LVwG-400007/2/Gf/Rt

Linz, 10.01.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K !

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Gróf über die Beschwerde des R gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 14. Oktober 2013, Zl. VerkR96-31150-2013/Dae, wegen der Zurückweisung eines Einspruches als verspätet

 

 

      zu Recht  e r k a n n t :

 

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG i.V.m. § 28 Abs. 5 VwGVG wird der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

II.         Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 4 Z. 2 VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 letzter Satz B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 


 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 14. Oktober 2013, Zl. VerkR96-31150-2013/Dae, wurde der Einspruch des Beschwerdeführers gegen eine Strafverfügung derselben Behörde vom 6. August 2012, Zl. VerkR96-31150-2012, mit der über ihn deshalb eine Geldstrafe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 120 Stunden) verhängt wurde, weil er am 30. April 2012 um 13:55 Uhr auf der Autobahn A 1 im Gemeindegebiet von Ansfelden ein mehrspuriges KFZ mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 3,5 t gelenkt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, da am Fahrzeug keine gültige Vignette angebracht gewesen sei, sodass er dadurch eine Übertretung des § 11 Abs. 1 des Bundesstraßen-Mautgesetzes, BGBl.Nr. I 109/2002 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 135/2008 (im Folgenden: BStMG), begangen habe, weshalb er nach § 20 Abs. 1 BStMG zu bestrafen gewesen sei, als verspätet zurückgewiesen.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass ihm diese Strafverfügung (zwar erst) am 2. April 2013 zugestellt worden sei; davon ausgehend habe die zweiwöchige Rechtsmittelfrist aber bereits mit Ablauf des 16. April 2013 geendet, weshalb der erst am 17. April 2013 zur Post gegebene Einspruch als verspätet anzusehen sei.

 

2.1. Wann dem Beschwerdeführer der angefochtene Bescheid vom 14. Oktober 2013 zugestellt wurde, lässt sich im Nachhinein mangels entsprechender Nachweise im behördlichen Akt nicht mehr objektiv nachvollziehen; es ist daher zu Gunsten des Rechtsmittelwerbers davon auszugehen, dass seine am 6. November 2013 zur Post gegebene Beschwerde rechtzeitig erhoben wurde.

 

2.2. Darin wird der Sache nach vorgebracht, dass er in der Zeit um den 30. April 2012 in Österreich bei seiner Mutter auf Urlaub gewesen sei und daher aus diesem Anlass – wie auch sonst immer – eine Vignette gekauft habe.

 

Dass er seinen Einspruch gegen die Strafverfügung erst am 17. April 2013 zur Post gegeben habe, erkläre sich daraus, dass sich seine Arbeitsstelle in 34 km Entfernung von seiner Wohnung befinde, sodass er nur zweimal pro Woche nach Hause komme.

 

Daher wird – erschließbar – die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

 

II.

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu Zl. VerkR96-31150-2013.

 

Da sich bereits aus diesem in Verbindung mit dem Parteienvorbringen der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 44 Abs. 3 Z. 3 VwGVG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2. Weil im BStMG Abweichendes nicht angeordnet ist, hatte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich im vorliegenden Fall gemäß Art. 135 Abs. 1 B‑VG durch einen Einzelrichter zu entscheiden.

 

 

III.

 

In der Sache selbst hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich über die vorliegende Beschwerde erwogen:

 

1. Gemäß § 49 Abs. 1 VStG kann ein Beschuldigter gegen eine Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung einen Einspruch erheben.

 

Nach § 24 VStG i.V.m. § 32 Abs. 2 AVG enden u.a. nach Wochen bestimmte Fristen mit dem Tag der letzten Woche, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.

 

2. Im gegenständlichen Fall wurde dem Beschwerdeführer die Strafverfügung der belangten Behörde vom 6. August 2012, Zl. VerkR96-31150-2012, – auch von ihm selbst unwidersprochen – am 2. April 2013 (Dienstag, kein Feiertag) zugestellt.

 

Mit diesem Tag begann die zweiwöchige Frist des § 49 Abs. 1 VStG zu laufen und endete daher am 16. April 2013 um 24:00 Uhr (Dienstag, [auch in der BRD bzw. in Baden-Württemberg] kein Feiertag).

 

3. Vor diesem Hintergrund würde sich daher der zwar mit 16. April 2013 datierte, laut Poststempel jedoch erst am 17. April 2013 zur Post gegebene Einspruch gegen die Strafverfügung als verspätet erweisen, sodass die mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde verfügte Zurückweisung des Einspruches grundsätzlich als rechtmäßig erschiene.

 

4. Im gegenständlichen Fall ist jedoch zu prüfen, ob die Zustellung der Strafverfügung am 2. April 2013 tatsächlich ordnungsgemäß erfolgt ist.

 

Dies trifft im Ergebnis aus folgenden Gründen nicht zu:

 

4.1. Zunächst ist im gegebenen Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass nach § 11 Abs. 1 ZustG Zustellungen im Ausland primär nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen vorzunehmen sind.

 

4.2. Davon ausgehend hat die belangte Behörde zutreffend mit do. Schreiben vom 6. März 2013, Zl. VerkR96-31150-2012-Dae, unter Heranziehung der Art. 10 bis Art. 12 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl.Nr. 526/1990, das Regierungspräsidium Freiburg (Bundesland Baden-Württemberg) um die Veranlassung der Zustellung ihrer Strafverfügung vom 6. August 2012 an den Beschwerdeführer durch die Deutsche Post ersucht.

 

Gleichzeitig wurde jedoch explizit verfügt, dass die Zustellung mit Zustellungsurkunde erfolgen soll, wobei eine „Ersatzzustellung ausgeschlossen, Niederlegung jedoch zulässig“ ist.

 

4.3. Im gegenständlichen Fall geht aus der im Akt der belangten Behörde erliegenden Zustellungsurkunde der Deutschen Post zu Zl. 24-0137/1969-Zi hervor, dass am 2. April 2013 zunächst versucht wurde, die Strafverfügung dem Rechtsmittelwerber zu übergeben; weil eine persönliche Übergabe jedoch nicht möglich war, wurde das Schriftstück in den „zur Wohnung gehörenden Briefkasten ..... eingelegt“.

 

Bei diesem Vorgang – nämlich: der Einlegung in den Briefkasten – handelt es sich nach § 180 der deutschen Zivilprozessordnung, BGBl. 2005 I S. 3202 i.d.g.F. BGBl. 2013 I S. 3786, im Folgenden: dZPO (die im gegenständlichen Fall gemäß § 3 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes für Baden-Württemberg, GBl. 2007/ S. 293 i.d.g.F. GBl. 2009/363, auch für das Zustellungsverfahren des Regierungspräsidiums Freiburg maßgeblich war), um eine spezifische Form der Ersatzzustellung (neben dem Typus der Ersatzzustellung durch Niederlegung gemäß § 181 dZPO).

 

Zwar gilt das Schriftstück nach § 180 dZPO mit der Einlegung in den Briefkasten als zugestellt; dies jedoch nur dann, wenn und soweit diese Form der Ersatzzustellung a priori zulässig gewesen wäre. Im gegenständlichen Fall hatte die belangte Behörde jedoch eine – d.h. jegliche Form der – Ersatzzustellung ausdrücklich ausgeschlossen, sodass die gesetzliche Vermutung des § 180 dZPO hier schon von vornherein nicht zum Tragen kommen konnte.

 

Wenngleich § 189 dZPO eine dem § 7 ZustG analoge Form der Heilung von Zustellungsmängeln vorsieht – nämlich derart, dass dann, wenn sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen lässt oder das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, es als in dem Zeitpunkt zugestellt gilt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war, tatsächlich zugegangen ist –, lässt sich jedoch im vorliegenden Fall nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit belegen, dass dem Beschwerdeführer die Strafverfügung vom 6. August 2012 bereits am 2. April 2013 auch tatsächlich zugekommen ist. Hätte er diese aber beispielsweise erst am nächsten Tag aus seinem Briefkasten entnommen, dann wäre die Zustellung als erst am 3. April 2013 vollzogen anzusehen, mit der Folge, dass sich der am 17. April 2013 zur Post gegebene Einspruch als rechtzeitig erweisen würde.

 

4.4. Solange und soweit gegenteilige Nachweise nicht vorliegen, war sohin gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK im Zweifel zu Gunsten des Rechtsmittelwerbers davon auszugehen, dass dessen Einspruch gegen die Strafverfügung der belangten Behörde vom 6. August 2012 nicht verspätet erhoben wurde.

 

4.5. Dem entsprechend war der gegenständlichen Beschwerde im Ergebnis gemäß § 50 VwGVG i.V.m. § 28 Abs. 5 VwGVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid (ersatzlos) aufzuheben.

 

 

IV.

 

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist für den Beschwerdeführer gemäß § 25a Abs. 4 Z. 2 VwGG i.V.m. Art. 133 Abs. 4 letzter Satz B-VG nicht zulässig.

 

Für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei ist eine ordentliche Revision deshalb unzulässig, weil im Zuge des vorliegenden Verfahrens keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

 

Weder weicht nämlich die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

 

Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 Z. 2 VwGG eine Revision wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z. 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht nur der belangten Behörde bzw. der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen.

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr.  G r ó f

 

 

LVwG-400007/2/Gf/Rt vom 10. Jänner 2014

 

Erkenntnis

 

Rechtssatz

 

Art. 6 Abs. 2 EMRK;

§ 180 dZPO;

§ 181 dZPO;

§ 189 dZPO;

§ 7 ZustG;

§ 28 Abs. 5 VwGVG;

§ 50 VwGVG

 

* Im gegenständlichen Fall geht aus der im Akt der belangten Behörde erliegenden Zustellungsurkunde der Deutschen Post zu Zl. 24-0137/1969-Zi hervor, dass am 2. April 2013 zunächst versucht wurde, die Strafverfügung dem Rechtsmittelwerber zu übergeben; weil eine persönliche Übergabe jedoch nicht möglich war, wurde das Schriftstück in den „zur Wohnung gehörenden Briefkasten ... eingelegt“. Bei diesem Vorgang – nämlich: der Einlegung in den Briefkasten – handelt es sich nach § 180 der deutschen Zivilprozessordnung, BGBl. 2005 I S. 3202 i.d.g.F. BGBl. 2013 I S. 3786, im Folgenden: dZPO (die im gegenständlichen Fall gemäß § 3 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes für Baden-Württemberg, GBl. 2007/ S. 293 i.d.g.F. GBl. 2009/363, auch für das Zustellungsverfahren des Regierungspräsidiums Freiburg maßgeblich war), um eine spezifische Form der Ersatzzustellung (neben dem Typus der Ersatzzustellung durch Niederlegung gemäß § 181 dZPO).

 

* Zwar gilt das Schriftstück nach § 180 dZPO mit der Einlegung in den Briefkasten als zugestellt; dies jedoch nur dann, wenn und soweit diese Form der Ersatzzustellung a priori zulässig gewesen wäre. Im gegenständlichen Fall hatte die belangte Behörde jedoch „eine“ – d.h. jegliche Form der – „Ersatzzustellung“ ausdrücklich ausgeschlossen, sodass die gesetzliche Vermutung des § 180 dZPO hier schon von vornherein nicht zum Tragen kommen konnte.

 

* Wenngleich § 189 dZPO eine dem § 7 ZustG analoge Form der Heilung von Zustellungsmängeln vorsieht – nämlich derart, dass dann, wenn sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen lässt oder das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, es als in dem Zeitpunkt zugestellt gilt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war, tatsächlich zugegangen ist –, lässt sich jedoch im vorliegenden Fall nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit belegen, dass dem Beschwerdeführer die Strafverfügung vom 6. August 2012 bereits am 2. April 2013 auch tatsächlich zugekommen ist. Hätte er diese aber beispielsweise erst am nächsten Tag aus seinem Briefkasten entnommen, dann wäre die Zustellung als erst am 3. April 2013 vollzogen anzusehen, mit der Folge, dass sich der am 17. April 2013 zur Post gegebene Einspruch als rechtzeitig erweisen würde.

 

* Solange und soweit gegenteilige Nachweise nicht vorliegen, war sohin gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK im Zweifel zu Gunsten des Rechtsmittelwerbers davon auszugehen, dass dessen Einspruch gegen die Strafverfügung der belangten Behörde nicht verspätet erhoben wurde. Dem entsprechend war der gegenständlichen Beschwerde im Ergebnis gemäß § 50 VwGVG i.V.m. § 28 Abs. 5 VwGVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid (ersatzlos) aufzuheben.

 

 

Beschlagwortung:

 

Verwaltungszustellung nach deutschem Recht; Einlegen in Breifkasten; Niederlegung; Ersatzzustellung; Heilung von Zustellmängeln