LVwG-150214/6/EW/FE

Linz, 27.11.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Wiesbauer über die Beschwerde des Ing. E W, vertreten durch H, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Vöcklabruck vom 3. April 2014, GZ: II-920-833-2012/Ma, betreffend die Inanspruchnahme der Liegenschaft Stadtplatz 30, 4840 Vöcklabruck, zu Instandhaltungsarbeiten,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, und der Bescheid ersatzlos behoben.

 

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Schreiben vom 29.4.2009 stellte Herr G S als Vertreter der W (im Folgenden: x), den Antrag auf bescheidmäßige Feststellung der Inanspruchnahme der Liegenschaft S, zur Durchführung von Verputzarbeiten an einer Außenmauer. Die Baubehörde erster Instanz teilte Herrn G S (im Folgenden: Vertreter) die gesetzlich einzuhaltenden Schritte gemäß § 15 Abs. 4 Oö. BauO 1994 mit, nämlich den Grundstückseigentümer von der beabsichtigten Grundinanspruchnahme mindestens vier Wochen im Vorhinein unter genauer Angaben der Art und Dauer der beabsichtigten Inanspruchnahme schriftlich zu informieren. Diesem Schreiben entsprechend informierte der Vertreter der x den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) als Eigentümer der betroffenen Liegenschaft S, Grundstück Nr. x, KG x (im Folgenden: Grundstück Nr. x). Aus dem Schreiben des Bf vom 20. August 2009, welches dem Vertreter wie auch der Baubehörde erster Instanz übermittelt wurde, geht hervor, dass der Bf die Zustimmung zur Grundinanspruchnahme nicht erteilen werde. Auf Grund der Ergebnisse der am 7. Oktober 2009 durchgeführten mündlichen Verhandlung und der Stellungnahme der Bauabteilung der Stadtgemeinde Vöcklabruck vom 25. Juli 2011, in welcher ausgeführt wurde, dass die zu verputzende Mauer (im Lageplan des gerichtlich beeideten Sachverständigen Herrn Dipl.-Ing. D W, aufgenommen am 27. Jänner 2009, zwischen den Punkten 18, 19 und 20 bis zum Ende situiert) auf der Liegenschaft Stadtplatz 32, 4840 Vöcklabruck, Grundstück Nr. .x, KG x (im Folgenden: Grundstück Nr. x), liege und somit im Eigentum der x stehe, wurde mit Bescheid vom 18. August 2011 die Notwendigkeit der zweckmäßigen Inanspruchnahme der Liegenschaft des Bf für die geplanten Instandhaltungsarbeiten einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen festgestellt. Der Bf habe die vorübergehende Benützung zu dulden. Dieser Bescheid erging laut Zustellverfügung an „Immobilientreuhänder G S für die Eigentümergemeinschaft S“.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid erhob der rechtsfreundliche Vertreter des Bf rechtzeitig Berufung, welche er im Wesentlichen wie folgt begründet: Die gegenständliche Außenwand verlaufe nicht auf dem Grundstück der x sondern auf jenem des Bf. Selbst wenn man zu dem Ergebnis käme, dass die unverputzte Mauer die Eigentumsgrenze darstellen würde, dann müsse zwingendermaßen die Aufbringung des Putzes dazu führen, dass die Grundgrenze überschritten werde. Die fachliche Stellungnahme der Bauabteilung zur Grenzziehung sei nicht nachvollziehbar. Des Weiteren sei die zu verputzende Mauer nicht konsensgemäß errichtet worden und keine Berechnungen zur Ermittlung der Unzumutbarkeit der Höhe der Kosten durch Alternativen durchgeführt worden. Außerdem sei weder der Verwalter selbst noch die x gemäß § 15 Abs. 4 Oö. BauO 1994 antragsberechtigt, weil keiner von ihnen Liegenschaftseigentümer sei.

 

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. Jänner 2012, welcher laut Zustellverfügung an „G S, x“ ergangen ist, wird der Berufung nicht stattgegeben. Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass – wenn man kein Gerüst aufstellen, sondern etwa mit einem Kran arbeiten würde – mit Mehrkosten von mehr als 50 % zu rechnen sei und daher unzumutbar hohe Kosten auf den Antragsteller zukommen würden. Die Frage des Grenzverlaufes sei außerdem im Verfahren nach § 15 Oö. BauO 1994 keine Vorfrage. Antragsberechtigt sei außerdem derjenige, der die Inanspruchnahme beabsichtige.

 

I.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf rechtzeitig Vorstellung, da seiner Ansicht nach nicht sicher sei, ob die zu verputzende Mauer auf dem Grundstück der Mitglieder der x liege, der aufzutragende Vollwärmeschutz jedenfalls über die Grundstücksgrenze rage und die zu verputzende Mauer nicht konsensgemäß errichtet worden sei, weil diese einen Abstand von 30 cm von der Grundgrenze hätte einhalten müssen. Außerdem hätten weder der Verwalter noch die x selbst eine Antragslegitimation in Verfahren gemäß § 15 Oö. BauO 1994.

 

Die Oö. Landesregierung hat als Aufsichtsbehörde den Bescheid der belangten Behörde behoben und führt im Vorstellungsbescheid vom 7. August 2012, welcher an die „Eigentümergemeinschaft S, z.H. Herrn G S, Immobilienverwalter, M“ gerichtet ist, begründend aus, dass entgegen der Ansicht der belangten Behörde sehr wohl zu prüfen sei, ob die zu verputzende Mauer konsensgemäß errichtet wurde. Das Privileg, in den Anwendungsbereich des § 15 Oö. BauO 1994 zu kommen, setze eine konsensgemäße Errichtung voraus, da auch in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht eingegriffen werde. Die Bauabteilung komme laut Aktenvermerk vom 25. Juli 2011 zu dem Ergebnis, dass das Eigentum an der verfahrensgegenständlichen mühlbachseitigen Mauer auf dem Grundstück Nr. x liege. Damit habe die Baubehörde jedoch nicht geprüft, ob eine konsensgemäße Errichtung vorliege.

 

I.4. In der darauf ergangenen ergänzenden Stellungnahme des bautechnischen Amtssachverständigen vom 23. Jänner 2012 führt dieser Folgendes aus:

„Im gegenständlichen Verfahren ist hauptsächlich der nordöstliche Außenwandflügel des Objektes S, welcher bis dato noch nicht verputzt ist, betroffen. In den oben angeführten Einreichunterlagen des Dipl. HTL Ing. S vom 08.04.2002 – welche die Grundlage für den Baubewilligungsbescheid vom 26.06.2002 darstellten – beträgt der Abstand dieser Wand zur Liegenschaft Baufläche x im Bereich des im Süden einspringenden Eckes ca. 39 cm und im Bereich des nördlichen Gebäudeeckes ca. 30 cm. Das heißt die Wand verläuft in etwa parallel zur betroffenen Nachbargrundgrenze. Die Länge des betroffenen Wandflügels bis zum im Südosten angrenzenden Lager wurde mit 15,00 m angegeben. Bis zur im Südosten einspringenden Nachbargrundgrenze erzielt die Wand eine Länge von ca. 11,90 m (herausgemessen). Bei den in den Einreichunterlagen als "Grundgrenze" definierten Linie handelt es sich um die aus der damaligen Katastermappe entnommene "Grenze". Diese wurde in den nunmehr zur Verfügung gestellten Vermessungsplänen des Büros DI. W vom 27.01.2009 als schwarz-strichlierte Linie ausgewiesen. Im Rahmen dieser Neuvermessung (Erhebung des Ist-Standes) wurde die unverputzte "betroffene" Wand ebenfalls aufgenommen und als hellblau-strichlierte Linie dargestellt und mit "Mitte-Ziegel" bezeichnet Vergleicht man nun den Abstand des neuvermessenen Wandflügels (hellblau-strichlierte Linie) mit der aus der Katastermappe entnommenen Grenze (schwarz-strichlierte Linie) so ist im Bereich des im Süden einspringenden Eckes ein Abstand von ca. 40 cm (in den Einreichunterlagen mit 39 cm angegeben) abzunehmen. Die Länge des Wandflügels vom nördlichen Außeneck bis zur im Südosten einspringenden Grundgrenze beträgt im Vermessungsplan ca. 11,80 m. Dies entspricht ebenfalls der Darstellung in den ursprünglichen Einreichunterlagen. Entsprechend der neuen Vermessungsurkunde verläuft die Wand in etwa parallel zur Katastergrenze, wie dies auch in den oben angeführten Bauplänen dargestellt war.

 

Vergleicht man also die Darstellung des betroffenen Wandflügels in der Bestandsaufnahme des Geometers mit der Darstellung in den – der Baubewilligung zu Grunde gelegenen – Einreichplänen, kann man im Wesentlichen davon ausgehen, dass es zur "konsensgemäßen" Ausführung kam. Äußerungen im Zusammenhang mit der "tatsächlichen" Grundgrenze werden von mir nicht getroffen. Für den obigen Vergleich wurde jeweils die Darstellung der Grenze aus der Katastralmappe herangezogen.“

 

In der Äußerung des Bf vom 12. April 2013 zu dieser fachlichen Stellungnahme wird im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass 2 unterschiedliche Flächen (eine nordöstliche Fläche im Ausmaß von ca. 12 m x 2 m und eine dreiecksförmige Wandfläche) antragsgegenständlich seien. Mit der dreiecksförmigen Fläche setze sich der Amtssachverständige in seiner Stellungnahme in keiner Weise auseinander, außerdem sei sie konsenslos und auf der Liegenschaft des Bf errichtet worden und überschreite diese zusätzlich durch die Aufbringung des Vollwärmeschutzes, eines Reibeputzes und von Verblechungen. Bei der Errichtung der nordöstlichen Fläche sei die Grundgrenze deutlich überschritten worden, indem nicht nur an das Garagengebäude des Bf herangebaut worden sei, sondern auch ohne Rücksprache mit dem Bf die dortige rückwärtige Garagenmauer teilweise abgerissen und anstatt dessen die nunmehr zu verkleidende Mauer errichtet worden sei. Der Antragsteller habe außerdem verabsäumt anzuführen, in welcher Stärke die Verkleidung der Außenwand erfolgen soll. Außerdem komme der Amtssachverständige zu dem unrichtigen Ergebnis, dass die auf Grundstück Nr. x errichtete Hauswand zum Grundstück des Bf einen Abstand vom 30 cm bis 39 cm einhalten würde.

 

Die belangte Behörde übermittelte die fachliche Stellungnahme und jene des Bf der „S GmbH, in W. als Vertreter der W“. Die S GmbH weist als Vertreter der W in ihrer Stellungnahme vom 27. Mai 2013 darauf hin, dass die dreiecksförmige Fläche nicht verfahrensgegenständlich sei. Diese Fläche sei durch eine im Zuge der Bauarbeiten technisch notwendig gewesene Abmauerung eines Dachbodenzuganges auf der Liegenschaft des Bf entstanden. Dafür sei keine Baubewilligung notwendig gewesen und die Fläche daher auch nicht konsenslos. Hinsichtlich der Konsensmäßigkeit der zweiten verfahrensgegenständlichen Mauer, verweise sie auf die Stellungnahme des Amtssachverständigen, welcher die konsensgemäße Errichtung bestätige. Die Mauer sei dort errichtet worden, wo sich die ursprüngliche Außenmauer des Hauses x befand. Die unverputzte Teilfläche sei durch einen Garagenabriss auf der Liegenschaft des Bf nach der Errichtung des Hauses entstanden. Den Einreichplänen für die Baubewilligung seien die Katastergrenzen zugrunde gelegt und richtig eingezeichnet worden. Anlässlich der Bauverhandlung seien von den Parteien, insbesondere von den Rechtsvorgängern des Bf keine Einwände hinsichtlich der Grundstücksgrenzen bzw. einer Überschreitung dieser durch das Bauvorhaben erhoben worden. Hinsichtlich einer konsensgemäßen Errichtung habe die belangte Behörde nur zu prüfen, ob der nunmehrige Istzustand mit den eingereichten Plänen in Bezug auf den seinerzeit von den Parteien unbestritten angenommenen Grenzverlauf übereinstimme.

 

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 18. November 2013 weist der Bf neben den Ausführungen zum Grenzverlauf zusätzlich darauf hin, dass die Stellungnahme namens der S GmbH und nicht namens Herrn G S, welcher den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt habe, erstattet worden sei und diese keine Parteistellung besitze.

 

I.5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 3. April 2014 wurde der Berufung des Bf nicht stattgegeben. Begründend führte sie aus, dass aufgrund der Schlüssigkeit des Gutachtens des Amtssachverständigen von einer konsensgemäßen Errichtung der nordöstlichen Wandfläche ausgegangen werden könne. Die dreiecksförmige Mauer sei nicht verfahrensgegenständlich und daher ihre Konsensmäßigkeit nicht beurteilt. Hinsichtlich des Grenzverlaufes kommt sie auf Grundlage des Gutachtens von DI W und unter Heranziehung der Katastergrenze zu dem Ergebnis, dass sich die gegenständliche Mauer jedenfalls auf dem Grundstück Nr. x befinde. Auch wenn man die aus dem Kataster entnommenen Grenzen außer Acht lassen würde, käme man zum gleichen Ergebnis, da gem. § 416 ABGB analog auch der unredliche Bauführer wegen Geringwertigkeit der in Anspruch genommenen Grundfläche des Nachbarn im Verhältnis zum Wert des eigenen Grundes Eigentum an der überbauten Fläche erwerben würde. Die Eigentümer des Grundstücks Nr. x hätten daher jedenfalls bis zu der im Plan aus dem Gutachten des DI W ersichtlichen durchgehenden blauen Linie (alter Verputz) zwischen den Punkten 16 und 29 bereits Eigentum gehabt oder durch die Bauführung erworben. Ein Gutachten zum Grenzverlauf in der Natur sei von der Behörde nicht in Auftrag gegeben worden, da daraus keine weiteren Schlüsse gezogen werden könnten. Um den Grenzverlauf definitiv festlegen zu können, müssten die Parteien den Zivilrechtsweg beschreiten. Da die vorgesehenen Arbeiten weder bewilligungs- noch anzeigepflichtig seien, sei eine Angabe zur Stärke der Verkleidung nicht notwendig. Außerdem würde die zu verputzende Fläche klar hinter dem Verlauf der bereits verputzten Mauerflächen und auch klar hinter der Grenze aus dem Kataster liegen und somit sei das Argument der Überschreitung der Grundgrenze durch die angedachten Arbeiten nicht nachvollziehbar.

 

I.6. Gegen diesen Bescheid, welcher in der Zustellverfügung „G S, in W“ nennt (auf dem RSb-Schein wurde die „S GmbH“ als Empfänger angeführt), wurde rechtzeitig Beschwerde erhoben, welche zusammengefasst folgendermaßen begründet wurde:

 

Ob nun der Hausverwalter selbst oder im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft (als eigene juristische Person) den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt habe sei irrelevant, da in beiden Fällen keine Antragslegitimation gem. § 15 Oö. BauO 1994 bestehe, da diese weder Liegenschaftseigentümer noch Konsensinhaber seien. Außerdem stamme die Stellungnahme vom 27. Mai 2014 von der „S GmbH“ und wurde ihr gegenüber auch der bekämpfte Bescheid erlassen. Den verfahrenseinleitenden Antrag habe aber Herr G S (persönlich) gestellt.

 

Da im bekämpften Bescheid (wie auch im Urteil des LG Wels zu 4 Cg 29/10x) festgestellt worden sei, dass der Grenzverlauf im gegenständlichen Bereich nicht festgestellt werden könne, dürfe die Bewilligung auch nicht erteilt werden, da die belangte Behörde Gefahr laufen würde, eine Maßnahme auf fremdem Grund zu bewilligen. Dem Argument, dass gem. § 416 ABGB durch geringwertigen Überbau bereits Grundeigentum erworben wurde, sei entgegen zu halten, dass es im Bereich der nicht verputzten Fläche, weil eben dort nichts verputzt worden sei, nicht zu einem Eigentumsübergang gekommen sei. Die Mauer sei daher konsenswidrig und eine Bewilligung gem. § 15 Oö. BauO 1994 nicht notwendig.

