LVwG-600499/21/FP/CG

Linz, 01.12.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Felix Pohl über die Beschwerde des M. D., geb. x, I., vertreten durch Frau Mag. C. H., X Rechtsservice, L., gegen Spruchpunkt 1 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis, vom 5.8.2014, GZ: VerkR96-6332-2014, wegen einer Übertretung des KFG

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II.         Gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Spruchpunkt eins des bekämpften Straferkenntnisses warf die belangte Behörde dem Beschwerdeführer (Bf) vor, am 21.5.2014 um 20:00 Uhr in Reichersberg, Kammer, Hausruck Straße B143, bei km 0,850, Fahrtrichtung St. Martin i. I. als Besitzer des als Motorfahrrad zugelassenen Kleinmotorrades mit dem Kennzeichen RI-...., dieses P. D. zum Lenken überlassen zu haben, obwohl mit diesem Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 78 km/h erreicht werden konnte. Die Geschwindigkeit sei mittels Rollentester festgestellt worden. Das Fahrzeug gelte daher nicht mehr als Motorfahrrad, sondern als Kleinmotorrad und sei daher nicht richtig zum Verkehr zugelassen. Durch die Überlassung des KFZ, habe der Bf vorsätzlich Beihilfe zu einer Verwaltungsübertretung geleistet. Die belangte Behörde verhängte über den Bf eine Geldstrafe iHv € 80,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 16 Stunden) und stützte ihre Entscheidung auf § 7 VStG iVm § 102 Abs 1 und § 36 lit a KFG 1967.

 

Darüberhinaus warf die belangte Behörde dem Bf fünf weitere Verwaltungsübertretungen nach § 103 KFG vor. Diese blieben unbekämpft.

 

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Tatvorwurf müsse sich auf die Erleichterung einer Verwaltungsübertretung beschränken. Vorsätzlich handle, wer einen Sachverhalt verwirklichen wolle, der einem gesetzlichen Tatbild entspreche. Dazu genüge bedingter Vorsatz. Der Bf habe über den Zustand des Kfz durchaus Bescheid gewusst, dies ergebe sich aus dem Einspruchsvorbringen, weshalb davon auszugehen sei, dass der Bf es ernstlich für möglich gehalten habe, dass sein Sohn mit dem Kfz Verwaltungsübertretungen begehe.

Die Behörde habe auch keine Zweifel daran, dass dem Bf bewusst gewesen sei, dass das Kfz schneller als 45 km/h gewesen sei.

 

I.2. Der Beschwerdeführer erhob rechtzeitig Beschwerde gegen Punkt 1 des Straferkenntnisses und führte aus, dass er das Fahrzeug erworben habe. Er habe keine unzulässigen Änderungen vorgenommen. Er habe einmal einen Zahnkranz getauscht, welcher laut Manipulationsplakette zulässig gewesen sei (11er Zahnkranz). Er habe das Fahrzeug selbst ausprobiert und würde seinem Sohn kein Fahrzeug überlassen, welches eine Geschwindigkeit erreichen würde, für die es nicht ausgelegt sei.

Sein Sohn wiege zwischen 70 und 72 kg. Das Motorfahrrad sei bei der Messung bis zum Anschlag aufgedreht worden. Im realen Fahrbetrieb erreiche es keineswegs eine derart hohe Geschwindigkeit. Seines Erachtens sei die Messung nicht korrekt durchgeführt worden. Zumal einen Monat zuvor eine derartige Messung durchgeführt worden sei und dabei die Geschwindigkeit nicht beanstandet worden sei könne er die getestete Geschwindigkeit nicht nachvollziehen. Die getestete Geschwindigkeit sei aufgrund des fehlenden Luft- und Rollwiderstandes höher als der tatsächlich im realen Fahrbetrieb auf der Straße erreichbare Wert. Er würde seinem Sohn niemals ein Moped überlassen, das eine derart hohe Geschwindigkeit erreiche, weil er seinen Sohn im Straßenverkehr nicht gefährdet wissen wolle.

Er stelle daher den Antrag, den Vorwurf nach dem ersten Punkt des bekämpften Straferkenntnisses aufzuheben und einzustellen.

 

I.3. Die belangte Behörde legte den Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.  

 

 

II. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erhob Beweis durch Einsichtnahme in den gegenständlichen Verfahrensakt sowie Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung bei welcher der Beschwerdeführer und der mit gesondertem Straferkenntnis zu gleicher Angelegenheit verfolgte Sohn des Bf, P. D., zu Wort kamen. Als Zeuge wurde der Meldungsleger Gruppeninspektor H. K., PI Ried im Innkreis, vernommen und erstattete der ASV Ing T. H. ein technisches Sachverständigengutachten hinsichtlich der Messung mit dem Rollenprüfstand.

