LVwG-600177/16/Bi/HK

Linz, 16.12.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn R P, S, S, vertreten durch Herrn RA Ing. Mag. K H, S, L, vom 24. Februar 2014 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptfrau von Rohrbach vom 23. Jänner 2014, VerkR96-724-2013-Hof, wegen Übertretungen der StVO 1960 aufgrund des Ergebnisses der am 5. Dezember 2014 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung (samt  mündlicher Verkündung des Erkenntnisses)

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.

Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

II.

Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren.

 

III.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs.4 VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.6 Z1 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4   B-VG unzulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß 1) §§ 22 Abs.2 1.Satz iVm 99 Abs.3 lit.i StVO 1960, 2) §§ 18 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, 3) §§ 16 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, und 4) §§ 21 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1), 2) und 4) je 40 Euro und 3) 80 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1), 2) und 4) 24 Stunden und 3) 48 Stunden verhängt sowie ihm gemäß § 64 Abs.1 VStG Verfahrenskostenbeiträge von insgesamt 20 Euro auferlegt.

Zugrundegelegt wurde im Schuldspruch, er habe am 4. März 2013 gegen 9.55 Uhr in der Gemeinde Hörsching auf der B1 Wiener Bundesstraße im Bereich von  Strkm 192.990 als Lenker des Sattelanhängers, Kz. X (A), 1) Schallzeichen abgegeben, obwohl  es die Verkehrssicherheit nicht erfordert habe und 2) zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre. 3) Er habe um 9.56 Uhr im Bereich von Strkm 193.8 ein Fahrzeug überholt, wodurch andere Straßenbenützer behindert worden seien.  4) Er habe um 9.57 Uhr im Bereich von Strkm 194.4 das Fahrzeug jäh und für den Lenker eines nachfolgenden Fahrzeuges überraschend abgebremst, obwohl es die Verkehrssicherheit nicht erfordert habe, wodurch andere Straßenbenützer zum Abbremsen gezwungen worden seien.

2. Dagegen hat der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungs­gericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Am 5. Dezember 2014 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Rechtsvertreters RA Mag. J H, der Zeugen O K (K) und E P (P) sowie des AmtsSV Dipl.HTL-Ing R H (SV) durchgeführt. Der Bf war nicht erschienen. Die Vertreterin der belangten Behörde war entschuldigt. Das Erkenntnis wurde mündlich verkündet.

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, wie der „Meldungsleger“ auf ihn komme, sei ihm unerklärlich; es müsse sich um eine Verwechslung handeln, zumal er sich nicht am Tatort befunden habe. Er sei nicht der „Lenker des Sattelanhängers X“ gewesen; der Tatvorwurf sei nicht ausreichend konkretisiert. Der „Meldungsleger“ müsse sich im Tatzeitpunkt und/oder Tatort geirrt haben. Beantragt wird seine Einvernahme im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, im Übrigen Aufhebung des Straferkenntnisses und Verfahrens­einstellung.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde sowie Durchführung einer mündlichen Verhandlung, bei der der Rechtsvertreter des Bf gehört und die Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses berücksichtigt wurden. Der Anzeiger wurde unter Hinweis auf die Wahrheits­pflicht des § 288 StGB zeugenschaftlich einvernommen. Der  Rechtsvertreter des Bf hat den zur Verhandlung mitgebrachten Vater des Bf als Zeugen namhaft gemacht, der unter Hinweis auf sein Entschlagungsrecht und nach ausdrücklicher Erklärung, er wolle aussagen, auf die Wahrheitspflicht des § 288 StGB hingewiesen, zeugenschaftlich einvernommen wurde. Vorgelegt wurden außerdem die Zulassungsscheine des Sattelzugfahrzeuges X und des Sattelanhängers X, das Tachografenschaublatt vom 4.3.2013, Aufzeichnungen des Containerterminals L vom 4.3.2013 und ein Lieferschein der L T GmbH, P, über eine Entladung in M am 4.3.2012 zwischen 9.40 Uhr und 10.55 Uhr.

