LVwG-650303/2/Bi

Linz, 20.01.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn A. W., H. 16, O., vertreten durch Herrn RA Mag. Dr. H. B., M.-straße 11, L., vom 16. Dezember 2014 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 4. Dezember 2014, GZ: 07-453296, wegen Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen AM, A, B und F bis zur Beibringung eines positiven amtsärztlichen Gutachtens samt Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde dagegen, zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der in Beschwerde gezogene Bescheid aufgehoben.  

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer (in Folge: Bf) gemäß § 24 Abs.4 FSG die Lenkberechtigung für die Klassen AM, A, B und F bis zur Beibringung eines positiven amtsärztlichen Gutachtens, gerechnet ab Zustellung des Bescheides – das war laut Rückschein am 9. Dezember 2014 – entzogen und gemäß § 29 Abs.3 FSG die unverzügliche Ablieferung des Führerscheines bei der zuständigen Polizeiinspektion angeordnet. Ihm wurde gemäß § 30 Abs.1 FSG das Recht aberkannt, während der Entziehungsdauer von einer ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Gemäß § 13 Abs.2 VwGVG wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.

 

2. Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Eine (nicht beantragte) mündliche Verhandlung konnte entfallen (§ 24 VwGVG).

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, er weise den Vorwurf der belangten Behörde, er habe den Auflagen des do Bescheides vom 23. Juli 2014 nicht entsprochen, zurück. Er sei zum Amtsarzt vorgeladen worden, der ihm eine Sachverständigenliste ausgehändigt habe, um ein Gutachten zu seiner Verkehrstauglichkeit zu erbringen. Er habe ein Gutachten von Dris F. F. vorgelegt, der ihm die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bestätigt habe. Er sei neuerlich zum Amtsarzt vorgeladen worden, der – ohne dies nachvollziehbar begründen zu können – gemeint habe, das Gutachten akzeptiere er nicht, vielmehr sei eine verkehrspsychologische Begutachtung durch das KfV erforderlich. Dieser Aufforderung sei er nachgekommen und habe dort einen Termin wahrgenommen, bei dem sich herausgestellt habe, dass er keine Erfahrung im Umgang mit Computern habe und andererseits bei Ausführung der Tests starke Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule bekommen habe, sodass er den Test aus gesundheitlichen Gründen abbrechen habe müssen. Der Gutachter habe gemeint, er werde der Behörde in seinem Fall eine Beobachtungsfahrt vorschlagen. Das habe sein Sachwalter der belangten Behörde telefonisch mitgeteilt; er habe aber bislang keine Zuweisung dafür erhalten und auch kein Gutachten des KfV. Die Entziehung der Lenkberechtigung sei vor diesem Hintergrund rechtsgrundlos. Die Behörde habe eine Beobachtungsfahrt durchzuführen, bei der sich herausstellen werde, dass er die erforderliche körperliche und geistige Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen besitze. Er habe beruflich viele Millionen Kilometer zurückgelegt und sei durchaus in der Lage, Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr ohne Gefährdung der eigenen Person und anderer zu lenken. Er ersuche, den Bescheid aufzuheben und ehebaldigst eine Beobachtungsfahrt anzuordnen und durchzuführen.

Auch lägen die Voraussetzungen für eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht vor; es bedürfe nicht des Vollzuges des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug. Er habe bisher Kraftfahrzeuge unfallfrei im Straßenverkehr gelenkt und stehe aufgrund des positiven Gutachtens von Dris F. fest, dass er durchaus die körperliche und geistige Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen besitze. Dazu komme, dass er in einer Siedlung ohne direkte Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz wohne. Er müsse alle Wege zu Fuß zurücklegen, was ihm angesichts seines Alters – er ist 1936 geboren – und des Umstandes, dass er am Oberschenkelhals operiert sei, weder möglich noch zumutbar sei. Ihm drohe durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ein unverhältnismäßiger Nachteil und eine unzumutbare Beeinträchtigung seiner Lebensqualität.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakt. 

Daraus geht hervor, dass das Bezirksgericht Urfahr der belangten Behörde mit Schreiben vom 8. April 2014 mitteilte, dass ein den Bf betreffendes Sachwalterschafts­verfahren eingeleitet worden sei und seitens des behandelnden Hausarztes Bedenken bestünden, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung gemäß § 24 FSG noch vorlägen.

 

Mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid der belangten Behörde vom 23. Juli 2014 GZ:07-453296-Jo/KB, wurde der Bf gemäß §§ 24 Abs.4 iVm 8 Abs.2 FSG aufgefordert, sich binnen eines Monats, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, bei der BH Urfahr-Umgebung amtsärztlich untersuchen zu lassen. Die Bescheidzustellung erfolgte am 28. Juli 2014.

  

Im Akt befindet sich eine Zuweisung des Amtsarztes Dr. S. vom 13. August 2014 zu einem Facharzt/einer Fachärztin für Psychiatrie, wobei als Zuweisungsgrund angegeben wird, derzeit laufe beim Bf die Abklärung hinsichtlich einer Sachwalterschaft aufgrund einer demenziellen Symptomatik mit Verhaltensauffälligkeiten (reizbar, kritiklos, affektlabil); aufgrund der darauf basierenden Bedenken ersuche er um eine FA-psychiatrische Stellungnahme zur gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen AM, A, B und F.  

Der Bf legte mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters als „Sachwalter gemäß dem Beschluss des BG Urfahr vom 8.8.2014, GZ: 19P72/14p-29“ vom 30. September 2014 die Seiten 3 bis 5 einer Kopie eines undatierten fachärztlichen Befundes von Dris F. F., gerichtlich beeideter Sachverständiger für Psychiatrie und Neurologie, vor, dem die Diagnose „altersgemäßer seelischer Zustand, zurückliegend wahrscheinlich vorübergehendes organisches Durchgangssyndrom im Zuge eines schweren operativen Eingriffs, derzeit Remission“ zu entnehmen ist. Bestätigt wird, dass der Bf derzeit einen altersgemäßen psychischen Status habe und keine neurologische Störung, dass gegen den Weiterverbleib aus psychiatrischer und neurologischer Sicht kein Einwand zu erheben sei, das im Sachwalterschafts­gutachten beschriebene Verhalten durchaus einer alters­gemäßen Wesensveränderung entspreche und nach seiner Einschätzung über die bestehende Normalität nicht hinausgehe. Gleichzeitig sei aus dem Hintergrund dieser offensichtlich vorübergehenden Störung durch eine schwere Erkrankung auch die durchgeführte Sachwalterschaft des Untersuchten erneut zu hinterfragen. Weiters ist ein zeitlich nicht zuordenbarer stationärer Aufenthalt des Bf in der Akutgeriatrie des AKH Linz mit einem „Mini Mental Status“ (23 von 30 Punkten) die Rede und die persönliche Vorgeschichte des Bf kurz umrissen. Ein offenbar neuerlicher „MMS“ wurde vom Facharzt unter „Befundung“ (wieder zeitlich nicht zuordenbar) mit 30 Punkten angeführt.

Der Rechtsvertreter hat diesen „Befund“ als vom 19. September 2014 herrührend bezeichnet.

 

Dem Akt ist weiters zu entnehmen, dass der Bf am 14. Oktober 2014 bei der amtsärztlichen Untersuchung war und eine Zuweisung für eine verkehrs­psychologische Stellungnahme erhalten hat. Der Rechtsvertreter teilte am 17. November 2014 mit, der Bf habe am 15. November 2014 eine VPU begonnen, diese aber aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen.

 

Mit Bescheid vom 4. Dezember 2014, GZ:07-453296, erging der nunmehr in Beschwerde gezogene Bescheid, zugestellt am 9. Dezember 2014. Der Führerschein wurde dem Bf am 13. Dezember 2014 von GI H., PI Ottensheim, abgenommen.

 

Am 5. Dezember 2014 langte bei der belangten Behörde die Mitteilung des KfV vom 20. November 2014 ein, der Bf habe am 15. November 2014 eine VPU zur Prüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen wegen des Verdachtes auf Leistungsabbau  nach Zuweisung  begonnen, wobei er am Beginn bestätigt habe, sich körperlich und geistig in der Lage zu fühlen, die Untersuchung zu absolvieren; eine Alkoholisierung wurde mittels Alkomattest ausgeschlossen. Nach einigen Tests – die Schwächen und Beeinträchtigungen im Bereich der Überblicksgewinnung, der selektiven Aufmerksamkeit, im Konzentrations­vermögen und im schlussfolgernden Denken ergeben hätten – habe er mit dem Hinweis auf Schmerzen im Halswirbelbereich die VPU abgebrochen, weshalb laut KfV keine Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen AM, A, B und F ausgesprochen werden konnte. Ein neuer Termin wurde nicht vereinbart.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen: 

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenk­berechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH in einem ähnlich gelagerten Fall (E 28.6.2005, 2005/11/0052) ist Voraussetzung für eine „Formalentziehung“ gemäß § 24 Abs.4 letzter Satz FSG, dass der Besitzer einer Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist der Aufforderung, „sich ärztlich untersuchen zu lassen“ oder „die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen“ keine Folge leistet. Zweck dieser Bestimmung ist es, die notwendige Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens gemäß § 8 FSG zu gewährleisten, weil Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung des Betreffenden im Sinne des § 3 Abs.1 Z3 FSG noch gegeben sind. Eine Aufforderung gemäß §§ 24 Abs.4 iVm 8 FSG „innerhalb von x Monaten nach Bescheidzustellung ein vom Amtsarzt erstelltes Gutachten beizubringen“ bildet keine taugliche Grundlage für die zu überprüfende Formalentziehung nach § 24 Abs.4 FSG, „bis zur Beibringung eines vom Amtsarzt zu erstellenden Gutachtens“.

Der VwGH hat außerdem ausgesprochen, dass, wenn der Inhaber einer Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs. 4 FSG 1997 aufgefordert wird, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen, diese Befunde im Aufforderungsbescheid im Einzelnen anzuführen sind (E 13.8.2004, 2004/11/0063). Es erweist sich als rechtswidrig, den Inhaber der Lenkberechtigung, wie gegenständlich, zu verpflichten, "allenfalls erforderliche" Befunde beizubringen, weil damit die Beantwortung der Frage der Erforderlichkeit solcher Befunde (die eine von der Behörde zu beurteilende Rechtsfrage darstellt) augenscheinlich an den Amtsarzt delegiert und damit der gerichtlichen Überprüfung entzogen wird (vgl VwGH 23.9.2014, Ra 2014/11/0023).

Nicht zuletzt im Hinblick auf die (gemäß § 24 Abs.4 letzter Satz FSG drohende) Konsequenz der Formalentziehung wäre es notwendig gewesen, die Aufforderung dahin zu konkretisieren, welche Befunde der Revisionswerber innerhalb eines ihm gesetzten Zeitraumes zu erbringen habe (vgl VwGH 13.9.2004, 2004/11/0063; 23.9.2014, Ra 2014/11/0023; ua).

Die Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs.4 letzter Satz FSG setzt die Rechtskraft des Aufforderungsbescheides voraus; vor einer Entziehung nach § 24 Abs.4 FSG ist lediglich zu prüfen, ob ein Aufforderungsbescheid in Rechtskraft erwachsen ist und – nach Ablauf der in diesem Bescheid festgesetzten Frist – bis zur Erlassung des Entziehungsbescheides befolgt wurde oder nicht. Die Rechtmäßigkeit des rechtskräftigen Aufforderungsbescheides kann im Entziehungsverfahren nicht mehr geprüft werden, dh Beschwerde­ausführungen, die die Zulässigkeit des rechtskräftigen Aufforderungsbescheides bekämpfen, gehen ins Leere (vgl VwGH 23.5.2006, 2004/11/0230).

 

Der – in Rechtskraft erwachsene – Bescheid der belangten Behörde vom 23. Juli 2014 betraf ausdrücklich nur die Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, enthielt aber keine Aufforderung, ein Gutachten gemäß § 8 FSG binnen einer Frist vorzulegen (wie in der Begründung des nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheides irrtümlich angeführt) und auch keine Aufforderung, konkrete Befunde für die Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens binnen einer Frist vorzulegen. Der Bf wurde nicht von der belangten Behörde zur Beibringung der vom Amtsarzt verlangten FA-Stellungnahme und der verkehrspsycho­logischen Stellungnahme aufgefordert. Die vom Amtsarzt dem Bf ausgehändigten Zuweisungen stellen keine solche Aufforderung dar.

 

Damit war mangels Vorliegen der im § 24 Abs.4 letzter Satz FSG genannten Voraussetzungen die Entziehung der Lenkberechtigung des Bf (unter Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde) ebenso rechtswidrig wie die Aberkennung des Rechts gemäß § 30 Abs.1 FSG, sodass spruchgemäß zu entscheiden war. Auf den Antrag des Bf auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher nicht mehr gesondert einzugehen.

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger