LVwG-650324/6/Bi

Linz, 23.02.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn M. O., S.straße, H., vertreten durch Herrn Mag. S. R., B.gasse, G., vom 30. Jänner 2015 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Eferding vom 31. Dezember 2014, VerkR21-137-2014/EF-Mg/Bv, wegen Entziehung der tschechischen Lenkberechtigung, zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der in Beschwerde gezogene Bescheid aufgehoben.  

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer (in Folge: Bf) gemäß § 3 Abs.2 und 24 FSG die ausländische Lenkberechtigung (Ausstellungsstaat: Tschechische Republik, Ausstellungsbehörde: Mag.hl.m. P., Ausstellungsdatum: 17.9.2009, SerienNr.EE …..) für die Klasse B, gerechnet ab Bescheidzustellung, entzogen und gemäß § 29 Abs.3 FSG die unverzügliche Ablieferung des ausländischen Führerscheins bei der belangten Behörde angeordnet. Gemäß § 13 Abs.2 VwGVG wurde einer ev. Beschwerde im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 2. Jänner 2015.

2. Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Die Durchführung einer (nicht beantragten) öffentlichen mündlichen Verhandlung erübrigte sich gemäß § 24 VwGVG.

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, ausgehend von der seinerzeitigen österreichischen Lenkberechtigung sei der Behörde dahingehend zu folgen, dass die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der angeordneten Maßnahmen ende und jedenfalls nach Ablauf einer Entziehungsdauer von 18 Monaten erlösche. Auf ihn bezogen bedeute das, dass, ausgehend von der FS-Abnahme am 29. November 2008, die österreichische Lenkberechtigung am 30. Mai 2010 erloschen sei, zumal er die mit Bescheid der BH Eferding vom 12. Dezember 2008 geforderten Maßnahmen nicht erfüllt habe.

Der Erwerb des tschechischen Führerscheins sei am 17. September 2009 erfolgt, also zu einem Zeitpunkt, an dem die österreichische Lenkberechtigung noch nicht erloschen gewesen sei. Die belangte Behörde entziehe nunmehr diese tschechische Lenkberechtigung zu einem Zeitpunkt, zu dem die österreichische Lenkberechtigung bereits erloschen sei. Das sei gesetzlich nicht gedeckt, daher rechtswidrig und gegen die Intentionen des Gesetzgebers. Diese Entziehung hätte längstens bis zum Erlöschen der österreichischen Lenkberechtigung ausgesprochen werden dürfen, da die Entziehungsdauer der tschechischen Lenkberechtigung nur für die verbleibende Dauer der aufrechten Entziehung der österreichischen Lenkberechtigung vorgesehen sei. Eine rückwirkende Entziehung einer ausländischen Lenkberechtigung lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen, was zudem verfassungsrechtlich bedenklich wäre. Die Entziehung der tschechischen Lenkberechtigung hätte nur bis zum Erlöschen der österreichischen am 30. Mai 2010 ausgesprochen werden dürfen. Beantragt wird die Aufhebung des Bescheides und Verfahrenseinstellung.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Aus dem vorgelegten Verfahrensakt geht hervor, dass dem Bf mit – in Rechtskraft erwachsenem – (Mandats)Bescheid der BH Eferding vom 12. Dezember 2008, VerkR21-260-2008/EF-Mg/Rei, die Lenkberechtigung für die Klasse B – Führerschein ausgestellt von der BH Eferding am 14. November 2003, VerkR20-992-2003/EF – für die Dauer von vier Monaten, gerechnet ab 29. November 2008, dh bis 29. März 2009, wegen Übertretung gemäß §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 entzogen und ihm für diesen Zeitraum das Recht aberkannt wurde, von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Weiters wurde gemäß § 24 Abs.3 FSG eine Nachschulung sowie die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens samt verkehrspsycho­logischer Stellungnahme auferlegt und darauf hingewiesen, dass die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnungen ende.

Die verkehrspsychologische Stellungnahme vom 16. Februar 2009 lautete auf „derzeit nicht geeignet“, das amtsärztliche Gutachten vom 26. Februar 2009 auf „nicht geeignet“ zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B. Die österreichische Lenkberechtigung war mit 30. Mai 2010 erloschen.

 

Am 14. September 2014 wies der Bf bei einer Verkehrskontrolle einen tschechischen Führerschein für die Klasse B vor, ausgestellt am 17. September 2009 von Mag. hl. m. P. zu Nr. EE…..

Laut ZMR war der Bf von 18. August 1976 bis 17. Mai 2013 mit Hauptwohnsitz in H., R.dorf, und ab 17. Mai 2013 in H., S.straße, gemeldet.