 

Nach den Aussagen des Zeugen K fuhr dieser am 4. März 2013 mit dem nicht auf ihn zugelassenen Pkw X auf der B1 von der Trauner Kreuzung nach N zu einer Kfz-Werkstätte zwecks Nachkontrolle eines früher beanstandeten Mangels. Er hatte dort einen Termin, dessen Uhrzeit ihm in der Verhandlung konkret nicht mehr im Gedächtnis war, und war pünktlich. Auf der Fahrt kurz nach der Trauner Kreuzung fuhr er hinter anderen Fahrzeugen und auch links von ihm befanden sich Fahrzeuge. Hinter ihm fiel ihm ein „weißer Lkw oder Sattelschlepper mit weißer, im Wind flatternder Plane“ auf, der so nah auf seinen Pkw auffuhr, dass er nur mehr den Kühlergrill im Rückspiegel sehen konnte. Er betätigte die Nebelschlussleuchte, um den Lenker auf den zu geringen Abstand aufmerksam zu machen, worauf dieser auf die linke Spur wechselte und ihn überholte – der Zeuge fuhr laut seiner Navi-Anzeige mit 68 km/h im Bereich der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h. Der Lkw ordnete sich dann vor dem vom Zeugen gelenkten Pkw ein, wobei der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen weniger als eine Autolänge betragen habe, sodass der Zeuge K zum Abbremsen gezwungen war. Der Lkw-Lenker fuhr daraufhin ohne jeden Grund mit deutlich unter 60 km/h weiter, wodurch der Zeuge das Kennzeichen des Sattelanhängers ablesen konnte. Als er daraufhin den Lkw überholte und sich etwa auf Höhe der Mitte des Sattelzuges befand, fuhr dessen Lenker in die Mitte zwischen den beiden Fahrspuren und zwang den Zeugen damit, abzubremsen und sich hinter ihm einzuordnen. Der Zeuge ordnete sich etwas später nach links in Richtung N ein und musste bei der dortigen Ampel wegen Rotlicht stehenbleiben. Der Lkw stand auf der rechten Spur. Dem Zeugen war es nach glaubhafter Schilderung möglich, den Lenker des Sattelzuges zu sehen, den er eindeutig als wesentlich jünger als den Zeugen P und mit dunklen Haaren beschrieb. Der Lenker zeigte ihm den Mittelfinger, worauf der Zeuge sich zur Anzeige entschloss. Vorher nahm er den Termin bei der Werkstätte wahr, musste etwas warten und fuhr danach zur PI Hörsching. Die der Anzeige beigefügte Niederschrift wurde aufgenommen zwischen 10.30 und 11.00 Uhr des 4. März 2013 und befinden sich darin keinerlei Uhrzeitangaben über die Fahrt. Dazu wurde der Zeuge K auch anlässlich seiner Einvernahme beim Stadtamt Leonding am 18. Juli 2013 nicht befragt, dort wurden nur die einzelnen Tatvorwürfe örtlich geklärt. Nach den Erinnerungen des Zeugen K in der Verhandlung stimmt die in der Anzeige angegebene – offenbar vom einvernehmenden Polizeibeamten stammende – Lenkzeit „9.55 Uhr“ nicht, sondern er kann die Strecke von km 192.990 bis 194.4 auch schon gegen 9.30 Uhr befahren haben. Er habe jedenfalls vor seiner Fahrt nach Hörsching noch den Termin in der Kfz-Werkstätte in N wahrgenommen, der etwa 15 Minuten gedauert habe, wobei er vorher noch etwas warten habe müssen.

 

Der Zeuge P, der Vater des Bf, hat ausgeführt, er sei zufällig an diesem Tag in Linz gewesen und telefonisch von seinem Sohn ersucht worden, aushilfsweise mit dem Sattelzugfahrzeug R mit Anhänger R von der Fa S in Linz, I, weg bis zur Entladung in Marchtrenk zu fahren, um dem Bf einen Termin beim Steuerberater zu ermöglichen. Er habe dort das Fahrzeug zum Entladen abgestellt und auf den Bf gewartet, der inzwischen seinen Pkw gelenkt habe; nach dem Fahrzeug-Tausch sei er nach Wels weitergefahren. Das Sattelzugfahrzeug sei silber metallic und der Auflieger unten rot und darauf sei ein hellblauer See-Container gestanden. Ihm sei auf der Fahrtstrecke kein Vorfall in Erinnerung, der mit dem Protokoll des Zeugen K bei der PI Hörsching übereinstimmen könnte.

