LVwG-950008/8/MB/JB

Linz, 10.11.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde des J. B., vertreten durch RAe Univ.-Prof. Dr. B. B., Dr. J. B. und Mag. M. M. xstraße x, L., gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Steyregg vom
16. Oktober 2012,  GZ. 004-3/2012/Heu,

 

den Beschluss gefasst:

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 3 VwGbk-ÜG wird der als Beschwerde geltenden Vorstellung stattgegeben, der Bescheid der belangten Behörde behoben und zur neuerlichen Entscheidung an diese zurückverwiesen.

 

II.       Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Bescheid vom 27. August 2012, GZ: 004-3/2012/Heu wurde dem Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) vom 14. März 2012 vom Bürgermeister der Stadtgemeinde Steyregg nicht stattgegeben und ausgesprochen, dass dem Bf für den Zeitraum vom 1. April 2008 bis zum
15. März 2012 keine Nachzahlung des Differenzbetrages zwischen dem Bezug eines haupt- und nebenberuflichen Bürgermeisters gewährt werde.

 

Als Rechtsgrundlage führt der Bürgermeister § 2 Abs. 1 Z 13 (wohl: Z 3) lit. b bzw. § 2 Abs. 4a Z 3 lit. b Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998, LGBGl 9/1998 idgF an.

 

Begründend wird im Wesentlichen dargelegt, dass dem Bf mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde Steyregg vom 14. März 2002 ein monatlicher Ruhegenuss zugesprochen wurde. Er erhalte diese Geldleistung aus seiner vormaligen Tätigkeit als Beamter der Stadtgemeinde x seit 1. April 2002 laufend. § 2 Abs. 4a Z 3 lit. b Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998 idgF lasse dahingehend keinen Spielraum und stehe dem Bf daher nur der nebenberufliche Bezug zu.

 

2. Mit Schreiben vom 31. August 2012 erhob der Bf dagegen umfassend das Rechtsmittel der Berufung an den Gemeinderat der Stadtgemeinde Steyregg. Im Wesentlichen führt der Bf darin aus, dass die Ruhensbestimmungen für Beamte nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verfassungswidrig seien, der Gleichheitsgrundsatz durch das Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998 verletzt werde und eine Altersdiskriminierung gegeben sei.

 

3. Mit Bescheid vom 16. Oktober 2012, GZ: 004-3/2012/Heu, wird die Berufung des Bf durch den Gemeinderat der Stadtgemeinde Steyregg „...abgelehnt...“. Begründend führt die belangte Behörde aus, dass sich die Gesetzeslage seit dem ablehnenden Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Steyregg nicht geändert habe und die Argumente des Bf in seiner Berufung zu keinem anderen Ergebnis führen.

 

4. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2012 erhob der Bf dagegen das Rechtsmittel der Vorstellung gem. Art. 119a Abs. 5 B-VG(alt) iVm § 102 Oö. Gemeindeordung (alt) und begründet dies im Wesentliche damit, dass der Bf aus den in der Berufung angeführten Gründen durch den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Steyregg in seinen Rechten verletzt werde und beantrage daher, dass der Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Entscheidung an die Stadgemeinde Steyregg zurückzuverweisen sei.

 

3. Mit Bescheid vom 27. Dezember 2012 wurde die Vorstellung der Bf von der Oö. Landesregierung als unbegründet abgewiesen.

 

Begründend wird darin im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Antrag auf Nachzahlung, der vom Bf berechneten Summe idHv.: 112.602, 55 EUR (netto 65.006,73 EUR) zu Recht nicht Folge gegeben wurde, da der Bf für den Zeitraum vom 1. April 2002 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Bürgermeisteramt am 16. März 2012 einen Ruhegenuss aus seiner früheren Tätigkeit als Beamter der Stadtgemeinde x bezogen habe und ihm seit dem In-Kraft-Treten der Oö. Gemeinde-Bezügegestz-Novelle 2008 – am 1. Jänner 2008 – nur mehr der nebenberufliche Bürgermeisterbezug zustehe. Der Bf sei daher durch die Auszahlung des Bezuges eines nebenberuflichen Bürgermeisters für diesen Zeitraum nicht in seinen Rechten verletzt worden.

 

4. Der Bf erhob dagegen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

 

5. Mit Erkenntnis vom 23. Juni 2014, B 187/2013-16 hob der Verfassungsgerichtshof den Bescheid der Oö. Landesregierung wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung auf.

 

5.1. Mit Erkenntnis vom 13. Juni 2014, G 25-26/2014-11 hob der Verfassungsgerichtshof in § 2 Abs. 4a Z 3 Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998, LGBl. 9 idF 11/2008 die lit. b, die lit. c, das Wort „oder“ in der lit. d sowie die Wortfolge „aus einer betrieblichen Pensionsvorsorge“ in der lit. e als verfassungswidrig auf. Das Verfahren zur Zahl B 187/2013 wurde insofern als Anlassverfahren zu Grunde gelegt. Mit 31. Juli 2014 wurde der Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes in LGBl. 53/2014 kundgemacht.

 

6. Mit Schreiben vom 14. Jänner 2014 übermittelte die Oö. Landesregierung den beschwerdeverfangenen Akt zur Entscheidung an das
Oö. Landesverwaltungsgericht.

 

 

II.

 

1. Gem. § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte im konkreten Fall von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Akt. Der so in den entscheidungswesentlichen Punkten zu Grunde zu legende Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus den in Punkt I. dargelegten Vorbringen sowie Schriftsätzen und aus dem vorgelegten Akt.

 

3. Gem. § 2 VwGVG hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durch einen Einzelrichter die Entscheidung zu treffen.

 

 

III.

 

1. Gem. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gem. Art. 131 Abs. 1 B-VG erkennen – soweit sich aus Art. 131. Abs. 2 und 3 B-VG nichts anderes ergibt – über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Verwaltungsgerichte der Länder. Gem. Art 118 Abs. 4 B-VG besteht in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches ein zweistufiger Instanzenzug. Dieser kann gesetzlich ausgeschlossen werden. Gem. § 95 Oö. GemeindeO entscheidet – soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist - der Gemeinderat über Berufungen gegen Bescheide anderer Gemeindeorgane in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde. Insofern ist vor dem Hintergrund des Art. 118 Abs. 3 B-VG und des § 40 Oö. GemeindeO davon auszugehen, dass in der verfahrensgegenständlichen Angelegenheit ein Instanzenzug gegeben ist, und das Verwaltungsgericht nach Ausschöpfung dieses Instanzenzuges angerufen werden kann.

 

2. Gem. § 3 Abs. 3 iVm Abs. 1 VwGbk-ÜG, BGBl I 122/2013, gilt die verfahrensgegenständliche Vorstellung als Beschwerde gem. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG.

 

3. § 2 Abs. 4a und 4b Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998, idF VfGH G 25-26/2014 (in der Folge: Oö. GBG 1998) mit dem zeitlichen Anwendungsbereich auf die Bezüge vom 14. März 2008 bis zum 16. März 2012 lauten (sohin vor der Novelle LGBl 64/2013):

 

[...]

 

(4a) Organen nach Abs. 1 gebührt der Bezug für die nebenberufliche Ausübung der Funktion, wenn sie

1. gemäß Abs. 3 erklärt haben, dass sie ihre Funktion nebenberuflich ausüben oder

2. keine Erklärung gemäß Abs. 3 abgegeben haben oder

3. während der Funktionsausübung einen Anspruch auf Geldleistung

a) für die Ausübung der Funktion eines Mitglieds einer gesetzgebenden Körperschaft oder des Europäischen Parlaments oder

[b) aus einem Ruhe- oder Versorgungsbezug oder]

[c) aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung oder]

d) aus einer gesetzlichen Arbeitslosenversicherung (Altersteilzeitgeld) [oder]

e) [aus einer betrieblichen Pensionsvorsorge] haben.

 (Anm: LGBl. Nr. 11/2008, 53/2014 [VfGH G 25-26/2014])

 

(4b) Abweichend von Abs. 4a Z 3 gebührt der hauptberufliche Bezug, wenn die Geldleistungen gemäß Abs. 4a Z 3 lit. b bis e gesetzlichen Ruhensbestimmungen unterliegen. In diesem Fall ist aber die durch die Ruhensbestimmung verringerte Geldleistung in den Differenzbetrag zwischen haupt- und nebenberuflichen Bezug einzurechnen und der hauptberufliche Bezug entsprechend zu kürzen. (Anm: LGBl. Nr. 13/2008)

 

[...]

