LVwG-350102/8/PY/PP

Linz, 09.01.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Drin. Andrea Panny über die Beschwerde des Herrn C.H.M., x, x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmann­schaft Braunau am Inn vom 30. September 2014, BHBR-2014-123870/6, betreffend Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs (bedarfsorientierte Mindestsicherung), den

 

 

 

B E S C H L U S S

gefasst:

 

 

I. Der Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

 

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. September 2014, BHBR-2014-123870, wurde der Antrag des Beschwerdeführers (in der Folge: Bf) vom
18. August 2014 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohn­bedarfs nach dem Oö. Mindestsicherungsgesetz abgewiesen. In der Begründung wird zusammengefasst festgehalten, dass aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens festgestellt wurde, dass der Bf aus der elterlichen Wohnung in G., x, ausgezogen ist und in eine eigene Wohnung in H., x gezogen ist, obwohl er nach eigenen Angaben über keinerlei Einkommen oder Vermögen verfügt. Die Annahme des Schreibens vom 25. August 2014, mit dem dem Antragsteller mitgeteilt wurde, dass die Ablehnung seines Antrages beabsichtigt ist, wurde verweigert. Durch sein Verhalten zeige der Antrag­steller somit, dass er sich nicht um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der Notlage bemüht, sondern sich durch den Wohnsitzwechsel erst in diese Notlage gebracht hat. Da somit eine Bereitschaft im Sinn des § 5 Oö. BMSG nicht erkenn­bar ist, liegen die Voraussetzung für die Gewährung der bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht vor.

 

2. Dagegen brachte der Bf rechtzeitig mit Schreiben vom 16. Oktober 2014 Beschwerde ein in der er ausführt, dass er aus der elterlichen Wohnung ausge­zogen ist, um einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können, da er keinen Führerschein besitze und die öffentlichen Verkehrsanbindung in U. weitaus günstiger und besser sei als in G. Er habe somit seine finanzielle Notlage durch diesen Umzug nicht herbeigeführt, zumal er auch in G. keine finanzielle Unterstützung erhalten habe.

 

Zum Vorwurf, er habe die Annahme des Schreibens der belangten Behörde verweigert, führt der Antragsteller aus, dass er sich im Zeitraum der Zustellung für Gespräche zur Arbeitsstellensuche in S. und G. befunden habe und keine Kenntnis über die Zustellung des Schreibens erlangte. Die Annahme wurde von ihm somit nicht verweigert, sondern unabsichtlich versäumt. Bei seiner Rückkehr sei ihm durch die zuständige Behörde mitgeteilt worden, er solle auf die erneute Zusendung des Dokumentes warten. Nunmehr wurde ihm jedoch der ablehnende Bescheid zugestellt, gegen den er Beschwerde erhebe, da sich der Sachverhalt nicht so darstelle wie im Bescheid angeführt.

 

3. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2014 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor, das gemäß
§ 2 VwGVG zur Entscheidung durch seinen nach der Geschäftsverteilung zustän­dige Einzelrichterin berufen ist.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht. Des Weiteren wurden Erhebungen beim Kundenservice der öster­reichischen Post AG hinsichtlich der Zustellung des Verständigungsschreibens der belangten Behörde vom 25. August 2014 an den Antragsteller durchgeführt. In weiterer Folge wurde am 2. Dezember 2014 eine mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durchgeführt, zu der der Bf erschienen ist. Die belangte Behörde entschuldigte sich für die öffentliche mündliche Ver­handlung.