 

Nach den vorgelegten Unterlagen hat der Sattelzug den Container-Terminal L mit dem Container x um 8.34 Uhr verlassen, kam um 9.40 Uhr bei der Fa L in M an; die Entladung dort dauerte bis 10.40 Uhr und um 11.32 Uhr kam er im Container-Terminal L an.

Laut Tachografenschaublatt, das vom SV mit der Lupe untersucht wurde, wurde der Sattelzug zwischen 8.30 und 9.00 Uhr nur geringfügig bewegt, die Fahrt selbst war von 9.00 Uhr bis 9.35 Uhr und bis 10.55 Uhr stand der Lkw. Laut SV ist eine Uhrzeit laut Tachografenschaublatt wegen Unsicherheiten bis zu 10 Minuten nicht uneingeschränkt als Zeitnachweis verwendbar.

 

Der Bf hat in seiner Lenkerauskunft vom 25. März 2013 gegenüber der belangten Behörde sich selbst als Lenker für den angefragten Zeitpunkt 9.55 Uhr des 4. März 2013 bezeichnet.

Im Licht der Beweiswürdigung ist auffällig, dass nach den Unterlagen der L T der Sattelzug um 9.40 Uhr in Marchtrenk ankam, wobei eigenartigerweise der Bf den vorgelegten Lieferschein als „Fahrer“ unterschrieben hat. Der Zeuge P hat diese Unterschrift ohne Zweifel seinem Sohn zugeordnet – sie entspricht auch der Unterschrift des Bf auf der Lenkerauskunft – und sich darauf zurückgezogen, die Entladung habe ihn nicht betroffen, er sei nur gefahren.

Der Zeuge K schloss dezidiert aus, dass der 1946 geborene Zeuge P der von ihm wahr­genommene Lenker war. Dieser sei wesentlich jünger und dunkelhaarig gewesen – der Bf ist 1973 geboren und sein Nichterscheinen war offenbar wohlüberlegt. Der Zeuge K, der mit dem Bf noch nie zu tun gehabt hatte und für  dessen Benehmen, vor allem den „Stinkefinger“, keine Erklärung hatte, konnte zwar das Kennzeichen des Sattelzugfahrzeuges nicht angeben, weil er darauf keine Sicht gehabt hatte, hatte aber nachvollziehbar ausreichend Gelegenheit, sich das – einfach zu merkende – Anhängerkennzeichen zu lesen, sodass eine Verwechslung dahingehend weitgehend auszuschließen ist. „Handzeichen“ hat der Bf überdies auch in seiner Rechtfertigung vom 18.9.2013 erwähnt.

In der Zusammenschau bestehen beim Landesverwaltungsgericht keine Zweifel, dass nicht der (erstmals in der Verhandlung völlig neu präsentierte) Zeuge P, sondern der Bf selbst der Lenker des den Sattelanhänger X ziehenden Sattelzugfahrzeuges war. Allerdings wäre die Lenkzeit entsprechend zu korrigieren, was aber wegen der mangelnden Erinnerung des im Übrigen völlig glaubwürdigen Zeugen K von der zeitlichen Dimension her zu vage und wegen der inzwischen eingetretenen Verfolgungsverjährung nicht mehr möglich ist.

Damit war spruchgemäß zu entscheiden, naturgemäß unter Entfall von Verfahrenskostenbeiträgen. 

 

 

Zu II.:

 

Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt die Vorschreibung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren.

 

 

Zu III.:

Die ordentliche Revision des Beschwerdeführers ist auf der Grundlage des § 25a Abs.4 VwGG nicht zulässig – gemäß dieser Bestimmung ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs.6 Z1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungs­strafsache 1. eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und 2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde.

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs.4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger