LVwG-150230/8/EW/WP

Linz, 25.11.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Wiesbauer über die Beschwerde des G W, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R K, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Kirchberg-Thening vom 17. März 2014, GZ: 030-0-2014, betreffend Untersagung der Benützung

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 1 des Bescheides des Gemeinderates der Gemeinde Kirchberg-Thening vom 17. März 2014, GZ: 030-0-2014, als unbegründet abgewiesen und Spruchpunkt 1 des Bescheides vollinhaltlich bestätigt.

 

II. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 2.) b.) aa.) des Bescheides des Gemeinderates der Gemeinde Kirchberg-Thening vom 17. März 2014, GZ: 030-0-2014, stattgegeben und Spruchpunkt 2.) b.) aa.) des Bescheides aufgehoben.

 

den Beschluss  g e f a ß t :

 

III. Gemäß § 28 Abs 3 erster Satz VwGVG wird anlässlich der Beschwerde Spruchpunkt 2.) b.) bb.) des Bescheides des Gemeinderates der Gemeinde Kirchberg-Thening vom 17. März 2014, GZ: 030-0-2014, aufgehoben und die Angelegenheit zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens und neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Gemeinde Kirchberg-Thening zurückverwiesen.

 

IV. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Sachverhalt, Verfahrensverlauf

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) ist Alleineigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft mit der Grundstücksnummer x, EZ x, der KG A und der Adresse B.

 

2. Mit Bescheid vom 3. Juli 1973 wurde den Rechtsvorgängern des Bf die Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhaues mit eingebauter Garage auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft erteilt. Mit Bescheid vom 2. August 1982 wurde den Rechtsvorgängern des Bf die Benützungsbewilligung für das Wohnhaus mit Garage unter näher bezeichneten Auflagen erteilt.

 

3. Mit Bescheid vom 15. Mai 2006 wurde dem Bf die Baubewilligung für die Errichtung eines „Zubaus inkl. Keller bei bestehendem Wohnhaus“ auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft erteilt. Dem Baubewilligungsbescheid lag ein Antrag auf Baubewilligung samt Baubeschreibung zugrunde, in dem der Antragsgegenstand näher definiert wird. Es handelt sich dabei um einen Zubau, ein Vordach, einen (zusätzlichen) Keller und ein Carport. Laut der planlichen Darstellung sollen die Kellerräumlichkeiten als „Keller“, das Erdgeschoss als „Büro“ und das Obergeschoss als „Wintergarten“ genutzt werden. Am 24. August 2006 wurde der Gemeinde mitgeteilt, am 25. August 2008 werde mit den Bauausführungen (Erdarbeiten) begonnen.

 

4. Mit Bescheid vom 26. Mai 2011 wurde vom Bürgermeister der Gemeinde Kirchberg-Thening (im Folgenden: Bürgermeister) die Frist für die Fertigstellung des „Zubaus inkl. Keller“ um 5 Jahre verlängert.

 

5. Mit Schreiben des Bürgermeisters vom 4. September 2013 wurde der Bf darüber informiert, dem Bürgermeister seien im Zuge eines Lokalaugenscheins auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft mehrere konsenslose Neu-, Zu- und Umbauten zur Kenntnis gelangt. Weiters wurde der Bf darauf hingewiesen „dass für die Errichtung und Veränderung von baulichen Anlagen der Baubehörde entsprechende Unterlagen zur Beurteilung vorzulegen sind“. Dieses Schreiben wurde dem Bf am 9. September 2013 zugestellt.

 

6. Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 4. September 2013, GZ 030-0-2013, wurde gem „§ 50 Abs. 2 und 4 Bauordnung 1994 idgF. [...] die Benützung der Räumlichkeiten [...] des mit Baubewilligungsbescheid vom 3. Juli 1973 [...] bewilligten Wohnhauses‚ B, in K‘ als Produktionsfläche zur Fertigung von Kabelbäumen bzw. Flachbandkabeln untersagt“. Im zweiten Teil des Spruches wurde „[g]emäß § 44 Abs. 2 der Bauordnung 1994 idgF. [...] die Benützung des Zubaus, bewilligt mit Bescheid vom 15.05.2006 (Bauakt 10/2006) untersagt“.