 

4.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem Sach­verhalt aus:

 

Der Bf ist österreichischer Staatsangehöriger, verfügt über keine abgeschlossene Berufs­ausbildung und lebte nach Absolvierung seines Zivildienstes in Österreich über mehrere Jahre in S., wo er seinen Lebensunterhalt im Wesentlichen als Maler und Anstreicher bestritt. Im Herbst 2013 kehrte der Bf nach Österreich zurück und zog zunächst in die elterliche Wohnung in G., x. Im Juli 2014 meldete er sich beim zuständigen Arbeitsmarktservice als arbeitssuchend und stellte am 18. August 2014 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Mindestsicherung nach dem Oö. Mindestsicherungsgesetz. Sein Antrag auf Arbeitslosengeld wurde mangels Erfüllung der Anwartschaft abgewiesen. Da der Bf keinen Führerschein besitzt, ist er bei der Arbeitsplatzsuche auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Aufgrund der besseren Verkehrsanbindung bezog der Bf Ende Juli 2014 ein im Eigentum seines Vaters stehendes sanierungsbedürftiges Haus in H., x, in dem er mietfrei wohnen kann.

 

Die Annahme des von der belangten Behörde im Rahmen des Parteiengehörs übermittelte Schreiben vom 25. August 2014 wurde vom Bf nicht verweigert, sondern aufgrund seiner Ortsabwesenheit zunächst hinterlegt und nach Ablauf der Hinterlegungsfrist an die belangte Behörde zurückgesendet.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere den schlüssigen und glaubwürdigen Angaben des Bf in der mündlichen Verhandlung sowie den durchgeführten Erhebungen beim Kundenservice der österreichischen Post AG.

 

5. Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht erwogen:

 

5.1. § 4 Oö. Mindestsicherungsgesetz – Oö. BMSG, LGBL. Nr. 74/2011 idgF, lautet:

(1) Bedarfsorientierte Mindestsicherung kann, sofern dieses Landesgesetz nicht anderes bestimmt, nur Personen geleistet werden, die

1.   ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Oberösterreich haben und die Voraussetzungen des § 19 oder des § 19a Meldegesetz, BGBl.Nr. 9/1992, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, erfüllen und

2.   a) österreichische Staatsbürgerinnen und -bürger oder deren Familienangehörige,

b) Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte,

c) EU-/EWR-Bürgerinnen oder -Bürger, Schweizer Staatsangehörige oder deren Familienangehörige, jeweils soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

d) Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EG“ oder „Dauer­aufenthalt - Familienangehörige“ oder mit einem Niederlassungsnachweis oder einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung,

e) Personen mit einem sonstigen dauernden Aufenthaltsrecht im Inland, soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

sind.

 

(2) Bedarfsorientierte Mindestsicherung kann im Einzelfall – abweichend von Abs.1 – auf der Grundlage des Privatrechts geleistet werden, soweit

1. der Lebensunterhalt nicht anderweitig gesichert ist oder gesichert werden kann und

2. dies zur Vermeidung besonderer Härten unerlässlich ist.

 

Gemäß § 5 Oö. Mindestsicherungsgesetz – Oö. BMSG, LGBL. Nr. 74/2011 idgF, ist Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine Person im Sinn des § 4

1. von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist

2. bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§ 7).

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 Oö. BMSG liegt eine soziale Notlage bei Personen vor, die ihren eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf nicht decken können.

Nach Abs. 2 leg.cit. umfasst der Lebensunterhalt den Aufwand für die regelmäßig wiederkehrenden Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung und Strom sowie andere persönliche Bedürfnisse für die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe.

Nach Abs. 5 leg.cit. gelten nicht als soziale Notlage Situationen, für die bereits auf der Basis anderer gesetzlicher Grundlagen ausreichend Vorsorge getroffen wurde.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Oö. BMSG setzt die Leistung bedarfsorientierter Mindest­sicherung die Bereitschaft der hilfebedürftigen Person voraus, in angemessener, ihr möglicher und zumutbarer Weise zur Abwendung, Milderung bzw. Über­windung der sozialen Notlage beizutragen. Eine Bemühung ist jedenfalls dann nicht angemessen, wenn sie offenbar aussichtslos wäre.

 

Gemäß § 7 Abs. 2 Oö. BMSG gelten als Beitrag der hilfebedürftigen Person im Sinn des Abs.1 insbesondere

  1. der Einsatz der eigenen Mittel nach Maßgabe der §§ 8 bis 10;
  2. der Einsatz der Arbeitskraft nach Maßgabe des § 11;
  3. die Verfolgung von Ansprüchen gegen Dritte, bei deren Erfüllung die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung nicht oder nicht in diesem Ausmaß erforderlich wäre sowie
  4. die Umsetzung ihr von einem Träger bedarfsorientierter Mindestsicherung oder einer Behörde nach diesem Landesgesetz aufgetragenen Maßnahmen zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage.

 

5.2. Die belangte Behörde führt als Begründung für ihre abweisende Entscheidung an, der Bf habe durch den Auszug aus der elterlichen Wohnung seine soziale Notlage selbst verschuldet und durch sein Verhalten gezeigt, dass er sich nicht um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der Notlage bemüht. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass der Bf nach seiner Rückkehr aus dem Ausland zwar zunächst im Elternhaus wohnhaft war, laufende finanzielle Unterstützungen zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes hat der Bf jedoch auch am bisherigen Wohnsitz nicht erhalten. Hinzu kommt, dass er nach seinen eigenen Angaben am nunmehrigen Wohnsitz ebenfalls keine Mietzahlungen zu leisten hat und die öffentlichen Verkehrsverbindungen besser sind, was für den Bf, der über keinen Führerschein verfügt, im Rahmen der Arbeitsplatzsuche durchaus von Vorteil sein kann. Insgesamt gelangt das Oö. Landesverwaltungsgericht zur Überzeugung, dass der Bf nicht erst durch seinen Wohnsitzwechsel seine Notlage herbeigeführt hat und grundsätzlich bemüht ist, zur Überwindung seiner Notlage entsprechend beizutragen. Somit hat eine Neu­berechnung der Antragsvoraussetzungen stattzufinden.

 

5.3. Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den ange­fochten Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungs­gericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

Wie bereits unter 5.2. ausgeführt geht, entgegen der Beurteilung durch die belangte Behörde, das Oö. Landesverwaltungsgericht nicht davon aus, dass der Bf erst durch seinen Wohnsitzwechsel seine Notlage verschuldet hat und nicht zu deren Überwindung beizutragen bereit ist. Die belangte Behörde hat daher aufgrund der gegenständlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes die Voraussetzungen hinsichtlich der Ermittlung der sozialen Notlagen des Bf neu zu beurteilen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen des Oö. BMSG steht es dem Bf nicht nur zu, eine Beschwerde gegen einen abweisenden Bescheid dem Grunde nach zu erheben; vielmehr besteht für den Bf auch das Recht, eine Beschwerde der Höhe nach zu erheben, sollte nach seiner Auffassung die ihm gewährte bedarfs­orientierte Mindestsicherung zu niedrig bemessen worden sein. Über die Frage der Höhe der Mindestsicherung hat sodann wiederum das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu entscheiden. Durch eine sofortige  Sachentscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich würde dem Bf im gegen­ständlichen Verfahren daher eine Instanz im Hinblick auf die Höhe der bean­tragten Leistung genommen werden.

 

Insofern war daher der Beschwerde derart Folge zu geben, dass der Bescheid der belangten Behörde aufgehoben und das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an dieselbe zurückverwiesen wird. Die belangte Behörde ist im Rahmen ihrer Entscheidung an die Rechtsauffassung des Landesverwaltungsgerichtes Ober­österreich dahingehend gebunden, dass er sich nicht erst durch den Wohnsitz­wechsel in eine Notlage gebracht hat. Das Vorliegen der weiteren Voraus­setzungen sowie die tatsächliche Höhe einer dem Bf ab Antragstellung zuzuer­kennenden bedarfsorientierten Mindestsicherung wird im weiteren Verfahren vor der belangten Behörde zu klären sein.

 

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechts­frage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Drin. Andrea Panny