LVwG-650001/2/MZ/SA

Linz, 02.01.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde der x, geboren am x, vertreten durch RA Dr. x, x, x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 31. Oktober 2013, GZ VerkR21-671-2013/Wi, den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I. Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als der Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 31. Oktober 2013, GZ VerkR21-671-2013/Wi, aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG zurückverwiesen wird.

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.              a) Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 31. Oktober 2013, GZ VerkR21-671-2013/Wi, wurde die Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) aufgefordert, sich bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck innerhalb von zwei Wochen nach Rechtskraft des Bescheides amtsärztlich untersuchen zu lassen. Der Bescheid stützt sich auf die §§ 24 Abs 4 und 8 Abs 2 Führerscheingesetz (FSG).

 

Die Behörde begründet ihren Bescheid wie folgt:

 

Von der Polizeiinspektion Ottnang a.H. wurde der Bericht vom 16.10.2013, A2/24274/2013, der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck übermittelt. Aus diesem geht hervor, dass Sie am 02.10.2013 um 17.15 Uhr den PKW x auf der xstraße Richtung Attnang lenkten, wobei Sie im Ortsteil x ein Kfz. trotz Gegenverkehr überholten und dabei seitlich mit dem entgegenkommenden LKW touchierten. Alle Beteiligen hielten nach dem Unfall an, wobei die anderen Beteiligten angaben, dass Sie einen verwirrten und "fertigen" Eindruck machten. Sie selbst gaben an, dass Sie "unterzuckert" sind.

 

Aufgrund dieses Sachverhaltes bestehen gravierende Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen.

 

Da die Abklärung des Gesundheitszustandes auf Grund dieses Sachverhaltes im Interesse der Verkehrssicherheit unbedingt erforderlich ist und ein weiterer Aufschub nicht zu verantworten wäre, musste die amtsärztliche Untersuchung unter Setzung einer kurzen aber für diese Maßnahme durchaus angemessenen Frist bescheidmäßig angeordnet werden.

 

b) In der gegen den og Bescheid rechtzeitig erhobenen Berufung, die nunmehr als Beschwerde anzusehen ist, stellt die Bf den von der Behörde angenommenen Sachverhalt in Frage und gibt an, es sei ihr nicht erinnerlich, eine Aussage über eine Unterzuckerung getätigt zu haben.

 

II.           Gemäß § 28 Abs 2 Z 1 und 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

III.            a) § 24 Abs 4 FSG sieht vor, dass bei Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen ist.

 

Beabsichtigt eine Behörde, aufgrund § 24 Abs 4 FSG einer Person bescheidmäßig eine amtsärztliche Untersuchung vorzuschreiben, muss sie der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge begründete Bedenken hegen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von KFZ derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hierbei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen (VwGH 20.4.2004, 2003/11/0243; 17.3.2005, 2004/11/0014).

 

Im ggst Fall wurde der Behörde von der Polizei mitgeteilt, eine Unfallbeteiligte habe ausgesagt, die Bf habe nach dem Unfall einen „verwirrten und fertigen Eindruck“ gemacht und die Aussage getätigt, „unterzuckert“ zu sein.

 

Die Behörde hat in Folge jegliche Sachverhaltsermittlung unterlassen. Es erfolgte weder eine behördliche Einvernahme der (namentlich bekannten) Unfallbeteiligten, noch wurde die Bf aufgefordert, hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Eignung zum Lenken von KFZ Stellung zu nehmen. Die Behörde hat auch davon abgesehen, die Bf vorzuladen und sich selbst einen persönlichen Eindruck von deren Gesundheit zu verschaffen.

 

Im Sinne des § 28 Abs 2 Z 1 VwGVG ist somit davon auszugehen, dass der für eine inhaltliche Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht feststeht. Fraglich ist für eine Anwendung des Abs 3 Satz 2 leg cit daher lediglich, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Würde man betreffend des Kriteriums der Raschheit auf die mögliche Dauer bis zur Erzielung einer endgültigen Sachentscheidung abstellen, blieben letztlich kaum Fälle für die kassatorische Einschränkung in § 28 Abs 2 Z 2 VwGVG über und der Bestimmung käme (nahezu) keine praktische Bedeutung zu. Es ist daher davon auszugehen, dass eine Behebung des angefochtenen Bescheides und eine Zurückverweisung an die Behörde zur neuerlichen Entscheidung zulässig ist, wenn die Behörde danach ihr neuerliches Ermittlungsverfahren voraussichtlich mindestens zum gleichen Datum abschließen kann wie es das Verwaltungsgericht könnte. Bezüglich des Kriteriums der Kosten dürfte eine Zurückverweisung zulässig sein, wenn dadurch höchstens etwas höhere Kosten entstünden, als wenn das Verwaltungsgericht sein Ermittlungsverfahren durchführt (vgl zur wortgleichen Bestimmung in Art 130 Abs 4 Z 2 B-VG Leeb, Das Verfahrensrecht der [allgemeinen] Verwaltungsgerichte unter besonderer Berücksichtigung ihrer Kognitionsbefugnis, in Janko/Leeb [Hrsg], Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz [2013] 85 [99f]; ebenso Fischer, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte I. Instanz [VwGVG], in Österreichische Juristenkommission [Hrsg], Justizstaat Chance oder Risiko, in Druck).

 

b) Im ggst Fall ist – da von der Behörde jegliche Ermittlungen unterlassen wurden – für das Landesverwaltungsgericht Oö. nicht ersichtlich, dass die eigene Sachverhaltsermittlung eine Kostenersparnis in welche Richtung auch immer (konkrete Amtshandlung / Gesamtverfahren) bewirken könnte. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Behörde ihr Ermittlungsverfahren erst zu einem späteren Zeitpunkt abschließen wird können als das Landesverwaltungsgericht Oö. ein von ihm geführtes abschließen könnte.

 

IV. Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichts Oö. im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt (Anwendbarkeit des § 28 Abs 2 Z 2 iVm Abs 3 VwGVG), und eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (noch) nicht existiert.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

1. Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und / oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde bzw. Revision ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. einer bevollmächtigte Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Zeinhofer