 

Aus der Verhandlungsschrift vom 7. Oktober 2009 gehe hervor, dass auch die dreiecksförmige Fläche zum Beginn des Verfahrens gegenständlich gewesen sei und diese darüber hinaus konsenslos und auf der Liegenschaft des Bf errichtet worden sei. Die Grundgrenze werde durch die Aufbringung des Vollwärmeschutzes noch weiter überschritten. Die Antragseinschränkung in der Stellungnahme vom 27. Mai 2013 würde sich im Spruch des bekämpften Bescheides nicht wiederfinden.

 

Da die verfahrensgegenständlichen Grundstücke nicht im Grenzkataster eingetragen seien, gäbe es keinen Beweis über den Grenzverlauf. Die Grenzen seien demnach nach der Naturgrenze zu beurteilen. Es werde bestritten, dass sich die zu verputzende Mauer dort befinden würde, wo sich auch vor Errichtung der neuen Mauer das frühere Mauerwerk befunden hätte. Aber selbst wenn die unverputzte Mauer die Eigentumsgrenze darstellen würde, dann führe die Aufbringung des Vollwärmeschutzes zwingenderweise zur Überschreitung der Grundgrenze.

 

Die fachlichen Feststellungen des Amtssachverständigen, dass die unverputzte Mauer auf Grundstück Nr. x liegen würde und dass es sich bei den in den Einreichunterlagen als „Grundgrenze“ definierten Linie um die aus der damaligen Katastermappe entnommene „Grenze“ handle, seien nicht nachvollziehbar. Dass ein Abstand von 30 cm bis 39 cm zur Grundgrenze eingehalten werden würde, wird bestritten.

 

Die unverputzte Fläche habe sich auf Grund des Abrisses einer Doppelgarage auf dem Grundstück des Bf ergeben. Aus den Baubewilligungsunterlagen gehe eindeutig hervor, dass die zu verkleidende Mauer bündig mit den Einbuchtungen der Doppelgarage abschließe und nicht dahinter liegen würde. Es sei daher bei der Errichtung der zu verkleidenden Außenmauer die Grundgrenze deutlich überschritten worden, da die rückwärtige Mauer der Doppelgarage teilweise abgerissen und anstatt dessen die nunmehr zu verkleidende Mauer errichtet worden sei. Zur Ermittlung des Grenzverlaufes wird eine mündliche Verhandlung beantragt.

 

Die Stärke des Vollwärmeschutzes hätte der Antragsteller anzugeben. Die Zweckumschreibung der Maßnahme im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides und im bekämpften Bescheid würde voneinander abweichen und seien unzureichend. Die zu verputzende Außenfläche sei im Spruch nicht eindeutig beschrieben. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Fotodokumentation entgegen des erstinstanzlichen Bescheides nun nicht mehr von einer „befugten Fachperson“ vorzulegen sei. Dass die beantragten Baumaßnahmen auch durch Steighilfen ausgeführt werden könnten, sei nicht erörtert worden. Die belangte Behörde habe im bekämpften Bescheid keine Kostenabwägung vorgenommen. Zur Vollständigkeit bringt der Bf noch weitere Konsensüberschreitungen vor, welche nach eigenen Angaben aber nicht verfahrensgegenständlich seien.

 

Mit Vorlage der Beschwerde und des dazugehörigen Verwaltungsaktes nimmt die belangte Behörde folgendermaßen Stellung:

 

