LVwG-600720/15/MZ

Linz, 25.03.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde der Mag. V. W. gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 8.1.2015,
GZ VerkR96-23521-2013, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung, durch Verkündung

 

zu Recht e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet ab-, der Antrag auf Zuerkennung eines tarifmäßigen Kostenersatzes zurückgewiesen.

 

II.           Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 10 Euro zu leisten.

 

III.           Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133
Abs 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 8.1.2015, GZ VerkR96-23521-2013, wurde die Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) belangt, weil sie am 23.9.2013 um 21:07 Uhr mit dem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen x im Gemeindegebiet von St. K. (Ortsgebiet K.) auf der B120 bei Straßenkilometer 9.505 in Fahrtrichtung Gmunden die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 17 km/h überschritten habe.

 

Die Bf habe daher eine Übertretung des § 20 Abs 2 StVO 1960 begangen, weshalb gegen sie gem § 99 Abs 3 lit a leg cit – aufgrund einer Schätzung ihrer Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse – eine Geldstrafe in der Höhe von 50 Euro, ersatzweise eine Freiheitsstrafe von 24 Stunden, verhängt wurde.

 

II.          Gegen diesen Bescheid erhob die Bf innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

In ihrer Beschwerde führt die Bf – soweit für dieses Verfahren von Relevanz – wörtlich aus:

 

„Am 23.09.2013 um 21:07 Uhr fuhr ich mit dem PKW mit dem amtl. Kennzeichen x im Gemeindegebiet von St. K. (Ortsgebiet K. [sic]) auf der B120 bei Straßenkilometer 9.505 in Fahrtrichtung Gmunden die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und keinesfalls mehr.

Wie ich bereits … ausführte, habe ich die Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten und darf daher deswegen auch nicht bestraft werden. Weiter[s] steht es der Behörde nicht zu[,] mich als Beschuldigte zu zwingen[,] Beweismittel zu meinem Einkommen und zu meinen Sorgepflichten beizubringen und daran für mich negative Konsequenzen zu knüpfen, für die Behörde ergibt sich keine Schätzbefugnis.“

 

Die Bf beantragt daher, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, einen tarifmäßigen Kostenersatz zuzuerkennen und die Strafe auf das angemessene Maß herabzusetzen.

 

III.           a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben vom 5.2.2015, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt, die Beibringung des Eichscheines des verfahrensgegenständlichen Fixradargerätes sowie die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.3.2015. Zur öffentlichen mündlichen Verhandlung ist weder die belangte Behörde noch die diese beantragt habende Bf erschienen.

 

c.1) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevantem Sachverhalt aus:

 

Die Bf lenkte am 23.9.2013 um 21:07 Uhr den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen x im Gemeindegebiet von St. K. (Ortsgebiet K.) auf der B120 bei Straßenkilometer 9.505 in Fahrtrichtung Gmunden mit einer Geschwindigkeit von 67 km/h. Die Geschwindigkeitsfeststellung erfolgte durch das stationäre Radargerät MUVR 6FA 360, welches – wie sich aus dem Eichschein ergibt – am 1.10.2010 geeicht wurde; diese Eichung verlor am 31.12.2013 ihre Gültigkeit.

 

Die Bf wurde von der belangten Behörde mit 13.8.2012 rechtskräftig wegen einer Übertretung des § 52 lit a Z 10a StVO 1960 bestraft.

 

Die Bf ist AHS-Lehrerin, verfügt über ein monatliches Netto-Einkommen von 1.500 Euro und hat keine Unterhalts- und Sorgepflichten.

 

c.2) Ergänzend ist festzustellen:

 

Die Bf hat im verwaltungsbehördlichen Verfahren mit Schreiben vom 7.2.2014 gemäß § 103 Abs 2 KFG 1967 mitgeteilt, zur Tatzeit am Tatort den auf sie zugelassenen PKW gelenkt zu haben. In weiterer Folge teilte die Bf der belangten Behörde mit E-Mail vom 13.3.2014 mit, „ich bin da im Finsteren von St. K. nach Gmunden gefahren … und weil es so finster war habe ich vielleicht die Ortstafel von St. K. übersehen.“

 

