LVwG-000086/2/WEI

Linz, 03.03.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde von G. L., geb. x, X, vertreten durch Dr. M. M., Rechtsanwalt, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 10. November 2014, Zl. SanRB96-19-2014, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 90 Abs 1 Z 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz – LMSVG (BGBl I. Nr. 13/2006, zuletzt geändert BGBl I Nr. 67/2014)

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG  wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II.       Der Beschwerdeführer hat weder einen Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde (§ 66 Abs 1 VStG) noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem OÖ. Landesverwaltungsgericht (§ 52 Abs 9 VwGVG) zu leisten. Auch die Verpflichtung zum Ersatz der Untersuchungskosten gemäß § 71 Abs 3 LMSVG entfällt.

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.


IV.  

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Urfahr-Umgebung wurde über den Beschwerdeführer (Bf) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 90 Abs 1 Z 1 LMSVG eine Geldstrafe in Höhe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 15 Stunden) verhängt und wie folgt abgesprochen:

 

„Straferkenntnis

 

Sie haben es als der gemäß § 9 Abs 2 VStG für die vorliegende Verwaltungsübertretung benannte Verantwortliche der Firma "H. F. GmbH" mit dem Sitz in x zu vertreten, dass das Produkt gekochtes Formfleisch und zwar 'Vorderschinken (Diskont geschnitten)" am 14 11 2013 um 12 09 Uhr in Verkehr war

Die Probe wurde im Expeditkühlraum für den Verkauf bereitgehalten

 

Die Kontrolle wurde am 14.11.2013 um 12:09 Uhr im Betrieb H. F. GmbH, X durch ein Aufsichtsorgan gemäß § 24 LMSVG durchgeführt und von der österreichischen Agentur für Gesundheit- und Ernährungssicherheit GmbH mit der Auftragsnummer x und dem Probenzeichen x untersucht.

 

Die in Verkehr gebrachte der Untersuchung zu Grunde gelegte Probe mit der Bezeichnung "gekochtes Formfleisch - Vorderschinken geschnitten)" ist genusstauglich, weist jedoch folgenden Mangel auf

 

"Schinken" ist gemäß Punkt B 5 1.2.2 des österreichischen Lebensmittelbuches, Codexkapitel B 14 eine Kochpökelware, die aus Teilen des Schweineschlögels hergestellt wird. Bei der vorliegenden Probe handelt es sich jedoch laut Bezeichnung um eine Kochpökelware von anderen Fleischteilen Die Beschaffenheit (zahlreiche Scheiben aus offensichtlich durcherhitzter, umgeröteter, brätartiger Masse mit eingearbeiteten Fleisch- Fett- und Bindegewebsteilen) entspricht nicht einem Schinken.

 

Die Bezeichnung "Schinken" ist auf ein derartiges Produkt nicht anwendbar und die Auslobung der Ware als "Schinken" nicht zulässig. Der Hinweis auf der Etikette "Nicht nach Österreichischen Codex", rechtfertigt nicht die Verwendung der Bezeichnung "Schinken".

 

Die vorliegende Probe wird somit mit einer zur Täuschung geeigneten Angabe über ihre Beschaffenheit und daher mit einer zur Irreführung geeigneten Angabe gemäß § 5 Abs. 2 Z 1 LMSVG in Verkehr gebracht.

 

Zum Zeitpunkt der Probenziehung wurde der Mangel nicht deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

 

§ 5 Abs. 2 Z. 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG), BGBl. Nr. 13/2006 i.d.g.F.

 

I.2. Begründend stellt die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensgangs und Hinweis auf eine der belangten Behörde vorliegende Bestellungsurkunde, wonach der Bf als Leiter der Qualitätssicherung mit Wirkung vom 1. Dezember 2000 zum verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs 2 VStG für die Fleischerzeugnisse der Firma H. bestellt worden sei, fest, dass im Ermittlungsverfahren keine neuen Tatsachen und Beweise hervorgekommen seien. Zur weiteren Begründung wird wie folgt ausgeführt:

 

„Die Behörde geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Anlässlich der von einem Aufsichtsorgan gemäß § 24 LMSVG durchgeführten Kontrollen gemäß § 35 LMSVG durchgeführten Kontrolle gemäß § 35 LMSVG am 14.11.2013 um 12:09 Uhr im Betrieb der Firma „H. F. GmbH" mit dem Sitz in x, würde die angeführte Probe gekochtes Formfleisch mit der Bezeichnung "Vorderschinken (Diskont geschnitten)" entnommen und von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Institut für Lebensmitteluntersuchung (AGES) untersucht (Probenzeichen x, Auftragsnummer x vom 17.02.2014).

 

Dabei wurde festgestellt, dass die Probe genusstauglich ist, insofern jedoch ein Mangel vorliegt, als es sich bei der vorliegenden Probe um eine Kochpökelware von anderen Fleischteilen handelt. Die Beschaffenheit entspricht aufgrund der umgeröteten, brätartigen Masse mit eingearbeiteten Fleisch-, Fett- und Bindegewebsteilen nicht einem Schinken.

Die Bezeichnung „Schinken" ist auf ein derartiges Produkt nicht anwendbar und die Auslobung der Ware als „Schinken" nicht zulässig.

Die Verwendung der Bezeichnung Schinken ist auch trotz Hinweis auf der Etikette „nicht nach österreichischem Kodex" nicht gerechtfertigt.

 

Darüber hat die Behörde wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 5 Abs. 2 Z. 1 LMSVG ist es verboten, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen oder zu bewerben. Zur Irreführung geeignete Angaben sind insbesondere zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaft des Lebensmittels, wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- und Gewinnungsart.

 

Wer Lebensmittel, die für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder mit irreführenden oder krankheitsbezogenen Angaben versehen sind, oder in irreführender oder krankheitsbezogener Aufmachung, in Verkehr bringt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, gemäß § 90 Abs. 1 Z. 1 LMSVG eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 20 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40 000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische

Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Nach § 9 Abs. 2 VStG sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

 

Aus der von der Firma H. F. GmbH vorgelegten Bestellungsurkunde geht eindeutig hervor, dass Sie als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellt wurden. Die Bestellung entspricht auch den inhaltlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 VStG -Zustimmung durch den Bestellten, Festlegung eines klar abgegrenzten Verantwortungsbereichs und eine entsprechende Anordnungsbefugnis. Somit wurde die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit rechtswirksam auf Sie als beauftragten sonstigen Verantwortlichen übertragen. Sie haben die Ihnen vorgeworfene Verwaltungsübertretung somit in subjektiver Weise zu verantworten.

 

Beim Produkt "X" handelt es sich unbestritten um ein Lebensmittel, das unter den Geltungsbereich des LMSVG fällt (§ 3 Z 1 LMSVG i.V.m. Art. 2 VO (EG) 178/2002, ABI 2002 L 31/1 idF ABI 2009 L 188/14: "alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.").