 

4. Unstrittig kann festgehalten werden, dass der Bf im Zeitraum vom
6. November 1997 bis zum 16. März 2012 Bürgermeister der Gemeinde x war. Bis 31. März 2002 war der Bf überdies aktiver Beamter dieser Gemeinde. Ab 1. April 2002 übte der Bf das Amt des Bürgermeisters hauptberuflich aus, und erhielt die dementsprechenden Bezüge. Mit der Novelle des Oö. Gemeinde-Bezügegesetzes 1998, LGBl. 11/2008 änderte sich die rechtliche Situation und der Bf erhielt ab dem 14. März 2008 die Bezüge eines nebenberuflichen Bürgermeisters, da er eben Ruhebezüge aus seiner vormaligen beruflichen Tätigkeit gegen sich gelten lassen musste und § 2 Abs. 4a Z 3 lit. b Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998 idF vor VfGH 25-26/2014 und vor LGBl 64/2013 zur Anwendung kommt.

 

4.1. Da für den zeitlichen Anwendungsbereich der Bezüge im konkreten Fall (14. März 2008 bis 16. März 2012) nach VfGH G 25-26/2014 aufgrund der Anlassfallwirkung gem. Art. 140 Abs. 7 B-VG kein Indikator für eine nebenberufliche Ausübung mehr vorliegt, hat der Bf die Funktion hauptberuflich iSd § 2 Oö. GBG 1998 ausgeübt. Die Bezüge auf Basis der Ruhebezüge in diesem Zeitraum, muss der Bf aufgrund des Ausspruches des Verfassungsgerichtshofes nicht gegen sich gelten lassen.

 

Hinzutritt, dass aufgrund des Fehlens des verwiesenen Lit in § 2 Abs. 4a Oö. GBG 1998, § 2 Abs. 4b Oö. GBG 1998 dessen Anwendungsbereich eingeschränkt wird.

 

4.2. Gem. § 28 Abs. 3 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverweisen, wenn die notwendigen Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen wurden und der maßgebliche Sachverhalt nicht feststeht und die Feststellung desselbigen, durch das Verwaltungsgericht selbst nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis oder nicht im Interesse der Raschheit des Verfahrens gelegen sind.

 

4.3. Zunächst ist zu erkennen, dass lediglich im Antrag eine vom Bf ohne nähere Berechnungen angeführte, auszuzahlende Summe dargelegt wird. Wie zu diesen Beträgen zu gelangen ist, ergibt sich nicht aus dem Akt. Dieser Betrag wurde auch von der Behörde jeweils als „von ihm selbst berechneter Betrag“ bezeichnet, aber nicht näher hinterfragt oder nachermittelt. Der Betrag selbst stellt aber aufgrund der Reduktion des § 2 Abs. 4a Z 3 Oö. GBG 1998 durch den Verfassungsgerichtshof den überwiegenden Teil des zu ermittelnden und festzustellenden Sachverhaltes dar.

 

Auch eine weiterführende eigenständige – zur damals noch dem Grunde nach anwendbaren Norm des § 2 Abs. 4b Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998 idF vor VfGH 25-26/2014 – Berechnung wurde nicht durchgeführt.

 

4.4. Die Errechnung und Feststellung der genauen Auszahlungsbeträge kann von der Gemeinde vor Ort (durch die Personalverrechnungsunterlagen und den Zugang zu den sonstigen bezugsrelevanten Daten im Personalakt usw) wesentlich einfacher und rascher erfolgen, als vor dem Landesverwaltungsgericht, zumal keinerlei Grundlagen und Aktenbestandteile dahingehend im vorliegenden Verwaltungsakt vorhanden sind.

 

4.5. Im Ergebnis ist im vorliegenden Fall sohin ein Feststellungsmangel aufgrund Rechtsfehler – durch die Änderung der Rechtslage durch den Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes – gegeben. Der maßgebliche Sachverhalt wurde nicht festgestellt und wurden dahingehend auch keine Ermittlungsschritte von der belangten Behörde gesetzt (s zur diesbezüglichen Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG, Winkler, Vorrang der reformatorischen Sachentscheidung – VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, ZVG 2014/5, 437).

 

5. Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

III.

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war und auch nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewiesen wird (vgl. VwGH vom 26.5.1997,
Zl. 96/12/0386).

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Brandstetter