LVwG-600669/10/MZ

Linz, 09.02.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des W. W., geb. x, x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 29.8.2014, GZ: VerkR96-2768-2014, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung den

 

B E S C H L U S S

gefasst:

 

 

I.          Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 4 iVm § 31 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

 

 

 

II.         Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.




 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.a) Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 29.8.2014, GZ: VerkR96-2768-2014, wurden über den Beschwerdeführer (in Folge: Bf) wegen Übertretungen der StVO 1960 mehrere Geldstrafen verhängt.

 

Die Zustellung erfolgte nach einem Zustellversuch am 2.9.2014 durch Hinterlegung am 3.9.2014.

 

b) Mit Schriftsatz vom 13.10.2014 brachte der Bf einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist und zugleich eine gegen den angefochtenen Bescheid gerichtete, hier verfahrensgegenständliche Beschwerde ein.

 

c) Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 1.12.2014,             GZ: VerkR96-2768-2014, der og. Antrag auf Wiedereinsetzung aufgrund der Angaben der Zustellerin gemäß § 24 VStG in Verbindung mit §§ 56ff und 71 AVG als unbegründet abgewiesen.

 

d) Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 9.2.2015, LVwG-600669/9, wurde die Beschwerde des Bf gegen die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen.

 

 

II. Gegen den in Punkt I.a) genannten Bescheid erhob der (nunmehr nicht mehr rechtsfreundlich vertretene) Bf mit Schreiben vom 13.10.2014, zur Post gegeben am gleichen Tage, das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

 

III.a.) Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 3.2.2015, an der der Bf sowie die als Zustellerin fungierende Zeugin Frau C. H. teilnahmen.

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Der Bf wohnt in einem Haus an der Adresse „x“. Neben der Haustüre befinden sich ein versperrbarer Briefkasten samt einer mit „Zeitungen und Werbung“ beschrifteten, fix mit dem Briefkasten verbundenen „Rolle“.

 

Am 2.9.2014 erfolgte durch Frau C. H. als Zustellorgan der x AG ein Versuch, an der Adresse „x“, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 29.8.2014, GZ: VerkR96-2768-2014, zuzustellen. Da auf das Läuten an der Glocke hin niemand öffnete, hinterließ die Zustellerin eine Verständigung über einen Zustellversuch in der Abgabeeinrichtung; ob die Hinterlegungsanzeige im versperrbaren Briefkasten oder auf Werbematerial liegend in der Rolle zurückgelassen wurde, kann nicht mehr festgestellt werden. Als erster Tag der Abholfrist ist auf dem Rückschein der 3.9.2014 angegeben.

 

d) Soweit der Sachverhalt strittig ist, wird dieser in freier Beweiswürdigung aufgrund folgender Überlegungen vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich angenommen:

 

Der Bf gab in der öffentlichen mündlichen Verhandlung an, dass er und seine Lebensgefährtin sich vorstellen, dass persönlich adressierte Schriftstücke in den versperrbaren, mit Namen beschrifteten Postkasten eingeworfen werden. Zeitungen und Werbung sollen jedoch in der – zum Postkasten gehörigen, mit diesem fix verbundenen – Rolle hinterlassen werden. In der Regel würde dies vom Briefträger auch so gehandhabt, lediglich in der Ferienzeit würde dies regelmäßig nicht klappen.

 

Die als Zeugin bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung befragte Zustellerin war im Zustellzeitpunkt zum zweiten Mal in den Ferien als Zustellorgan für den Zustelldienst tätig. Sowohl bei der ersten als auch bei der ggst. Ferialtätigkeit erfolgte die ersten vier Tage eine Einschulung, wie Zustellungen vorzunehmen sind und wo das Zustellgebiet näher gebracht wurde. Zum fraglichen Zustellzeitpunkt hatte die Zeugin schon vielfach RSa- und RSb-Zustellungen vorgenommen und war dementsprechend auch in der Verhandlung überzeugend in der Lage, die notwendigen Tätigkeiten im Falle der Abwesenheit jeglicher Personen an der Abgabestelle widerzugeben. Die Zeugin schilderte auch glaubwürdig, dass sie, wenn lediglich persönlich adressierte Schriftstücke zuzustellen waren, diese in den versperrbaren Briefkasten einwarf, wenn jedoch darüber hinaus auch Werbung zuzustellen war, die persönlich adressierten Schriftstücke obenauf liegend mit der Werbung in der Rolle zurückgelassen wurden. Dass die Zeugin die konkrete Zustellung betreffend nicht mehr wusste, ob sie an jenem Tag auch Werbung zugestellt und damit die Hinterlegungsanzeige mit dieser in der Rolle oder diese alleine in den Briefkasten eingeworfen hat, vermag aufgrund des mittlerweile verstrichenen Zeitraumes an der Beweiskraft der Aussage keine Zweifel zu begründen.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a) Der die Beschwerdefrist und deren Lauf regelnde § 7 Abs. 4 Z 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG lautet:

 

„Beschwerderecht und Beschwerdefrist

§ 7. (1) …

(4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. … Sie beginnt

1.

in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung, …“

 

Die relevanten Bestimmungen des Zustellgesetzes – ZustG lauten in der geltenden Fassung:

 

Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

1.

 4.

„Abgabestelle“: die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort;

 

Hinterlegung

§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.“

 

b) Am 2.9.2014 wurde an der Wohnadresse des Bf und damit an einer Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 4 ZustellG ein Zustellversuch einer RSb-Sendung vorgenommen. Da die Zustellerin an der Abgabestelle keine Person antraf, wurde der Bf als Empfänger schriftlich vom Zustellversuch verständigt und diese Verständigung im Sinne des § 17 Abs. 2 ZustellG in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung eingelegt. Ob die Hinterlegungsanzeige in den versperrbaren Briefkasten oder in der Rolle hinterlassen wurde, zeitigt insofern keine Verfahrensrelevanz, als es sich dabei um eine nicht trennbare Sache handelt und der Bf damit zu erkennen gibt, Post sowohl im Briefkasten als auch in der Rolle anzunehmen. Oder anders gewendet: Es handelt sich bei der gesamten Sache (Briefkasten + Rolle) um eine Abgabeeinrichtung im Sinne des § 17 Abs. 2 ZustellG.

 

Mit der ordnungsgemäßen Zurücklassung der Hinterlegungsanzeige tritt die Rechtsfolge des § 17 Abs. 3 ZustG ein. Das Straferkenntnis gilt somit als am 3.9.2014 zugestellt und die vierwöchige Rechtsmittelfrist ist ab diesem Zeitpunkt zu bemessen. Die Beschwerdefrist endete daher am 1.10.2014.

 

c) Der Bf erhob mit Schriftsatz vom 13.10.2014, zur Post gegeben am gleichen Tage, das Rechtsmittel der Beschwerde. Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen erweist sich diese als verspätet. Anderes würde nur dann gelten, wenn der Bf wegen Abwesenheit von der Abgabestelle keine Kenntnis vom Zustellvorgang erlangen hätte können. Ein solches Vorbringen wurde vom Bf jedoch nicht erstattet.

 

 

Die Beschwerde ist daher mangels Vorliegen der Prozessvoraussetzungen zurückzuweisen.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die Frage, ob im konkreten Beschwerdefall das Rechtsmittel verspätet eingebracht wurde, nicht verallgemeinerungsfähig ist. Zudem weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Markus Zeinhofer