Antragsberechtigter gem. § 15 Abs 4 Oö. BauO sei derjenige, der die Inanspruchnahme beabsichtige. Dies sei im ursprünglichen Antrag Herr S persönlich gewesen. Mit Vertrag vom 25. September 2012 sei das nicht protokollierte Einzelunternehmen G S, geb. 4. Juli 1945, in die S I (103183s) umgewandelt worden. Im bekämpften Bescheid sei ausgeführt worden, dass die Mauer jedenfalls auf dem Grundstück Nr. x liegen würde. Außerdem beziehe sich der Hinweis im Vorstellungsbescheid auf die Lage der strittigen Grundgrenze auf die Beurteilung der konsensmäßigen Mauer und nicht auf die geplanten Instandhaltungsarbeiten. Auch im nicht verputzten Bereich könne es bereits zum Eigentumserwerb gem. § 416 ABGB gekommen sein, da sich in gegenständlichen Bereichen darüber und darunter verputze Flächen befinden, die im Vergleich zur unverputzten Fläche von der Mauer bereits vorspringen würden. Der Bf vermische die Beurteilung der konsensmäßig errichteten Mauer mit den geplanten Arbeiten. Die belangte Behörde habe niemals die Notwendigkeit des Verputzens einer konsenswidrigen Mauer bejaht, sondern die Notwendigkeit der Inanspruchnahme fremden Grundes. Es schade außerdem nicht, dass die zu verputzende Fläche im Spruch nicht eindeutig umschrieben sei.

 

 

II. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die vorgelegten Verwaltungsakte der Behörde (einschließlich Schriftsätze der Bf) sowie einen Firmenbuchauszug vom 3. November 2014 (ON 3 des verwaltungsgerichtlichen Aktes). Der für dieses Erkenntnis maßgebliche Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Akten der belangten Behörde. Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits nach der Aktenlage hinreichend geklärt war, konnte gemäß § 24 VwGVG trotz Parteienantrag von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden (vgl VwGH 06.11.2013, 2011/05/0007; 15.05.2014, 2012/05/0089).

 

 

III.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß Art. 132 Abs. 6 B-VG kann in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde Beschwerde beim Verwaltungsgericht erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden. Wer behauptet durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde in seinen Rechten verletzt zu sein, kann gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG gegen diesen Bescheid Beschwerde erheben. Die Beschwerde der Bf ist somit zulässig.

 

2. Der für das gegenständliche Verfahren relevante § 15 der Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994), LGBl. Nr. 1994/66 idF LGBl 2013/90 lautet:

 

Benützung fremder Grundstücke und baulicher Anlagen

 

(1) Die Eigentümer und die sonst Berechtigten haben die vorübergehende Benützung von Grundstücken und baulichen Anlagen zur Erstellung der nach diesem Landesgesetz erforderlichen Pläne, zur Ausführung von Bauvorhaben, zu Instandhaltungsarbeiten oder zur Behebung von Baugebrechen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu dulden, wenn diese Arbeiten auf andere Weise nicht oder nur unter unzumutbar hohen Kosten durchgeführt werden können und der widmungsgemäße Gebrauch der in Anspruch genommenen Grundstücke oder baulichen Anlagen dadurch keine unverhältnismäßige Behinderung erfährt. [...]

 

(4) Die Eigentümer und die sonst Berechtigten sind von einer gemäß Abs. 1 bis 3 beabsichtigten Inanspruchnahme von Grundstücken oder baulichen Anlagen mindestens vier Wochen vorher unter genauer Angabe der Art und Dauer der beabsichtigten Inanspruchnahme von demjenigen schriftlich zu verständigen, der die Inanspruchnahme beabsichtigt. Wird die Inanspruchnahme verweigert, hat die Baubehörde auf Antrag über die Notwendigkeit, die Art, den Umfang und die Dauer der Inanspruchnahme mit Bescheid zu entscheiden. Dies gilt nicht, wenn die Inanspruchnahme nur für die Behebung von Baugebrechen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen notwendig und Gefahr im Verzug ist. Die bescheidmäßig verfügte Inanspruchnahme des Nachbargebäudes im Sinn des Abs. 2 ist auf Antrag des Berechtigten im Grundbuch ersichtlich zu machen. [...]

 

(6) Die Inanspruchnahme hat unter möglichster Schonung der Grundstücke und baulichen Anlagen sowie der Rechte der Betroffenen zu erfolgen. Nach Beendigung der Inanspruchnahme ist der frühere Zustand soweit als möglich wieder herzustellen. Für verbleibende Vermögensschäden gebührt eine angemessene Entschädigung, die über Antrag des Geschädigten von der Baubehörde unter sinngemäßer Anwendung des § 14 mit Bescheid festzusetzen ist. Der Antrag auf Festsetzung der Entschädigung ist bei sonstigem Verlust des Anspruches innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Beendigung der Inanspruchnahme bei der Baubehörde einzubringen.

