LVwG-410481/2/Gf/Rt LVwG-410482/2/Gf/Rt

Linz, 11.12.2014

I M  N A M E N  D E R  R E P U B L I K !

 

 

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof über die Beschwerden der A GmbH und des T, beide vertreten durch RA Dr. P, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Perg vom 22. Oktober 2014, Zl. Pol-2014, wegen Anordnung einer Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz

 

 

z u   R e c h t   e r k a n n t:

 

 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG dahin stattgegeben, dass der angefochtene Bescheid aufgehoben wird.

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

 

 


 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.

 

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Perg vom 22. Oktober 2014, Zl. Pol-2014, wurde gemäß § 53 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Glücksspielgesetzes, BGBl.Nr. 620/1989 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 13/2014 (im Folgenden: GSpG), zur Verhinderung bzw. der Fortsetzung der Begehung von weiteren Übertretungen des Glücksspielgesetzes die Beschlagnahme von zwei im Eigentum der Beschwerdeführer stehenden Eingriffsgegenständen – nämlich ein „Walzenspielgerät“ und ein „Glücksrad“ (bzw. „Fun-Wechsler“) – angeordnet.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass beide Geräte im Zuge einer Kontrolle von Organen der Finanzpolizei bespielt worden seien, wobei jeweils keine Einflussnahme auf das Spielergebnis möglich gewesen sei. Da die Rechtsmittelwerber keine Konzession zum Betrieb derartiger Geräte hätten vorweisen können, sei sohin eine verbotene Ausspielung, mit der in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen worden sei, vorgelegen; um solche Verstöße gegen § 52 Abs. 1 GSpG künftig wirksam hintanzuhalten, sei die Beschlagnahme dieser Geräte anzuordnen gewesen.

 

2. Gegen diesen ihnen jeweils am 24. Oktober 2014 zugestellten Bescheid richten sich die vorliegenden, am 17. November 2014 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachten Beschwerden.

 

Darin wird – auf das Wesentliche zusammengefasst – vorgebracht, dass dem angefochtenen Bescheid mangels Spielbeschreibung nicht entnommen werden könne, inwiefern mit den beschlagnahmten Geräten tatsächlich Glücksspiele angeboten worden seien. Insbesondere handle es sich beim sog. „Fun-Wechsler“ bloß um einen Geldwechselautomaten, an den Spieleinsätze gar nicht geleistet werden könnten; abgesehen davon falle ein Einsatz von bloß 1 Euro nicht unter das Glücksspielmonopol des Bundes, sondern in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Und hinsichtlich des Walzenspielgerätes sei weder der höchstmögliche Einsatz pro Spiel noch erhoben worden, ob Serienspiele – was jedoch auf Grund der äußerst günstigen Gewinn-/Verlust-Relation als evident scheine – veranlasst werden sollten; insoweit liege nämlich keine behördliche, sondern vielmehr eine ausschließliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte vor. Von all dem abgesehen verstoße aber die konkrete Ausgestaltung des Glücksspielmonopols gegen das Unionsrecht, sodass sich die angeordnete Beschlagnahme vornehmlich schon aus diesem Grund als rechtswidrig erweise.

 

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

 

 

II.

 

 

1. Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Perg zu Zl. Pol-2014; da sich bereits aus diesem der maßgebliche Sachverhalt klären ließ und dieser zwischen den Verfahrensparteien im Grunde auch nicht strittig ist, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2. Auf Grund dieser Beweisaufnahme resultiert folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

 

2.1. Am 28. August 2014 führten Exekutivorgane (der Finanzpolizei) in einer Gaststätte in L (Bezirk Perg) eine auf das Glücksspielgesetz gestützte Kontrolle durch. In deren Zuge wurden zwei betriebsbereit aufgestellte Geräte, nämlich ein sog. „Walzenspielgerät“ und ein sog. „Elektronisches Glücksrad“ (bzw. „Fun-Wechsler“) vorgefunden. In der Folge wurden von den Beamten einige Probespiele durchgeführt, wobei das Glücksrad erst nach Eingabe einer 1‑Euro-Münze in Betrieb genommen werden konnte. Danach konnte mit entsprechenden Tasten entweder die Auszahlung des eingegebenen Betrages (bzw. Guthabens) veranlasst oder ein Beleuchtungsumlauf gestartet werden, der in manchen, vom Spieler in keiner Weise beeinflussbaren Fällen einen Gewinn von bis zu 20 Euro erbrachte. Beim Walzenspielgerät konnten hingegen nach Eingabe eines bestimmten Geldeinsatzes mittels Tastenbetätigung virtuelle Walzenspiele von ca. 1 Sekunde Dauer, deren Ablauf vom Spieler in keiner Weise zu beeinflussen war, abgerufen werden. In der Folge wurden beide Geräte durch Versiegelung vorläufig in Beschlag genommen.

 

2.2. In einem nach Erlassung des angefochtenen Bescheides ergangenen Schreiben der Staatsanwaltschaft Linz vom 13. November 2014, 43 BAZ 1055/14m-3, hat der Bezirksanwalt mitgeteilt, dass das wegen eines Verdachtes der Übertretung des § 168 StGB gegen den Zweitbeschwerdeführer eingeleitete Ermittlungsverfahren nach dem Erlass des Bundesministers für Justiz vom 19. September 2014, Zl. BMJ-S145.017/0003-IV-1/2014, gemäß § 190 Z. 1 StPO eingestellt wurde, „weil die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst die weitere Verfolgung aus rechtlichen Gründen unzulässig wäre“.

 

 

III.

 

 

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erwogen:

 

1. Gemäß § 53 Abs. 1 Z. 1 lit. a GSpG kann die Behörde u.a. dann die Beschlagnahme von Glücksspielautomaten, von sonstigen Eingriffsgegenständen oder von technischen Hilfsmitteln anordnen, wenn der Verdacht besteht, dass mit solchen Gegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen wird.

 

Nach § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu 60.000 Euro zu bestrafen, der zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer daran beteiligt.

 

Gemäß § 168 des Strafgesetzbuches, BGBl.Nr. 60/1975 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 134/2013 (im Folgenden: StGB), ist derjenige, der ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird.

 

2. Nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofes wird der Tatbestand des § 168 Abs. 1 StGB auch dadurch erfüllt, dass eine Person zur Durchführung von Serienspielen veranlasst wird (vgl. z.B. OGH vom 20. März 2013, 6 Ob 118/12i, m.w.N.).

 

Gerade dies trifft im vorliegenden Fall hinsichtlich beider beschlagnahmter Geräte zu, sind diese doch, wie der im Akt der belangten Behörde einliegenden Fotodokumentation zur Anzeige der Finanzpolizei vom 28. August 2014, Zl. 051/70095/4314, entnommen werden kann, u.a. mit einem Banknotenauszug, mit einer automatischen „Start“-Taste und mit einer günstigen Relation zwischen dem maximalen Einsatz und dem höchstmöglichen Gewinn (die hier sogar beim Fun-Wechsler ein Verhältnis von 1:20 aufweist), v.a. im Zusammenhang mit Bonusspielen, ausgestattet, wodurch ein potentieller Spieler evidentermaßen ganz bewusst zu Serienspielen veranlasst werden soll.

 

Von einem Unterhaltungsfaktor des Spieles kann unter derartigen Rahmenbedingungen keine Rede sein; vielmehr bleibt ein solcher zu Gunsten einer ausschließlichen Gewinnerzielungsabsicht völlig im Hintergrund (siehe zu identisch ausgestalteten Spielgeräten ausführlich z.B. LVwG-410416 vom 2. Dezember 2014 und LVwG-410080 vom 13. Oktober 2014; hinsichtlich Fun-Wechsler kann zudem gelegentlich überhaupt bezweifelt werden, ob mit diesen eine Ausspielung i.S.d. GSpG erfolgt – vgl. LVwG-410377 vom 5. November 2014).

 

Eine eigenständige Beurteilung durch das Verwaltungsgericht des Landes muss daher zu dem Ergebnis führen, dass durch die betriebsbereite Aufstellung der verfahrensgegenständlichen Geräte hier jeweils ein Vergehen gegen § 168 Abs. 1 StGB verwirklicht wurde, weshalb die Vollziehung der vorliegenden Tatanlastung in den Zuständigkeitsbereich der ordentlichen Gerichte fällt.

 

Ob eine konkrete Strafverfolgung deshalb, weil dieser – wie sich aus der vorerwähnten, über eine Wiedergabe des Gesetzestextes nicht hinausgehenden Mitteilung der Staatanwaltschaft Linz (s.o., Pkt. II.2.) zu ergeben scheint – allenfalls strafprozessuale Aspekte entgegenstehen, gehindert ist, vermag an der materiell-rechtlichen Qualifikation der Tat nichts zu ändern.

 

4. Gemäß § 52  Abs. 3 GSpG ist eine Tat dann, wenn dadurch sowohl der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 52 GSpG als auch der Tatbestand des § 168 StGB verwirklicht wird, nur nach den Verwaltungsstrafbestimmungen des § 52 GSpG zu bestrafen.

 

4.1. Zu dieser mit der Novelle BGBl.Nr. I 13/2014 eingefügten Bestimmung wird in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (vgl. 24 BlgNR, 25. GP, S. 22 f) ausgeführt:

 

