen (noch) nicht existieren bzw. solche (bislang) nicht als rechtsverbindlich erklärt bzw. ordnungsgemäß kundgemacht wurden; sie ist jedoch dazu befugt, den bf. bescheidmäßig dazu zu verpflichten, dass dieser zu gewährleisten hat, dass in der von ihm geführten Hausapotheke die Lagerung von temperatursensiblen Arzneimitteln bei einer konstanten Temperatur zwischen +2°C und +8°C zu erfolgen und er zu diesem Zweck entweder einen Arzneimittel- oder einen Lebensmittelkühlschrank zu verwenden hat, wobei es in letzterem Fall dem Bf. obliegt, diesen (z.B. durch die Installierung eines [oder mehrerer] Datenlogger[s], eines Ventilators, eines Temperaturaufzeichnungssystems, einer WLAN-unterstützten Handy-Application, o.Ä.) technisch in der Weise auszugestalten, dass die Einhaltung dieser Verpflichtung insgesamt auch objektiv plausibel erscheint, was wiederum durch die belangte Behörde zu beurteilen ist.

 

Schlagworte:

 

Arzneimittelkühlschrank; Lebensmittelkühlschrank; Kühlmethoden; Impfstoffe; Biopharmaka; Lagerung; Vorrätighalten; Inverkehrbringen; Kundmachungsmangel; Arzneibuch

 

 

 

 

 

 



[1] Vgl. www.bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Medizin/Arzneimittel/Beiraete_und_Kommissionen/Oesterreichische_Arzneibuchkommission

[2] Abrufbar unter: www.spitalpharmazie-basel.ch/pdf/diplomarbeit_ea.pdf