LVwG-700073/15/SR

Linz, 10.02.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des A T, vertreten durch Mag. P H, Rechtsanwalt in X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 27. Oktober 2014, GZ: Pol96-17-2014, wegen einer Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes, nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 28. Jänner 2015,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG iVm §§ 1 Abs. 1 und 10 Abs. 1 lit a des
Oö. Polizeistrafgesetzes 1979, LGBl. Nr. 36/1979,
wird der Beschwerde teilweise stattgegeben, die Geldstrafe mit 40 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit mit 15 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, festgesetzt.

 

II.       Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten. Der Kostenbeitrag zum Verfahren der belangten Behörde wird mit 10 Euro festgesetzt.

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4
B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.               

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 27. Oktober 2014, GZ: Pol96-17-2014, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) gemäß § 1 Abs. 2 iVm § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz 1979 eine Geldstrafe in der Höhe von 80 Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Stunden verhängt.

 

Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:

 

Sie haben am 15.12.2013 um ca. 05:20 Uhr in 4242 Hirschbach i.M., G auf dem Parkplatz des Lokals „C“ den öffentlichen Anstand verletzt, indem Sie vor mehreren Personen auf die Heckklappe eines Pkw´s uriniert haben. In der Folge haben Sie auch in Richtung der am Parkplatz stehenden Personen uriniert. Das Urinieren in der Öffentlichkeit stellt ein Verhalten dar, welches den allgemein anerkannten Grundsätzen der guten Sitten widerspricht.

 

In ihrer Begründung kam die belangte Behörde nach einem umfassenden Ermittlungsverfahren zum Ergebnis, dass der Vorgang des Urinierens auf die Heckklappe trotz der Dunkelheit für die Zeugen eindeutig zu erkennen gewesen wäre. Dies deshalb, da im Eingangsbereich des Lokales „C" zwei große Fluter befestigt seien, welche auch auf den Parkplatz strahlen würden.  

 

Da strafmildernde bzw. straferschwerende Umstände im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgekommen seien, hat die belangte Behörde die verhängte Strafe in Bezug auf den Strafrahmen als schuldangemessen angesehen.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 5. Dezember 2014:

 

3. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 legte die Bezirkshauptmannschaft Freistadt den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

4.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat für den 28. Jänner 2015 eine öffentliche Verhandlung anberaumt und hiezu die Verfahrensparteien und die Zeugen H L, S S und M M geladen.

 

4.2. Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2015 zog der Rechtsvertreter des Bf die in der öffentlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge (Ortsaugenschein, Einvernahme des Bf) zurück. Nach Ausführungen zum Beweisverfahren beantragte der Rechtsvertreter die Aufhebung der angefochtenen Straferkenntnisse.

 

4.3. Nach Kenntnis der Zurückziehung der Beweisanträge und der abschließenden Äußerung des Bf verzichtete auch die belangte Behörde auf die weitere Beweisaufnahme und beantrage die Abweisung der Beschwerden.

 

4.4. Auf Grund des Beweisverfahrens in der öffentlichen Verhandlung steht folgender relevanter Sachverhalt fest:

 

Der Bf hat am 15. Dezember 2013 um ca. 5:20 Uhr in 4242 Hirschbach i.M., G auf dem Parkplatz des Lokals „C“ vor den Zeugen H L, S S und M M und weiteren Personen auf die Heckklappe eines Pkw´s uriniert. Die Tathandlung wurde trotz der Dunkelheit vom genannten Personenkreis wahrgenommen, da der Parkplatz durch zwei Fluter, die im Eingangsbereich des Lokals montiert waren, ausreichend ausgeleuchtet ist.

 

Dass der Bf auch in Richtung der in der Nähe befindlichen Lokalbesucher uriniert hat, konnte nicht festgestellt werden.

 

II.             

 

Das Urinieren gegen den verfahrensgegenständlichen Pkw ist auf Grund der glaubwürdigen Zeugenaussagen als erwiesen anzusehen. Die Lichtverhältnisse waren für die Wahrnehmbarkeit der Tathandlung ausreichend, da sich die beiden Fahrzeuge höchstens in einer Entfernung von vier markierten Abstellplätzen entfernt befunden haben können. Auch wenn die Stellung der beiden Fahrzeuge (jenes der Zeugen und jenes, gegen das der Bf uriniert hat) auf den vorgelegten Luftbildern nicht übereinstimmend eingezeichnet worden sind, haben alle Zeugen ausgesagt, dass die Fahrzeuge auf dem Parkplatz vor dem beleuchteten Eingangsbereich abgestellt waren.

 

Unbestritten ist, dass sich außer den Zeugen auch noch weitere Personen, die zuvor das Lokal verlassen haben (Sperrstunde), im Nahebereich befunden haben und den Vorgang des Urinierens beobachten konnten. Dass sich der Bf beim Urinieren vor dem Heck des Fahrzeuges bewegt hat, ist glaubwürdig geschildert worden. Ein bewusstes Urinieren in Richtung der aus dem Lokal strömenden Personen lässt sich den Zeugenaussagen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ableiten.

 

III.            

 

1. Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. Polizeistrafgesetz 1979 begeht, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung, wer den öffentlichen Anstand verletzt.

 

Gemäß § 1 Abs. 2 Oö. Polizeistrafgesetz 1979 ist als Anstandsverletzung im Sinne des Abs. 1 jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz 1979 sind Verwaltungsübertretungen gemäß §§ 1 und 3 von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser, mit Geldstrafe bis 360 Euro zu bestrafen.

 

2.1. Strafbar im Sinn des § 1 Abs. 1 Oö. PolStG ist sohin ein Verhalten, das den Anstand verletzt und nicht durch eine andere Verwaltungsstrafnorm oder durch einen gerichtlichen Straftatbestand sanktioniert wird. Nach § 1 Abs. 2
Oö. PolStG ist unter Anstandsverletzung jenes Verhalten zu verstehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten bildet und zudem in der Öffentlichkeit gesetzt wird.

 

Für die Erfüllung des vollständigen objektiven Tatbestandes ist als weiteres Tatbestandsmerkmal die Folge der Verletzung des Anstandes (Erfolgsdelikt) erforderlich. Unter Erfolg im Sinne der Erfolgsdelikte ist der Eintritt einer von der Tathandlung zumindest gedanklich abtrennbaren Wirkung in der Außenwelt zu verstehen. Der Eintritt dieses Erfolges ist ein objektives Tatbestandsmerkmal der Verwaltungsübertretung. Der Erfolgseintritt muss eine kausale Folge des auch sonst tatbestandsmäßigen Verhaltens sein (Hansjörg Rangger, Oberösterreichisches Landespolizeirecht, ProLibris, 2009, S61, Rn. A9). 

 

Durch die Judikatur wurde das Verrichten der kleinen Notdurft (Urinieren) in der Öffentlichkeit ohne gerechtfertigten Grund als den Anstand grob verletzend qualifiziert.

 

2.2. Es ist nun unbestritten, dass das Urinieren auf dem Parkplatz in der Nähe des Lokalausganges als in der Öffentlichkeit anzusehen ist, zumal die Notdurftverrichtung des Bf von mehreren Zeugen und weiteren Personen, die das Lokal auf Grund der (nahenden) Sperrstunde verlassen haben, auch tatsächlich wahrgenommen werden konnte.

 

So hat der Verwaltungsgerichtshof bereits die Anwesenheit von zwei Zeugen als in jedem Fall ausreichend angesehen, da in einem solchen Fall bereits von unmittelbarer Wahrnehmung durch „mehrere Personen“ auszugehen ist.

 

Das Verrichten der Notdurft ist geeignet, dass sittliche Empfinden eines Durchschnittmenschen empfindlich zu verletzen. Die Verrichtung der Notdurft auf dem Parkplatz in Anwesenheit mehrerer Personen verletzt mithin jene Regeln, denen nach Auffassung gesitteter Menschen jedermann beim Heraustreten aus dem Privatleben in die Öffentlichkeit zu entsprechen hat. Das Tatverhalten des Bf ist somit als grober Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundprinzipien der guten Sitten zu qualifizieren.

 

Die objektive Tatseite ist sohin erfüllt.

 

2.3. Die Verwaltungsübertretung des § 1 Abs. 1 Oö. PolStG bildet ein Erfolgsdelikt, weshalb § 5 Abs. 1, 2. Satz VStG nicht anwendbar ist. Daraus folgt aber, dass die subjektive Tatseite der Tat dem Bf nachzuweisen ist, wobei fahrlässiges Verhalten genügt.

 

Nun ist festzuhalten, dass der Bf durchaus leicht hätte erkennen müssen, dass sein Verhalten einen verwaltungsstrafrechtlichen Erfolg herbeiführte. Er nahm die Folgen seines Handelns bewusst in Kauf; dies zeigt sich schon alleine daraus, dass er sich zur Notdurftverrichtung nicht in den nicht beleuchteten Teil des Wiesenparkplatzes begeben hat. Ungeachtet der Nähe zahlreicher Personen hat er seine Stellung beibehalten, trotz der ihm zuteilwerdenden Aufmerksamkeit sich nicht abgewandt, woraus sich durchaus dolus eventualis erschließen lässt.

 

Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Bf auch die subjektive Tatseite erfüllt.

 

3.1. Gemäß § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

 

Auch auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 Strafgesetzbuch sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen ebenso zu berücksichtigen.

 

3.2. Im Hinblick darauf, dass auf Grund des Beweisverfahrens auf eine absolute Unbescholtenheit des Bf geschlossen werden muss und ein Urinieren in Richtung der am Parkplatz verweilenden Personen nicht festgestellt werden konnte, waren die Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe spruchgemäß herabzusetzen.

 

Ein Absehen von der Strafe kam allein schon wegen des Verschuldens des Bf, aber auch mangels unbedeutender Folgen der Tat nicht in Betracht, da ja gerade der vom Gesetz unter Strafe gestellte Erfolg eingetreten war.

 

4.1. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben wird.

 

4.2. In diesem Sinn war dem Bf kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem LVwG aufzuerlegen. Der Kostenbeitrag für das Verfahren vor der belangten Behörde ist gesetzlich festgelegt.

 

IV.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei:

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Stierschneider