„Die Änderung erfolgt aufgrund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, die verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf eine Doppelbestrafungssituation durch § 168 StGB und § 52 Abs. 1 und 2 konstatierte (VfGH 13.6.2013, B 422/2013 und VwGH 23.7.2013, 2012/17/0249). Durch die Neufassung des § 52 Abs. 3 soll die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden klar geregelt und die Gefahr einer Doppelbestrafung(-ssituation) im Sinne des Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK hintangehalten werden. Die Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden nach dem Glücksspielgesetz und der Strafgerichte nach § 168 StGB soll im Sinne einer in § 22 VStG bestimmten grundsätzlichen Zulässigkeit einer Subsidiarität des Strafrechts gegenüber dem Verwaltungsstrafrecht erfolgen. Dies steht auch in Einklang mit den Schlussanträgen in der Rs. Pfleger (SA Sharpston vom 14.11.2013, Rs. C-390/12, Rn. 83), in denen es als unbeachtlich angesehen wurde, ob ein Verwaltungs- oder ein Strafgericht tätig wird und keine Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erkannt wurden. Die zuständigen Verwaltungsgerichte der Länder verfügen über volle Kognitionsbefugnis, sodass dies im Einklang mit Art. 6 EMRK steht. Künftig sollen zahlreiche Ermittlungs- und Feststellungserfordernisse betreffend die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden wie z.B. hinsichtlich möglicher oder tatsächlich geleisteter Einsätze, hinsichtlich der maximal möglichen Einsatzhöhen und hinsichtlich der allfällig gebotenen Zusammenrechnung geringer einzelner Einsatzhöhen (sog. Serienspiele mit allf. Automatikstarttaste) sowie hinsichtlich des Spielens zum Zeitvertreib oder zu bloßen gemeinnützigen Zwecken nicht mehr erforderlich sein, wodurch eine Entlastung und Beschleunigung der Verfahren der Verwaltungsbehörden erreicht wird. Durch eine gänzliche Konzentration der Zuständigkeiten bei den Verwaltungsbehörden für alle Glücksspielstraftatbestände verbleibt kein Anwendungsbereich für § 168 StGB; auch der Versuch des gerichtlichen Tatbestandes tritt aufgrund dieser Subsidiaritätsbestimmung hinter § 52 zurück, weil es sich auch bei der Verwirklichung des Tatbestandes des § 15 in Verbindung mit § 168 StGB um dasselbe Delikt handelt, wenngleich diese nicht in der Verwirklichung des verpönten Erfolges des § 168 StGB mündete. Dadurch sollen Reibungsverluste bei der Zuständigkeitsabgrenzung vermieden und Doppelgleisigkeiten im Rahmen der Vollziehung bereinigt werden. Es wird durch die Vollzugskonzentration in der Verwaltung auch eine sachnähere, spezialisierte Verfolgung mit spezifischen Sanktionierungsmöglichkeiten wie der Beschlagnahme nach § 53, der Einziehung nach § 54 und der Betriebsschließung nach § 56a ermöglicht, wodurch ein schnelles und wirksames Reagieren auf bewilligungsloses Angebot sichergestellt wird. Die Erfahrungen aus dem bisherigen Vollzug der zuständigen Verwaltungsbehörden zeigen die Wirksamkeit und Effektivität des gewählten Modells. In den Jahren 2010 bis 2012 kam es erstinstanzlich zu 638 Verurteilungen, 1.195 Beschlagnahmen und 164 Einziehungen, die rechtskräftig in zweiter Instanz zu 478 Verurteilungen, 1.125 Beschlagnahmen und 58 Einziehungen führten. Im Jahr 2012 gab es demgegenüber nur zwei gerichtliche Verurteilungen nach § 168 StGB, in beiden Fällen wurde jeweils eine Geldstrafe verhängt, im Jahr 2011 gab es elf gerichtliche Verurteilungen nach § 168, die zu insgesamt sieben Geldstrafen, jeweils einer bedingten und teilbedingten Freiheitsstrafe sowie zu zwei anderen Sanktionen führten (Statistik Austria, Gerichtliche Kriminalstatistik 2011 und 2012). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Umkehr der bisherigen Subsidiaritätsregel zu keiner ‚Entkriminalisierung‘ führt. Zur Sicherstellung einer wirksamen Vollziehung sind aus Gründen der General- und Spezialprävention empfindliche Strafen erforderlich. Diese sollen dem durch die Tat erzielbaren wirtschaftlichen Nutzen begegnen und so das illegale Angebot zunehmend unattraktiv machen und weiter zurückdrängen. Aus diesem Grund wird eine Staffelung der zu verhängenden Strafen je nach Schwere des Eingriffes (Anzahl der Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstände) bzw. Häufigkeit der Eingriffe (Wiederholungsfall) und eine Mindeststrafenregelung sowie die Erhöhung des Maximalstrafbetrages normiert. Die Strafdrohung ist nach der Schädlichkeit dadurch differenziert, dass bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen die dreifache Mindeststrafe vorgesehen ist. Dadurch wird einerseits die typischerweise damit einhergehende organisierte (und mit qualifizierter Strafhöhe im Wiederholungsfall auch wiederholte) Übertretung des Gesetzes erfasst und andererseits dem typischerweise damit einhergehenden wirtschaftlichen Nutzen aus dem strafbaren Verhalten begegnet. Was die Strafsätze betrifft, orientiert sich die Staffelung der Mindest- und Höchststrafen an § 28 Abs. 1 AuslBG, der keine verfassungsrechtlichen Bedenken hervorgerufen hat (VfGH 27.9.2007, G 24/07 ua.). Es besteht die Möglichkeit unter bestimmten Voraussetzungen trotz Mindeststrafe eine geringere als diese oder gar keine Strafe im Sinne der §§ 20 und 21 VStG zu verhängen.“

 

4.2. Daraus ergibt sich, dass das Ziel dieser Novellierung darin bestand, die Zuständigkeit von den ordentlichen Gerichten auf die Verwaltungsbehörden bzw. in der Folge auf die Verwaltungsgerichte zu verlagern, indem eine Subsidiarität der Vollziehung von Vergehen gegen § 168 Abs. 1 StGB gegenüber der Vollziehung von Übertretungen des § 52 Abs. 1 GSpG normiert wurde.

 

Dies kommt in der Textierung des § 52 Abs. 3 GSpG zwar explizit zum Ausdruck, doch bedingt eine Heranziehung dieser Subsidiaritätsbestimmung (weiterhin) eine vorgängige Untersuchung dahin, ob „eine Tat ..... sowohl den Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 52 GSpG als auch den Tatbestand des § 168 StGB verwirklicht“.

 

4.3. Der zuvor wiedergegebenen, eindimensional bloß die Problematik einer gemäß Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK unzulässigen Doppelbestrafung im Blick habenden Argumentation der Gesetzesmaterialien fehlt es allerdings an einer gleichzeitigen Auseinandersetzung damit, dass die österreichische Verfassung die in den Art. 90 ff B-VG grundgelegte Abgrenzung zwischen gerichtlich und behördlich zu verfolgenden Straftatbeständen nicht anhand der Frage der (vermeintlich) relativ größeren Effizienz der Strafverfolgung, sondern vielmehr anhand des Kriteriums der Gravität des in der konkreten Strafdrohung jeweils zum Ausdruck kommenden Unwerturteils vornimmt.

 

In diesem Sinne hat der Verfassungsgerichtshof (im Folgenden: VfGH) in seinem Erkenntnis vom 29. November 1995, G 115/93, u.a. festgestellt:

 

„Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur (beginnend mit VfSlg. 12151/1989, bekräftigt mit VfSlg. 12282/1990, 12389/1990, 12471/1990, 12546/1990, 12547/1990, 12920/1991) dargetan, dass die aus Art. 91 B-VG abzuleitenden Grundsätze es (auch) dem Landesgesetzgeber bei Zutreffen bestimmter Voraussetzungen gebieten, die Zuständigkeit des Strafgerichts vorzusehen. Dies dann, wenn er sich im Hinblick auf die nach seiner Wertung gegebene hohe Sozialschädlichkeit eines Verhaltens veranlasst sieht, zu dessen Hintanhaltung eine schwerwiegende, in den Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit fallende Strafdrohung festzulegen, wozu auch die Androhung besonders hoher Geldstrafen zählt. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei dieser Rechtsprechung. Aus ihr geht auch hervor, dass eine Strafdrohung von 2 Mio. S in den im Erkenntnis VfSlg. 12282/1990 umschriebenen Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit fällt (vgl. VfSlg. 12151/1989, S 104 und 106; 12389/1990, S 614).

 

Die von der Wiener Landesregierung .... unter Berufung auf Literatur (so insbesondere auf Öhlinger, Die Geldstrafe im Verwaltungsstrafrecht, ÖJZ 1991, S 217 ff. und auf Miklau, ÖJZ 1991, S 361 ff.) abgegebene Äußerung vermag den Verfassungsgerichtshof nicht zu veranlassen, von der erwähnten Judikatur abzugehen:

 

Die Wiener Landesregierung argumentiert zum einen - unter Zitierung von Öhlinger (s.o. I.2) - mit dem Hinweis auf die - mit Jänner 1991 (also erst nach Ergehen der oben zitierten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes) in Kraft getretene - B-VG-Nov 1988, BGBl. 685, mit der die unabhängigen Verwaltungssenate eingeführt wurden. Seither sei jede Verwaltungsstrafe letztlich von einem Tribunal iS des Art6 EMRK zu verhängen. Zum anderen wird auf Art3 Abs2 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. 684/1988 verwiesen. Dieses BVG sehe im Verwaltungsstrafrecht nur eine Grenze der Strafhöhe für Freiheitsstrafen, nicht aber eine solche für Geldstrafen vor. Das Schweigen des Verfassungsgesetzgebers über die zulässige Höhe von Geldstrafen könne nur dahingehend gedeutet werden, dass eine Begrenzung der Geldstrafe im Verwaltungsstrafrecht nicht intendiert sei.

 

Diese Ausführungen widerlegen das vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 12151/1989 aus Art. 91 B-VG abgeleitete Begründungselement nicht, auf das Öhlinger Bezug nimmt. In diesem Erkenntnis heißt es, dass der Gesetzgeber von Verfassung wegen gehalten sei, mit der Ahndung bestimmter strafbarer Handlungen, ‚die (wegen ihrer Unabhängigkeit hierzu besonders qualifizierten) Organe der Strafgerichtsbarkeit‘ zu betrauen. Die in Klammern gesetzte Wendung ist als bloßes Nebenargument zu verstehen, das auf die - von der Verfassung angenommene - besondere Qualifikation der Strafgerichte gegenüber Verwaltungsbehörden hinweist. Diese Besonderheit der Strafgerichte besteht auch im Verhältnis zu jenen Verwaltungsbehörden, die als ‚unabhängige Verwaltungssenate‘ bezeichnet werden. Auch aus dem Schweigen des Verfassungsgesetzgebers im BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit über die höchstzulässige Verwaltungs-Geldstrafe ergibt sich der erwähnte Schluss nicht zwingend und ist nicht einmal naheliegend: Das zitierte BVG befasst sich nämlich ausschließlich mit Freiheitsbeschränkungen, also insbesondere auch mit Freiheitsstrafen, in keiner Weise aber mit Geldstrafen. Es war daher von der Thematik dieses BVG nicht zu erwarten, dass es irgendwelche Bestimmungen über Geldstrafen enthalte. Daher ist aus dem Fehlen derartiger Vorschriften gar nichts abzuleiten.

 

Die Wiener Landesregierung beruft sich in ihrer Äußerung weiters auf Miklau (s.o. I.2). Sie nimmt neuerlich auf die die Unabhängigen Verwaltungssenate einrichtende B-VG-Nov 1988 Bezug und fordert mit strafrechtshistorischen und strafrechtspolitischen Argumenten ein Abgehen des Verfassungsgerichtshofes von seiner erwähnten Rechtsprechung. Diese Überlegungen sind nicht geeignet, die erwähnte verfassungsgerichtliche Judikatur zu widerlegen. Diese beruht nämlich auf anderen, verfassungsrechtlichen Aspekten.

 

.....

 

Ob die derzeit geltende Regelung, die völlig undifferenziert eine Höchststrafe bis zu 2 Mio. S vorsieht, dem Gleichheitsgrundsatz entspricht oder nicht, hatte der Verfassungsgerichtshof hier nicht zu erörtern, weil in diese Richtung gehende Bedenken nicht vorgebracht wurden.“

 

Auf die hier vorliegende Problematik übertragen bedeutet dies: Weil § 52 Abs. 2 GSpG eine Strafbarkeit hinsichtlich jedes einzelnen Glücksspielautomaten normiert, kann es durchaus – und zwar nicht nur in bloß atypischen Einzelfällen – zu einer Überschreitung der in diesem VfGH-Erkenntnis und den darin bezogenen Entscheidungen genannten, für die Abgrenzung zwischen behördlicher und gerichtlicher Strafbarkeit maßgeblichen Strafobergrenzen (ca. 145.000 Euro; vgl. VfSlg 14361/1995) kommen. Davon abgesehen lässt sich nach § 52 Abs. 2 GSpG die Obergrenze der Strafhöhe ex ante – ähnlich wie in jenen den Erkenntnissen VfSlg 12151/1989 (Dreißigfacher Verkürzungsbetrag), VfSlg 12282/1990, 12546/1990 und 12547/1990 (jeweils Fünfzigfacher Verkürzungsbetrag) u.a. zu Grunde liegenden Fällen – überhaupt nicht abstrakt bestimmen.

 

4.3. Eine verfassungskonforme, nicht nur dem in den Gesetzesmaterialien berücksichtigten Doppelverfolgungs- und ‑bestrafungsverbot des Art. 4 Abs. 1 7.ZPMRK, sondern auch den Anforderungen der Art. 90 ff B-VG Rechnung tragende  Interpretation des § 52 Abs. 3 GSpG muss daher insgesamt zu dem Ergebnis führen, dass die in dieser Regelung genannte Subsidiaritätsklausel jedenfalls in den Fällen, in denen eine ausschließlich nach § 168 Abs. 1 StGB strafbare Handlung vorliegt, nicht zum Tragen kommt.

 

Dies ist – neben den im Erlass des Bundesministers für Justiz vom 19. September 2014, Zl. BMJ-S145.017/0003-IV-1/2014, auf S. 1 im vorletzten Absatz (wohl bloß beispielhaft) genannten Konstellationen – etwa dann gegeben, wenn dem Täter lediglich eine versuchte Begehung des § 168 Abs. 1 StGB angelastet werden kann (wobei sich die dementsprechende Feststellung in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage, dass „durch eine gänzliche Konzentration der Zuständigkeiten bei den Verwaltungsbehörden für alle Glücksspielstraftatbestände ..... kein Anwendungsbereich für § 168 StGB verbleibt“ [vgl. 24 BlgNR, 25. GP, S. 22], nicht nur aus diesem Grund, sondern auch deshalb als offensichtlich unzutreffend erweist, weil, wie bereits ausgeführt, eine Heranziehung der Subsidiaritätsklausel das Vorliegen eines sowohl gerichtlich als auch verwaltungsbehördlich strafbaren Tatbestandes systembedingt voraussetzt).

 

4.4. Insgesamt ist daher § 52 Abs. 3 GSpG dahin auszulegen, dass dadurch dem § 168 Abs. 1 GSpG keineswegs jeglicher Anwendungsbereich genommen wird, sondern letzterer Bestimmung vielmehr weiterhin die Priorität zukommt: Da eine parallele Verfolgung nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPMRK bis zum Eintritt von res iuducata in einem dieser Verfahren nicht ausgeschlossen ist, schließt auch § 52 Abs. 3 GSpG vor diesem Hintergrund eine solche vorläufige parallele Verfahrensführung nicht aus; ergibt sich letztlich auf Grund der konkreten Umstände des Falles ein – nur – gerichtlich strafbarer Tatbestand gemäß § 168 Abs. 1 StGB, dann sind zu dessen Ahndung auch weiterhin ausschließlich die ordentlichen Gerichte zuständig.

 

Auch aus rechtspolitischer Sicht könnte Anderes nur dann gelten, wenn der Gesetzgeber mit der Novelle BGBl.Nr. I 13/2014 eine Entkriminalisierung von Verstößen gegen das GSpG intendiert gehabt hätte; wie sich aus den vorzitierten Gesetzesmaterialien ergibt, trifft jedoch gerade das Gegenteil zu.

 

4.5. Im vorliegenden Fall ergeben sich keine Hinweise darauf, dass bei der Kontrolle außer den Lokalbediensteten und den Exekutivorganen auch noch andere Personen – insbesondere solche, die beim Eintreffen der Beamten gerade die in der Folge beschlagnahmten Geräte bespielten – anwesend waren.

 

Auf Grund dieser konkreten Umstände hätte den Beschwerdeführern hier – weil eine versuchte Übertretung des § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG infolge Fehlens einer entsprechend expliziten Anordnung i.S.d. § 8 Abs. 1 VStG nicht strafbar ist – lediglich eine versuchte Begehung des § 168 Abs. 1 StGB angelastet werden können.

 

Da die Ahndung dieses Deliktes den ordentlichen Gerichten obliegt, erweist sich somit die von der belangten Behörde in Form eines Bescheides angeordnete (Bestätigung der vorläufigen) Beschlagnahme der verfahrensgegenständlichen Geräte als rechtswidrig. 

 

5. Im Übrigen darf auch darauf hingewiesen werden, dass aus Anlass früherer gleichartiger Beschwerden schon der Oö. Verwaltungssenat mit Schriftsatz vom 10. August 2012, Zln. VwSen-740121/2/Gf/Rt u.a., gemäß Art. 267 AEUV einen Antrag auf Vorabentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen Union gestellt hat.

 

Mit Urteil vom 30. April 2014, C-390/12, hat der EuGH ausgesprochen, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, sofern diese Regelung nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und nicht tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen.

 

Wie bereits in diesem Vorlageantrag angeführt, hat bislang – i.S.d. Urteils des EuGH vom 15. September 2011, C-347/09 – weder die im Anlassverfahren belangte Behörde noch eine andere staatliche Institution den Versuch unternommen, in einer in einem rechtsstaatlichen Verfahren verwertbaren Form (d.h. vornehmlich im Wege eines Sachverständigengutachtens) zu belegen, dass die Kriminalität – worunter nicht bloß Verstöße gegen ordnungspolitische und/oder Monopolsicherungsvorschriften, sondern vielmehr erhebliche Eingriffe in die Rechtssphäre anderer Personen, insbesondere der Spieler und deren Angehörigen, zu verstehen sind (vgl. z.B. EuGH vom 31. März 2011, C 347/09, RN 84, m.w.N.) – und/oder die Spielsucht im präjudiziellen Zeitraum tatsächlich ein erhebliches Problem darstellte(n) und bejahendenfalls, dass diesem insbesondere nur durch ein Monopolsystem mit kontrollierter Expansion von zugelassenen Spieltätigkeiten hätte abgeholfen werden können, sowie, dass tatsächlich die Kriminalitätsbekämpfung und der Spielerschutz – und nicht etwa bloß eine Maximierung oder massive Erhöhung der Staatseinnahmen – das wahre Ziel der Monopolregelung bilden würde(n).

 

Mit dem nunmehrigen Urteil vom 30. April 2014, C 390/12, hat der EuGH seine diesbezügliche bisherige Judikatur bekräftigt, wenn in RN 50 ausdrücklich statuiert wird, „dass es dem Mitgliedstaat ..... obliegt, dem Gericht ..... alle Umstände darzulegen, anhand deren dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt“. In diesem Zusammenhang hatte auch bereits die Generalanwältin in ihrem Schlussantrag (vom 14. November 2013, Nr. 58, unter Verweis auf das EuGH-Urteil vom 8. September 2010, C 316/07, RN 71) dezidiert festgestellt, dass „die Beweislast dafür, dass die Beschränkung verhältnismäßig ist, die österreichischen Behörden tragen“.

 

Auf Grund der gegenwärtig dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich vorliegenden Faktenlage resultiert sohin als Ergebnis, dass das im GSpG verankerte Monopolsystem nur vordergründig das Ziel des Spielerschutzes und nicht wirklich das Ziel der Kriminalitätsbekämpfung, sondern in erster Linie vielmehr das Ziel einer Maximierung der Staatseinnahmen verfolgt, sodass sich vor diesem Hintergrund die derzeit bestehende Monopolregelung in Verbindung mit dem unter einem zu dessen Effektuierung institutionalisierten strikten Sanktionensystem (das durch weitreichende Straftatbestände, durch hohe Strafdrohungen und durch unmittelbare Eingriffsbefugnisse – wie [auch vorläufige] Beschlagnahme, Einziehung und Betriebsschließung – gekennzeichnet ist) insgesamt besehen unverhältnismäßig ist.

 

Entsprechend den vom EuGH in seinem Urteil vom 30. April 2014, C 390/12, getroffenen Feststellungen (vgl. RN 54 bis 56) widerspricht daher eine solche nationale Regelung dem Art. 56 AEUV (sowie den Art. 15 bis 17 EGRC), wobei sich vor dem Hintergrund der Unvereinbarkeit des Monopolsystems des GSpG als solchem auch das darauf fußende Sanktionensystem als unionsrechtswidrig erweist (vgl. näher LVwG-410269 u.a. vom 8. Mai 2014 und zuletzt LVwG-410390 vom 12. August 2014).

 

6. Da sich die bescheidmäßig angeordnete Beschlagnahme der beiden Glücksspielgeräte sohin aus allen diesen Gründen als rechtswidrig erweist, war der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 50 VwGVG dahin stattzugeben, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

 

7. Angesichts dieses Verfahrensergebnisses erübrigt sich eine gesonderte Entscheidung zur Frage der Rechtmäßigkeit des bescheidmäßig unter einem verfügten Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.

 

 

IV.

 

 

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof i.S.d. Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil bislang eine Rechtsprechung des VwGH zur Frage der Auslegung des § 52 Abs. 3 GSpG im Lichte der Art. 90 ff B-VG fehlt.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

Gegen dieses Erkenntnis kann auch eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten.

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr.  G r o f

 

 

 

 

LVwG-410481/2/Gf/Rt vom 11. Dezember 2014

LVwG-410482/2/Gf/Rt vom 11. Dezember 2014

 

Erkenntnis

 

7.ZPMRK Art4 Abs1

B-VG Art90

B-VG Art91

GSpG §51

GSpG §52 Abs1 Z1

GSpG §52 Abs2

GSpG §52 Abs3

GSpG §53

StGB §168 Abs1

VStG §8

Erlass BMJ vom 19.9.2014, Zl. BMJ-S145.017/0003-IV-1/2014

 

 

Rechtssätze:

 

* Aus den E zur RV (vgl. 24 BlgNR, 25. GP, 22) ergibt sich, dass das Ziel der Novellierung des § 52 Abs. 3 GSpG darin bestand, die Zuständigkeit von den ordentlichen Gerichten auf die Verwaltungsbehörden bzw. in der Folge auf die Verwaltungsgerichte zu verlagern, indem eine Subsidiarität der Vollziehung von Vergehen gegen § 168 Abs. 1 StGB gegenüber der Vollziehung von Übertretungen des § 52 Abs. 1 GSpG normiert wurde. Dies kommt in der Textierung des § 52 Abs. 3 GSpG zwar explizit zum Ausdruck, doch bedingt eine Heranziehung dieser Subsidiaritätsbestimmung (weiterhin) eine vorgängige Untersuchung dahin, ob „eine Tat ..... sowohl den Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 52 GSpG als auch den Tatbestand des § 168 StGB verwirklicht“.

 

* Der eindimensional bloß die Problematik einer gemäß Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK unzulässigen Doppelbestrafung im Blick habenden Argumentation der Gesetzesmaterialien fehlt es allerdings an einer gleichzeitigen Auseinandersetzung damit, dass die österreichische Verfassung die in den Art. 90 ff B-VG grundgelegte Abgrenzung zwischen gerichtlich und behördlich zu verfolgenden Straftatbeständen nicht anhand der Frage der (vermeintlich) relativ größeren Effizienz der Strafverfolgung, sondern vielmehr anhand des Kriteriums der Gravität des in der konkreten Strafdrohung jeweils zum Ausdruck kommenden Unwerturteils vornimmt. Überträgt man die vom VfGH in seinem Erkenntnis vom 29. November 1995, G 115/93, getroffenen Feststellungen auf den vorliegenden Fall, so bedeutet dies: Weil § 52 Abs. 2 GSpG eine Strafbarkeit hinsichtlich jedes einzelnen Glücksspielautomaten normiert, kann es durchaus – und zwar nicht nur in bloß atypischen Einzelfällen – zu einer Überschreitung der in diesem VfGH-Erkenntnis und den darin bezogenen Entscheidungen genannten, für die Abgrenzung zwischen behördlicher und gerichtlicher Strafbarkeit maßgeblichen Strafobergrenzen (ca. 145.000 Euro; vgl. VfSlg 14361/1995) kommen. Davon abgesehen lässt sich nach § 52 Abs. 2 GSpG die Obergrenze der Strafhöhe ex ante – ähnlich wie in jenen den Erkenntnissen VfSlg 12151/1989 (Dreißigfacher Verkürzungsbetrag), VfSlg 12282/1990, 12546/1990 und 12547/1990 (jeweils Fünfzigfacher Verkürzungsbetrag) u.a. zu Grunde liegenden Fällen – überhaupt nicht abstrakt bestimmen.

