LVwG-600576/12/KH

Linz, 11.02.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Katja Hörzing über die Beschwerde des Herrn G F, x, vertreten durch G Rechtsanwälte OG, x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 16. Oktober 2014, VerkR96-2622-2014, betreffend die Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom  19. August 2014,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid des Bezirks-hauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 16. Oktober 2014, VerkR96-2622-2014 vollinhaltlich bestätigt.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Folgender Sachverhalt steht aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes fest:

 

Mit Strafverfügung des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung (im Folgenden: belangte Behörde) vom 10. Juli 2014, VerkR96-2622-2014, wurde über Herrn G F (im Folgenden: Beschwerdeführer - Bf), x, wegen fünf Übertretungen nach dem Kraftfahrgesetz 1967 Geldstrafen in der Höhe von insgesamt 730 Euro verhängt.    

 

Zugestellt wurde die Strafverfügung laut dem dem Akt der belangten Behörde beiliegenden RSb-Aufgabeschein am 14. Juli 2014.

 

Am 19. August 2014 brachte der Bf, mittlerweile vertreten durch G Rechtsanwälte OG, x, einen Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) ein. Begründet wurde dieser damit, dass der Rechtsvertreter des Bf am 21. Juli 2014 den Einspruch gegen die oben zitierte Strafverfügung des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 10. Juli 2014, VerkR96-2622-2014, innerhalb der 14-tägigen Einspruchsfrist zur Post gegeben habe.

Als ein Mitarbeiter der Kanzlei am 19. August 2014 bei der Bezirks-hauptmannschaft Urfahr-Umgebung Aktenkopien anfertigen wollte, habe er festgestellt, dass der Einspruch nicht im Behördenakt eingelangt sei. Der Einspruch sei daher am Postweg verloren gegangen oder bei der Behörde in Verlust geraten.

Die Versäumung der Einspruchsfrist sei ohne Verschulden des Bf infolge eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses und zwar wegen des Verlustes des Schriftstückes am Postweg oder bei der Behörde eingetreten.

Als Beweis wurde die Vernehmung der Zeugin Frau B R, Kanzlei-angestellte beim Rechtsvertreter des Bf, beantragt.

Beantragt wurde weiters, dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattzugeben. Gleichzeitig wurde Einspruch gegen die oben bezeichnete Strafverfügung vom 10. Juli 2014 erhoben.

 

Am 23. September 2014 wurde Frau B R auf der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung zeugenschaftlich einvernommen und gab dabei u.a. an, dass sie üblicherweise die Tonbandaufnahmen übertrage, dies dann dem jeweiligen Juristen gebe, am Ende des Tages kontrolliere, ob sie alle vom Rechtsanwalt kontrollierten Schriftstücke wieder zurückbekommen habe, dann die Schriftstücke reinschreibe, diese dann vom Anwalt unterschrieben und sodann zur Post gegeben würden. Konkrete Rückfragen des Anwalts, ob zB ein bestimmter Einspruch zur Post gegeben wurde, gäbe es normalerweise nicht, dies läge üblicherweise im eigenen Verantwortungsbereich. Hin und wieder komme es vor, dass ein Anwalt nachfrage, ob ein Einspruch tatsächlich zur Post gegeben worden sei. Einsprüche würden per E-Mail oder per Post eingebracht, jene auf dem Postweg würden ohne Rückschein aufgegeben.

Der gegenständliche Einspruch sei von Frau R vom Tonband übertragen worden, sie könne sich an diesen Einspruch noch genau erinnern, da der Bf oft bei ihnen in der Kanzlei sei und die Kanzlei mehrere Akten von ihm bearbeite. Der Einspruch sei von Frau R persönlich zur Post gebracht worden, an welchem Tag genau könne sie nicht mehr angeben, es müsse zwischen 19. und 21. Juli gewesen sein. Der Einspruch sei ohne Rückschein aufgegeben worden.

 

In der Folge erging am 16. Oktober 2014 der beschwerdegegenständliche Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung, VerkR96-2622-2014, mit dem der Antrag des Bf auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet abgewiesen wurde.

 

In der Begründung wird die Zeugenaussage von Frau B R im Wesentlichen wiedergegeben und ausgeführt, dass das Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes vom Bf nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Die Behörde gelangte zur Auffassung, dass der Einspruch überhaupt nicht zur Post gebracht worden sei. Hinsichtlich des Verschuldens wird auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Bedeutung der Wahrung von behördlichen Fristen im Verkehr mit Behörden und auf den bei rechtskundigen Parteienvertretern angelegten strengen Sorgfaltsmaßstab hingewiesen. Es habe mangelndes bzw. ein minderer Grad des Verschuldens nicht durch objektivierbare Hinweise wie zB ein Postaufgabebuch oder einen Fristenvormerkkalender glaubhaft gemacht werden können bzw. seien auch die Angaben der Kanzleimitarbeiterin Frau R nicht geeignet gewesen, eine entsprechende Überwachung der Kanzlei-organisation seitens des Parteienvertreters zu bestätigen.

 

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2014 erhob der Bf Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom     16. Oktober 2014.

 

Begründend wird darin ausgeführt, dass die belangte Behörde den Bf vor der Erlassung nicht von den Verfahrensergebnissen, nämlich vom Inhalt der Zeugen-aussage von Frau B R, in Kenntnis gesetzt und ihm auch keine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt habe. Dadurch sei das Recht des Bf auf Parteiengehör verletzt und der Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

 

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG sei im Wiedereinsetzungsantrag das Vorliegen der behaupteten Wiedereinsetzungsgründe bloß glaubhaft zu machen, es sei nicht der volle Beweis zu erbringen. Der im Wiedereinsetzungsantrag dargetane Sachverhalt hätte bei richtiger Beweiswürdigung der belangten Behörde als ausreichend bescheinigt angesehen werden müssen. Der bekämpfte Bescheid enthalte keinerlei Feststellungen oder Ausführungen zur Glaubwürdigkeit der Zeugin.

Es komme auch gelegentlich vor, dass ein Poststück auch bei der Behörde in Verlust gerate, was die belangte Behörde jedoch überhaupt nicht in ihre Erwägungen miteinbeziehe.

Das unterfertigte und mit 21. Juli 2014 datierte Einspruchsformular sei ein wesentliches Beweisergebnis, das die belangte Behörde übergehe, obwohl dessen Vorhandensein deren Abfertigung zur Post naheläge.

Ein Organisationsverschulden, wie u.a. von der belangten Behörde in der Bescheidbegründung behauptet, käme nur in Frage, wenn die rechtzeitige Postaufgabe aus einem in der Sphäre der Anwaltskanzlei liegenden Umstand unterblieben sei, was gegenständlich jedoch nicht der Fall sei, da gerade keine Säumnis der Kanzlei, sondern eine rechtzeitige Postaufgabe behauptet worden sei.

Die Kanzlei überwache sehr wohl die Einhaltung von Fristen, jeder Anwalt führe einen Fristenkalender, in den er seine Fristen persönlich eintrage.

Dass der rein manipulative Vorgang der Postaufgabe nicht gesondert überwacht werde, das Poststück nicht eingeschrieben zur Post gegeben worden sei und kein eigenes Postbuch geführt werde, hindere nach ständiger Judikatur die Wiedereinsetzung nicht. Das Führen eines Postbuchs sei in größeren Anwalts-kanzleien nicht zu praktizieren und werde auch nicht praktiziert, da es bei einem Aktenbestand von über Zwanzigtausend laufenden Akten schlicht untunlich sei, ein solches zu führen. Auch der Eintrag in einem Postbuch würde die Postaufgabe nicht bescheinigen.

Zum Beweis des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts wird in der Beschwerde die zeugenschaftliche Einvernahme von Dr. R G, Rechts-anwalt, beantragt. Weiters werde zum Beweis des bisherigen Vorbringens auch das Deckungsschreiben der Rechtschutzversicherung, datierend vom       21. Juli 2014, zur Vorlage gebracht, was ebenfalls ein Indiz für die erfolgte Einspruchserhebung sei.

Zum Beweis, dass die Post keineswegs so zuverlässig sei wie die belangte Behörde vermeine, sind dem Schriftsatz Korrespondenzen der Anwaltskanzlei mit der Post betreffend erfolgte Zustellfehler beigelegt.

 

Am 26. Jänner 2015 führte das Landesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der Rechtsanwalt Dr. R G als Zeuge einvernommen wurde. Mit der Ladung zur öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde dem Rechtsvertreter des Bf nochmals die Zeugenaussage von Frau B R vom 23. September 2014 übermittelt.

 

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 26. Jänner 2015 sagte RA Dr. G Folgendes aus:

Ich, Dr. R G, bin der zuständige Aktenbearbeiter. Ich habe die gegenständliche Strafverfügung des Bezirkshauptmanns von Urfahr-Umgebung vom 10. Juli 2014 zur Bearbeitung übernommen und den Einspruch vom 21. Juli 2014 auch diktiert. Anschließend habe ich veranlasst, dass der Einspruch in der Kanzlei zur Post gegeben wird. Ich habe für den Fall auch eine Rechts-schutzdeckung eingeholt, und aus einem für mich nicht nachvollziehbaren Grund ist der Einspruch nicht in den Behördenakt gekommen. Bemerkt haben wir dies zu dem Zeitpunkt, als der Konzipient eine Aktenkopie besorgen hätte sollen.

 

Wir schicken wegen der daraus resultierenden Kosten selten Poststücke eingeschrieben. Aufgrund der Summe unserer laufenden Akten, welche sich auf ca. 25.000 beläuft, wären diese Kosten im Verhältnis zum entstehenden Schaden unverhältnismäßig hoch. Gemeint ist der Schaden, der dadurch entstehen kann, dass man keinen Zustellnachweis hat.

 

Frau B R, meine Sekretärin, ist zuverlässig und Fälle, in denen ein Poststück nicht mehr auftaucht, sind selten.

 

Ansonsten kann nur auf die Zeugenaussage von Frau B R vom          23. September 2014 bei der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung verwiesen werden.

 

Ein Postaufgabebuch bzw. Aufzeichnungen über die bei der Aufgabe angefallenen Kosten wurden nie geführt. Dies wäre aufgrund der hohen Aktenanzahl in der Kanzlei zu aufwändig. Auch der vorliegende Einspruch wurde nicht eingeschrieben aufgegeben.

 

 

II.            Im Ermittlungsverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde und in einer am 26. Jänner 2015 durchgeführten mündlichen Verhandlung.   

 

 

III.           Das Landesverwaltungsgericht hat wie folgt erwogen:

 

1.

§ 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) lautet wie folgt:

 

„§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

      

1.   die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2.   die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

 

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

 

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

 

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

 

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

 

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

 

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.“

 

2. Zum Vorbringen in der Beschwerde, dass aufgrund der nicht erfolgten Information des Bf über den Inhalt der Zeugenaussage von Frau B R vom 23. September 2014 der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt wurde, ist anzumerken, dass im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht die gegenständliche Zeugenaussage dem Rechtsvertreter des Bf mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt worden ist und dieser bis zur bzw. in der mündlichen Verhandlung am 26. Jänner 2015 die Möglichkeit hatte, dazu Stellung zu nehmen. Somit wurde dieser im Verfahren vor der belangten Behörde entstandene Mangel im Ermittlungsverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht saniert.

 

3. Zum Vorbringen, dass im Rahmen eines Antrags auf Wiedereinsetzung die Wiedereinsetzungsgründe bloß glaubhaft zu machen sind, ist Folgendes festzustellen: Im vorliegenden Beschwerdefall langte der Einspruch des Bf gegen die Strafverfügung des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 10. Juli 2014, VerkR96-2622-2014, nicht im Akt der belangten Behörde ein. In der Beschwerde argumentiert der Rechtsvertreter des Bf, dass der Einspruch fristgerecht zur Post gegeben worden sei und entweder auf dem Postweg verloren gegangen oder bei der Behörde in Verlust geraten sein müsste.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Einbringung von Anbringen ist die Partei, der die Wahl des Mittels der Einbringung offen steht, nicht nur beweispflichtig, sondern sie trägt auch die Gefahr des Verlustes einer (zB zur Post gegebenen oder gefaxten) Eingabe (vgl dazu VwGH 23.11.2009, 2009/03/0089, 22.2.2011, 2009/04/0095).

 

4. Zur Glaubwürdigkeit der Aussage der Kanzleimitarbeiterin des Rechtsvertreters des Bf, Frau B R, am 23. September 2014, ist festzuhalten, dass Frau R in ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme am        23. September 2014 angab, dass sie sich an den Einspruch genau erinnern könne, da der Bf sehr oft in der Kanzlei sei und dort mehrere Akten von ihm bearbeitet würden und dass sie den Einspruch zwischen 19. und 21. Juli 2014 zur Post gebracht habe.

 

Die Begründung der Zeugin, dass der Bf sehr oft in der Kanzlei sei und dort mehrere Akten von ihm bearbeitet würden und sie sich deshalb genau an den Einspruch erinnern könne, scheint nicht zur Gänze nachvollziehbar, da gerade eine größere Anzahl an im Auftrag des Bf geführten Akten bzw. Erledigungen eher nicht dazu führt, dass man sich genau an eine dieser Erledigungen erinnern kann. Im Normalfall wird es wohl eher so sein, dass man sich genauer an ein Schriftstück erinnern kann, wenn für den Mandanten bis dato keine oder nur selten Eingaben durch die Kanzlei verfasst wurden. Insofern vermag diese Begründung nicht in vollem Umfang zu überzeugen.

 

Darüber hinaus ist der Einspruch erst mit 21. Juli 2014 datiert und es scheint unwahrscheinlich, dass man in einer Anwaltskanzlei einen Einspruch absichtlich „nachdatiert“ und ihn eventuell schon zwei Tage früher aufgibt. Wenn man der Zeugin zugutehält, dass sie sich nicht mehr an das genaue Aufgabedatum erinnern konnte und deshalb den Zeitraum von 19. bis 21. Juli 2014 genannt hat, stellt sich diesbezüglich jedoch die Frage, warum sie sich zum Zeitpunkt ihrer Aussage Ende September 2014 dann doch noch so genau erinnern konnte, dass sie den Zeitraum auf drei Tage im Juli eingrenzen konnte. Insofern vermag die Aussage der Zeugin aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes nicht alle Zweifel an der tatsächlich erfolgten Postaufgabe auszuräumen.

 

Festzuhalten ist auch, dass der Einspruch, wie von Frau R in ihrer Zeugenaussage vom 23. September 2014 und in der Folge auch von Rechtsanwalt Dr. G in seiner Zeugenaussage vor dem Landesverwaltungs-gericht in der mündlichen Verhandlung am 26. Jänner 2015 übereinstimmend festgehalten, nicht eingeschrieben aufgegeben wurde.

 

Rechtsanwalt Dr. G hat weiters ausgesagt, dass wegen der daraus resultierenden Kosten in der Kanzlei selten Poststücke eingeschrieben versandt würden und dass aufgrund der hohen Aktenanzahl in der Kanzlei diese Kosten im Verhältnis zum dadurch entstehenden Schaden, dass man keinen Zustell-nachweis habe, unverhältnismäßig hoch seien. Dr. G führte weiters aus, dass seine Sekretärin, Frau R, sehr zuverlässig sei und Fälle, in denen ein Poststück nicht mehr auftauche, selten seien.

 

Beide Zeugen haben übereinstimmend ausgesagt, dass in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Bf Schriftstücke meist nicht eingeschrieben versandt werden – wie auch der Einspruch im vorliegenden Fall.  

 

5. Zu § 71 AVG hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt judiziert, dass ein beruflicher rechtskundiger Parteienvertreter seine Kanzlei so zu organisieren hat, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt und nach menschlichem Ermessen die Versäumung von Fristen ausgeschlossen ist.

Auch wenn im vorliegenden Fall behauptet wird, dass der Einspruch tatsächlich zur Post gegeben wurde und der vorliegende Fall keinen Anwendungsfall des Organisationsverschuldens darstelle, ist es unbestritten, dass in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Bf keinerlei Nachweise vorliegen bzw. keine Aufzeichnungen geführt werden, ob bzw. welche Poststücke tatsächlich zur Post gegeben worden sind. In der Beschwerde bzw. auch von Rechtsanwalt Dr. G in seiner zeugenschaftlichen Einvernahme wurde argumentiert, dass es bei einer Kanzlei dieser Größe nicht üblich sei, ein Postbuch zu führen und dass der Bestand an laufenden Akten ca. 25.000 umfasse – dem Argument, dass es bei einem derartigen Umfang an laufenden Akten unüblich sei, ein physisches Postbuch zu führen, kann wohl gefolgt werden. Allerdings scheint es bei einem derart hohen Aktenbestand sehr ungewöhnlich, dass hiefür kein elektronisches Kanzlei- bzw. Archivierungssystem, das in der heutigen Zeit für Betriebe jeglicher Art und Branche bereits maßgeschneidert angeboten wird, verwendet wird. In einem derartigen EDV-System könnte eine erfolgte Postaufgabe eingegeben und in der Folge abgefragt werden, wobei der Ordnung halber festzuhalten ist, dass auch ein solches System einen Postaufgabeschein nicht ersetzen kann. Es ist jedoch als Indiz dafür heranzuziehen, dass ein rechtskundiger Parteienvertreter sich seiner erhöhten Sorgfaltspflicht sehr wohl bewusst ist.

 

Es mutet gerade bei einem rechtskundigen Parteienvertreter verwunderlich an, wenn dieser als Zeuge einvernommen aussagt, dass die Kosten, die durch das Einschreiben der Schriftstücke anfallen, im Vergleich zum Schaden, der durch die fehlenden Zustellnachweise – wie auch im vorliegenden Fall – entstehen kann, unverhältnismäßig hoch sind. Die Gründe, als Rechtschutzsuchender einen rechtskundigen Parteienvertreter zu beauftragen, liegen doch vor allem darin, dass man sich aufgrund der profunden Rechtskenntnisse und erhöhten Sorgfalt, die von ihm erwartet werden können, mehr Erfolg bei der Durchsetzung seiner Rechte verspricht. In diesem Zusammenhang darf ein Rechtschutzsuchender wohl davon ausgehen, dass ein rechtskundiger Parteienvertreter auch in organisatorischer Hinsicht alle Vorkehrungen ergreift, um eventuelle Fehlerquellen formaler oder logistischer Art zu minimieren, wozu aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes auch das Einschreiben von fristgebundenen Eingaben zählt.

Angemerkt sei in diesem Zusammenhang noch, dass das Argument der geringeren Kosten, wenn die Schriftstücke nicht eingeschrieben aufgegeben werden, insofern nicht nachvollziehbar ist, als derartige Kosten im Normalfall ohnedies vom Mandanten zu tragen sind.

 

Auch die Aussage von Rechtsanwalt Dr. G, dass Fälle, in denen Poststücke nicht mehr auftauchen, selten sind, spricht dafür, dass es anscheinend doch gelegentlich, wenn auch selten vorkommt, dass Poststücke „verschwinden“.

 

6. Der Beschwerde wurden darüber hinaus Korrespondenzen der Kanzlei des Rechtsvertreters des Bf mit der Post betreffend Zustellfehler zum Beweis dafür, dass die Post keineswegs zuverlässig sei, beigelegt.

Unter Bezugnahme auf den erhöhten Sorgfaltsmaßstab, der an einen rechts-kundigen Parteienvertreter zu stellen ist, sollten diese Beispiele doch umso mehr dafür sprechen, als solcher fristgebundene Eingaben eingeschrieben zur Post zu geben.

 

7. Wenn ein Schriftstück eingeschrieben zur Post gegeben wird, wird dem Absender damit die Aufgabe bei der Post bestätigt und der Weg des Poststücks ist aufgrund der dafür vergebenen Registriernummer nachvollziehbar. In Kenntnis der – sehr restriktiven – Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Tragung des Risikos des Verlustes einer Eingabe auf dem Postweg, welcher diesbezüglich judiziert hat, dass nicht einmal das Einschreiben eines Schriftstücks dessen Einlangen bei der Behörde zu beweisen vermag, ist aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes die Tatsache, dass eine fristgebundene Eingabe eingeschrieben zur Post gegeben wird, sehr wohl berücksichtigungswürdig im Sinn des Einschreiters, da sie einen Hinweis darauf liefert, dass sich dieser der besonderen Wichtigkeit des Schriftstücks bewusst war, folglich die ihm als Möglichkeit des Nachweises der Postaufgabe seitens der Post zur Verfügung gestellte Aufgabevariante gewählt und somit die in seiner Sphäre liegenden möglichen Vorkehrungen für ein sicheres Ankommen des Poststücks beim Adressaten getroffen hat.   

 

Dieses Einschreiben ist im gegenständlichen Fall seitens des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers nicht erfolgt und vermag Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass die ihm obliegende erhöhte Sorgfaltspflicht als beruflicher rechts-kundiger Parteienvertreter entsprechend erfüllt wurde. Darüber hinaus sei nochmals auf die ständige, restriktive Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Tragung der Gefahr des Verlustes einer zur Post gegebenen Eingabe hingewiesen, welche diese Gefahr eindeutig dem Einschreiter überbindet bzw. dieser das Einlangen der Eingabe bei der Behörde zu beweisen hat (vgl VwGH 26.1.2011, 2010/12/0060). Dieser Beweis konnte im vorliegenden Fall jedoch nicht erbracht werden.

 

8. Das Vorbringen, dass die Gründe für die Wiedereinsetzung nach den Worten des Gesetzes lediglich glaubhaft zu machen sind, trifft zwar zu, im vorliegenden Fall betrifft der Wiederaufnahmegrund jedoch den Verlust eines Poststückes bzw. die Aufgabe desselben, worauf die oben zitierte Judikatur des Verwaltungs-gerichtshofes betreffend das Risiko des Verlustes von Eingaben anzuwenden ist, welche die Gefahr des Verlustes eines zur Post gegebenen Schriftstückes dem Absender überbindet. Weiters ist im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch in diesem Zusammenhang auf die einem beruflichen rechtskundigen Parteienvertreter obliegende erhöhte Sorgfaltspflicht hinzuweisen.

 

9. Unvorhergesehen im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht von dieser Partei nicht erwartet werden konnte (vgl. VwGH 29.11.1994, 94/05/0318; 3.4.2001/2000/08/0214). Zur Frage, ob der behauptete Verlust des Einspruchs als unvorhergesehenes Ereignis anzusehen ist, ist auf die Ausführungen des Bf zur mangelnden Zuverlässigkeit der Post bzw. die von ihm als Beweis für Zustellfehler der Post der Beschwerde beigelegten Korrespondenzen hinzuweisen – wenn dem Rechtsvertreter des Bf bereits bekannt war, dass die Post seinen Ausführungen nach keineswegs zuverlässig sei, so kann man den behaupteten Verlust des Schriftstücks wohl nicht als unvorhergesehenes Ereignis ansehen.

Ein unabwendbares Ereignis liegt vor, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann, wobei es dabei darauf ankommt, dass der Eintritt eines Ereignisses objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht abgewendet werden kann, auch wenn er dessen Eintritt voraussah (vgl. VwGH 25.1.1995, 94/13/0236). Ein unabwendbares Ereignis im Sinn der zitierten Bestimmung liegt im gegenständlichen Fall ebenso nicht vor, da der Rechtsvertreter weitere Vorkehrungen treffen hätte können wie zB die eingeschriebene Aufgabe des Einspruchs und die Ablage des Nachweises im Akt oder – was vor allem im gegenständlichen Fall der nicht eingeschriebenen Aufgabe tunlich gewesen wäre - eine telefonische Rückfrage bei der belangten Behörde, ob der Einspruch tatsächlich dort eingelangt ist, was auch durch die Kanzleimitarbeiterin erfolgen könnte und keinen besonderen Aufwand darstellt.

 

 

10. Auch mangelndes Verschulden oder minderer Grad des Versehens kann im vorliegenden Fall aufgrund der obigen Ausführungen nicht angenommen werden, da dem berufsmäßigen Rechtsvertreter eben besondere, erhöhte Sorgfaltspflichten auferlegt sind, welche auch den Schriftverkehr mit Behörden betreffen und aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes nicht in vollem Umfang erfüllt wurden.

 

11. Das der Beschwerde beigelegte Schreiben der Versicherung betreffend die Zusage der Rechtschutzdeckung für den vorliegenden Beschwerdefall vermag  eine tatsächlich erfolgte Postaufgabe keinesfalls zu beweisen – es ist lediglich ein Indiz dafür, dass der Einspruch verfasst wurde. Betreffend eine tatsächlich erfolgte Aufgabe des Einspruchs bei der Post hat dieses Schreiben jedoch keinerlei Beweiskraft, da nicht die Frage strittig ist, ob der Einspruch überhaupt verfasst wurde, sondern, ob bzw. wie er bei der Post aufgegeben wurde.

 

12. Zusammengefasst kann im Lichte der umfangreichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Tragung des Risikos des Verlustes von Eingaben durch den Einschreiter und zur erhöhten Sorgfalts- und Überwachungspflicht, die rechtskundigen Parteienvertretern obliegt, dem Antrag des Bf auf Wieder-einsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben werden.

 

Somit war spruchgemäß zu entscheiden. 

 

 

IV.          Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs-gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Katja Hörzing

Beachte:

Das Erkenntnis wurde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

VwGH vom 13. Juli 2015, Zl. Ra 2015/02/0050-7