LVwG-700066/5/MZ/JB

Linz, 02.12.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde der A. P., geb. X, vertreten durch
RA Dr. W. U., Xstraße 30, K., gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 10.10.2014,
GZ: VStV/914300463873/2014,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insoweit stattgegeben, als von der Verhängung einer Strafe abgesehen und der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 4 VStG eine Ermahnung erteilt wird.

 

II.       Gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG entfällt für die Beschwerdeführerin die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.a) Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 10.10.2014, GZ. VStV/914300463873/2014, wurde der Beschwerdeführerin folgender Spruch verkündet:

 

„Sie haben sich als Fremder (2 Abs 4 Z 1 FPG) am 17.06.2014 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet, in R., X Straße 6, aufgehalten, da für den rechtmäßigen Aufenthalt eine rechtmäßige Einreise Voraussetzung ist und dürfen während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten werden. Sie waren auch nicht aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt. Weder waren Sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels noch bestand ein Aufenthaltsrecht nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine
EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten innehatten und sich dies auch nicht aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt. Somit liegen keine Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt vor.“

 

Die Bf habe dadurch § 31 Abs. 1 Z 1 bis 7 FPG in Verbindung mit § 120 Abs. 1a FPG verletzt, weshalb über sie eine Geldstrafe in der Höhe von 500,- EUR, ersatzweise eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Tagen, verhängt wurde.

 

Ihre Entscheidung begründend führt die belangte Behörde – ohne Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen oder jegliche Ausführungen bezüglich die subjektive Tatseite oder die Strafzumessung – wie folgt aus:

 

„Wie bereits zurückliegend erörtert, haben Sie sich vom 07.01.2014 bis 24.04.2014, vom 27.04.2014 bis 22.05.2014 und vom 26.05.2014 bis zumindest 17.06.2014 in Österreich aufgehalten und somit jene 90 Tage innerhalb von
180 Tagen, wo Sie sich visumfrei in Österreich aufhalten dürfen, überschritten.

In der Stellungnahme vom 17.07.2014 wird angeführt, dass Sie gegen Ihren Willen angehalten und zum Teil in der Wohnung in E. eingesperrt waren.

Dazu ist festzuhalten, dass Sie in der Beschuldigtenvernehmung vom 17.06.2014 angegeben haben, am 10.05.2014 zu Ihrer Freundin nach S. gegangen zu sein. Es wäre Ihnen daher auch durchaus möglich gewesen, Österreich zu verlassen.

 

Gem. § 20 VStG kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Aus Sicht der Behörde überwiegen in Ihrem Fall die Milderungsgründe nicht beträchtlich.“

 

b) Gegen das in Rede stehende Straferkenntnis erhob die Bf im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

In dieser führt die Bf folgendes aus:

 

„In umseits näher bezeichneter Verwaltungsrechtssache erhebt die Einschreiterin gegen das Straferkenntnis der LPD vom 10.10.2014,
GZ: VStV/914300463873/2014, zugestellt an die Einschreiterin am 15.10.2014 binnen offener Frist nachstehende Beschwerde an das Verwaltungsgericht und führt aus wie folgt:

• Das oben näher bezeichnete Straferkenntnis wird seinem gesamten Inhalt nach angefochten

• Es wird die Aufhebung des näher bezeichneten Straferkenntnisses beantragt

• In eventu wird eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafe beantragt

 

Die Einschreiterin trifft an der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung kein Verschulden. Der seinerzeitige Lebensgefährte der Einschreiterin hat diese gegen ihren Willen angehalten. Die Einschreiterin wurde auch massiv bedroht.

 

Die Einschreiterin hatte auch Angst vor ihrem ehemaligen Lebensgefährten P. J..

 

In diesem Zusammenhang hat die Einschreiterin auch ein Verfahren beim Bezirksgericht S. angestrengt (GZ: 22 C 12/14 w), insbesondere hat die Einschreiterin einen Antrag auf einstweilige Verfügung gem. § 382 EO gestellt, wobei dieses Verfahren im Wesentlichen damit geendet hat, dass der ehemalige Lebensgefährte P. J. eine Erklärung dahingehend auch abgegeben hat, dass er sich dem Haus in dem die Einschreiterin wohnt (R., X Straße 6/2) im Umkreis von 100 m nicht nähern darf. Weiters wurde auch die Erklärung abgegeben, dass jegliche Kontaktaufnahme mit der Einschreiterin in jeglicher Form auch immer, sei es persönlich, oder durch irgendwelche Medien, telefonisch oder per SMS, vermieden wird.

 

Richtig ist, dass sich die Einschreiterin - nachdem sie aus der Wohnung des ehemaligen Lebensgefährten in E. fliehen konnte - zur Schwester ihres nunmehrigen Ehemannes nach S. begeben hat. Sie hatte einfach Angst vor ihrem ehemaligen Lebensgefährten.

 

Die Einschreiterin hat auch am 21.06.2014 ihren jetzigen Ehemann P. P. vor dem Standesamt der Stadtgemeinde B. geheiratet. Die Einschreiterin lebt und wohnt auch seit diesem Zeitpunkt bei ihrem Mann.

 

Beweis:    Akt 22 C 12/14 w

 

Zusammenfassend ist anzuführen, dass die Einschreiterin gegen ihren Willen angehalten wurde und auch in der Wohnung in E. eingesperrt war und sie in weiterer Folge zu ihrer Freundin (Schwester ihres nunmehrigen Ehemannes) nach S. geflüchtet ist.

 

Selbst wenn man davon ausgeht, dass tatsächlich eine Verwaltungsübertretung vorliegt, so wird nochmals angeführt, dass die Einschreiterin nicht vorsätzlich gehandelt hat. Ein allfälliges Verschulden der Einschreiterin ist aus den angeführten Gründen als gering zu werten bzw. überhaupt zu vernachlässigen.

 

Es überwiegen somit die Milderungsgründe gegenüber allfälligen Erschwerungsgründen.

 

Bei richtiger Beurteilung der Sach- und Rechtslage hätte die Erstbehörde aus diesen Gründen auch mit einer Ermahnung das Auslangen finden können.

 

Die Einschreiterin wiederholt daher auch nochmals ihren Antrag (dies für den Fall, dass keine Einstellung des Verfahrens oder Abmahnung erfolgt) auf ausdrückliche Herabsetzung der verhängten Geldstrafe, zumal das Verschulden als äußerst gering zu werten ist und die Milderungsgründe überwiegen bzw. überhaupt keine Erschwerungsgründe vorliegen.

 

Im angefochtenen Straferkenntnis wurde kein wie immer gearteter Bezug aufgenommen welche Erschwerungsgründe vorliegen wurden.

 

Für den Fall, dass die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, verzichtet die Einschreiterin nicht auf ihr Recht auf Durchführung einer Verhandlung und wird in diesem Fall eine solche beantragt.

Die Einschreiterin stellt daher zusammenfassend die Anträge:

a) auf Durchführung einer Verhandlung, falls keine Beschwerdevorentscheidung erfolgt;

b) das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das eingeleitete Verfahren einzustellen;

c) in eventu eine Abmahnung auszusprechen;

d) auf jeden Fall aber die verhängte Geldstrafe zu reduzieren.“

 

Der Antrag eine mündliche Verhandlung durchzuführen wurde in Folge zurückgezogen.

 

II. a) Die belangte Behörde legte die rechtzeitig erhobene Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsstrafaktes dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen; damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt. Zudem wurde eine Anfrage an die Bezirkshauptmannschaft
Steyr-Land in Bezug auf den Status des anhängigen Aufenthaltstitelverfahrens durchgeführt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte mangels Parteiantrags abgesehen werden.

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von dem von der Bf in ihrer Zeugeneinvernahme am 17.6.2014 geschilderten Sachverhalt aus, der auch von der belangten Behörde herangezogen worden sein dürfte. Zudem ist anzumerken, dass die Bf am 21.6.2014 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und nach Auskunft der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 18.11.2014 mittlerweile einen Aufenthaltstitel erhalten hat.

 

Bei der genannten Einvernahme gab die Bf folgendes zu Protokoll:

 

„Ich kam letztes Jahr im September mit meinem damaligen Freund
P. J. nach Österreich/E. Ich war der Meinung, dass mich J. angemeldet hätte, Mir wird vom erhebenden Beamten mitgeteilt, dass ich erst seit 10.04.2014 in E., X-Straße 6/6 angemeldet war.

 

Zur Person J. gebe ich an, dass ich ihn seit ca. 5 Jahren kenne. Wir waren befreundet, jedoch kein Paar. J. war mit jemand anderen verheiratet. J. gab an, dass er mich liebe und er sich von seiner Frau scheiden lassen wolle. Er wolle mich nach dem muslimischen Glauben heiraten. Ich war in J. verliebt und wollte ihn auch heiraten. Trotzdem hatte ich vor, nicht in Österreich zu bleiben. Ich hatte die Vorstellung, dass ich nach Bosnien zurück kehre und J. in Österreich arbeitet. Meine Eltern besitzen in Bosnien ein Haus und Grundstück. Mir würde es in Bosnien besser gehen als hier.

 

Letztes Jahr am 14. Dezember 2013 heirateten wir nach muslimischen Glauben in einer Moschee in E. Wie gesagt, ich war der Meinung, dass mich J. wieder nach Bosnien zurück lassen würde. Im Dezember fuhren wir gemeinsam zu meinen Eltern in Bosnien. Wir blieben bis 6. oder 7. Jänner 2014. Anschließend gab er an, dass ich wieder mit ihm nach Österreich zurückkommen solle. Ich erklärte mich einverstanden. Einige Zeit später erfuhr ich, dass er in Bosnien den Reisepass der Cousine S. M. gestohlen hat. Wie sich später heraus stellte, hat er auch diesen Reisepass fälschlich eingesetzt.

Anzuführen wäre, dass der J. in Österreich alles für mich geregelt hat. Ich habe mich um Behördengänge nicht gekümmert. J. ist nach dem religiösen Glauben ein Schute (phonetisch). Dort dürfen die Frauen selbständig nichts machen. Alles wird vom Mann erledigt.

Im Jänner kam ich mit ihm nach E. zurück. Ich wohnte bei ihm und seinen Eltern. Er hat sich immer mehr verändert. Ich durfte nicht aus der Wohnung heraus und er hat mich im Zimmer eingesperrt. Er hat mich erniedrigt, indem er mich beschimpfte.

 

Auf die Frage, warum er so aggressiv war, gebe ich an, dass er Tabletten vom Fitness Center nahm und auf diese aggressiv wurde.

 

Auf die Frage des Beamten ob ich bei den E. Krankenhaus in L. stationär aufgenommen wurde, gebe ich an:

 

Ich war Ende März vermutlich in der Zeit von 24.03. bis 28,03 einen Tag im Spital. Es handelte sich um gynäkologische Angelegenheiten. Ich wäre auch stationär aufgenommen worden. J. hat jedoch darauf gedrängt, dass ich wieder nach Hause gehen solle, weshalb er unterschrieb, dass ich wieder nach Hause könne.

 

Auf die Frage des Beamten, ob ich gewusst habe, dass er mich unter falschen Namen meiner Cousine S. M. im Spital anmeldete, gebe ich an, dass ich das nicht gewusst habe. Wie gesagt, alle Formalitäten hat er übernommen.

 

Das Leben mit ihm wurde schließlich so schlimm, dass ich am 24.04.2014 zu meinen Eltern nach Bosnien geflüchtet bin. Er hat schließlich über Skype mit meinen Eltern Kontakt aufgenommen. Er drohte, dass er Pornobilder von ihr in das Face Book stellen werden, wenn sich bis zum nächsten Sonntag nicht nach Österreich zurückkäme. Ich vereinbarte mit J., dass ich mit dem Bus nach L. fahre und ich von ihm abgeholt werde. Ich fuhr schließlich wieder mit ihm nach Hause nach E.. Er sagte zu mir, dass ich in Österreich keine Rechte hätte und ich nicht zur Polizei gehen könne. Er verhinderte, dass ich mit meinen Eltern Kontakt aufnehmen könne. Auch hat er mich mit den Fäusten geschlagen. Ich wollte noch einmal Versuchen mit J. neu anzufangen, es hat aber nicht funktioniert, weshalb ich am 10.05. wieder weg gelaufen bin. Ich ging zu meiner Freundin M. J. nach S.. Dadurch kam ich auch mit meinem jetzigen Freund P. P. zusammen. Er begann über Internet, Telefon und SMS Terror zu machen.

Am 20.05.2014 meldete mich meine zukünftige Schwiegermutter
T. P. in R. an. Am 22.05.2014 meldete sie mich wieder ab, da ich nach Hause nach Bosnien wollte. Mittlerweile habe ich mich aber in P. P. derart verliebt, dass ich am 26.05.2014 wieder nach Österreich zurückgekommen bin und ich wieder in R. bei ihm angemeldet wurde. Am  21. Juni 2014 heirate ich den P. am Standesamt in B.. P. ist österreichischer Staatsbürger und möchte sich auch um mich kümmern. Wir suchen bereits eine Wohnung im näheren Bereich. Meine Eltern werden auch zu der Hochzeit nach Österreich kommen.

 

Die Belästigungen des J. hörten nicht auf, weshalb ich am 27.05.2014 zur Polizei in B. ging. Ich wollte eigentlich nur Ruhe haben.

 

Auf die Frage des Beamten, warum ich diesen Sachverhalt nicht bereits am 27.05.2014 mitgeteilt habe, gebe ich an, dass wir keine Probleme haben wollten. Vom Beamten wird festgehalten, dass damals weder die Rede von Gewalt noch von Drohung mit Gewalt war. Wir wollen keinen Anzeigen, sondern wir wollen nur Ruhe haben. Ich will mit ihm keinen Kontakt mehr haben. Jetzt ist auch seit ca. 1 Woche Ruhe. Wenn sie mich nicht zur Polizei gebeten hätten, hätte ich keine Anzeige erstattet.“

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a) Der unter der Überschrift „Rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt“ stehende § 120 Abs. 1a des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl I 2005/100, in der im Tatzeitpunkt anzuwendenden Fassung BGBl I 2012/87, normiert:

 

„Wer als Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2 500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2 500 Euro bis zu 7 500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.“

 

§ 31 Abs. 1 FPG legt fest:

§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt;

5. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.“

 

b) Dass die Bf, welche die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und daher Fremde im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG ist, und die sich, ohne entsprechenden Titel in den Zeiträumen von 7.1.2014 bis 24.4.2014, vom 27.4.2014 bis 22.5.2014 und vom 26.5.2014 bis zumindest den 17.6.2014 in Österreich aufhielt, den objektiven Tatbestand des § 120 Abs. 1a FPG übertreten hat, steht außer Frage und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Dies wird im Übrigen auch in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt.

 

c) Für die Frage der Strafbarkeit bleibt daher, die subjektive Tatseite zu prüfen.

 

Gemäß § 38 VwGVG iVm § 5 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter bzw. die Täterin nicht glaubhaft macht, dass ihn bzw. sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Bf initiativ alles darzulegen, was für ihre Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch das Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

Der Bf ist aufgrund dieser Judikatur jedenfalls fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen. Sie hat im Verfahren kein Tatsachenvorbringen erstattet bzw. keine Beweise beigebracht, welche gegen die gesetzliche Annahme sprechen würden. Es mag zwar richtig sein, dass ihr – wie in der Beschwerde vorgebracht – hinsichtlich der Tatbestandsverwirklichung kein Vorsatz zu unterstellen ist und sie sich darauf verlassen hat, dass ihr damaliger Ehemann den Behördenverkehr ordnungsgemäß abwickelt. Es steht jedoch aus Sicht des erkennenden Mitglieds des Landesverwaltungsgerichtes außer Frage, dass von der Bf erwartet werden konnte, durch entsprechendes Nachfragen bei ihrem Mann sicherzustellen, dass ihr Aufenthalt in Österreich auch legitimiert ist. Oder anders gewendet: Wenn sich eine Fremde für einen längeren Zeitraum in Österreich aufhält und nicht selbst die entsprechenden Behördengänge vornimmt, hat sie sich zumindest zu vergewissern, ob die diese Aufgabe übernehmende Person auch tatsächlich entsprechend handelt. Unterlässt die Fremde dies, handelt sie fahrlässig, was für die Strafbarkeit nach § 120 Abs. 1a FPG ausreicht.

 

d.1) Gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z. 4 unter dem Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Voraussetzung für die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG ist das kumulative Vorliegen der in dieser Gesetzesstelle genannten Kriterien.

 

d.2) Zweck des § 120 Abs. 1a FPG ist es, den rechtswidrigen Aufenthalt sowie die rechtswidrige Einreise nach Österreich hintanzuhalten. Hinsichtlich der Bedeutung dieses Rechtsguts ist im abstrakten Vergleich zu den persönlichen Werten wie etwa dem Recht auf Leben oder dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, Gesundheit, Freiheit, etc. grundsätzlich von einer deutlich geringeren Bedeutung des hier in Rede stehenden Rechtsguts auszugehen (zum Rangverhältnis der kollidierenden Rechtsgüter vgl. Kienapfel/Höpfel, Strafrecht Allgemeinter Teil13 Z 12 RN 21). Die gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG erforderliche Voraussetzung der geringen Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts und der geringen Intensität der Beeinträchtigung kann, unter Ansehung der nicht exorbitant langen Aufenthaltsdauer der Bf in Österreich, daher als erfüllt angesehen werden.

 

Darüber hinaus setzt § 45 Abs. 1 Z 4 VStG für die Erteilung einer Ermahnung voraus, dass das Verschulden gering ist. Von geringfügiger Schuld kann nur die Rede sein, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl noch zu § 21 Abs. 1 VStG aF VwGH vom 6.11.2012, 2012/09/0066). Solches kann auch bei vorsätzlichem Handeln des Täters der Fall sein, allerdings nur dann, wenn besondere Umstände bei der Begehung der Tat, wie zB eine dringende Notlage diesen Schluss rechtfertigen (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 1369 mwN).

 

Die Bf hat im Verfahren glaubwürdig vorgebracht, dass sie in gutem Glauben war, dass ihr Ex-Mann in Österreich alles für sie regeln würde und sie sich auch aufgrund ihrer Religion nicht selbst um Behördengänge gekümmert hat. Zudem hat sie nachvollziehbar dargelegt, dass sie sich aufgrund der Gewalttätigkeit ihres Ex-Mannes und dem von ihm ausgeübten Drucks über die zulässige Dauer hinaus in Österreich aufgehalten hat. Ein geringes Verschulden an der Tat kann daher angenommen werden.

 

d.3) Aufgrund der besonderen Umstände im vorliegenden Fall gelangt das Landesverwaltungsgericht daher zum Ergebnis, dass hier ausnahmsweise mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden kann. Dies auch deshalb, weil die Bf nunmehr im Besitz eines Aufenthaltstitels ist und eine Wiederholungsgefahr daher – solange der Titel besteht – nicht besteht. Für den Fall des Wegfalls des Titels scheint es jedoch notwendig, der Bf klar zu machen, dass sie bei nicht rechtzeitiger Ausreise aus Österreich einen Straftatbestand verwirklicht, weshalb eine Verfahrenseinstellung nicht verfügt werden kann.

 

e) Hinsichtlich Spruchpunkt II: ist festzuhalten, dass gem. § 52 Abs 8 VwGVG die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Bf nicht aufzuerlegen sind, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da im ggst. Verfahren keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche, dh über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Ob nämlich gerade im Fall der Bf die Voraussetzungen für eine Ermahnung vorliegen, ist nicht verallgemeinerungsfähig und somit auch nicht revisibel.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Markus Zeinhofer