 

Irreführend ist eine Angabe im Sinne des § 5 Abs 2 LMSVG, wenn die Vorstellungen der angesprochenen Verkehrskreise über ihre Bedeutung mit den wahren Verhältnissen nicht im Einklang stehen (Blass et al, LMSVG § 5 Rz 10).

 

Zur Irreführung geeignet ist eine Angabe jedenfalls schon dann, wenn sie nach ihrem Gesamteindruck bei flüchtiger Betrachtung durch einen Kunden mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit einen irrigen Eindruck erwecken kann. Nicht erheblich ist, ob im Einzelfall tatsächlich eine Irreführung bewirkt wurde.

 

"Schinken" ist gemäß Punkt B.5.1.2.2. des Österreichischen Lebensmittelbuches, Codexkapitel B 14 eine Kochpökelware, die aus Teilen des Schweineschlögels hergestellt wird. Bei der vorliegenden Probe handelt es sich jedoch laut Bezeichnung um eine Kochpökelware von anderen Fleischteilen. Die Beschaffenheit (zahlreiche Scheiben aus offensichtlich durcherhitzter, umgeröteter, brätartiger Masse mit eingearbeiteten Fleisch-, Fett- und Bindegewebsteilen) entspricht nicht einem Schinken und es ist die Bezeichnung „Schinken" auf ein derartiges Produkt nicht anwendbar und die Auslobung der Ware als „Schinken" nicht zulässig.

 

 

Die vorliegende Probe weist daher eine zur Täuschung geeignete Angabe und somit eine zur Irreführung geeignete Angabe nach § 5 Abs. 1 Z. 2 LMSVG auf.

 

Die Proben befanden sich durch das Bereithalten im Expeditkühlraum in der angeführten Betriebsstätte in Verkehr.

 

Der Hinweis am Etikett "Nicht nach Kodex hergestellt - für die Weiterverarbeitung bestimmt" stellt nicht ausreichend sicher, dass die Ware in ihrer den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangt.

 

Beim Österreichischen Lebensmittelbuch (ÖLB) handelt es sich zwar nicht um eine generell­abstrakte, allgemein verbindliche Rechtsvorschrift, es hat aber den Charakter eines objektivierten Sachverständigengutachtens, kann als Indiz dafür herangezogen werden, ob die Angaben am Etikett eines Lebensmittels zur Irreführung nach § 5 Abs. 2 LMSVG geeignet sind.

 

Ihren Rechtfertigungsangaben hinsichtlich des am angebrachten Etikett ersichtlichen Hinweises "nicht nach Kodex hergestellt - für die Weiterverarbeitung bestimmt" kann nicht gefolgt werden.

Sie haben als Verantwortlicher für die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich des Lebensmittel rechtes für die bei der Firma H., X, hergestellten Fleischwaren und Fleischerzeugnisse dafür Sorge zu tragen, dass die Ware in ihrer den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangt. Ihre Rechtfertigung vermag die Strafbarkeit der im Spruch angeführten Übertretung daher nicht aufzuheben.

 

Der maßgebliche Sachverhalt ist durch die lebensmittelpolizeiliche Kontrolle des Lebensmittelaufsichtsorgans des Landes Oberösterreich sowie die Gutachten der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, zweifelsfrei erwiesen und Sie haben den Tatbestand der Ihnen angelasteten Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Z. 1 LMSVG in objektiver Hinsicht erfüllt.

 

Das LMSVG sieht keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens vor, weshalb § 5 Abs 1 1. Satz VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt.

 

Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes gemäß § 5 Abs 1 2. Satz VStG dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

Bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung nach dem LMSVG handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs. 1 2. Satz VStG. Da von Ihnen im Zuge des Verfahrens keine Gründe genannt werden konnten, die Sie von der Ihnen vorgeworfenen Übertretung entlasten hätten können, ist von Fahrlässigkeit auszugehen.

 

Die Ihnen angelastete Verwaltungsübertretung ist in objektiver wie in subjektiver Hinsicht eindeutig erwiesen.“

 

Die weiteren Ausführungen befassen sich mit der Strafbemessung und dem Kostenersatz.

 

 

II. Gegen dieses dem Bf zu Händen seines Rechtsvertreters am 11. Oktober 2014 zugestellte Straferkenntnis wendet sich die am 9. Dezember 2014 rechtzeitig bei der Strafbehörde eingelangte Beschwerde vom 4. Dezember 2014, mit der in der Hauptsache die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

 

Die Beschwerde lautet:

 

„Der Beschwerdeführer erhebt gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 10.11.2014, zugestellt am 11.10.2014, GZ: SanRB96-19-2014, fristgerecht

 

 

 

 

BESCHWERDE:

 

Das Straferkenntnis wird zur Gänze angefochten.

 

1.   Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, er hätte es als benannter Verantwortlicher der Firma H. F. GmbH zu verantworten, dass eine Probe mit einer zur Irreführung geeigneten Angabe gemäß § 5 Abs 2 Z 1 LMSVG in Verkehr gebracht wurde.

 

Dies ist gänzlich unzutreffend.

 

2. Die beanstandete Probe weist die Bezeichnung "gekochtes Formfleisch - Vorderschinken geschnitten" auf.

 

Die belangte Behörde beanstandet das "Schinken" nicht dem Österreichischen Lebensmittelbuch entsprechen würde.

 

Dazu ist Folgendes auszuführen:

 

Nach ständiger veröffentlichter Judikatur ist die Rechtsnatur des ÖLMB ein "objektiviertes Sachverständigengutachten".

 

Als objektiviertes Sachverständigengutachten kann das ÖLMB keine zwingenden Anordnungen pressen (vgl. Kommentar LMR S 76 RZ 3f).

 

Es mag zutreffen, dass nach der Empfehlung des Österreichischen Lebensmittelbuch die "beanstandete Ware" nicht als gekochtes Formfleisch Vorderschinken zu bezeichnen wäre.

 

Es wird hier aber auf das Deutsche Lebensmittelbuch verwiesen.

 

Die Definition von Schinken in den Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnissen lautet:  "Formfleischerzeugnisse werden aus Fleischstücken nach mechanischer Vorbehandlung zur Freisetzung von Muskeleiweiß an den Oberflächen unter gleichzeitiger Auflockerung der Struktur (z. B. Poltern oder Tumbeln) auch unter Verwendung von Kochsalz oder Nitritpökelsalz hergestellt. (...)" Zur Vermeidung einer Verwechselung von Formfleischerzeugnissen mit vergleichbaren Erzeugnissen aus gewachsenem Fleisch wird in der Verkehrsbezeichnung das Wort "Formfleisch-" vorangestellt und außerdem in unmittelbarer Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung und in gleicher Schriftgröße darauf hingewiesen, dass Fleischstücke zusammengesetzt sind (z. B. Formfleisch-Schinken, aus Schinkenstücken zusammengefügt (...)".

 

Daraus ergibt sich, dass die Beanstandung der belangten Behörde das "Formfleisch" ohne Zusatzstoffe hergestellt wird und insbesondere nicht gepökelt (unter Verwendung von Natrium Nitrit) hergestellt wird ins Leere geht, da eben Formfleischerzeugnisse genauso definiert werden.

 

Weiters wird auf die Definition von Schinken in den Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnissen hingewiesen: Punkt 2.341.2. Schinken aus der Vorderextremität wird als Vorderschinken (Schulterschinken) bezeichnet.

 

Nach der Auffassung des VfGH widerspricht es dem innerstaatlichen Gleichheitsgrundsatz (Artikel 7 GVG) wenn Österreichische Staatsbürger gegenüber Ausländern ohne sachlichen Grund benachteiligt werden.

 

In Anbetracht der Warenverkehrsfreiheit wären Deutsche Erzeuger berechtigt ihre Wursterzeugnisse entsprechend dem deutschen Kodex bezeichnet in Österreich zu verkaufen. Dies wird auch tatsächlich vorgenommen.

 

Eine "Inländerdiskriminierung" ist nur gerechtfertigt, wenn diese erforderlich ist um beispielsweise Leib und Leben oder die Gesundheit zu schützen.

 

Dies ist hier nicht der Fall. Das beanstandende Produkt stellt keine Leibgefahr für den Verbraucher dar. Die belangte Behörde hätte daher bei gesetzeskonformer (fassungskonformer) Auslegung der LMKV die Bezeichnungen nicht beanstanden dürfen.

 

Verwiesen wird insbesondere auf den Leitsatz zur Rechtssache C-12/00, wo der Gerichtshof (Sechste Kammer) festgestellt hat, dass ein Mitgliedstaat der es beispielsweise verbietet Kakao- und Schokoladeerzeugnisse, denen andere pflanzliche Fette als Kakaobutter zugesetzt wurden und die in den Mitgliedstaaten, in denen der Zusatz dieser Stoffe zulässig ist, rechtmäßig hergestellt werden, in seinem Hoheitsgebiet unter der Bezeichnung Schokolade "in den Verkehr zu bringen", unter der sie im Herstellungsmitgliedstaat in den Verkehr gebracht werden, verstößt gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 30 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 28 EG).

 

Es wäre europarechtswidrig es Händlern aus anderen Staaten zu verbieten "Formfleisch Vorderschinken'' in Österreich in Verkehr zu bringen. Wenn es Österreichischen Unternehmen verboten wird Vorderschinken in Österreich zu verkaufen, handelt es sich um einen klassischen Anwendungsfall der Inländerdiskriminierung.

 

Eine solche Regelung kann nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass sie notwendig wäre, um zwingenden Erfordernissen u. a. des Verbraucherschutzes gerecht zu werden.

 

"Der Zusatz von anderen pflanzlichen Fetten als Kakaobutter zu Kakao- und Schokoladeerzeugnissen ändert deren Zusammensetzung oder Charakter nämlich nicht wesentlich, sodass sie die Eigenschaften behalten, die die Verbraucher erwarten, wenn sie als Schokolade bezeichnete Erzeugnisse kaufen."

 

3. Darüber hinaus hat die beanstandete Ware ein Etikett mit der Aufschrift "nicht nach österreichischem Kodex hergestellt". Irreführend ist eine Angabe nur dann, wenn die Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise über ihre Bedeutung mit den wahren Verhältnissen nicht im Einklang stehen. Bei der Prüfung der Irreführungseignung kommt es lediglich auf die angesprochenen Verkehrskreise an. Beim gegenständlichen Produkt handelt es sich um ein Produkt das ausschließlich an einen Fachkreis geliefert wird. Hinsichtlich der Frage der Irreführung ist daher nicht auf einen allfälligen Konsumenten, sondern auf jenen den durchschnittlichen Vertreters aus dem Bereich der weiterverarbeitenden Lebensmittelindustrie/Gastronomiebetrieb, also eines Einkäufers der Lebensmittelindustrie abzustellen.

 

In diesen Kreisen müssen die lebensmittelrechtlichen Bestimmungen bekannt sein. Die Etikettierung besitzt keine Irreführungseignung. Dem relevanten Verkehrskreis kann durchaus zugemutet werden, durch die Etikettierung festzustellen, dass das Produkt nicht nach dem Kodex hergestellt wurde.

 

4. Darüber hinaus hat die H. F. GmbH durch die Lagerung von Waren diese nicht in Verkehr gebracht.

...“

 

Abschließend beantragt der Bf der Beschwerde Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen, hilfsweise die Zurückverweisung an die belangte Behörde zur neuerlichen Entscheidung.

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den gegenständlichen Verfahrensakt der belangten Behörde, aus dem bereits abzuleiten ist, dass das gegenständliche Straferkenntnis aus rechtlichen Gründen zu beheben ist, weshalb gemäß § 44 Abs 2 VwGVG auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werden konnte.

 

Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche  S a c h v e r h a l t :

 

III.1. Anlässlich einer lebensmittelpolizeilichen Überprüfung am 14. November 2013 um 12.09 Uhr entnahm ein Aufsichtsorgan gemäß § 24 LMSVG im Expeditkühlraum der H. F. GmbH, X, , eine amtliche Probe von 2 Packungen des Produkts „Gek. Formfleisch – Vorderschinken geschnitten“ (Original in Blockschrift), die zur U Zahl x (Auftragsnummer) erfasst und von der AGES, Institut für Lebensmittelsicherheit Wien, x, untersucht wurde, worüber das amtliche Untersuchungszeugnis vom 17. Februar 2014 erging. Der Prüfbericht ergab eine genusstaugliche Probe. Das dazugehörige Gutachten der AGES enthält eine Beanstandung und lautet wie folgt:

 

„Die vorliegende Probe mit der Bezeichnung "Gek. Formfleisch - Vorderschinken geschnitten" ist genusstauglich. Es liegt jedoch folgender Mangel vor:

 

"Schinken" ist gemäß Punkt B.5.1.2.2 des Österreichischen Lebensmittelbuches, Codexkapitel B 14 eine Kochpökelware, die aus Teilen des Schweineschlögels hergestellt wird. Bei der vorliegenden Probe handelt es sich jedoch laut Bezeichnung um eine Kochpökelware von anderen Fleischteilen. Die Beschaffenheit (zahlreiche Scheiben aus offensichtlich durcherhitzter, umgeröteter, brätartiger Masse mit eingearbeiteten Fleisch- Fett- und Bindegewebsteilen) entspricht ebenfalls nicht einem Schinken. Die Bezeichnung "Schinken" ist auf ein derartiges Produkt nicht anwendbar und die Auslobung der Ware als "Schinken" nicht zulässig. Der Hinweis auf der Etikette "Nicht nach Österreichischen Codex", rechtfertigt nicht die Verwendung der Bezeichnung "Schinken".

 

Die vorliegende Probe wird somit mit einer zur Täuschung geeigneten Angabe über ihre Beschaffenheit und daher mit einer zur Irreführung geeigneten Angabe gemäß § 5 Abs. 2 Z 1 LMSVG in Verkehr gebracht.“

 

Der Beschwerdeführer wurde mit 1. Dezember 2000 zum verantwortlichen Beauftragten für die H. F. GmbH bestellt und hat dieser Bestellung zugestimmt.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorliegenden Verfahrensakt in Verbindung mit der Beschwerde, die zwar die von der AGES und der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung der gewählten Sachbezeichnung als irreführende Angabe, nicht jedoch die tatsächlichen Grundlagen bestreitet. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer als verantwortlicher Beauftragter fungiert, ist amtsbekannt.

 

III.2. Die relevanten Fachinformationen (Richtlinien, Leitsätze) betreffend Sachbezeichnungen und Begriffsbestimmungen, Untersuchungsmethoden und Beurteilungsgrundsätze sowie Richtlinien für das Herstellen und Inverkehrbringen von Lebensmitteln finden sich in dem vom Bundesminister für Gesundheit gemäß § 76 LMSVG herausgegebenem Österreichischen Lebensmittelbuch (Codex Alimentarius Austriacus), das in elektronischer Form veröffentlicht wurde.

 

Im gegebenen Zusammenhang sind aus dem elektronisch veröffentlichten Österreichischen Lebensmittelbuch (ÖLMB), IV Auflage, Codexkapitel/B 14/Fleisch und Fleischerzeugnisse (vgl Stand BMG-75210/0026-II/B/13/2014 vom 24.7.2014; aufrufbar online unter www.lebensmittelbuch.at) folgende einschlägige Bestimmungen anzuführen:

 

„[...]

 

„B.5 Pökelwaren

 

Bezüglich des Begriffes "Pökeln" siehe C.3.4.

Je nach dem angewendeten Verfahren wird zwischen Kochpökelwaren und Rohpökelwaren unterschieden.

 

B.5.1 Kochpökelwaren

B.5.1.1 Beschreibung

Kochpökelwaren sind spritzgepökelte oder nassgepökelte Fleischstücke, die entweder nach der Pökelung (Surfleisch) oder nach einer darauf folgenden Heißräucherung, oder nach feuchter Erhitzung oder nach trockener Erhitzung an Verbraucher abgegeben werden. Bei Surfleisch nimmt der Verbraucher die Durcherhitzung der Pökelwaren im Zuge der Zubereitung vor.

 

B.5.1.2 Kochpökelwaren vom Schwein

B.5.1.2.1 Kochpökelwaren roh

Surfleisch: Schlögel, Schulter, Schopf, Karree, Stelze, Bauch, Zunge.

 

B.5.1.2.2 Kochpökelwaren vom Schlögel

Beinschinken mit Knochen: wie gewachsen, kann auch als Original Beinschinken bezeichnet

werden.

Schinken aus großen, gewachsenen Teilen vom Schlögel, die in Formen, Hüllen oder

Netzen gefüllt bzw. gelegt wurden.

z.B. Beinschinken (ohne Knochen), Pressschinken mit hervorhebender Bezeichnung

und dgl.

Schinken aus kleineren Fleischstücken vom Schlögel.

z.B. Toastschinken, Pressschinken ohne weitere Bezeichnung, Pizzaschinken und dgl.

 

B.5.1.2.3. Kochpökelwaren von anderen Teilstücken

Kochpökelwaren, wie gewachsen: bestehen aus einem gewachsenen Teilstück, z.B. Teilsames, Geselchtes, Selchkarree, Selchbauch, Selchschopf, Selchroller, Rollkarree, Rollschopf, Rollschulter, Kaiserfleisch, Frühstücksspeck, Kümmelbraten (aus Bauchfleisch).

Teilsames, Geselchtes, Selchkarree, Selchbauch, Selchschopf, Selchroller, Rollkarree, Rollschopf, Rollschulter, Kaiserfleisch können auch in heiß geräuchertem, aber nicht durcherhitztem Zustand angeboten werden, wobei sie vom Verbraucher verzehrsfertig gemacht werden.

Kümmelbraten und andere als „…braten“ bezeichnete Erzeugnisse können auch ohne Pökelung in Verkehr gebracht werden.

 

Sonstige Kochpökelwaren

z.B. Toastblock (wird aus mageren Schweinefleischteilen zusammengesetzt).

 

Für Kochpökelwaren aus Fleisch vom Wildschwein gelten die voranstehenden Richtlinien

sinngemäß.

 

B.5.1.3. Kochpökelwaren aus Rindfleisch oder Fleisch von anderen Wiederkäuern

B.5.1.3.1 Kochpökelwaren aus Rindfleisch

Der Ausdruck Schinken darf bei Pökelwaren aus Rindfleisch nur für jene Produkte

verwendet werden, die ausschließlich aus Teilen des Knöpfels bestehen.

Für Pastrami werden ausschließlich Teile der Rinderbrust verwendet.

 

Für Kochpökelwaren aus Fleisch von anderen Wiederkäuern gelten die voranstehenden

Richtlinien sinngemäß.

...“

 

„A.5 Formfleisch

 

A.5.1 Beschaffenheit

 

Formfleisch ist eine Fleischzubereitung, die aus geschnittenem Muskelfleisch hergestellt ist. Bei Geflügelfleisch kann der natürliche Anteil an Haut mitverarbeitet werden. Die etwa walnussgroßen - bei Geflügel haselnussgroßen - Fleischstücke werden in einem Arbeitsgang mit Kochsalz versetzt, allenfalls gewürzt, dann mechanisch bearbeitet (gemengt, getumbelt) und unter Anwendung von Druck in Formen zu "Formfleisch" zusammengefügt. Zusatzstoffe werden nicht verwendet. Das Formfleisch wird unmittelbar nach dem Formen oder nach dem danach durchgeführten Panieren tiefgekühlt oder durcherhitzt. Dem Formfleisch wird Faschiertes, Brät, Separatorenfleisch nicht zugesetzt.

 

[...]

 

A.5.2 Zusammensetzung

 

Formfleisch wird aus sehnenarmem, magerem Rindfleisch I, Kalbfleisch oder Schweinefleisch I gem. B.2.2 hergestellt.

Vom Geflügel wird Brust- und/oder Keulenfleisch verwendet.

Panadeanteil siehe B.7.3.

Grenzwerte siehe Abschnitt G.

 

A.5.3 Bezeichnung

 

Die Deklaration von solchen Produkten enthält in der Zutatenliste folgende zusätzliche Angabe: „aus kleinen Fleischstücken zusammengesetzt“ oder sinngemäß.

 

Formfleischprodukte und -zubereitungen werden nicht als "Schnitzel", "Schnitte", "Steak" oder "Stück" bezeichnet und dürfen nicht hervorhebend bezeichnet werden (z.B. als "Cordon bleu"). Zum Unterschied davon kann unter der Voraussetzung der Deklaration Geflügel-Cordon bleu mit der Sachbezeichnung: "Formfleisch- Geflügel- (Puten-, Hühner) Cordon bleu, aus kleinen Fleischstücken zusammengesetzt" als Formfleisch in Verkehr gebracht werden.