 

Das Adressfeld des Bescheidkopfes enthält als Adressatin „Frau S W “. In der Zustellverfügung wurde vom Bürgermeister verfügt, der Bescheid „[e]rgeht weiters an: [...] Grundeigentümer: Herr G W [...]“. Der Bescheid wurde dem Bf sowie der S W jeweils am 9. September 2013 zugestellt.

 

7. In einem weiteren Bescheid des Bürgermeisters vom 4. September 2013, GZ 030-0-2013, wurde dem Bf die Benützung des „Zubaues, bewilligt mit Bescheid vom 15. Mai 2006 (Bauakt 10/2006) untersagt“. Dieser Bescheid wurde dem Bf ebenfalls am 9. September 2013 zugestellt.

 

8. Gegen diese Bescheide sowie das Schreiben vom 4. September 2013 erhoben S W und der Bf durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 23. September 2013 Berufung an den Gemeinderat der Gemeinde Kirchberg-Thening (im Folgenden: belangte Behörde).

 

9. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. März 2014, GZ 030-0-2014, wurde

1.) Die Berufung gegen das ‚Schreiben vom 04.09.2013‘ [...] als unzulässig zurückgewiesen.

 

2.) Der Berufung gegen die Bescheide vom 04.09.2013 wird teilweise Folge gegeben und

a.) der auf Untersagung der Benützung von Teilen des Gebäudes ‚B‘ zu gewerblichen Zwecken und Untersagung der Benützung eines Zubaus gerichtete Bescheid, soweit sich dieser an S W als Bescheidadressatin richtet, ersatzlos aufgehoben und

 

b.) die Bescheide dahingehend abgeändert, dass deren Spruch insgesamt wie folgt zu lauten hat: ‚Dem Eigentümer des Gebäudes ‚B‘ auf Grundstück x, KG x, G W, wird

aa.) die Benützung der auf dem Grundstück x KG x gelegenen baulichen Anlagen, insbesondere die im Haus ‚B` gelegenen beiden Kellerräume im Ausmaß von 40,5 m² und 59,3 m² und des im Dachgeschoss gelegenen Dachbodens (Produktionsraum) im Ausmaß von 97,8 m² sowie des vor dem Gebäude errichteten Vorplatzes, zu gewerblichen Zwecken, insbesondere als Produktionsstätte zur Fertigung von Kabelbäumen, gemäß § 50 Abs. 2 und 4 Oö. BauO 1994 und § 40 Abs. 8 Oö. ROG 1994 untersagt;

 

bb.) die Benützung des mit Bescheid vom 15.05.2006 bewilligten Zubaues einschließlich Keller gemäß § 44 Abs. 2 Oö. BauO 1994 untersagt.

 

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des maßgeblichen Sachverhalts zu Spruchpunkt 1 aus, „[d]as genannte Schreiben vom 04.09.2013 enthält weder einen Spruch, noch eine Rechtsmittelbelehrung oder eine Begründung. Es ist daher ein ‚Nichtbescheid‘. Eine Berufung gegen einen solchen ist als unzulässig zurückzuweisen“. Es folgen weitere Ausführungen zu Spruchpunkt 2. Dieser Bescheid wurde dem Bf zuhanden seines rechtsfreundlichen Vertreters am 19. März 2014 zugestellt.

 

10. Mit Schriftsatz vom 14. April 2014 erhob der Bf durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Beschwerde wurde am 14. April 2014 per Email bei der belangten Behörde eingebracht. Begründend führt der Bf hinsichtlich Spruchpunkt 2. b.) aa.) aus, die belangte Behörde verletze den Bf damit in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter, da die belangte Behörde mit der Untersagung jeglicher Gewerbeausübung über den erstinstanzlichen Verfahrensgegenstand hinausgehe und sich damit eine Zuständigkeit anmaße, die ihr nicht zukomme.

