LVwG-350123/2/Py/BD

Linz, 18.02.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Drin. Andrea Panny über die Beschwerde des Herrn Z.M., x, x, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 3. Dezember 2014, GZ: 3.01-ASJF, betreffend Zurückweisung seines Antrages auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs nach dem Oö. BMSG (bedarfsorientierte Mindestsicherung)

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

1. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 3. Dezember 2014, GZ: 3.01-ASJF wurde der Antrag des Beschwerdeführers (in der Folge: Bf) vom 12. November 2014 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs gemäß §§ 27 und 30 Oö. BMSG zurückgewiesen.

 

In der Begründung führt die belangte Behörde dazu aus, dass der Bf mit Schreiben vom 13. November 2014 im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht ersucht wurde, die zur Durchführung des Verfahrens erforderlichen Urkunden bzw. Unterlagen hinsichtlich

a)   Untermietvertrag

b)   Letzter Lohnzettel Firma E. T. & T. GmbH

c)   Kontoauszüge der letzten 6 Monate

d)   Stilllegung Bausparvertrag

beizubringen.

 

Gleichzeitig sei darauf hingewiesen worden, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung über den Leistungsanspruch den Sachverhalt, soweit er festgestellt wurde, zu Grunde legen oder bei mangelnder Entscheidungsgrundlage den Antrag zurückweisen kann.

 

Da der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist, fehle für seinen Antrag die Entscheidungsgrundlage, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war. Gleichzeitig weist die belangte Behörde den Antragsteller darauf hin, dass mit diesem Bescheid keine inhaltliche Entscheidung über seinen Antrag getroffen wurde.

 

2. Dagegen richtet sich die vom Bf mit Schreiben vom 5. Dezember 2014 rechtzeitig erhobene Beschwerde, in der der Bf zusammengefasst ausführt, dass er mit Schreiben vom 27. November 2014 die von der Behörde im Schreiben vom 13. November 2014 zu Punkt b) und c) geforderten Unterlagen vorgelegt habe. Hinsichtlich der Aufforderung zur Vorlage des Untermietvertrages gibt er an, dass ein solcher nicht abgeschlossen wurde, da er im Haushalt mit seinem Onkel und seiner Tante wohne. Die Wohnkosten (Miete + Betriebskosten) würden etwa 300 Euro monatlich betragen und geteilt. Den Wohnkostenanteil hinsichtlich der bedarfsorientierten Mindestsicherung würde er nicht beanspruchen, sondern nur die Differenz zu der ihm zuerkannten AMS-Leistung von etwa 350 Euro monatlich zum Grundbetrag der bedarfsorientierten Mindestsicherung. Er suche somit um eine finanzielle Unterstützung in Höhe von 263,47 Euro monatlich an. Zur unter Pkt. d) geforderten Stilllegung des Bausparvertrages habe er mitgeteilt, dass es ihm nicht klar sei, wieso er diesen stilllegen solle, da der Wert des Vertrages derzeit etwa 1.000 Euro betrage. Er habe zu-dem einen PKW, der ebenfalls ca. 1.000 Euro wert sei, somit insgesamt ca. 2.000 Euro an Vermögen, das eigene Vermögen müsse jedoch nur bis zur Höhe von 4.069,95 Euro (Stand 2014) aufgebraucht werden. Da die Bausparer­sparnisse mit etwa 1.000 Euro deutlich unter dieser Grenze liegen, sehe sich der Bf nicht verpflichtet, seinen Bausparvertrag stillzulegen.

 

3. Mit Schreiben vom 19. Jänner 2015 legte die Behörde die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht vor. Dieses ist gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfallen.

 

5. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat rechtlich erwogen:

 

5.1. Zunächst ist auszuführen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgrund der Zurückweisung des Antrages durch die belangte Behörde „Sache“ des Beschwerdeverfahrens nur die Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung ist (vgl. VwGH vom 29. April 2010, Zl. 2008/21/0302). Im Beschluss vom 17. Dezember 2014, Ra 2014/03/0049, führt der Verwaltungsgerichtshof dazu zu den Verfahrensbestimmungen vor den Verwaltungsgerichten aus, dass „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem VwG – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfungsumfangs – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat, ist. Wenngleich § 66 Abs. 4 AVG einerseits und § 28 Abs. 2 und Abs. 3 VwGVG andererseits unter jeweils verschiedenen Tatbestandsvoraussetzungen eine Pflicht zur Entscheidung „in der Sache selbst“ normiert, ist das Verständnis dessen, was unter „Sache des Verfahrens“ zu verstehen ist, unverändert geblieben. Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, dann ist „Sache“ sowohl eines Berufungsverfahrens vor einer im administrativen Instanzenzug übergeordneten Berufungsbehörde als auch eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die „Rechtmäßigkeit der Zurückweisung“ (vgl. VwGH v. 18.12.2014, Ra 2014/07/ 0002).

 

5.2. Gemäß § 28 Abs. 1 Oö. Mindestsicherungsgesetz (Oö. BMSG), LGBl. 74/2011 idgF setzt die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung einen vorherigen Antrag voraus. Sie ist auch ohne Antrag anzubieten, wenn Umstände bekannt werden, die eine Hilfeleistung erforderlich machen.

 

Gemäß § 28 Abs. 5 leg.cit sind im Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung folgende Angaben zu machen und durch entsprechende Nachweise zu belegen:

 

1.   zur Person und Familien- bzw. Haushaltssituation;

2.   aktuelle Einkommens- und Vermögenssituation;

3.   Wohnsituation;

4.   zum Daueraufenthalt gemäß § 4 Abs. 1 Z 2, soweit die fremdenrechtlichen Vorschriften Dokumente zu dessen Nachweis vorsehen.

 

Sofern diesbezüglich erforderliche Unterlagen nicht vorgelegt werden, kommt § 13 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) zur Anwen­dung.

 

Nach § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

 

Bei den von dieser Bestimmung umfassten materiellen oder formellen Mängeln handelt es sich um das Fehlen von für die Partei erkennbaren Anforderungen an ein  vollständiges und fehlerfreies Anbringen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG-Kommentar Rz 27 zu § 13 und die dort angeführten Judikaturbeispiele). Von derartigen Mängeln iSd § 13 Abs. 3 AVG zu unterscheiden ist das zur meritorischen Erledigung eines Antrages durch seine Abweisung führende Fehlen einer Erfolgsvoraussetzung (vgl. VwGH vom 22. Oktober 2001, 2001/19/0089). Als derartige Erfolgsvoraussetzung hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 29. April 2010, Zl. 2008/21/0302, die Vorlage von Urkunden zum Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes eines Niederlassungswerbers qualifiziert, wenn im Gesetz lediglich beispielhaft und nicht ausreichend konkret aufgezählt ist, welche Nachweise dafür zu erbringen sind. Weiters im Erkenntnis vom 23. Februar 2011, 2008/11/0033, die Vorlage von Unterlagen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für Kammerbeiträge, wenn im Gesetz nur geregelt ist, auf welcher Grundlage die Beiträge zu bemessen sind und dass der Betreffende an der Ermittlung mitzuwirken hat.

 

In den Materialen zur AVG-Novelle, BGBl. I, Nr. 158/1998 (Erläuterungen des selbständigen Antrags des Verfassungsausschusses 1167 BlgNR. XX. GP, 27) ist zur Abgrenzung von Mängeln iSd § 13 Abs. 3 AVG zu derartigen Erfolgsvoraussetzungen festgehalten, dass „Mängel“, die das Anbringen nicht unzulässig machen, sondern nur seine Erfolgsaussichten beeinträchtigen, durch die Neuformulierung des Abs. 3 nicht erfasst sind. Die Behörde trifft daher auch keine Verpflichtung, die Partei anzuleiten, ihren Antrag so zu formulieren, dass ihm allenfalls stattgegeben werden kann. Ob eine bestimmte „Mangelhaftigkeit“ eines Anbringens, dessen Zurückweisung oder Abweisung zur Folge hat, ergibt sich nicht aus Abs. 3, sondern aus jenen Rechtsvorschriften, die an das Vorliegen dieses „Mangels“ bestimmte Rechtsfolgen knüpfen.

 

Ob das Antwortschreiben des Bf auf die Aufforderung der belangten Behörde vom 13. November 2014 einen (einer Verbesserung gemäß § 13 Abs. 3 AVG zugänglichen) Mangel des Antrages darstellt oder um eine sonstige Unzulänglichkeit, die nicht die Vollständigkeit des Antrages, sondern seine Erfolgsaussichten betrifft, ist somit nach dem Oö. BMSG zu beurteilen.

 

Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung ist gemäß dessen § 5 das Vorliegen einer „sozialen Notlage“ und die Bereitschaft, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen. Welche Unterlagen zum Nachweis dieser Voraussetzungen vorzulegen sind, wird im Gesetz nicht konkret geregelt. § 30 Abs. 1 Oö. BMSG verpflichtet die hilfesuchende Person lediglich dazu, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken und im Rahmen dieser Mitwirkungspflicht die zur Durchführung des Verfahrens erforderlichen Angaben zu machen, erforderlichen Urkunden oder Unterlagen beizubringen und erforderlichen Untersuchungen zu ermöglichen. Die Folgen der Verletzung dieser Mitwirkungspflicht ohne triftigen Grund sind in § 30 Abs. 2 leg.cit ausdrücklich geregelt. Demnach kann die Behörde der Entscheidung über den Leistungsanspruch den Sachverhalt, soweit er festgestellt wurde, zu Grunde legen oder bei mangelnder Entscheidungsgrundlage den Antrag zurückweisen, wenn die hilfesuchende Person ihrer Mitwirkungspflicht innerhalb angemessener Frist nicht nachkommt und auf diese Folgen einer unterlassenen Mitwirkung hingewiesen worden ist. Aus § 33 Abs. 3 leg.cit ergibt sich, dass über den zugrundeliegenden Antrag auch dann inhaltlich zu entscheiden ist, wenn der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht erst im Rechtsmittelverfahren nachkommt.

 

Aus dem maßgeblichen Materiengesetz ergibt sich somit eindeutig, dass es sich bei den von der belangten Behörde vom Bf verlangten Unterlagen nicht um – einem Mängelbehebungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG zugängliche – Voraussetzung für einen vollständigen Antrag auf Zuerkennung bedarfsorientierter Mindestsicherung handelt, sondern um eine Erfolgsvoraussetzung, bei deren Fehlen der Antrag – mangels Nachweis einer sozialen Notlage – abzuweisen ist. Daran kann der Umstand nichts ändern, dass nach den Erläuterungen der Vorlage der Oberösterreichischen Landesregierung zum Oö. Mindestsicherungs­gesetz Blg 357/2011 zu den Wortprotokollen des Oö. Landtages XXVII. GP, Seite 52, wonach im Antrag unter anderem Angaben über die aktuelle Einkommens- und Vermögenssituation zu machen und durch entsprechende Nachweise zu belegen sind und bei Unterlassung der Vorlage derartiger Urkunden nach § 13 Abs. 3 AVG vorzugehen ist, lediglich „klargestellt“ wird, welche Unterlagen bei der Antragstellung beizubringen sind, bei deren Fehlen mit Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG vorzugehen ist (vgl. VwGH vom 22.10.2013, 2012/10/0213).

 

Der gegenständliche Zurückweisungsbescheid war daher zu beheben und hat die belangte Behörde eine inhaltliche Entscheidung über den vom Bf gestellten Antrag auf Zuerkennung bedarfsorientierter Mindestsicherung zu treffen.

 

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechts­frage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Drin. Andrea Panny