LVwG-350071/6/GS/TO/PP

Linz, 01.10.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag.a Gabriele Saxinger über die Beschwerde des Herrn A R I, nunmehr wohnhaft in x, x, vom 27. Mai 2014, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 30. April 2014, GZ: 3.01 - ASJF, betreffend Hilfe zur Sicherung des Lebensunter­halts und des Wohnbedarfs gemäß Oö. Mindestsicherungsgesetz (Oö. BMSG)

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abge­wiesen.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.   1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt  Linz vom
30. April 2014, GZ: 3.01 - ASJF, wurde dem Antrag des Herrn A R I, x, x, vom 12. Februar 2014 betreffend die Zuerkennung von Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs gemäß Oö. BMSG in Anwendung der Bestimmungen der §§ 4 ff, 17, und 31 Oö. BMSG keine Folge gegeben.

 

Begründend wurde festgehalten, dass die Anmeldebescheinigung vom
4. Juni 2012 unter der Voraussetzung ausgestellt worden sei, dass die Tante und Pflegemutter des Beschwerdeführers - Frau A S – für dessen Lebensunterhalt aufkommen werde. Da sich Frau S mit ihrer Unterschrift verpflichtet habe, für den Unterhalt des Beschwerdeführers bis zur Vollendung seines 21. Lebensjahres aufzukommen, müsse dieser daher gemäß § 51 NAG keine Sozialleistung in Anspruch nehmen und würden somit kein Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung bestehen.

 

2. In der von Herrn I rechtzeitig eingebrachten Beschwerde vom
27. Mai 2014 hält der Beschwerdeführer fest, dass sich seine Lebensgrundlage geändert habe, da seit September 2013 kein Kontakt mehr zu seiner Tante/
Pflegmutter bestehe. Er sei noch bis Anfang 2015 bei ihr zur Krankversicherung mitversichert. Die Verpflichtung seiner Pflegemutter für seinen Lebensunterhalt bis zu seinem 21. Lebensjahr aufzukommen, wird von ihm bezweifelt. Dies­bezüglich werde er noch Informationen beim Bezirksgericht Linz einholen. Derzeit wohne er bei einer anderen Tante. Doch sei vor Ort die Wohnsituation und die finanzielle Situation angespannt, da seine Tante vier minderjährige Kinder zu versorgen habe. Seine Versuche einen Arbeitsplatz zu bekommen, würden stets an seinem jungen Alter, seiner fehlenden Berufserfahrung und dem fehlenden Schulabschluss scheitern. Aus diesem Grund sei von ihm beabsichtigt, ab Herbst eine Schule zu besuchen, um den Schulabschluss nachzuholen und in der Folge eine Lehrstelle zu bekommen. Seit 26. Mai 2014 besuche er durch Vermittlung des Arbeitsmarktservice einen Berufsorientierungskurs. Zudem sei er beim „Trödlerladen“ mit einem Ausmaß von 3 Wochenstunden beschäftigt. Jedoch könne er mit diesem Gehalt seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten. Er ersuche um Berücksichtigung seiner Lebensumstände und um entsprechende soziale Unterstützung.

 

3. Der Magistrat der Landeshauptstadt  Linz hat die Beschwerde samt bezug­habendem Verwaltungsakt mit Schreiben vom 26. Juni 2014 dem Oö. Landes­verwaltungsgericht (LVwG) vorgelegt.

 

Das LVwG entscheidet gemäß § 2 VwGVG durch seine nach der Geschäfts­verteilung zuständige Einzelrichterin.

 

4. Das OÖ. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Aktenein­sichtnahme und Gewährung von Parteiengehör.

Da bereits die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, konnte von der Durch­führung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Herr A R I ist am x geboren und rumänischer Staatsbürger. Er hatte von 31. Jänner 2014 bis 12. Mai 2014 eine Meldeadresse beim Verein J in der x, x und hat seit 12. Mai 2014 in der x in x seinen Hauptwohnsitz angemeldet.

Für den Bf wurde am 4. Juni 2012 eine Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger/-innen und Schweizer Bürger/-innen ausgestellt. Die Tante des Bf, Frau A S, geb. x, hat sich im Verfahren zur Erteilung dieser Aufenthaltsbestätigung  verpflichtet, für den Unterhalt des Bf aufzukommen und für diesen die Haftung übernommen, dass der Bf  während seines Aufenthaltes in Österreich weder Sozialleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen muss.

Laut dem im Akt aufliegenden Versicherungsdatenauszug war der Bf seit seinem Aufenthalt in Österreich im Jahre 2012 nur 7 Tage im Jänner 2014 und 2 Tage im Februar 2014 geringfügig beschäftigt.

 

 

II. Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt.

Mit Schreiben des Oö. LVwG vom 11. August 2014 (nachweisliche Zustellung durch Hinterlegung am 19. August 2014) wurde dem Bf zu einer weiteren im Akt aufliegenden Anmeldebescheinigung vom 27. August 2013 (Duplikat) Folgendes mitgeteilt:

„Nach dem Verlust Ihrer EWR-Anmeldebescheinigung vom 4. Juni 2012 mit dem Titel „Angehöriger als Verwandter in geradeabsteigender Linie“ (Tante hat als Haftende unterschrieben) wurde Ihnen am 27. August 2013 eine Anmeldebe­scheinigung als Arbeitnehmer ausgestellt (als Duplikat). Anhand des Akten­inhaltes (Nachfrage bei der zuständigen Abteilung des Magistrates Linz) ist ersichtlich, dass diese Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer unter den gegebenen Lebensverhältnissen gar nicht ausgestellt werden hätte dürfen. Laut der im Akt aufliegenden Mitteilung des Magistrates Linz vom 23. Juni 2014 werden Sie und die Fremdenpolizei informiert und ein Entzugsverfahren bzgl. dieser Anmeldebescheinigung eingeleitet.

Da von Ihnen in der Beschwerde eine mündliche Verhandlung nicht beantragt wurde, wird Ihnen im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit gegeben, zu den Ausführungen innerhalb einer Frist von 2 Wochen – gerechnet ab Zustellung dieses Schreibens – eine schriftliche Stellungnahme beim Oö. Landesver­waltungs­­gericht einzubringen. Im Falle des erfolglosen Verstreichens dieser Frist wird aufgrund der Aktenlage entschieden.“

Dieses Schreiben wurde dem Bf an folgende Adresse, an der er laut ZMR gemeldet ist, zugestellt:  x, x.

Zur im Akt aufliegenden Anmeldebescheinigung vom 27. August 2013, die den Vermerk „Duplikat“ trägt, wird beweiswürdigend von der erkennenden Richterin festgestellt: Auf Grund des im Akt einliegenden Versicherungsdatenauszuges (siehe Sachverhaltsfeststellungen) ist die Unrechtmäßigkeit dieser Ausstellung offensichtlich (keine Beschäftigung zum Zeitpunkt der Ausstellung).

Als Nachweis für das dauernde Aufenthaltsrecht in Österreich ist daher die bereits von der belangten Behörde herangezogene Anmeldebescheinigung vom 4. Juni 2012 maßgebend.

Auf dieser „Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger/-innen und Schweizer Bürger/-innen gem. NAG“ sind folgende Aufenthaltsberechtigungsgründe angekreuzt: - sonstige Angelegenheit  (§§ 51 Abs. 1 Z 2,...) und

                   - Verwandte/r in gerade absteigender Linie ( § 52 Abs. 1 Z 2).

 

Nach telefonischer Rücksprache mit dem zuständigen Mitarbeiter der Abteilung Fremdenrecht der belangten Behörde, wurde der Aufenthaltsgrund des § 52
Abs. 1 Z 2 NAG zu Unrecht angekreuzt. Bei der die Haftung übernehmenden Tante des Bf handelt es sich nämlich nicht um eine Verwandte in gerade absteigender Linie. Für die Anmeldebescheinigung ist daher lediglich der Grund des § 52 Abs. 1 Z 2 NAG zutreffend.

 

 

III. Rechtliche Beurteilung:

 

5.1. Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. BMSG ist Aufgabe bedarfsorientierter Mindest­sicherung die Ermöglichung und Sicherung eines menschenwürdigen Lebens sowie die damit verbundene dauerhafte Einbeziehung in die Gesellschaft für jene, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.

 

Gemäß § 4 Abs. 1 Oö. BMSG kann bedarfsorientierte Mindestsicherung, sofern dieses Landesgesetz nicht anderes bestimmt, nur Personen geleistet werden, die

1. ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Oberösterreich haben und die Voraussetzung des § 19 oder des § 19 a Meldegesetz, BGBl. Nr. 9/1992, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, erfüllen und

 

 

2.

a)   österreichische Staatsbürgerinnen oder –bürger oder deren Familien­angehörige,

b)   Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte,

c)   EU-/EWR-Bürgerinnen oder –bürger, Schweizer Staatsangehörige oder deren Familienangehörige, jeweils soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

d)   Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EG“ oder „Daueraufenthalt-Familienangehörige“ oder mit einem Niederlassungs­nachweis oder einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung,

e)   Personen mit einem sonstigen dauernden Aufenthaltsrecht im Inland, soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

sind.

 

Gemäß § 4 Abs. 2 Oö. BMSG kann bedarfsorientierte Mindestsicherung im Einzel­fall – abweichend von Abs. 1 – auf der Grundlage des Privatrechts geleistet werden, soweit

1.   der Lebensunterhalt nicht anderweitig gesichert ist oder gesichert werden kann und

2.   dies zur Vermeidung besonderer Härten unerlässlich ist.

 

Der Beilage 434/2011 zu den Wortprotokollen des Oö. Landtags XXVII. Gesetzgebungsperiode ist zu § 4 Oö. BMSG  Folgendes zu entnehmen:

 

Für EU-/EWR-Bürgerinnen oder –bürger, Schweizer Staatsangehörige oder deren Familienangehörige räumt § 4 – in Übereinstimmung mit den Vorgaben des
Art. 4 Abs. 3 Z 3 der Vereinbarung gemäß Art. 15 a B-VG über eine bundesweite bedarfsorientierte Mindestsicherung –  im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts keine absolute, sondern eine durch fremdenrechtliche Bestimmungen (vgl. insbesondere §§ 51 bis 57 NAG sowie Art. 7 und 24 Richtlinie 2004/38/EG) bedingte Position ein, die bisher erforderlichenfalls im Sinn des § 38 AVG zu beurteilen ist. Dabei handelt es sich insbesondere um Personen, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben. Bei den Familienangehörigen von EU/EWR- und Schweizer-Bürgern ist das Vorhandensein eines abgeleiteten Freizügigkeitsrecht erforderlich (lit. c).

 

Gemäß § 51 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl.
Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 40/2014, sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie EWR – Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

 

1.   in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

 

2.   für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und      einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

 

3.   als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

 

 

Gemäß § 53 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005 (NAG) idgF, haben EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt
(§§ 51 und 52), wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies binnen vier Monaten ab Einreise der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmelde­bescheinigung auszustellen.

 

Gemäß § 53 Abs. 2 Z 2 NAG sind zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufent­halts­rechts ein gültiger Personalausweis oder Reisepass vorzulegen, sowie u.a. Nachweise  über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Kranken­ver­sicherungsschutz.

 

Die Anmeldebescheinigung vom 4. Juni 2012 wurde dem Bf nur unter der Bedingung erteilt, dass sich Frau A S gegenüber dem Bf  als Haftende bereit erklärt hat, für alle Unterhaltskosten aufzukommen, sodass er während seines Aufenthalts weder Sozialleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen muss. Durch diese Haftungsübernahme wurde vom Bf der erforderliche Nachweis erbracht, über ausreichende Existenzmittel zu verfügen.

Da die bedarfsorientierte Mindestsicherung eine Sozialhilfeleistung ist, würde daher die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 51 Abs. 1 Z 2 NAG bei Inan­spruchnahme der bedarfsorientierten Mindestsicherung wegfallen.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist es irrelevant, dass zwischen dem Bf und seiner Tante kein persönlicher Kontakt mehr besteht.

 

Somit muss abschließend festgestellt werden, dass die kumulativen Voraus­setzungen des § 4 Abs. 1 Z 1. und Z 2.  lit. c Oö. BMSG nicht erfüllt sind.

 

Im Hinblick darauf, dass der Bf in seiner Beschwerde seine Absicht kundtut, eine Lehrstelle finden zu wollen, wird er darauf hingewiesen, dass er bei Vorliegen der Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß § 51 Abs. 1
Z 1 ( Aufenthaltsberechtigungsgrund als Arbeitnehmer) unter Vorlage der ent­sprechenden Nachweise neuerlich einen Antrag auf bedarfsorientierte Mindest­sicherung stellen kann.

Zur Frage einer privatrechtlichen Vereinbarung dahingehend, dass dem Bf bedarfsorientierte Mindestsicherung im Einzelfall – abweichend von Abs. 1 – auf der Grundlage des Privatrechts gewährleistet werden könnte, ist zu betonen, dass sich Frau S im Rahmen des fremdenrechtlichen Verfahrens dazu verpflichtet hat, für den Bf zu sorgen.

Aus den angeführten Gründen hat die belangte Behörde zu Recht mangels Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung den Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

IV. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, ins­besondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Mag.a Gabriele Saxinger