Wie in Punkt II. dargestellt, ließ die Bf auch in ihrer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich keinen Zweifel an ihrer Lenkereigenschaft. Erst nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist im Hinblick auf die Erteilung einer – nach ihrer nunmehrigen Behauptung – falschen Lenkerauskunft machte die Bf in einer Eingabe an das erkennende Gericht erstmals geltend, das in Rede stehende Fahrzeug nicht gelenkt zu haben. Die Behauptung der Bf, ihr sei nunmehr erst eingefallen, dass das Fahrzeug jemand anderer gelenkt habe, ist nicht lebensnah. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf ein vom UVS Oberösterreich zur Zahl VwSen-123456 geführtes Verfahren zu verweisen, in welchem der Gatte der Bf, welcher nunmehr als Zeuge für die Bf beantragt wurde, ausgesagt hat, bewusst eine falsche Lenkerauskunft erteilt zu haben.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht daher vor diesem Hintergrund davon aus, dass die Bf im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung es bewusst unterlassen hat, ihre Lenkereigenschaft in Abrede zu stellen, und dieses erst nach Ablauf der Verjährungsfrist hinsichtlich der Erteilung einer falschen Lenkerauskunft (und damit auch nach Ablauf der Beschwerdefrist) nachgeholt hat.

 

c.3) Im Hinblick auf die angenommenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse ist festzuhalten:

 

Die Bf verfügt nach eigenen Angaben im behördlichen Verfahren über ein monatliches Einkommen von 600 Euro netto und ist – ebenfalls nach eigenen Angaben – für drei Kinder sorgepflichtig. Da die Bf, eine Akademikerin, als
AHS-Lehrerin tätig ist, kann nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass das angegebene Einkommen nicht der Realität entspricht. Die belangte Behörde hat zudem in ihrem Vorlageschreiben darauf hingewiesen, dass die drei Söhne der Bf bereits erwachsen sind. Nachweise, welche die gemachten Angaben hinsichtlich der monatlichen Einkünfte und Unterhaltsverpflichtungen bestätigen, wurden von der Bf nicht beigebracht.

 

Wenn die Bf in diesem Zusammenhang geltend macht, es wäre unzulässig, ihr Einkommen für die Strafbemessung zu schätzen und von keinen Sorgepflichten auszugehen, ist ihr zu entgegnen: Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes findet die Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts dort ihre Grenze, wo es der Mitwirkung der Partei bedarf und diese eine solche unterlässt (VwGH 25.3.1985, 84/10/0266; 15.9.2005, 2005/07/0049; idS auch Wiederin, Untersuchungsgrundsatz und Mitwirkungspflichten im Verwaltungsverfahren in Holoubek/Lang [Hrsg], Allgemeine Grundsätze des Verwaltungs- und Abgabenverfahrens [2006] 125 [passim]).

 

Vor diesem Hintergrund obliegt es weder den Behörden noch den Gerichten, (sofern in concreto überhaupt gesetzlich möglich) amtswegige Ermittlungen vorzunehmen, wenn eine Partei etwa ein bestimmtes Einkommen oder diverse Sorgepflichten behauptet, diesbezüglich jedoch keine Belege beibringt. Es begegnet daher keinen Bedenken, in derartigen Fällen ein für die Berufsgruppe, der die Partei angehört, angemessenes bzw übliches Einkommen heranzuziehen. Der Annahme der belangten Behörde, dass die als AHS-Lehrerin beschäftigte Bf über ein Monatseinkommen in der Höhe von 1.500 Euro netto verfügt und keine Unterhalts- und Sorgepflichten hat, kann somit nicht entgegengetreten werden.

 

IV.          Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a.1) § 9 Abs 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl I 2013/33 lautet in der geltenden Fassung:

„Die Beschwerde hat zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren und

5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.“

 

Der unter der Überschrift „Prüfungsumfang“ stehende § 27 VwGVG lautet: „Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“

 

a.2) § 20 Abs 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl 1960/159 in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung lautet:

„Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.“

 

§ 99 Abs 2d StVO 1960 lautet:

„Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 70 bis 2180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 km/h überschreitet.“

 

§ 99 Abs 3 lit a StVO 1960 lautet:

„Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist“.

 

b) § 9 Abs 1 Z 3 VwGVG zufolge hat eine Beschwerde „die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt“, Z 4 leg cit zufolge „das Begehren“ zu enthalten. § 27 VwGVG normiert, dass, soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid „auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4)“ zu überprüfen hat.

 

Im Gegensatz zum Rechtsmittelverfahren nach dem AVG bindet das VwGVG die Rechtsmittelinstanz damit an die in der Beschwerde vorgebrachten Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen behördlichen Entscheidung stützt. Die Regelung entspricht dem prozessualen Grundsatz der Verfahrensökonomie, weil dadurch nicht alle Aspekte des behördlichen Verfahrens im Rechtsmittelverfahren neuerlich aufgerollt werden müssen. Oder anders gewendet: weil ein Austausch oder ein Nachschieben von Beschwerdegründen nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht mehr möglich ist (vgl Hauer, Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts³ [2014] Rz 163; Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 [2014] Rz 737), liegen bei Beschwerdefristende alle Themen für das Rechtsmittelverfahren auf dem Tisch. Vom Beschwerdeführer kann freilich nicht verlangt werden, jedes Detail, dass er vom Verwaltungsgericht behandelt haben möchte, ausdrücklich zu artikulieren. § 27 VwGVG ist somit dahingehend zu verstehen, dass das verwaltungsgerichtliche Verfahren auf jene Themen beschränkt ist, die in der Beschwerde aufgeworfen werden(Leeb, Verfahrensökonomie und VwGVG [in Druck]).

 

In casu concreto vermag vor diesem Hintergrund die Bf die von ihr im Rahmen des § 9 Abs 1 Z 3 VwGVG vorgebrachten Gründe nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht mehr auszutauschen oder auszuweiten, sondern allenfalls noch einzuschränken. Im behördlichen Verfahren hat die Bf auf Anfrage hin mitgeteilt, das Tatfahrzeug selbst gelenkt zu haben und damit übereinstimmend in ihrer Beschwerde bereits einleitend ausdrücklich festgehalten, zur Tatzeit am Tatort den verfahrensgegenständlichen PKW selbst gelenkt (arg: „Am .. um fuhr ich“) und dabei die höchst zulässige Geschwindigkeit eingehalten zu haben. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist es aufgrund der zuvor verstrichenen Beschwerdefrist daher nicht mehr möglich, plötzlich die Lenkereigenschaft in Abrede zu stellen und damit ein weiteres Beschwerdethema zu eröffnen (ausdrücklich den hier vorliegenden Sachverhalt als Beispiel anführend Leeb/Zeinhofer, Verwaltungsgerichtsbarkeit neu - Das Verfahren der [allgemeinen] Verwaltungsgerichte, in Baumgartner [Hrsg], Jahrbuch Öffentliches Recht 2014, 35 [65]; idS auch Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5 [2014] Rz 1056).

 

Dieser Rechtsansicht steht auch die jüngst ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.12.2014, Ro 2014/03/0066, nicht entgegen, in welcher das Höchstgericht zugunsten einer Sachentscheidung durch das Verwaltungsgericht eine strikte Bindung an die Beschwerdegründe ablehnt und ausgesprochen hat, es könne nicht davon ausgegangen werden, „dass der Gesetzgeber den Prüfungsumfang ausschließlich an das Vorbringen des jeweiligen Beschwerdeführers binden wollte, weil dann ein für den Beschwerdeführer über den Bescheidabspruch hinausgehender nachteiliger Verfahrensausgang vor dem Verwaltungsgericht wohl ausgeschlossen wäre, obgleich ein Verbot der `reformatio´ in peius" im VwGVG - mit Ausnahme von Verwaltungsstrafsachen (vgl § 42 VwGVG) - nicht vorgesehen ist“. Dass auch zugunsten einer beschwerdeführenden Partei von den von ihr (fristgerecht) vorgebrachten Beschwerdegründen abzuweichen ist, kann der Entscheidung nicht entnommen werden. Dies kann insbesondere dann nicht der Fall sein, wenn die Partei – wie hier – aus prozesstaktischen Gründen (konkret: Eintritt der Verfolgungsverjährung hinsichtlich einer falsch erteilten Lenkerauskunft nach Beschwerdeerhebung) es absichtlich unterlässt, in der Beschwerde einen bestimmten Grund anzuführen.

 

Kurzum: Der Prüfungsumfang des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich beschränkt sich im vorliegenden Fall auf die in der Beschwerde geltend gemachte fragliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sowie auf die Strafzumessung. Sämtliche von der Bf nach Ablauf der Beschwerdefrist ins Treffen geführte Argumente hinsichtlich ihrer Lenkereigenschaft haben außer Betracht zu bleiben. Dementsprechend konnte auch von der (mehrfach) beantragten Einvernahme des Gatten der Bf abgesehen werden. Hinsichtlich der weiteren, nicht begründeten Beweisanträge der Bf (die Beiziehung eines
KFZ-Sachverständigen sowie die Vornahme eines Ortsaugenscheines) handelt es sich um Erkundungsbeweise, denen mangels erkennbarer Verfahrensrelevanz nicht nachzukommen ist.

 

c.1) Es bestehen in casu keine Zweifel darüber, dass der Ort, an dem die verfahrensgegenständliche Geschwindigkeitsmessung erfolgte, im Ortsgebiet liegt. Gemäß § 20 Abs 2 StVO 1960 darf daher, da – soweit ersichtlich – die Behörde keine höhere Geschwindigkeit erlaubt hat, ein Fahrzeug nicht schneller als mit 50 km/h gelenkt werden.

 

Dem stationären und im Tatzeitpunkt geeichten Geschwindigkeitsmessgerät zufolge hat die Bf das Tatfahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 72 km/h gelenkt, wobei nach Abzug der Messtoleranz zu ihren Gunsten von einer gefahrenen Geschwindigkeit von 67 km/h auszugehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Geschwindigkeitsmessung aufgrund technischer Mängel nicht korrekt wäre, finden sich nicht und wurden von der Bf auch nicht geltend gemacht.

 

Der objektive Tatbestand des § 20 Abs 2 StVO 1960 ist daher erfüllt.

 

c.2) Umstände, welche das Verschulden der Bf ausschließen würden, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, weshalb gemäß § 38 VwGVG iVm § 5 Abs 1 VStG von fahrlässigem Verhalten auszugehen und somit auch die subjektive Tatseite zu bejahen ist.

 

d.1) Gemäß § 38 VwGVG iVm § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

d.2) Die von der belangten Behörde verhängte Strafe von 50 Euro ist tat- und schuldangemessen. § 99 Abs 2d StVO 1960 sieht bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb des Ortsgebietes um mehr als
30 km/h eine Mindeststrafe von 70 Euro vor. Die Bf hat die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 17 km/h überschritten. Es ist daher legitim, etwas mehr als die Hälfte der vorgenannten Mindeststrafe der weiteren Strafbemessung zugrunde zu legen.

 

Ein Strafausmaß in der Höhe von 50 Euro – das entspricht lediglich ca 6,9 % des vorgesehenen Strafrahmens – scheint auch vor dem Hintergrund als dem Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, angemessen, als die zulässige Höchstgeschwindigkeit lediglich 50 km/h betrug und die Bf diese um 34 % überschritten hat, woraus eine massive Gefährdung der Schutzinteressen der verletzten Norm (§ 20 Abs 2 StVO 1960), welche die Erhöhung der Verkehrssicherheit bezweckt, abzuleiten ist. Dies umso mehr, als die Übertretung nicht bei Tageslicht und damit bei eingeschränkter Sicht erfolgte (Sonnenuntergang am Tattag in Linz um 18:54 Uhr; siehe auch die E-Mail der Bf an die belangte Behörde vom 13.3.2014, in welcher sie angibt, dass es zur Tatzeit „stockfinster“ gewesen ist).

 

Strafmildernd ist – wie schon von der belangten Behörde berücksichtigt – die lange Verfahrensdauer zu werten. Dem Milderungsgrund gegenüber steht jedoch – wie dem eingeholten Verwaltungsvorstrafenauszug zu entnehmen ist – eine noch nicht getilgte einschlägige Verwaltungsvormerkung. Hinzu tritt, dass die Bf in keinster Weise reuig ist und das Unrecht ihrer Tat, die sie (nunmehr plötzlich) in Abrede stellt, nicht einsieht. Es kann der belangten Behörde vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie zur Auffassung gelangt ist, dass aus general- und spezialpräventiven Gründen die ggst Übertretung mit 50 Euro zu ahnden ist.

 

Hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsübertretung sowie der daraus resultierenden Strafe ist daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

e) Der Verfahrensgesetzgeber hat nicht vorgesehen, Parteien im verwaltungsgerichtlichen Bescheidbeschwerdeverfahren einen tarifmäßigen Kostenersatz zuzuerkennen. Der diesbezügliche Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen; darüber hinaus könnte ein solcher Anspruch wohl – im Sinne der entsprechenden Regelungen bei Beschwerden gegen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt – nur für die obsiegende Partei – hier also für die belangte Behörde – bestehen.

 

V.           Gem § 52 Abs 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist Abs 2 leg cit zufolge für das Beschwerdeverfahren – worauf in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Straferkenntnisses auch hingewiesen wurde – mit 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 Euro zu bemessen. Im vorliegenden Fall war daher ein Betrag in der Höhe von 10 Euro vorzuschreiben.

 

VI.          Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde bzw die revisionslegitimierte Formalpartei zulässig, da es sich bei der Frage, wie streng die Bindung an die in einer Beschwerde gegen ein Straferkenntnis zur Verteidigung vorgebrachten Gründe ist, um eine über den Einzelfall hinausgehende Frage mit grundsätzlicher Bedeutung handelt und – soweit ersichtlich – eine diesbzgl Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht besteht.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

 

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde sowie der revisionslegitimierten Formalpartei die ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Zeinhofer

 

LVwG-600720/15/MZ vom 25. März 2015

 

Erkenntnis

 

Normen:

 

VwGVG §27

VStG §19

 

Rechtssatz

 

* § 27 VwGVG bindet das VwG an die in der Beschwerde vorgebrachten Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen behördlichen Entscheidung stützt. Die Regelung entspricht dem prozessualen Grundsatz der Verfahrensökonomie, weil dadurch nicht alle Aspekte des behördlichen Verfahrens im Rechtsmittelverfahren neuerlich aufgerollt werden müssen. Vom Bf. kann freilich nicht verlangt werden, jedes Detail, das er vom VwG behandelt haben möchte, ausdrücklich zu artikulieren. § 27 VwGVG ist somit dahin zu verstehen, dass das verwaltungsgerichtliche Verfahren auf jene Themen beschränkt ist, die in der Beschwerde aufgeworfen werden.

 

* Vor diesem Hintergrund ist es daher einem Bf. dann, wenn er im Beschwerdeschriftsatz ausdrücklich angegeben hat, das KFZ selbst gelenkt zu haben, nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht mehr möglich, seine Lenkereigenschaft wieder in Frage zu stellen und damit ein zusätzliches Beschwerdethema zu eröffnen. Dieser Rechtsansicht steht auch die Entscheidung des VwGH vom 17.12.2014, Zl. Ro 2014/03/0066, nicht entgegen, weil dieser nicht entnommen werden kann, dass auch zugunsten einer bf. Partei von den von ihr (fristgerecht) vorgebrachten Beschwerdegründen abzuweichen ist. Derartiges kann nämlich insbesondere dann nicht der Fall sein, wenn es der Bf. aus prozesstaktischen Gründen (konkret: Eintritt der Verfolgungsverjährung hinsichtlich einer falsch erteilten Lenkerauskunft nach Beschwerdeerhebung) absichtlich unterlässt, in der Beschwerde einen bestimmten Grund anzuführen.

 

*  Wenn der Bf keine Nachweise bezüglich seiner monatlichen Einkünfte und Unterhaltsverpflichtungen beibringt und nachvollziehbare Gründe bestehen, an diesen Angaben zu zweifeln, ist es vor dem Hintergrund der auch im Strafverfahren bestehenden Mitwirkungsverpflichtung zulässig, im Zuge der Strafbemessung gem. § 19 VStG dessen Einkommen zu schätzen sowie vom Nichtbestehen von Sorgepflichten auszugehen.

 

Beschlagwortung:

 

Beschwerdegründe; Modifikation nach Ablauf der Beschwerdefrist; Strafbemessung; Mitwirkungsverpflichtung

Beachte:

Die Behandlung der Beschwerde wurde abgelehnt.

VfGH vom 17. September 2015, Zl.: E 964/2015-4