 

[...]“

 

III.3. Das fachlich und von seiner Bedeutung mit dem ÖLMB (objektiviertes Sachverständigengutachten) vergleichbare Deutsche Lebensmittelbuch (DLMB) besteht aus einer Sammlung von Leitsätzen zur Herstellung, Beschaffenheit oder zu sonstigen Merkmalen von Lebensmitteln, die für die Verkehrsfähigkeit von Lebensmitteln von Bedeutung sind. Es wird von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission erarbeitet und vom deutschen Bundesministerium für Ernährung und Wirtschaft im Internet veröffentlicht (aufrufbar unter www.bmel.de/DE/Ernaehrung/Kennzeichnung/Lebensmittelbuch/Deutsches Lebensmittelbuch.html).

 

Da sich die Beschwerde zur gewählten Sachbezeichnung auf Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs beruft, werden einschlägige Bestimmungen aus den „Leitsätze für Fleisch- und Fleischerzeugnisse“ (Stand 2010) im Folgenden auszugsweise dargestellt:

 

Unter Abschnitt „II. Besondere Beurteilungsmerkmale für einzelne Erzeugnisse“ wird ausgeführt:

 

...

2.3 Gegarte Pökelfleischerzeugnisse

 

2.30 „Gekochtes Pökelfleisch" („Kochpökelwaren", „Gekochte Pökelfleischwaren") sind umgerötete und gegarte, meist geräucherte Fleischerzeugnisse, denen kein Brät (2.22, Abs. 2) zugesetzt ist, soweit dieses nicht zur Bindung großer Fleischteile dient (z. B. bei „Kaiserfleisch", 2.342.4).

 

2.31 Bei Bezeichnungen ohne Hinweis auf die Tierart (Schinken, Geräuchertes, gegart, Geselchtes, gegart, Schwarzgeräuchertes, Pökelfleisch, gegart, Gekochtes Surfleisch, Pökelbraten usw.) handelt es sich - soweit in den Leitsätzen nichts Gegenteiliges angegeben ist - um Teile von Schweinen; im übrigen wird auf die Tierart hingewiesen (Gekochter Rinderschinken, Gekochtes Rinderpökelfleisch, Gekochter Kalbsschinken, Gekochte Kalbskarbonade usw.). Gekochtes Rauchfleisch wird entweder aus Schweinefleisch oder aus sehnenarmem Rindfleisch hergestellt.

 

2.321 ...

 

2.322 ...

 

2.33 ...

 

2.341 Die Bezeichnung Schinken wird auch in Wortverbindungen nur für Kochpökelwaren von gehobener Qualität verwendet. Schinken, der nicht zerlegt worden ist, enthält in den von Schwarten und etwa vorhandenen Gallertanteilen sowie aufliegendem Fettgewebe befreiten Anteilen mindestens 85 % BEFFE (1.72) im Fleischeiweiß16),17).

 

2.341.1 Bei Bezeichnungen ohne Hinweis auf einen Tierkörperteil handelt es sich -soweit in den Leitsätzen nichts Gegenteiliges angegeben ist - um Teile der Hinterextremität (Hinterschinken, Schlegel, Keule).

 

2.341.2 Schinken aus der Vorderextremität wird als Vorderschinken (Schulterschinken) bezeichnet.

 

2.341.3 ...

 

2.341.4 Bei Kochpökelwaren, die in der Bezeichnung das Wort Schinken enthalten, wird auf das Vorliegen von Knochen hingewiesen (z. B. Beinschinken, Prager Schinken mit Knochen). Nußschinken, gegart am Stück schließt die Kniescheibe ein.

 

2.341.5 Sind etwaige Speck- und Schwartenanteile (1.212, 1.312) nicht sichtbar, z. B. bei Dosenschinken, so betragen diese zusammen weniger als 20 % des Gesamtgewichts.

 

2.341.6 Muskeln und Muskelgruppen, die aus dem Zusammenhang gelöst worden sind und auch isoliert als Schinken verkehrsfähig wären, können ohne besonderen Hinweis zu größeren Schinken zusammengefügt sein.

 

Erzeugnisse, die ganz oder teilweise aus kleineren als den in Absatz 1 genannten Muskelstücken oder Formfleisch hergestellt sind (2.19), werden in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung ausreichend kenntlich gemacht (z. B. Formfleisch-Schinken, aus Schinkenteilen zusammengefügt).

 

Die in Absatz 1 und Absatz 2 beschriebenen Erzeugnisse enthalten mindestens 90 % BEFFE (1.72) im Fleischeiweiß.

 

2.342.1 ...

...“

 

Im Abschnitt „I. Allgemeine Begriffsbestimmungen und Beurteilungsmerkmale“ findet sich ergänzend folgende Begriffsbestimmung:

 

2.19 Formfleischerzeugnisse werden aus Fleischstücken nach mechanischer Vorbehandlung zur Freisetzung von Muskeleiweiß an den Oberflächen unter gleichzeitiger Auflockerung der Struktur (z. B. Poltern oder Tumbeln) auch unter Verwendung von Kochsalz oder Nitritpökelsalz hergestellt. Sie werden zu einer größeren Einheit (Stückware) zusammengefugt; sie behalten durch Hitze- oder Gefrierbehandlung ihre neue Form. Der Gewebeverband der verwendeten Fleischstücke bleibt im wesentlichen erhalten. Formfleischerzeugnisse weisen unbeschadet des bei der Herstellung eventuell erforderlichen Salzgehaltes die gleiche Zusammensetzung auf wie Erzeugnisse aus gewachsenem Fleisch, denen sie nachgebildet sind. Der bei der Herstellung auftretende Muskelabrieb (aus freigesetztem Muskeleiweiß entstehende brätähnliche Substanz) übersteigt, soweit in den Leitsätzen nichts anderes angegeben wird, nicht den Wert von 5 Vol.-% (bei Geflügelfleischerzeugnissen von 10 Vol.-%) im verzehrsfertigen zu­sammengefügten Fleischanteil. Bei der Herstellung wird kein gewolftes, gekuttertes oder in ähnlicher Weise zerkleinertes Fleisch verwendet.

 

Zur Vermeidung einer Verwechslung von Formfleischerzeugnissen mit vergleichbaren Erzeugnissen aus gewachsenem Fleisch wird in der Ver­kehrsbezeichnung das Wort „Formfleisch-“ vorangestellt und außerdem in unmittelbarer Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung und in gleicher Schriftgröße darauf hingewiesen, daß Fleischstücke zusammengesetzt sind (z. B. Formfleisch-Schinken, aus Schinkenstücken zusammengefügt, Formfleisch-Roulade, aus Fleischstücken zusammengefügt, Formfleisch-Gulasch, aus Fleischstücken zusammengefügt9).

 

2.2 ...“

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

IV.1.Gemäß § 90 Abs 1 Z 1 LMSVG idF BGBl I Nr. 171/2013 begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu 50.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 100.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen,

 

wer Lebensmittel, die für den menschlichen Verkehr ungeeignet oder mit irreführenden oder krankheitsbezogenen Angaben versehen sind, oder in irreführender oder krankheitsbezogener Aufmachung in Verkehr bringt.

 

Bei vorsätzlichen Verstößen gegen Z 1 und 2, die in Kenntnis der Rechtwidrigkeit des Handelns begangen werden, ist, sofern die Folgen der Übertretung nicht unbedeutend sind, eine Geldstrafe in der Höhe von zumindest 700 Euro, bei Wiederholung von 4000 Euro festzusetzen. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist bis zu sechs Wochen festzusetzen.

 

IV.2. Was unter Inverkehrbringen zu verstehen ist, ergibt sich aus der Begriffsbestimmung nach § 3 Z 9 LMSVG, die zunächst grundsätzlich auf den Art 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 verweist.

 

Nach dem Art 3 Z 8 der EG-BasisVO, das ist die Verordnung (EG) 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 (ABl 2020 L 31 idF ABl 2003 L 245 und ABl 2006 L 100), bezeichnet der Ausdruck "Inverkehrbringen" das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jede andere Form der Weitergabe, gleichgültig ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst.

 

Im Absatz 2 des § 3 Z 9 LMSVG wird davon abweichend bei ursprünglich auf Grund des LMG 1975 erlassenen Verordnungen (wie im früher geltenden § 1 Abs 2 LMG 1975) angeordnet, dass als "Inverkehrbringen" auch das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht, zu verstehen ist. Bei Beurteilung einer Ware ist jedoch auch zu berücksichtigen, ob sich ihre etwaige den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechende Beschaffenheit bloß aus der Besonderheit jener Phase des Inverkehrbringens ergibt, aus der sie stammt. Ein "Inverkehrbringen" liegt nicht vor, wenn sichergestellt ist, dass die Ware in ihrer den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangt. Die Befugnisse der Aufsichtsorgane gemäß §§ 35, 39 und 41 LMSVG bleiben davon unberührt.

 

Das LMSVG kennt demnach zwei teilweise verschiedene Begriffe des "Inverkehrbringens", wobei grundsätzlich der engere Begriff nach der EG-BasisVO anzuwenden ist. Für die auf Grund des Lebensmittelgesetzes 1975 erlassenen Verordnungen (zu deren Weitergeltung vgl § 98 Abs 1 LMSVG) gilt der alte Begriff des § 1 Abs 2 LMG 1975 weiter (vgl Blass ua, LMR3 § 3 LMSVG Rz 35).

 

Das Inverkehrbringen der beanstandeten Ware durch Lagerung im gegenständlichen Lebensmittelunternehmen wird in der Beschwerde pauschal und zu Unrecht bestritten. Selbst das Bereithalten für jede andere Form der Weitergabe als den Verkauf im eigentlichen Sinn fiele unter den Begriff des Inverkehrbringens (VwGH 26.09.2011, Zl. 2007/10/0204). Die belangte Behörde hat zum Ausdruck gebracht, dass die Probe im Expeditkühlraum für den Verkauf bereitgehalten wurde. Damit wurde dem Bf in ausreichender Weise ein Inverkehrbringen der Ware im Lebensmittelunternehmen, für das er verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist, angelastet. Das Bereithalten im Warenausgang, das die Weitergabe an Erwerber (seien es auch andere Unternehmer) oder Transporteure bezweckt, erfüllt jedenfalls die Voraussetzungen des § 3 Z9 LMSVG.

 

IV.3. § 5 LMSVG regelt allgemeine Anforderungen beim Inverkehrbringen von Lebensmittel.

 

Nach § 5 Abs 2 LMSVG ist es verboten, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen oder zu bewerben. Zur Irreführung geeignete Angaben sind insbesondere

 

1. zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften des Lebensmittels, wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart;

2. Angaben von Wirkungen oder Eigenschaften, die das Lebensmittel nicht besitzt;

3. Angaben, durch die zu verstehen gegeben wird, dass das Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften besitzen.

 

Zum Merkmal der irreführenden Angaben im Straftatbestand des § 90 Abs 1 Z 1 LMSVG ergibt sich im Zusammenhang mit § 5 Abs 2 Z 1 LMSVG, dass insbesondere zur Irreführung geeignete Angaben gemeint sind, die dort als „zur Täuschung geeignete Angaben“ über die aufgezählten wesentlichen Eigenschaften eines Lebensmittels bezeichnet werden.

 

Zur Irreführung geeignete Angaben über Lebensmittel sind solche, bei denen die Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise über ihre Bedeutung mit den wahren Verhältnissen nicht im Einklang steht. Nicht nur unrichtige Angaben, sondern auch an sich richtige Behauptungen können im Zusammenhang mit täuschender Aufmachung, dem Verschweigen wesentlicher Umstände oder mehrdeutigen Wendungen einen bedenklichen Gesamteindruck hinterlassen, der von einem nicht unerheblichen Teil der Adressaten zu falschen Vorstellungen über Eigenschaften des Lebensmittels führen kann (vgl bspw VwGH 20.09.2012; Zl. 2011/10/0128: „Lebensmittelzubereitung“ als unzureichende Beschreibung für „Analogkäse“; VwGH 9.11.1992, Zl. 91/10/0105: Schweinskarree ohne Knochen als „Filet-Ersatz“; Blass ua, LMR³ § 5 LMSVG Rz 10).

 

Bei der Beurteilung der Irreführungs- bzw Täuschungseignung einer Angabe in der Deklaration von Lebensmitteln kommt es nach der in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs auf die mutmaßliche (wahrscheinliche) Auffassung bzw Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers an (vgl mit Hinweisen auf EuGH-Judikatur VwGH 22.11.2006, Zl. 2003/10/0042; VwGH 20.09.2011, Zl. 2011/10/0128; VwGH 26.09.2011, Zl. 2010/10/0145 = VwSlg 18217 A/2011). Die nationalen Gerichte haben sich unter Berücksichtigung dieses normativen Maßstabs der mutmaßlichen Erwartung eines aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers eine Überzeugung zu bilden, ob bestimmte Angaben irreführen können. Dabei wird die Eignung zur Irreführung entsprechend der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu § 2 UWG angenommen, wenn ein nicht unerheblicher Teil der Betroffenen durch bestimmte Angaben irregeführt werden kann (vgl mwN VwGH 27.07.2007, Zl. 2004/10/0172). Es handelt sich bei der Irreführungseignung bzw der Wirkung einer Ankündigung auf die angesprochenen Verkehrskreise grundsätzlich um eine Rechtsfrage (vgl etwa VwGH 04.09.2000, Zl. 97/10/0167; VwGH 18.10.1993, Zl.93/10/0143; Blass ua, LMR³ § 5 LMSVG Rz 10).

 

Dem ÖLMB kommt nach ständiger Judikatur der Höchstgerichte nicht die Bedeutung einer Rechtsvorschrift, sondern nur jene eines objektivierten Sachverständigengutachtens zu. Dabei waren bisher die Codex-Richtlinien vor allem Maßstab für die Beurteilung von Lebensmitteln als verfälscht oder nachgemacht (vgl Blass ua, LMR3 § 2 LMSVG Rz 4 mN). Das ÖLMB kann mangels Rechtsnormqualität keine zwingenden Anordnungen treffen. Seine Leitsätze und Richtlinien zählen nicht zu den lebensmittelrechtlichen Vorschriften iSd § 3 Z 13 LMSVG (vgl Natterer, Lebensmittelrecht [2008] Rz 128). Wer sich aber an die Regeln des Codex hält, ist qualifiziert abgesichert, während andere, die sich nicht daran orientieren wollen, selbst um eine fachliche Absicherung kümmern müssen, um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen (vgl Blass ua, LMR3 § 76 LMSVG Rz 3 u 4). Das ÖLMB enthält zur allgemeinen Kenntnis gebrachte Erfahrungswerte und ist Ausdruck der Auffassung der am Lebensmittelverkehr interessierten Geschäftskreise (vgl Andreas Hauer, Lebensmittelrecht im Wandel, ÖJZ 2007, 316 ff, 320 mit Hinweis auf VfSlg 8903/1980, 12396/1990 u 13.107/1992). Da es den Charakter eines Sachverständigengutachtens hat, gibt es die Verbrauchererwartung nur widerlegbar wieder (vgl VwGH 20.06.1994, Zl. 92/10/0118; VwSlg 18217 A/2011).

 

IV.4. Die belangte Behörde wirft dem Bf das Inverkehrbringen des Lebensmittels mit einer zur Täuschung geeigneten Angabe über die Beschaffenheit iSd § 5 Abs 2 Z 1 LMSVG vor und gibt dazu im Wesentlichen die gutachterliche Stellungnahme der AGES wieder. Das gegenständliche Produkt „Gek. Formfleisch–Vorderschinken geschnitten“ war nach dem Prüfbericht der AGES genusstauglich. Im Gutachten beurteilte die AGES die Verwendung des Wortes „Schinken“ in der Produktbezeichnung im Hinblick auf Pkt. B.5.1.2.2. im Kapitel B 14 des ÖLMB bei einer Kochpökelware von anderen Fleischteilen als denen des Schweineschlögels als unzulässig, woran der Hinweis „Nicht nach Österreichischem Codex“ nichts ändern könne. Danach wird festgestellt, dass die vorliegende Probe „somit“ mit einer zur Irreführung geeigneten Angabe in Verkehr gebracht werde.

 

Die Verwendung des Wortes „Schinken“ scheint nach Punkt B.5.1.2.2. des Codexkapitels 14 (vgl das Zitat unter III.2.) auf Fleisch vom Schlögel des Schweines beschränkt zu sein, wobei Schinken aus kleineren Fleischstücken vom Schlögel als Toastschinken, Pressschinken, Pizzaschinken und dgl. bezeichnet werden kann. Bei Kochpökelwaren von anderen Teilstücken (Pkt B.5.1.2.3) wird der Begriff Schinken nicht verwendet (zB.: Toastblock). Eine zwingende Formulierung wie unter Punkt B.5.1.3.1. für „Kochpökelwaren aus Rindfleisch“, wo beim Ausdruck Schinken von Pökelwaren aus Rindfleisch angeordnet wird, dass solche Produkte ausschließlich aus Teilen des Knöpfels (=Schlögel; dazu unter B 14 Pkt A.3.1.4) bestehen dürfen, findet sich allerdings nicht.

 

Auch das DLMB will im Punkt 2.341 im Abschnitt II der Leitsätze für Fleisch- und Fleischerzeugnisse die Bezeichnung „Schinken“ nur für Kochpökelwaren von gehobener Qualität zulassen und unterscheidet dann unter den Punkten 2.341.1. und 2.341.2 zwischen Schinken aus der „Hinterextremität (Hinterschinken, Schlegel, Keule)“ und Schinken aus der „Vorderextremität (Schulterschinken)“. Es kennt im Punkt 2.341.6 unter dem Begriff Schinken auch Erzeugnisse, die aus kleineren Muskelstücken oder aus Formfleisch (2.19) hergestellt werden, was in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung ausreichend kenntlich zu machen ist. Als Beispiel wird in Klammer angeführt „(z.B. Formfleisch-Schinken, aus Schinkenteilen zusammengefügt)“. Punkt 2.19 betreffend die Beschreibung von Formfleischerzeugnissen und deren Deklaration wird unter III.3. wiedergegeben. Danach soll zur Vermeidung von Verwechslungen von Formfleischerzeugnissen mit Erzeugnissen aus gewachsenem Fleisch in der Verkehrsbezeichnung das Wort „Formfleisch-“ vorangestellt und in unmittelbarer Verbindung und in gleicher Schriftgröße darauf hingewiesen werden, dass Fleischstücke zusammengesetzt sind (angegebene Beispiele: Formfleisch-Schinken, aus Schinkenteilen zusammengefügt, Formfleisch-Roulade, aus Fleischstücken zusammengefügt, Formfleisch-Gulasch, aus Fleischstücken zusammengefügt).

 

Das ÖLMB sieht unter „A.5.3 Bezeichnung“ im Kapitel B 14 für die Deklaration von Formfleisch nach Ausschluss der Angabe von bestimmten irreführenden Bezeichnungen wie Schnitzel, Schnitte, Steak, oder Stück im Wesentlichen auch eine Sachbezeichnung mit der vorangestellten Bezeichnung „Formfleisch-“ und in der Zutatenliste die Angabe „aus kleinen Fleischstücken zusammengesetzt“ vor.

 

IV.5. Die gegenständliche Produktbezeichnung „Gek. Formfleisch-Vorderschinken geschnitten“ entspricht zwar nicht den oben zitierten Bestimmungen im ÖLMB, welche zum Unterschied vom DLMB keinen Vorderschinken kennen. Die Angabe „Vorderschinken“ kann aber deshalb nicht als unzutreffend angesehen werden. Denn dieser Begriff ist in unserem Nachbarland Deutschland, das noch dazu wichtigster Handelspartner ist, offenbar eine Standardbezeichnung. Diese Bezeichnung mag nach dem ÖLMB „vorschriftswidrig“ sein, irreführend ist sie deswegen noch nicht. Denn das enge begriffliche Verständnis des ÖLMB vermag mangels Rechtsverbindlichkeit nichts daran zu ändern, dass man den Begriff „Schinken“ auch in einem weiteren Sinn, nämlich ausdrücklich als Vorderschinken oder Schulterschinken bezeichnet (die bloße Bezeichnung „Schinken“ bedeutet auch nach DLMB Hinterschinken vom „Schlegel“; vgl Pkt 2.341.1.), verstehen und im Geschäftsverkehr verwenden kann, ohne damit allein schon etwas Unwahres oder Missverständliches zu äußern. Dass der aufmerksame Durchschnittsverbraucher in Österreich damit ein Problem der Irreführung haben könnte, vermag das Oö. Landesverwaltungsgericht nicht zu erkennen. Das Gutachten der AGES bleibt auch eine schlüssige Begründung für die angenommene Irreführungseignung schuldig. Es wird bei dieser Annahme nicht beachtet, dass das Produkt nicht einfach - was tatsächlich irreführend wäre - als „Schinken“ bezeichnet wurde, sondern von „Gek. Formfleisch-Vorderschinken geschnitten“ die Rede ist. Dass es sich um Fleisch der vorderen Extremität handelt, liegt auch für österreichische Verbraucher schon vom Wortsinn her sehr nahe. Allenfalls können manche Verbraucher ergänzende Informationen wünschen, eine falsche Vorstellung von der Bedeutung kann normalerweise nicht entstehen, zumal auch der Begriff „Formfleisch-“ in der Verkehrs- bzw Sachbezeichnung vorangestellt wurde, was grundsätzlich auf zusammengefügte Fleischteile hindeutet.

 

Wie oben unter IV.4. dargestellt, verlangen allerdings sowohl das ÖLMB als auch das DLMB für die Deklaration von Formfleischerzeugnissen zusätzlich die ergänzende Angabe „aus (kleinen) Fleischstücken zusammengefügt“ oÄ., um Verwechslungen mit Erzeugnissen aus gewachsenen Fleischstücken zuverlässig auszuschließen. Diese Angabe fehlt in der Zutatenliste der untersuchten Probe, der Kennzeichnungsmangel wurde aber weder von der AGES, noch von der belangten Behörde im Verwaltungsstrafverfahren aufgegriffen. Da insofern seit der Probeziehung am 14. November 2013 schon mehr als ein Jahr ohne entsprechende Verfolgungshandlung verstrichen ist, ist hinsichtlich dieses für den Vorwurf der Irreführungseignung wesentlichen Sachverhaltselements mittlerweile Verfolgungsverjährung nach § 31 Abs 1 VStG eingetreten. Es kann damit dahingestellt bleiben, ob wegen des Fehlens dieses Zusatzes Verwechslungsgefahr bzw Irreführungseignung beim Verbraucher anzunehmen wäre.

 

Aus der vorliegenden Deklaration ergibt sich weiter, dass das Produkt für Weiterverarbeiter und damit für fachlich besser informierte Verkehrskreise bestimmt wurde, denen jedenfalls die vollständige Bedeutung des Begriffs Formfleisch auch ohne ergänzenden Zusatz bekannt sein musste. Der Hersteller des Produkts hat nach Auflistung der Zutaten mit dem Hinweis „Nicht nach Codex hergestellt-Für die Weiterverarbeitung bestimmt“ zumindest indirekt klargestellt, dass die Produktbezeichnung nicht dem ÖLMB entspricht und das Produkt für weiterverarbeitende Betriebe und nicht für Endverbraucher bestimmt ist. Unter Berücksichtigung der durch die Etikettierung angesprochenen Verkehrskreise von weiterverarbeitenden Lebensmittelunternehmern erscheint die vorgenommene Produktkennzeichnung nicht zur Irreführung über die Beschaffenheit der Ware geeignet, zumal diesen informierten Verkehrskreisen jedenfalls zuzumuten ist, die richtigen Schlüsse aus der vorgenommenen Kennzeichnung zu ziehen.

 

Die belangte Behörde hat dazu in der Begründung lediglich ausgeführt, dass der Bf dafür Sorge zu tragen habe, dass die Ware in ihrer den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangt. Seiner Rechtfertigung betreffend den oben zitierten Hinweis am Etikett könne daher nicht gefolgt werden.

 

Mit dieser Ansicht hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Zunächst ist wieder zur Klarstellung festzuhalten, dass die Bestimmungen des ÖLMB keine lebensmittelrechtlichen Vorschriften im rechtlichen Sinn, sondern bloß ein fachlich-qualitatives Leitbild für die Herstellung guter österreichischer Qualität darstellen (vgl Natterer, Lebensmittelrecht [2008] Rz 132 unter Hinweis auf den Erlass des BMGK vom 29.07.1996, Zl.32003/3-III/B/1b/96, ern 1996, 495). Das ÖLMB spielt für die Beurteilung der Irreführungseignung im Einzelfall insofern eine bedeutende Rolle, als ihm die maßgebliche Verbrauchererwartung entnommen werden kann. Die für die Lösung dieser Rechtsfrage in Betracht kommenden Verkehrskreise werden aber vor allem durch die Deklaration der Ware angesprochen. Dass das gegenständliche Produkt entgegen der Etikettierung an den Einzelhandel geliefert worden wäre, ist weder im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren noch sonst hervorgekommen. Die belangte Behörde hat dazu auch weder Ermittlungen durchgeführt, noch Feststellungen aus anderen Verfahren getroffen. Deshalb ist in tatsächlicher Hinsicht dem Vorbringen des Bf zu folgen und davon auszugehen, dass das Produkt für den Verkauf an weiterverarbeitende Lebensmittelunternehmen bestimmt ist. Die Frage der Irreführungseignung der Produktbezeichnung ist daher auf diese fachlich besser informierten Verkehrskreise bezogen zu beantworten.

 

Eine zur Irreführung für angesprochene Verkehrskreise geeignete Abweichung von den Richtlinien des ÖLMB, kann durch eine entsprechende Kennzeichnung verhindert werden (vgl Natterer, Lebensmittelrecht [2008] Rz 131). Selbst die Verfälschung von Lebensmitteln kann auch bei erheblichen Abweichungen von den vorgeschriebenen wertbestimmenden Bestandteilen durch die vollständige Angabe der Inhaltsstoffe im Zutatenverzeichnis saniert werden, weil der Umstand dann deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist (vgl § 5 Abs 1 Z 2 LMSVG). Dies gilt vor dem Hintergrund der Judikatur des EuGH, wonach der aufmerksame und verständige („mündige“) Durchschnittsverbraucher durch die Ettikettierung und insbesondere auch das Zutatenverzeichnis ausreichend informiert wird (vgl Blass ua, LMR³ LMSVG § 5 Rz 21).

 

IV.6. Im Ergebnis war der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG iVm § 38 VwGVG mangels einer strafbaren Verwaltungsübertretung einzustellen.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt sowohl die Verpflichtung zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens (§ 66 Abs 1 VStG) als auch zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 52 Abs 9 VwGVG) und weiter gemäß § 71 Abs 3 LMSVG die Verpflichtung zum Ersatz von Kosten der Lebensmitteluntersuchung, zumal insofern ein Straferkenntnis und damit eine Verurteilung vorausgesetzt wird.

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof  beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabengebühr von je 240 Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. W e i ß