 

III. Folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt steht fest:

 

Der Bf war zum Tatzeitpunkt Halter des damals als Motorfahrrad zugelassenen Kraftfahrzeuges der Marke D. mit dem Kennzeichen RI – ..... Der Bf hat das Kraftfahrzeug seinem Sohn M. D. zur Verfügung gestellt. Zum Tatzeitpunkt konnte mit dem Kraftfahrzeug eine Höchstgeschwindigkeit von 55 km/h erreicht werden. Der Bf hat nach Anschaffung des Kraftfahrzeuges festgestellt, dass damit eine Geschwindigkeit von mehr als 45 km/h erreicht werden konnte. Der Bf hat deshalb den eingebauten 13er Zahnkranz gegen einen 11er Zahnkranz ausgetauscht. Es kann nicht festgestellt werden, welcher Zahnkranz zum Tatzeitpunkt eingebaut war. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Bf Kenntnis darüber hatte oder er ernstlich für möglich hielt, dass mit dem Kraftfahrzeug zum Tatzeitpunkt eine Höchstgeschwindigkeit von mehr als 45 km/h erreicht werden konnte.

 

IV. Der Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem abgeführten Beweisverfahren. Dass mit dem gegenständlichen Motorfahrrad eine Geschwindigkeit von 55 km/h erreicht werden konnte ergibt sich aus der schlüssigen Zeugenaussage des Zeugen RI K., welcher glaubhaft die Vorgehensweise in Zusammenhang mit der Messung auf dem Rollenprüfstand dargestellt hat und welche nach dem ASV-Gutachten (im Falle der Variante des Zeugen) eine korrekte Messung ergeben hat. Der Zeuge ist seit 24 Jahren bei der Polizei, vornehmlich im Straßenverkehr, tätig und hat schon unzählige Überprüfungen mittels Rollenprüfstand durchgeführt. Es ergibt sich für das Gericht kein Grund, an der Darstellung des Zeugen zu zweifeln. Das Gericht geht davon aus, dass dem Zeugen aufgrund seiner Erfahrung Fehler bei der Überprüfung aufgefallen wären und er diese dann abgebrochen und neu begonnen hätte. Die festgestellte Geschwindigkeit ergibt sich aus dem schlüssigen Gutachten Ing T. H.. Fest steht, dass das gegenständliche Motorfahrrad sich im Ankaufszeitpunkt in einem nicht den Gesetzen entsprechenden Zustand befand, weshalb der Bf einen Rückbau von einem 13er Zahnkranz auf einen 11er Zahnkranz vornahm. Dies ergibt sich aus der Aussage des Bf, der einen glaubwürdigen Eindruck machte. Das Gericht schließt aus den Aussagen des Bf, dass er der Ansicht war, das Motorfahrrad sei nach diesem Umbau in Ordnung gewesen. Ein Hinweis darauf, dass der Bf eine spätere geschwindigkeitserhöhende Manipulation vorgenommen hat oder von einer solchen Kenntnis hatte, ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Selbst wenn später also eine Manipulation am Kfz erfolgt wäre, müsste dem Bf zumindest Kenntnis um diese nachgewiesen werden, was mangels geeigneter Beweisergebnisse nicht gelingen kann.

 

IV.  Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

IV.1.

 

§ 2 Abs 1 Zn 14. – 15a. lauteten

 

§ 2. Begriffsbestimmungen

(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als

14. Motorfahrrad ein Kraftrad (Z 4) mit einer Bauartgeschwindigkeit von nicht mehr als 45 km/h, dessen Antriebsmotor, wenn er ein Hubkolbenmotor ist, einen Hubraum von nicht mehr als 50 cm³ hat (Kleinkraftrad im Sinne der Richtlinie 2002/24/EG);

15. Motorrad ein nicht unter Z 14 fallendes einspuriges Kraftrad (Z 4); dieser Bezeichnung entspricht die Bezeichnung „Kraftrad“ im Sinne der Richtlinie 2002/24/EG;

15a. Kleinmotorrad ein Motorrad (Z. 15) dessen Antriebsmotor, wenn er ein Hubkolbenmotor ist, einen Hubraum von nicht mehr als 50 cm3 hat;

 

 

§ 7 VStG lautete:

 

Anstiftung und Beihilfe

§ 7. Wer vorsätzlich veranlaßt, daß ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht, oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, unterliegt der auf diese Übertretung gesetzten Strafe, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist.

 

§ 36 lit a KFG 1967 lautete:

 

§ 36. Allgemeines

Kraftfahrzeuge und Anhänger außer Anhängern, die mit Motorfahrrädern gezogen werden, dürfen unbeschadet der Bestimmungen der §§ 82, 83 und 104 Abs. 7 über die Verwendung von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen und von nicht zugelassenen Anhängern auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn

a) sie zum Verkehr zugelassen sind (§§ 37 bis 39) oder mit ihnen behördlich bewilligte Probe- oder Überstellungsfahrten (§§ 45 und 46) durchgeführt werden, 

 

§ 102 Abs 1 KFG 1967 lautete:

 

§ 102. Pflichten des Kraftfahrzeuglenkers

(1) Der Kraftfahrzeuglenker darf ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, dass das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen; die Überprüfung der Wirksamkeit der Vorrichtungen zum Abgeben von akustischen Warnzeichen darf jedoch nur erfolgen, sofern nicht ein Verbot gemäß § 43 Abs. 2 lit. a StVO 1960 besteht. Berufskraftfahrer haben bei Lastkraftwagen, Sattelzugfahrzeugen, Omnibussen oder Anhängern unverzüglich den Zulassungsbesitzer nachweisbar zu verständigen, wenn das Fahrzeug diesen Vorschriften nicht entspricht.

 

IV.2. Die belangte Behörde wirft dem Bf im vorliegenden Fall vor, dass er vorsätzlich Beihilfe zur Verwaltungsübertretung des gesondert verfolgten P. D., Sohn des Bf, geleistet habe. Dies dadurch, dass er seinem Sohn ein Motorfahrrad überlassen habe, mit welchem eine höhere, als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit erreicht werden konnte. Nun steht im vorliegenden Fall unbestrittenermaßen fest, dass das gegenständliche Kraftfahrzeug als Motorfahrrad iSd § 2 Abs 1 Z14 KFG 1967 zum Verkehr zugelassen war und es somit keine höhere Geschwindigkeit als 45 km/h erreichen durfte.

Unbestritten ist auch, dass der Bf Zulassungsbesitzer des ggst. Motorfahrrades war und ergibt sich aus dem schlüssigen ASV-Gutachten Ing. H., dass mit diesem auf der öffentlichen Straße eine Geschwindigkeit von 55 km/h erreicht werden konnte.

 

Letztendlich meint die Behörde, der Bf habe einen vorsätzlichen Beitrag zur Verletzung des § 36 lit a KFG, also zur Verwendung des KFZ ohne Zulassung geleistet. Die Anwendung des 102 KFG ist diesbezüglich entbehrlich, weil der Tatbestand durch die Verwendung ohne Zulassung iSd § 36 bereits ausgeschöpft ist.

 

Um zu einer diesbezüglichen Bestrafung zu kommen, müsste dem Bf mit der für das Strafverfahren erforderlichen 100 prozentigen Sicherheit, vorsätzliches Handeln nach § 7 VStG nachgewiesen werden. Er müsste demgemäß seinen Sohn bestimmt haben, die inkriminierte Handlung zu setzen oder auf andere Weise zu dieser Tat beigetragen (Beihilfe) haben. Dieser Nachweis konnte nicht erbracht werden. Der Umstand der Kenntnis des Zustandes des Kfz an sich, wie die belangte Behörde in ihrem Straferkenntnis ausführt, reicht für sich alleine noch nicht hin, davon ausgehen zu können, dass der Bf es ernstlich für möglich hielt, dass das ggst. Moped im Tatzeitpunkt schneller als 45 km/h war. Dies mag ein Indiz sein, jedenfalls aber kein Beweis.

 

Nach Ansicht des Gerichtes kommt im vorliegenden Fall nur Beihilfe, jedenfalls nicht Bestimmungstäterschaft in Betracht, zumal evident ist, dass der Bf seinem Sohn das Kfz zur ständigen Verwendung überlassen hat und der allfällige Tatentschluss des Sohnes, nämlich, zumindest fahrlässig, mit einem zu schnellen Motorfahrrad zu fahren, längst getroffen war. Diesbezüglich haben sich im Verfahren keinerlei andere Anhaltspunkte ergeben.

 

Denkbar wäre insofern ein anderer Tatbeitrag, sohin die vorsätzliche Erleichterung der Tat, also die zumindest bedingt vorsätzliche Zur-Verfügung-Stellung zur Verwendung ohne Zulassung. Er hätte seinen Sohn daher vorsätzlich fördern müssen, das Kfz ohne Zulassung zu betreiben. Diesbezüglich haben sich im Verfahren aber keine Anhaltspunkte ergeben, eher konnte das Gericht den Eindruck gewinnen, dass der Bf überzeugt davon war, dass das Kfz im Hinblick auf die Geschwindigkeit in Ordnung war.

 

Mangels Schuldbeweis war daher spruchgemäß zu entscheiden.  

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Felix Pohl