 

11. Mit Schreiben vom 26. Mai 2014, beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am 27. Mai 2014 eingelangt, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verfahrensakt (in Kopie) dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich unter ausdrücklichem Verzicht auf eine Beschwerdevor­entscheidung zur Entscheidung vor. Überdies erhob die belangte Behörde einen Widerspruch iSd § 28 Abs 3 VwGVG gegen eine Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich in der Sache selbst. Nach Aufforderung durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich legte die belangte Behörde mit Schreiben vom 27. Juni 2014 den Verwaltungsakt im Original vor.

II.

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde (einschließlich der Schriftsätze des Bf) samt Ergänzung (vgl ON 7 des verwaltungsgerichtlichen Aktes). Der unter I. dargelegte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Akt der belangten Behörde und der eingeholten Ergänzung.

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits nach der Aktenlage hinreichend geklärt war, konnte gemäß § 24 VwGVG trotz Parteienantrag von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden (vgl VwGH 06.11.2013, 211/05/0007; 15.05.2014, 2012/05/0089).

III.

1. Gem Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Ober­österreich ergibt sich aus Art 131 Abs 1 B-VG und dem Nichtvorliegen von abweichenden Regelungen in den Abs 2 und 3 leg cit.

 

Die Beschwerde ist daher zulässig.

 

2. Gem §§ 36 Abs 1 iVm 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gem Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Gem § 12 VwGVG sind die Schriftsätze bis zur Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht bei der belangten Behörde einzubringen. Der Bescheid der belangten Behörde wurde dem Bf zuhanden seines rechtsfreundlichen Vertreters am 19. März 2014 zugestellt. Dagegen erhob der Bf durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 14. April 2014, Beschwerde an das Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich.

 

Die Beschwerde ist daher auch rechtzeitig.

IV.

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat im Rahmen des durch §§ 27 und 9 Abs 1 Z 3 und Z 4 VwGVG normierten Prüfungsumfangs durch seine gemäß § 2 VwGVG zuständige Einzelrichterin erwogen:

 

1. Unter Rz 67ff seines Schriftsatzes bringt der Bf vor, beim Schreiben des Bürgermeisters vom 4. September 2013 handle es sich um einen Bescheid, da das Schreiben einen normativen Kern aufweise. Die dagegen erhobene Berufung hätte demzufolge von der belangten Behörde nicht zurückgewiesen werden dürfen.

 

Zur Frage des normativen Gehalts einer behördlichen Äußerung führen Hengstschläger/Leeb aus: „Der normative Gehalt (der autoritative Charakter [VwGH 24. 3. 2004, 2003/09/0153]) muss sich aus der – imperativen und nicht bloß belehrenden (vgl Raschauer² Rz 922, 926; ferner VfSlg 3728/1960) oder narrativen (VwGH 20. 6. 2001, 2001/06/0013) – Formulierung der behördlichen Erledigung ergeben“ (AVG [2. Ausgabe 2014] § 58 Rz 6 [Stand 1.7.2005, rdb.at]). „Grundsätzlich ist in einem Akt, der nur eine eher allgemein gehaltene Aufforderung darstellt, den gesetzmäßigen Zustand herzustellen, nicht ein Bescheid zu sehen“ (Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht [1998] Rz 922). Angesichts des erkennbaren Willens des Bürgermeisters im gegenständlichen Schreiben, den Bf über die Sachlage (konsenslose Bauführungen) zu informieren und über die Rechtslage zu belehren sowie den Bf allgemein dazu aufzufordern, den gesetzmäßigen Zustand herzustellen (beispielsweise durch Beibringung von Unterlagen; vgl zur Aufforderung zur Einbringung eines Bauantrages VwSlg 6981 A/1966), geht das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in Übereinstimmung mit der belangten Behörde vom Nichtvorliegen eines Bescheides aus. Die Zurückweisung der Berufung in diesem Punkt (Spruchpunkt 1.)) erweist sich daher als nicht rechtswidrig.

 

2. Mit Spruchpunkt 2.) b.) aa.) des in Beschwerde gezogenen Bescheides wird dem Bf als Alleineigentümer des Gebäudes „B“ „die Benützung der auf dem Grundstück x KG x gelegenen baulichen Anlagen, insbesondere die im Haus ‚B‘ gelegenen beiden Kellerräume im Ausmaß von 40,5 und 59,3 m² und des im Dachgeschoss gelegenen Dachbodens (Produktionsraum) im Ausmaß von 97,8 m² sowie des vor dem Gebäude errichteten Vorplatzes, zu gewerblichen Zwecken, insbesondere als Produktionsstätte zur Fertigung von Kabelbäumen, gemäß § 50 Abs. 2 und 4 Oö. BauO 1994 und § 40 Abs 8 Oö. ROG 1994 untersagt“. Damit spricht die belangte Behörde erstmals ein Benützungsverbot gegenüber dem Bf aus, da der erstinstanzliche Bescheid des Bürgermeisters nicht an den Bf als Bescheidadressat gerichtet war.

Zum einen wird im Bescheidkopf ausdrücklich die Ehegattin des Bf (S W) als Adressatin des erstinstanzlichen Bescheides betreffend Untersagung der Benützung angeführt. Zum anderen erging der erstinstanzliche Bescheid laut Zustellverfügung lediglich „weiters an“ den Bf als Grundeigentümer sowie an die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zur Information. Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich konnte der Bf daraus nicht schließen, dieser Bescheid würde sich auch an ihn als Adressat richten. Darüber hinaus erließ der Bürgermeister mit gleichem Datum, versehen mit der gleichen Geschäftszahl, einen (erstinstanzlichen) Bescheid gegenüber dem Bf, mit dem diesem die Benützung des Zubaus untersagt wurde. Ginge man nun davon aus, dass der an die Ehegattin des Bf adressierte erstinstanzliche Bescheid auch gegenüber dem Bf erlassen worden wäre, so müsste man dem Bürgermeister rechtwidriges Vorgehen unterstellen, da die Untersagung der Benützung des Zubaus eben auch einen Spruchpunkt im erstinstanzlichen Bescheid an die Ehegattin enthielt. Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich ist dem Bürgermeister eine derartige Vorgehensweise allerdings nicht zu unterstellen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der an die Ehegattin adressierte Bescheid lediglich gegenüber dieser erlassen werden sollte und die Zustellung an den Bf nur zur Information (in seiner Eigenschaft als Grundeigentümer) erfolgte. Hinsichtlich der Untersagung der Benützung des Zubaus erging sodann ein gesonderter (erstinstanzlicher) Bescheid an den Bf.

 

Die belangte Behörde belastete damit ihren Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt 2.) b.) aa.) mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit, da sie die Parteien des Verfahrens und die Bescheidadressaten nicht auswechseln und deren Kreis nicht erweitern darf (VwGH 30. 6. 1994, 94/09/0035; 25. 10. 1994, 92/07/0098; 18. 10. 2001, 2000/07/0096).

 

3. Unter Rz 24ff seines Schriftsatzes behauptet der Bf, mit Spruchpunkt 2.) b.) aa.) des in Beschwerde gezogenen Bescheides hätte die belangte Behörde dem Bf jegliche Gewerbeausübung (nicht bloß jene zur Herstellung von Flachbandkabeln) untersagt. Er führt unter Rz 41ff weiters aus, „dass die Behörde erster Instanz etwas anderes zum Gegenstand ihres Bescheides gemacht hat, als die [belangte Behörde]“. „In diesem Fall wird nämlich, soweit diese Grenzen überschritten werden, die Behörde zweiter Instanz zur Behörde erster Instanz, wodurch dem Bf der gesetzliche Richter entzogen wird, als es dem Bf zusteht, dass in einem Verfahren (Mitparteiengehör) über den Sachgegenstand zunächst die erste und erst dann die zweiter Instanz entscheidet.

 

Mit dieser Behauptung ist der Bf im Ergebnis im Recht. Nach stRsp des Verwaltungsgerichtshofes (siehe die bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2. Ausgabe 2014] § 66 Rz 59 [Stand 1.7.2005, rdb.at] wiedergegebene Judikatur) ist „Sache“ des Berufungsverfahrens der Gegenstand des Verfahrens in der Vorinstanz, dh jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs des angefochtenen Bescheides der Unterinstanz gebildet hat. Mit dem Bescheid des Bürgermeisters vom 4. September 2013 wurde gem

§ 50 Abs. 2 und 4 OÖ Bauordnung 1994 idgF. [...] die Benützung der Räumlichkeiten [...] des mit Baubewilligungsbescheid vom 3. Juli 1973 [...] bewilligten Wohnhauses‚ B‘ als Produktionsfläche zur Fertigung von Kabelbäumen bzw. Flachbandkabeln untersagt“ (Unterstreichungen nicht im Original).

Dagegen untersagte die belangte Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid die

Benützung der auf dem Grundstück x KG x gelegenen baulichen Anlagen, insbesondere die im Haus ‚B‘ gelegenen beiden Kellerräume im Ausmaß von 40,5 und 59,3 m² und des im Dachgeschoss gelegenen Dachbodens (Produktionsraum) im Ausmaß von 97,8 m² sowie des vor dem Gebäude errichteten Vorplatzes, zu gewerblichen Zwecken, insbesondere als Produktionsstätte zur Fertigung von Kabelbäumen, gemäß § 50 Abs. 2 und 4 Oö. BauO 1994“ (Unterstreichungen nicht im Original).

Während den Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens die Untersagung der Benutzung zur Produktion von „Kabelbäumen bzw. Flachbandkabeln“ im „Wohnhaus B“ bildete, ging die belangte Behörde im Berufungsverfahren über die durch den erstinstanzlichen Spruch gezogenen Grenzen hinaus und untersagte die Benützung „der auf dem Grundstück x KG x gelegenen baulichen Anlagen [...] sowie des vor dem Gebäude errichteten Vorplatzes“ „zu gewerblichen Zwecken“. Spricht aber die Berufungsbehörde über eine Angelegenheit in der Sache ab, die nicht Gegenstand des unterinstanzlichen Bescheides gewesen ist, leidet der Berufungsbescheid an Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Rechtsmittelbehörde, weil eine derartige Entscheidung nicht in ihre funktionelle Kompetenz fällt (Hengstschläger/Leeb aaO; VwGH 31. 5. 2005, 2003/20/0138; 21. 10. 2005, 2005/12/0115; 26. 9. 2006, 2006/17/0078).

 

Im Ergebnis leidet Spruchpunkt 2.) b.) aa.) in zweifacher Hinsicht an Rechtswidrigkeit: einerseits wechselte die belangte Behörde in unzulässiger Weise den Bescheidadressaten aus, indem sie die an die Ehegattin des Bf erlassene Benützungsuntersagung erstmals im Berufungsverfahren gegenüber dem Bf aussprach. Andererseits sprach die belangte Behörde über eine Angelegenheit ab, die nicht Gegenstand des unterinstanzlichen Verfahrens war, da sie – im Gegensatz zur erstinstanzlichen Entscheidung – jegliche Gewerbeausübung in allen auf dem Grundstück x KG x gelegenen baulichen Anlagen untersagte.

 

4. Hinsichtlich Spruchpunkt 2.) b.) bb.) fehlen nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich maßgebliche Sachverhaltselemente. Die belangte Behörde bezieht sich hinsichtlich der Beurteilung des Sachverhalts auf jene Feststellungen, die in der (gemeinsamen) gewerbebehördlichen Verhandlung am 1. August 2013 getroffen wurden. Seither eingetretene Änderungen wurden von der belangten Behörde nicht berücksichtigt. Es ist für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich anhand der Aktenlage nicht eindeutig feststellbar, ob der verfahrensgegenständliche Zubau bereits fertiggestellt wurde und ob dieser derzeit auch tatsächlich (für die Produktion von Kabelbäumen etc) benützt wird. Ebenfalls ist für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Feststellung der belangten Behörde nicht nachvollziehbar, wonach eine Fertigstellungsanzeige, die sich auf selbständig benützbare Gebäudeteile beziehe nicht vorliege bzw eine solche nicht einmal behauptet werde. Denn dem vorgelegten Verwaltungsakt kann eine Fertigstellungsanzeige des Bf vom 1. Februar 2014 entnommen werden, mit der der Bf die Fertigstellung von „Keller 1, Keller 2, Büro, Wintergarten (innen) für alle“ anzeigt. Insgesamt steht nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich der maßgebliche Sachverhalt (§ 28 Abs 2 Z 1 VwGVG) zur Prüfung der Untersagung der Benützung mangels Fertigstellungsanzeige gem § 44 Abs 2 Oö. BauO 1994 nicht fest.

 

Hinsichtlich § 28 Abs 2 Z 2 VwGVG ist auszuführen: Würde man betreffend des Kriteriums der Raschheit auf die mögliche Dauer der Erzielung einer endgültigen Sachentscheidung abstellen, blieben letztlich kaum Fälle für die kassatorische Einschränkung in § 28 Abs 2 Z VwGVG ausgespart und der Bestimmung käme (nahezu) keine praktische Bedeutung zu. Es ist daher davon auszugehen, dass eine Behebung des angefochtenen Bescheides und eine Zurückverweisung an die Behörde zur neuerlichen Entscheidung zulässig ist, wenn die Behörde danach ihr neuerliches Ermittlungsverfahren voraussichtlich mindestens zum gleichen Datum abschließen kann wie es das Verwaltungsgericht könnte. Davon ist im vorliegenden Fall unstrittig auszugehen.

 

Bezüglich des Kriteriums der Kosten des Verfahrens ist eine Zurückverweisung zulässig, wenn dadurch höchstens etwas höhere Kosten entstünden, als wenn das Verwaltungsgericht sein Ermittlungsverfahren durchführt (vgl zur wortgleichen Bestimmung in Art 130 Abs 4 Z 2 B-VG Leeb, Das Verfahrensrecht der [allgemeinen] Verwaltungsgerichte unter besonderer Berücksichtigung ihrer Kognitionsbefugnis, in Janko/Leeb [Hrsg], Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz [2013] 85 [99f]; ebenso Fischer, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte I. Instanz [VwGVG], in Österreichische Juristenkommission [Hrsg] Justizstaat: Chance oder Risiko? [2014] 311 [316ff]).

 

Im gegenständlichen Fall ist für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht ersichtlich, dass die eigene Sachverhaltsermittlung eine Kostenersparnis in welche Richtung auch immer (konkrete Amtshandlung/Gesamtverfahren) bewirken könnte. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die belangte Behörde ihr Ermittlungsverfahren erst zu einem späteren Zeitpunkt abschließen wird können als das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ein von ihm geführtes abschließen könnte.

 

Da die belangte Behörde einen Widerspruch gem § 28 Abs 3 erster Satz VwGVG erhoben hat, durfte vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eine Entscheidung in der Sache nicht getroffen werden und bleibt die Kognitionsbefugnis auf ein kassatorisches Vorgehen beschränkt. Spruchpunkt 2.) b.) bb.) war daher gem § 28 Abs 3 erster Satz VwGVG mit Beschluss aufzuheben und zur Entscheidung in der Sache an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

V.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl zu IV.1. VwGH 24. 3. 2004, 2003/09/0153; VwSlg 6981 A/1966 [zur Aufforderung zur Einbringung eines Bauantrages]; zu IV.2. VwGH 30. 6. 1994, 94/09/0035; 25. 10. 1994, 92/07/0098; 18. 10. 2001, 2000/07/0096; zu IV.3. VwGH 31. 5. 2005, 2003/20/0138; 21. 10. 2005, 2005/12/0115; 26. 9. 2006, 2006/17/0078; zu IV.4. vgl VwGH 26. 6. 2014, Ro 2014/03/0063). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Elisabeth Wiesbauer