 

* Eine verfassungskonforme, nicht nur dem in den Gesetzesmaterialien berücksichtigten Doppelverfolgungs- und  bestrafungsverbot des Art. 4 Abs. 1 7.ZPMRK, sondern auch den Anforderungen der Art. 90 ff B-VG Rechnung tragende  Interpretation des § 52 Abs. 3 GSpG muss daher insgesamt zu dem Ergebnis führen, dass die in dieser Regelung genannte Subsidiaritätsklausel jedenfalls in den Fällen, in denen eine ausschließlich nach § 168 Abs. 1 StGB strafbare Handlung vorliegt, nicht zum Tragen kommt. Dies ist – neben den im Erlass des Bundesministers für Justiz vom 19. September 2014, Zl. BMJ-S145.017/0003-IV-1/2014, auf S. 1 im vorletzten Absatz (wohl bloß beispielhaft) genannten Konstellationen – etwa dann gegeben, wenn dem Täter lediglich eine versuchte Begehung des § 168 Abs. 1 StGB angelastet werden kann (wobei sich die dementsprechende Feststellung in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage, dass „durch eine gänzliche Konzentration der Zuständigkeiten bei den Verwaltungsbehörden für alle Glücksspielstraftatbestände ..... kein Anwendungsbereich für § 168 StGB verbleibt“ [vgl. 24 BlgNR, 25. GP, S. 22], nicht nur aus diesem Grund, sondern auch deshalb als offensichtlich unzutreffend erweist, weil, wie bereits ausgeführt, eine Heranziehung der Subsidiaritätsklausel das Vorliegen eines sowohl gerichtlich als auch verwaltungsbehördlich strafbaren Tatbestandes systembedingt voraussetzt).

 

* Insgesamt ist daher § 52 Abs. 3 GSpG dahin auszulegen, dass dadurch dem § 168 Abs. 1 GSpG keineswegs jeglicher Anwendungsbereich genommen wird, sondern letzterer Bestimmung vielmehr weiterhin die Priorität zukommt: Da eine parallele Verfolgung nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPMRK bis zum Eintritt von res iuducata in einem dieser Verfahren nicht ausgeschlossen ist, schließt auch § 52 Abs. 3 GSpG vor diesem Hintergrund eine solche vorläufige parallele Verfahrensführung nicht aus; ergibt sich letztlich auf Grund der konkreten Umstände des Falles ein – nur – gerichtlich strafbarer Tatbestand gemäß § 168 Abs. 1 StGB, dann sind zu dessen Ahndung auch weiterhin ausschließlich die ordentlichen Gerichte zuständig. Auch aus rechtspolitischer Sicht könnte Anderes nur dann gelten, wenn der Gesetzgeber mit der Novelle BGBl.Nr. I 13/2014 eine Entkriminalisierung von Verstößen gegen das GSpG intendiert gehabt hätte; wie sich aus den vorzitierten Gesetzesmaterialien ergibt, trifft jedoch gerade das Gegenteil zu.

 

* Im vorliegenden Fall ergaben sich keine Hinweise darauf, dass bei der Kontrolle außer den Lokalbediensteten und den Exekutivorganen auch noch andere Personen – insbesondere solche, die beim Eintreffen der Beamten gerade die in der Folge beschlagnahmten Geräte bespielten – anwesend waren. Auf Grund dieser konkreten Umstände hätte den Beschwerdeführern hier – weil eine versuchte Übertretung des § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG infolge Fehlens einer entsprechend expliziten Anordnung i.S.d. § 8 Abs. 1 VStG nicht strafbar ist – lediglich eine versuchte Begehung des § 168 Abs. 1 StGB angelastet werden können. Da die Ahndung dieses Deliktes den ordentlichen Gerichten obliegt, erweist sich somit die von der belangten Behörde in Form eines Bescheides angeordnete (Bestätigung der vorläufigen) Beschlagnahme der verfahrensgegenständlichen Geräte als rechtswidrig. 

 

 

Schlagworte:

 

Vorläufige Beschlagnahme von Glücksspielgeräten – Bestätigung; Doppelbestrafung; Subsidiaritätsklausel; strafrechtliche Zuständigkeitsabgrenzung zwischen ordentlicher Gerichtsbarkeit einerseits und Behördenzuständigkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit andererseits; Auslegung, verfassungskonforme

Beachte:

Das Erkenntnis wurde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

VwGH vom 30. Juni 2015, Zlen. Ro 2015/17/0012, 0013-6 sowie 0014, 0015-3