 

 

 

IV.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat im Rahmen des durch §§ 27 und 9 Abs 1 Z 3 und Z 4 VwGVG normierten Prüfungsumfangs durch seine gemäß § 2 VwGVG zuständige Einzelrichterin erwogen:

 

§ 15 Abs 4 Oö. BauO 1994 setzt seinem Wortlaut nach nicht voraus, dass derjenige, der den Antrag für die Inanspruchnahme fremder Grundstücke stellt, Eigentümer des Grundstückes oder Konsensinhaber sein muss. Vielmehr geht aus dessen Satz 1 hervor, dass die Eigentümer oder die sonst Berechtigten von Grundstücken hinsichtlich der Benutzung ihrer Grundstücke von demjenigen zu verständigen sind, der die Inanspruchnahme beabsichtigt. Dieser ist dann auch zur Antragstellung gemäß § 15 Abs 4 zweiter Satz Oö. BauO 1994 berechtigt. Die diesbezüglichen Argumente des Bf gehen damit ins Leere.

 

IV.2. Zur Frage, wer den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat, ist Folgendes auszuführen:

 

Der bekämpfte Bescheid nennt in seiner Zustellverfügung Herrn „G S, in W.“. Die W ist weder im Spruch des Bescheides genannt noch geht sie aus der Adressierung als Bescheidadressat des Bescheides hervor. Die belangte Behörde sieht laut ihrer Stellungnahme vom 30. Juni 2014 auch ausdrücklich Herrn G S persönlich als Antragsteller und somit als Bescheidadressaten.

 

Jedoch geht aus dem verfahrenseinleitenden Antrag vom 29. April 2009 klar hervor, dass Herr G S, Immobilientreuhänder, „als Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft x, den Antrag [stellt], die Baubehörde möge entsprechend § 15 Abs. 4 Oö. Bauordnung die Notwendigkeit, die Art, den Umfang und die Dauer der Inanspruchnahme mittels Bescheid festsetzen“. Unterzeichnet wurde dieser Antrag mit „W  vertreten durch G S“. Auch die weiteren Schreiben zur Verbesserung des Antrages vom 13. Juli 2009 und 18. August 2009 wurden mit „W, Vöcklabruck vertreten durch G S“ unterzeichnet. Die Baubehörde erster Instanz bezeichnete in der auf Grund einer mündlichen Verhandlung am 7. Oktober 2009 verfassten Niederschrift als „Antragsteller: Immobilienverwalter G S für die Eigentümergemeinschaft S 32“ und nannte in der Zustellverfügung des erstinstanzlichen Bescheides „Immobilientreuhänder G S für die Eigentümergemeinschaft S“.

 

Erst der von der Landesregierung als Aufsichtsbehörde – zwar aus anderen Gründen – behobene Berufungsbescheid vom 5. Jänner 2012 der belangten Behörde war an „G S,“ gerichtet. Der Vorstellungsbescheid selbst wurde aber laut Zustellverfügung wieder an die „Eigentümergemeinschaft S, z.H. Herrn G S,“ adressiert.

 

Die belangte Behörde selbst übermittelte das Schreiben vom 18. April 2013 an die „S als Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft S“. Die darauf folgende Stellungnahme vom 27. Mai 2013 stammt von der „S Immobilientreuhand GmbH als Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft S“.

 

Aus dem Verfahrensverlauf ist daher nicht ersichtlich, dass es zu einer Änderung des Antragstellers gekommen ist. Der Ansicht, Herr G S hätte den verfahrenseinleitenden Antrag persönlich in seinem Namen gestellt, kann daher nicht gefolgt werden.

 

Eine Eigentümergemeinschaft ist gemäß § 18 Wohnungseigentumsgesetz 2002 (WEG 2002) als juristische Person mit Teilrechtsfähigkeit, nämlich mit Rechtsfähigkeit nur auf dem Gebiet der Verwaltung der Liegenschaft, konzipiert. Gemäß § 18 Abs 1 WEG 2002 kann die Eigentümergemeinschaft in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und geklagt werden. Petitorische Rechtsansprüche kann sie jedoch als Ausfluss ihrer fehlenden Eigentümerrechte mangels Aktivlegitimation nicht durchsetzen (VwSlg 16.786 A/2005). Im gegenständlichen Fall wird von der W eine Grundinanspruchnahme gem § 15 Abs. 4 Oö. BauO 1994 beantragt. Wie oben bereits ausgeführt, stellt diese Bestimmung nicht auf die Eigentümereigenschaft ab, sondern ist antragsberechtigt, wer die Inanspruchnahme beabsichtigt. Die Antragstellung durch die W ist als Handlung im Rahmen der Verwaltung der Liegenschaft im Sinne des § 18 Abs 1 WEG zu werten ist. Die W ist somit zur Antragstellung befugt, da es nicht um Eigentümerrechte geht.

 

Als Bescheidadressat hätte daher die „Wohnungseigentümergemeinschaft x“ genannt werden müssen. Doch weder im Spruch, in der Zustellverfügung oder in der Adressierung des bekämpften Bescheides wird auf die W Bezug genommen.

 

Nach stRsp des VwGH schadet es nicht, wenn die Behörde im Spruch zwar den Verpflichteten zunächst abstrakt bezeichnet, dann aber erst in der Zustellverfügung diejenige physische oder juristische Person benennt, auf welche sich der Spruch bezieht (so etwa auch VwGH 23.5.2002, 2001/05/1170; 12.11.2002, 2002/05/0758). In einem solchen Fall kommt der Zustellverfügung wesentliche Bedeutung zu, weil erst dadurch die notwendige Individualisierung bewirkt wird (VwSlg 14.048 A/1994), der Spruch also seinen vollen Inhalt erhält (Hengstschläger/Leeb, AVG [2. Ausgabe 2014] § 56 Rz 42 [Stand 1.7.2005, rdb.at]). Der bekämpfte Bescheid spricht in seinem Spruch nur abstrakt vom „Antragsteller“ und nennt in seiner Zustellverfügung „G S “. Somit ist Adressat des bekämpften Bescheides G S persönlich und der WEG gegenüber wurde ein Berufungsbescheid nie erlassen.

 

Die belangte Behörde belastete damit ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit, da sie einerseits die Parteien des Verfahrens und die Bescheidadressaten nicht auswechseln und deren Kreis nicht erweitern darf (VwGH 30.06.1994, 94/09/0035; 25.10.1994, 92/07/0097; 18.10.2001, 2000/07/0096) und sie andererseits in 2. Instanz einen Bescheid in einem antragsbedürftigen Verfahren erlassen hat, ohne dass G S persönlich je einen Antrag gemäß § 15 Abs. 4 Oö. BauO gestellt hätte (Hengstschläger/Leeb, Verfahrensrecht5 [2014] Rz 1061).

 

IV.3. Es ist zwar richtig, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung G S, Immobilienverwalter und Vertreter der W war. Da aber das nicht protokollierte Einzelunternehmen des G S, geb. 4. Juli 1945, („Ausübung des Immobiliengewerbes“) mit dem Standort Wels mit Einbringungsvertrag vom 25. September 2012 in die S GmbH, FN 103183s, eingebracht wurde (siehe ON 3 Auszug aus dem Firmenbuch vom 3. November 2014), geht – da von der W auch nichts Gegenteiliges bekannt gegeben wurde – das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich davon aus, dass die Vertretung der W nun die S GmbH wahrnimmt.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

IV.4. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (VwGH 30.06.1994, 94/09/0035; 25.10.1994, 92/07/0097; 18.10.2001, 2000/07/0096), noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Elisabeth Wiesbauer

 

Beachte:

Das angefochtene Erkenntnis wurde wegen Unzuständigkeit des Landeserwaltungsgerichtes Oberösterreich aufgehoben.

VwGH vom 2. August 2016, Zl.: Ra 2015/05/0009-11