Nach Abklärung der Vertretungsbefugnis des vom Bf bevollmächtigten Vertreters erging der nunmehr in Beschwerde gezogene Bescheid, der damit begründet wurde, der Bf habe die Anordnungen nicht befolgt und keine Nachschulung absolviert, weshalb die Lenkberechtigung am 30. Mai 2010 erloschen sei. Beim Erwerb der tschechischen Lenkberechtigung am 17. September 2009 sei die österreichische Lenkberechtigung rechtkräftig wegen mangelnder Verkehrs­zuverlässigkeit entzogen gewesen und dürfe gemäß § 3 Abs.2 FSG keine Lenkberechtigung erteilt werden. Somit habe er auch zum Ausstellungszeitpunkt der tschechischen Lenkberechtigung keine Lenkberechtigung erwerben dürfen.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4)  nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind.  

Gemäß § 24 Abs.3 Z3 FSG hat die Behörde bei der Entziehung der Lenkberechtigung wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs.1 StVO 1960 eine Nachschulung anzuordnen. Bei einer Übertretung gemäß § 99 Abs.1 StVO ist unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß   § 8 sowie die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme anzuordnen. Wurde eine dieser Anordnungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt oder wurden die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde nicht beigebracht oder wurde die Mitarbeit bei Absolvierung der begleitenden Maßnahme unterlassen, so endet die Entziehungs­dauer nicht vor Befolgung der Anordnung.

Gemäß § 30 Abs.2 4. und 5. Satz FSG hat die Behörde (auch) die Entziehung der Lenkberechtigung eines anderen EWR-Staates anzuordnen, wenn eine Person mit Wohnsitz in Österreich eine solche Lenkberechtigung zu einem Zeitpunkt erlangt hat, zu dem in Österreich bereits die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen war. In diesem Fall ist die Lenkberechtigung bis zu jenem Zeitpunkt zu entziehen, zu dem die bereits angeordnete Entziehungsdauer endet.

 

Die Bestimmung des § 30 Abs.2 5. Satz FSG deckt, bezogen auf den Bf, eine Entziehung der tschechischen Lenkberechtigung im Zeitraum 29. November 2008 – über das Ende der Entziehungsdauer laut Bescheid am 29. März 2009 und darüber hinaus wegen Nichtbefolgung der Anordnung gemäß § 24 Abs.3 FSG – bis zum Erlöschen der österreichischen Lenkberechtigung am 30. Mai 2010.

Der Bf hat entgegen § 30 Abs.2 3. Satz FSG bereits am 17. September 2009, also nach Ablauf der primären Entziehungsdauer aber während der wegen Nichtbefolgung der Anordnung verlängerten Entziehungsdauer, in Tschechien eine EWR-Lenkberechtigung für die Klasse B erworben, für die nach Erlöschen der österreichischen Lenkberechtigung (30. Mai 2010) § 24 FSG keine Entziehungsgrundlage mehr bildete.

Die Wohnsitzfrage nach § 30 Abs.2 6. Satz FSG wurde von der belangten Behörde ausgeklammert und die mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid ausgesprochene Entziehung nicht darauf gestützt; lediglich die ZMR-Anfrage deutet darauf hin, dass das Vorliegen eines Wohnsitzes in Österreich  geprüft wurde – der Bf war während dieser Zeit durchgehend mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet.

 

Trotzdem ist davon auszugehen, dass der Bf seit 30. Mai 2010 rechtmäßig im Besitz einer in Tschechien nach den Bestimmungen der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein idF der Richtlinie 2013/47/EU der Kommission erteilten Lenkberechtigung für die Klasse B ist. Im Lichte der Rechtsprechung des EuGH (vgl Urteil vom 1. März 2012, C-467/10 (Akyüz), unter Hinweis auf die Urteile vom 19. Februar 2009, C-321/07 (Schwarz), vom 19. Mai 2011, C-184/10 (Grasser), vom 26. Juni 2008, C-329/06 und C-343/06 (Wiedemann und Funk), vom 9. März 1999, C-212/97 (Centros) und den Beschluss vom 9. Juli 2009, C-445/08 (Wierer)) hat die Anwendung des § 30 Abs.2 letzter Satz FSG infolge Vorrangs des Unionsrechts in denjenigen Fällen der Entziehung von Lenkberechtigungen eines EWR-Staates zu unterbleiben, in denen nicht aufgrund von unbestreitbaren, von Behörden des Ausstellermitgliedstaates herrührenden Informationen feststeht, dass die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes anlässlich der Erteilung der Lenkberechtigung im Ausstellermitgliedstaat nicht beachtet wurde (vgl VwGH 16.12.2014, Ra 2014/11/0084, samt E 27.5.2014, Ra 2014/11/0002).

Damit war spruchgemäß zu entscheiden.   

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger