LVwG-600015/2/Bi/SA/AE

Linz, 17.01.2014

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn x, nunmehr x, x, vertreten durch x Rechtanwälte OG, x, x, vom 4. November 2013 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptfrau von Steyr-Land vom 28. Oktober 2013, VerkR96-2184-2012, wegen Übertretung des KFG zu Recht 

e r k a n n t:

 

 

I.

Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das in Beschwerde gezogenen Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskosten eingestellt.  

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision des Beschwerdeführers und der belangten Behörde an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 365 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 202 Stunden verhängt sowie ihm gemäß § 64 Abs.1 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von 36,50 Euro auferlegt, weil er, wie am 19. März 2012 von der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, 4810 Gmunden, Esplanade 10, festgestellt worden sei, die von dieser Behörde an ihn als Zulassungsbesitzer des Pkw x ergangene Lenkeranfrage vom 13. März 2012 nicht binnen zwei Wochen ab Zustellung, entsprechend dem Erfordernis des § 103 Abs.2 KFG beantwortet habe, weil er die Person, welche am 26. Jänner 2012 um 19.18 Uhr in x auf der Ax das oa Fahrzeug gelenkt habe, nicht bekanntgegeben habe.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Berufungsvor­entscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt wurde. Diese Berufung ist nunmehr als Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG anzusehen, über die gemäß Art.131 B-VG das Landes­verwaltungsgericht .  zu entscheiden hat. Auf die Durchführung der beantragten öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte verzichtet werden (§ 24 Abs.2 Z1 VwGVG). 

3. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, er sei bereits mit rechtswirksam zugestelltem Schreiben der belangten Behörde vom 10.2.2012 als Zulassungsbesitzer des genannten Pkw aufgefordert worden, Lenkerauskunft zu erteilen; damit habe die belangte Behörde ihr gesetzliches Auskunftsrecht konsumiert. Die Auskunftspflicht des Zulassungsbesitzers bestehe nur einmal, sodass er nicht verpflichtet gewesen sei, das inhaltlich gleichlautende Auskunftsverlangen vom 13. März 2012 nochmals zu beantworten. Die Belangte Behörde habe nicht dargelegt, von welchen konkreten Feststellungen sie ausgehe und aus welchen Erwägungen die Beweiswürdigung beruhe. Eine Ausein­andersetzung mit den Ermittlungsergebnissen einschließlich jener Aktenteile, die Grundlage für das eingeleitete Verfahren gewesen seien, habe nicht stattgefunden. Außerdem sei die belangte Behörde unzuständig und sein Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden. Erfüllungsort der Lenkerauskunfts­verpflichtung sei der Ort, an dem die geschuldete Handlung vorzunehmen sei, dh der Sitz der anfragenden Behörde, der auch Tatort der Unterlassung der Erteilung der richtigen und rechtzeitigen Auskunft sei Die Voraussetzungen für eine Delegierung nach § 29a VStG hätten nicht vorgelegen, zumal das Verwaltungsstrafverfahren dadurch nicht wesentlich beschleunigt worden und bei Zuständigkeitsübertragung auch nicht zu erwarten gewesen sei, zumal er seine Rechtfertigung schriftlich abgegeben habe und keine Beweise aufzunehmen gewesen seien. Die Überlegungen zur Strafbemessung, bei der es sich um einen Ermessensentscheidung handle, die nach § 19 VStG vorzunehmen sei, seien mangels Darlegung der für die Ermessensübung maßgebenden Umstände nicht nachprüfbar; es liege Ermessensüberschreitung vor. Eine bestehende überlange Verfahrensdauer sei nicht mildernd berücksichtigt worden, ebenso wenig sein bisher ordentlicher Lebenswandel gemäß § 34 Abs.1 Z2 StGB. Beantragt wird Verfahrenseinstellung, in eventu Strafherabsetzung, jedenfalls eine mündliche Verhandlung. 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus ergibt sich ohne jeden Zweifel, dass der Pkw x am 26. Jänner 2012 um 19.18 Uhr die Ax bei km 217.638 im Gemeindegebiet x, Bezirk x, in Fahrtrichtung x befahren hat, wobei mittels stationärem Radargerät MUVR 6FA eine Geschwindigkeit von 121 km/h gemessen und Fotos angefertigt wurden. Im dortigen Bereich bestand wegen einer Baustelle eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h, sodass nach Abzug der vorge­schriebenen Toleranzen von 5% vom Messwert eine tatsächliche Geschwindigkeit von 114 km/h, dh um 54 km/h – strafbar gemäß § 99 Abs.2e StVO sowie Anlass für die zweiwöchige Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 7 Abs.3 Z4 FSG – der Anzeige zugrundegelegt wurde.

 

Der Pkw x ist auf den Beschwerdeführer zugelassen, sodass laut Vermerk auf der Anzeige seitens der Tatortbehörde, der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, mit Schreiben vom 10. Februar 2012 an diesen als Zulassungsbesitzer ein Lenkerauskunftsersuchen erging; die Zustellung dieses Schreibens ist nicht dokumentiert. Auf der Anzeige ist in roter Handschrift festgehalten, dass der Beschwerdeführer offenbar telefonisch am 24. Februar 2012 mit der Behörde in Kontakt getreten ist und erklärt hat, er sei wegen eines damaligen Bandscheibenvorfalls 100%ig nicht mit dem Auto unterwegs gewesen und auch nicht jemand anderer. Er rufe nächste Woche nochmals an, ob es schon ein Foto gebe.

Nach Übermittlung des Radarfotos – auf dem das Kennzeichen des Pkw einwandfrei zu erkennen ist – erging wiederum seitens der Bezirkshaupt­mannschaft Gmunden mit Schreiben vom 13. März 2012 zu VerkR96-6533-2012 nochmals eine schriftliche Aufforderung gemäß § 103 Abs.2 KFG an den Beschwerdeführer, als Zulassungsbesitzer des Pkw x mitzuteilen, wer den Pkw am 26. Jänner 2012 um 19.18 Uhr auf der Ax in der Gemeinde Ohlsdorf bei km 217.638 in Fahrtrichtung x gelenkt/verwendet bzw zuletzt vor diesem Zeitpunkt am Tatort abgestellt habe, oder die Person zu benennen, welche die Auskunft erteilen könne; diese treffe dann die Auskunftspflicht. Das Schreiben wurde vom Beschwerdeführer am 14. März 2012 persönlich übernommen und am 19. März 2013 schriftlich beantwortet dahingehend, er habe am 24. März (gemeint: Jänner) 2012 unerträgliche Rückenschmerzen gehabt, sodass ihn seine Lebens­gefährtin x mit ihrem Pkw daheim abgeholt und zu ihrem Haus nach Seitenstetten gebracht habe. Vom ärztlichen Notdienst sei dann ein akuter Bandscheibenvorfall diagnostiziert und er ins Krankenhaus nach x eingeliefert worden. Er habe ab 24. Jänner 2012 nicht mehr mit dem Auto fahren können; der Pkw sei unversperrt in x in der Garage gestanden. Er habe vor lauter Schmerzen nicht mehr daran gedacht, den Schlüssel aus dem Pkw zu entfernen. Es habe ihn aber auch niemand gefragt, ob er das Auto ausleihen könne. Er könne daher niemanden angeben, da er nicht einmal gewusst habe, dass irgendjemand sonst in seiner Abwesenheit gefahren sein solle. Dem Schreiben beigelegt war eine „Arbeitsunfähigkeitsbestätigung“ Dris x, Arzt für Allgemeinmedizin in x, vom 19. März 2012 für die Zeit von 24. Jänner bis 26. Februar 2012 wegen „Discusprolaps L4L5“.

Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden leitete mit der – fristgerecht beein­spruchten – Strafverfügung vom 8. Mai 2012 ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Übertretung gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 mit dem Tatdatum 19. März 2012 ein und trat das Verfahren am 25. Mai 2012 gemäß § 29a VStG an die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land, die nunmehr belangte Behörde, ab. Diese ersuchte den Beschwerdeführer um Stellungnahme – die dieser mit Schriftsatz vom 11.Juni 2012 an die Bezirkshauptmannschaft Gmunden abgab und die am 28. Juni 2012 der belangten Behörde nachgereicht wurde.

Bei der ZMR-Abfrage am 9. April 2013 stellte sich heraus, dass der (in Linz rechtsfreundlich vertretene) Beschwerdeführer ab 10. Februar 2012 in Asten, Bezirk Linz-Land, mit Hauptwohnsitz gemeldet ist. Die belangte Behörde ersuchte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 10. April 2013 um Mitteilung seiner finanziellen Verhältnisse und erließ, nachdem sich dieser dazu nicht äußerte, das nunmehr in Beschwerde gezogene Straferkenntnis.  

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:      

Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall der schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht erteilt werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunfts­verweigerung zurück.

 

Der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 liegt die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jederzeitige Feststellung ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen (vgl VwGH 18.11.1992, 91/03/0294 ua).

Nach der Rechtsprechung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes ist Tatort der Verwaltungsübertretung der Nichterteilung einer Lenkerauskunft der Sitz der die Auskunft begehrenden Behörde (vgl E 31.1.1996, 93/03/0156 ua).

Da die Auskunftspflicht nach Abs.2 nur einmal besteht, war der Beschwerde­führer nicht verpflichtet, die zweite Anfrage zu beantworten. Das bedeutet, dass die Behörde die Nichtbeantwortung der ersten Anfrage zu ahnden hat (vgl VwGH 14.7.2000, 2000/02/0084; 25.2.2005, 2004/02/0217).

 

Im ggst Fall wurde der Beschwerdeführer bereits mit Schreiben vom 10. Februar 2012 von der Bezirkshauptmannschaft Gmunden gemäß § 103 Abs.2 KFG als Zulassungsbesitzer des Pkw x nach dem Lenker dieses Pkw am 26. Jänner 2012 gefragt. Allerdings ist die Zustellung dieses Schreibens, auf das der Beschwerdeführer auch geantwortet hat, nicht dokumentiert. Damit war aber das Fragerecht der Bezirkshauptmannschaft Gmunden erschöpft und hätte eine neuerliche gleichlautende Lenkeranfrage diesbezüglich nicht ergehen dürfen. Der Beschwerdeführer war nicht verpflichtet, die zweite Aufforderung gemäß § 103 Abs.2 KFG vom 19. März 2012 zu beantworten, weshalb der Tatvorwurf im Verwaltungsstrafverfahren VerkR96-6533-2012 der Bezirkshauptmannschaft Gmunden – ebenso wie das Straferkenntnis der belangten Behörde – zu Unrecht erging.

Es war daher gemäß § 45 Abs.1 Z1 2. Alt. VStG spruchgemäß zu entscheiden, wobei Verfahrenskostenbeiträge naturgemäß nicht anfallen.    

 

Am Rande zu bemerken ist, dass die belangte Behörde bei der Abtretung gemäß § 29a VStG von der Tatortbehörde noch die Wohnsitzbehörde des Beschwerde­führers war. Ob die Voraussetzungen des § 29a VStG zutreffen, bestimmt sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Delegierung. Entscheidend für die Beurteilung, ob die erfolgte Delegierung dem Gesetz entsprach, ist somit nicht der der Delegierung nachfolgende tatsächliche Verfahrensverlauf, sondern ausschließlich die auf die Aktengrundlagen im Zeitpunkt der Delegierung gestützten Erwartung des Eintritts einer wesentlichen Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens. Die Wohnsitzbehörde hat – abgesehen von der Möglichkeit einer Vorgangsweise im Sinne des § 43 Abs.1 VStG – zB unmittel­bare Kenntnis von allfälligen bei der Strafbemessung zwingend zu beachtenden Vorstrafen (vgl VwGH 28.5.1993, 93/02/0032, ua).

 

Zu II.:

Die ordentliche Revision ist für die Beschwerdeführerin und für die belangte Behörde unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde bzw. Revision ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. einer bevollmächtigte Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Bissenberger