LVwG-150272/3/RK/DG/EG

Linz, 12.02.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Roland Kapsammer über die Beschwerde des G B, vertreten durch die Prof. H, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Garsten vom 14.07.2011, Zl. Bau-131-9-2011/Zö, in Bindung an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.06.2014, Zl. 2011/05/0141-G

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.        Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der vom Gemeinderat als Behörde zweiter Instanz erlassene Bescheid vom 14.07.2011 (Zl. Bau-131-9-2011/Zö) als rechtswidrig aufgehoben.

 

II.      Der Antrag auf Zurückverweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Marktgemeinde Garsten wird gemäß § 28 VwGVG abgewiesen.

 

III.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.1. Mit Eingabe vom 16. März 2011 beantragte Herr G B, (im Folgenden Bf genannt) bei der mitbeteiligten Marktgemeinde, die Räumung des sich auf seiner Liegenschaft befindlichen Gebäudes mittels Mandatsbescheid gemäß § 48 Abs. 6 und 7 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994) zu verfügen. Begründend führte er aus, dass das gegenständliche Haus mit Ausnahme der im zweiten Obergeschoß rechts vom Stiegenaufgang gelegenen Wohnung unbewohnt sei. Am 8. März 2011 sei die statische Situation des Hauses durch den staatlich befugten und beeideten Zivilingenieur für Bauwesen Dipl.-Ing. H. überprüft worden, welcher in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen sei, dass auf Grund einer in den 60er Jahren durchgeführten Aufstockung des Hauses die ursprünglich nur für Dachrevisionsarbeiten begehbare Decke durch die derzeit gegebene Wohnraumnutzung um das Doppelte der zulässigen Tragfähigkeit überlastet sei. Der Statiker betone in seinem Gutachten, dass jegliche Nutzung der Räume im zweiten Obergeschoß derzeit unzulässig sei, eine Weiternutzung dieser Räume nicht zu verantworten und eine Benutzung ab sofort zu untersagen sei. Es sei somit eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit und die körperliche Sicherheit der Bewohnerin dieser Räumlichkeiten gegeben.

Daraufhin führte die mitbeteiligte Marktgemeinde am 18. April 2011 im Beisein des bautechnischen Amtssachverständigen Ing. K. und des Beschwerdeführers eine baupolizeiliche Überprüfung des gegenständlichen Gebäudes durch. In seinem Gutachten kam der bautechnische Amtssachverständige in Beantwortung der vom Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde an ihn gestellten Frage, welche Maßnahmen zu setzen seien, damit eine Räumung der in Höhe des zweiten Obergeschosses im südwestlichen Gebäudeteil gelegenen Wohnung nicht verfügt werden müsse, nach einer Befundaufnahme zu folgendem Schluss:

"Aus bautechnischer Sicht wird dazu bemerkt, dass eine Räumung der im

2. OG gelegenen bewohnten Räume dann nicht verfügt werden muss, wenn
unverzüglich folgende bauliche Maßnahmen getroffen werden:

1.        Die Decke unterhalb der von Frau [... ] bewohnten Räume ist fachgerecht zu pölzen.

2.        Die Pölzung ist statisch entsprechend zu bemessen und in Querrichtung zur Tramlage anzuordnen.

3.        Sie hat sich vom 1. OG bis ins Kellergeschoß zu erstrecken.

4.        Mit der Durchführung der Sicherungsarbeiten ist eine hierzu befugte Firma zu beauftragen. Dieser hat der Baubehörde nach Beendigung zu attestieren, dass die Arbeiten fachgerecht durchgeführt wurden."

 

I.2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 3. Mai 2011 wurden dem Beschwerdeführer gemäß § 48 Abs. 2 OÖ. BauO 1994 unter der Überschrift "Instandsetzungs- und Sicherungsauftrag" die im Gutachten des bautechnischen Amtssachverständigen Ing. K. vom 18. April 2011 genannten und oben wiedergegebenen Aufträge erteilt und angeordnet, dass die angeführten Sicherungsmaßnahmen unverzüglich durchzuführen seien. Begründend wurde ausgeführt, dass ein Baugebrechen vorliege, wenn sich der Zustand einer baulichen Anlage so verschlechtert habe, dass eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit, die Hygiene oder die körperliche Sicherheit von Menschen oder für fremde Sachwerte entstehe, gleichgültig worauf die Verschlechterung zurückzuführen sei. Erlange die Baubehörde Kenntnis vom Vorliegen eines Baugebrechens, habe sie die allenfalls erforderlichen Sicherungsmaßnahmen anzuordnen. Auf Grund des Ergebnisses des am 18. April 2011 an Ort und Stelle durchgeführten Lokalaugenscheins sowie des Gutachtens des bautechnischen Amtssachverständigen seien die im Spruch angeführten Sicherungsmaßnahmen vorzuschreiben gewesen.

 

I.3. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 14. Juli 2011, Zl. Bau-131-9-2011/Zö als unbegründet abgewiesen.

Daraufhin erhob der Bf am 27.07.2011 das Rechtsmittel der Vorstellung und beantragte den zitierten Bescheid des Gemeinderats aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Marktgemeinde Garsten zu verweisen. In der Vorstellung wurde ausgeführt, dass durch die Baupolizei die Abtragung des Gebäudes aufzutragen und die Räumung des Gebäudes zu verfügen gewesen wäre.

 

I.4. Mit Bescheid vom 16.08.2011 (IKD(BauR)-014325/1-2011-Hc/Neu) wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und von Rechtsvorschriften - soweit für das Beschwerdeverfahren noch maßgeblich - aus, primäre Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 48 Abs. 2 Oö. BauO 1994 sei das Vorliegen eines Baugebrechens im Sinn des Abs. 1 dieser Bestimmung. Dies sei im Gutachten des bautechnischen Amtssachverständigen vom 18. April 2011 schlüssig und nachvollziehbar belegt worden und werde selbst vom Beschwerdeführer nicht bestritten, zumal diese Baumängel von ihm selbst der Baubehörde mitgeteilt worden seien. Dass die vorgeschriebenen Sicherungsmaßnahmen nicht erforderlich seien, um konkrete Gefährdungen zunächst auszuschließen, sei vom Beschwerdeführer nie bestritten bzw. sei dazu kein gegenteiliges Sachverständigengutachten vorgelegt worden. Dass aber eine Vorschreibung von Sicherungsmaßnahmen ohne die gleichzeitige Vorschreibung einer Instandsetzung oder Abtragung rechtlich gesehen nicht möglich sei, ergebe sich aus dem Wortlaut des § 48 Abs. 2 Oö. BauO 1994 nicht. Zwar entspreche es dem Wunsch des Beschwerdeführers, dass die Behörde eine Abtragung vorschreibe, jedoch stehe niemandem ein Rechtsanspruch auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zu. Im Übrigen bestehe eine Verpflichtung zur Instandsetzung auch dann, wenn ein baupolizeilicher Auftrag betreffend Sicherungsmaßnahmen konkrete Gefährdungen zunächst ausgeschlossen habe. Es stehe dem Beschwerdeführer daher ohnedies frei bzw. sei es sogar seine Pflicht, eine Instandsetzung bzw. gegebenenfalls den Abtrag durchzuführen. Erteile die Behörde (vorerst) nur Sicherungsmaßnahmen, ohne Instandsetzungsmaßnahmen oder den Abtrag zu verfügen, könnten nach Ansicht der belangten Behörde dadurch Rechte des Verpflichteten gar nicht verletzt werden, weil die Sicherungsmaßnahmen gewiss als milderer Eingriff zu werten seien und auf die Erlassung eines (konkret gewünschten) baupolizeilichen Auftrages kein Rechtsanspruch bestehe.

 

I.5.  Mit Schreiben vom 12.08.2011 forderte die Aufsichtsbehörde Amt der Landesregierung (IKD(BauR)-014325/2-2011-Hc/Wm) den Bürgermeister als örtliche Baupolizei erster Instanz auf, einen baupolizeilichen Auftrag zu erlassen. Als Reaktion forderte der Bürgermeister den Bf schriftlich auf mitzuteilen, wie er beabsichtige die Instandsetzung durchzuführen. Der Bf legte am 08.09.2011 ein Gutachten des Sachverständigen Arch. DI Dr. L S vom 01.09.2011 vor aus dem hervorging, „dass die einzige wirtschaftlich und bautechnisch sinnvolle Sanierungsmaßnahme ein Ersatz der gesamten Holztramdecke durch eine ca. 20 cm starke Stahlbetondecke ist. Nur so ist es möglich, die nach § 8 Abs. 1 lit. 2 Oö. BauTV vorgesehene Raumhöhe von 2,5 m in der unter der Wohnung T liegenden Wohnung im ersten Obergeschoß beizubehalten und nur so ist ein zufriedenstellender Trittschallpegel laut Norm erreichbar. Eine Ertüchtigung der bestehenden Holztraumdecke durch das Ergänzen weiterer Holzbalken bzw. Stahlträger ist zwar technisch möglich, aber völlig unwirtschaftlich. Abgesehen von der dadurch zu Stande kommenden Unterschreitung der Mindestraumhöhe wären zusätzliche Brandschutzmaßnahmen erforderlich und wäre bei dieser Lösung auch die Problematik des Trittschallpegels nicht bewältigbar.“

Daraufhin verfügte der Bürgermeister als örtliche Baupolizei erster Instanz mittels Bescheid vom 14.10.2011 (Zl. Bau-131-9-2011/Zö) mit sofortiger Wirkung die Räumung der im 2. OG des Mehrfamilienwohnhauses O (Grundstück Nr. x der KG G) gelegenen Räume und untersagte die Benützung.  Mit selben Datum wurde der dem SV-Gutachten entsprechende Instandsetzungsauftrag gemäß den Bestimmungen des § 48 Oö. BauO 1994 erteilt.

 

 

I.6. Inzwischen hatte der Bf am 14.09.2011 Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof mit dem Begehren, den Bescheid des Amtes der Landesregierung (vom 16.08.2011 (IKD(BauR)-014325/1-2011-Hc/Neu))   wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben, eingebracht.

 

I.7. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit seiner Entscheidung vom 24.06.2014, Zl. 2011/05/0141, den angefochtenen Bescheid des Amtes der Oö. Landesregierung vom 16.8.2011, Zl. IKD(BauR)-014325/1-2011-Hc/Neu, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben und wie folgt ausgeführt:

„Dem Beschwerdevorbringen, wonach im vorliegenden Fall keine Sicherungsmaßnahmen vorzuschreiben gewesen wären, sondern nach § 48 Abs. 7 BO vorzugehen gewesen wäre, kommt Berechtigung zu. Im Beschwerdefall lag auf Grund der festgestellten Einsturzgefahr der Decke über dem ersten Obergeschoß unbestritten eine Gefahr für das Leben bzw. die körperliche Sicherheit der Benützerin der Räume im zweiten Obergeschoß vor. In einem solchen Fall ist nach dem klaren Wortlaut des § 48 Abs. 7 BO 1994 die weitere Benützung der baulichen Anlage oder eines Teiles davon bis zur Behebung des Baugebrechens zu untersagen. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um die gegenüber § 48 Abs. 2 BO 1994 speziellere Norm, weil sie bei Vorliegen einer Gefahr für das Leben oder die körperliche Sicherheit der Benützer einer baulichen Anlage eine spezielle Sicherungsmaßnahme, nämlich den Ausspruch eines Benützungsverbotes, anordnet. Durch den Ausspruch eines Benützungsverbotes wird aber die im Beschwerdefall gegebene Gefahr für das Leben und die körperliche Sicherheit der Benützerin der Räume im zweiten Obergeschoß der betreffenden baulichen Anlage bereits beseitigt. Dass darüber hinaus allenfalls auch noch andere Gefahren bestanden haben, die die Vorschreibung weiterer Sicherungsmaßnahmen nach § 48 Abs. 2 BO erfordert hätten, wurde hingegen nicht festgestellt.“

 

 

II. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes samt Akt wurde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am 09.07.2014 vorgelegt. Das nunmehr zuständige Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat daher das Verfahren über die Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Garsten vom 14.07.2011, Zl. Bau-131-9-2011/Zö, fortzuführen.

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt. Der unter Punkt I. dargestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

 

 

III. Maßgebliche Rechtslage

 

III.1. Verfahren vor dem Verwaltungsgericht:

Nach der Übergangsbestimmung des Art 151 Abs. 51 Z 8 B-VG in der Fassung der am 1.1.2014 in Kraft getretenen Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr. 51/2012, ist diese Vorstellung an das mit dieser Novelle geschaffene Landesverwaltungsgericht Oberösterreich übergegangen. Diese Vorstellung ist daher als Beschwerde iSd Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) zu werten.

 

Nach § 28 Abs.1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Nach § 29 Abs. 4 VwGVG ist den Parteien eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnis zuzustellen.

 

III.2.            In der Sache:                                                                                               Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Oö. Bauordnung 1994 (kurz: Oö. BauO 1994) LGBl. Nr. 66/1994, idF LGBl. Nr. 36/2008 lautet auszugsweise wie folgt:  

 

㤠48, Baugebrechen

(1) Hat sich der Zustand einer baulichen Anlage so verschlechtert, dass

    

1.   eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit, die Hygiene oder die körperliche Sicherheit von Menschen oder für fremde Sachwerte entsteht,

 

2.   das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet wird oder

 

3.   schädliche Umwelteinwirkungen entstehen,

 

liegt, gleichgültig worauf die Verschlechterung zurückzuführen ist, ein Baugebrechen vor.

 

(2) Erlangt die Baubehörde Kenntnis vom Vorliegen eines Baugebrechens, hat sie die allenfalls erforderlichen Sicherungsmaßnahmen anzuordnen und dem Eigentümer unter Gewährung einer angemessenen Frist die Behebung des festgestellten Baugebrechens durch Instandsetzung oder, wenn eine Instandsetzung nicht mehr möglich ist oder so weitgehend wäre, dass sie einer Erneuerung der baulichen Anlage gleichkommen würde, die Abtragung aufzutragen. Ein Instandsetzungsauftrag steht der Erteilung einer Abbruchbewilligung nicht entgegen.

 

(3) Lassen sich Art und Umfang eines vermutlichen Baugebrechens nicht durch bloßen Augenschein feststellen, kann die Baubehörde dem Eigentümer unter Setzung einer angemessenen Frist die Untersuchung durch einen Bausachverständigen und die Vorlage des Untersuchungsbefundes vorschreiben. Auf Verlangen der Baubehörde ist der Untersuchung ein Organ dieser Behörde beizuziehen.

 

(4) Wenn die Behebung der Baugebrechen durch Instandsetzung auf verschiedene Art und Weise möglich ist, hat die Baubehörde dem Eigentümer Gelegenheit zu geben, innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist mitzuteilen, wie er die Instandsetzung durchzuführen beabsichtigt. Kann erwartet werden, dass auf eine solche Art und Weise das Baugebrechen behoben wird, hat die Baubehörde den Instandsetzungsauftrag darauf abzustellen.

 

(5) Für den Instandsetzungs- oder Abtragungsauftrag gilt § 35 Abs. 2 sinngemäß.

 

(6) Bei Gefahr in Verzug kann die Baubehörde ohne weiteres Verfahren und ohne Anhörung des Eigentümers die notwendigen Sicherungsmaßnahmen einschließlich der Räumung des Gebäudes oder der Gebäudeteile auf Gefahr und Kosten des Eigentümers durch Mandatsbescheid (§ 57 AVG) verfügen.

 

(7) Hat sich der Zustand einer baulichen Anlage oder eines Teiles davon so verschlechtert, dass eine Gefahr für das Leben oder die körperliche Sicherheit der Benützer dieser baulichen Anlage oder eines Teiles davon nicht auszuschließen ist, hat die Baubehörde die weitere Benützung der baulichen Anlage oder eines Teiles davon mit Bescheid bis zur Behebung des Baugebrechens zu untersagen. Abs. 6 gilt sinngemäß.“

 

 

 

IV. Erwägungen

 

IV.1. In Bindung an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.06.2014, Zl. 2011/05/0141 steht fest, dass im vorliegenden Fall keine Sicherungsmaßnahmen vorzuschreiben gewesen wären, sondern nach § 48 Abs. 7 Oö. BauO 1994 vorzugehen ist. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um die gegenüber § 48 Abs. 2 Oö. BauO 1994 speziellere Norm, weil sie bei Vorliegen einer Gefahr für das Leben oder die körperliche Sicherheit der Benützer einer baulichen Anlage eine spezielle Sicherungsmaßnahme, nämlich den Ausspruch eines Benützungsverbotes, anordnet. Durch den Ausspruch eines Benützungsverbotes wird aber die Gefahr für das Leben und die körperliche Sicherheit der Benützerin der Räume im zweiten Obergeschoß der betreffenden baulichen Anlage bereits beseitigt. Dass darüber hinaus allenfalls auch noch andere Gefahren bestanden haben, die die Vorschreibung weiterer Sicherungsmaßnahmen nach § 48 Oö. BauO 1994 erfordern würden, ergibt sich aus dem vorliegenden Sachverhalt nicht. Demzufolge sind und waren keine weiteren Sicherungsmaßnahmen vorzuschreiben.

 

Daraus folgend und aufgrund des vorliegenden Sachverständigen-Gutachtens von Arch. DI Dr. L S vom 01.09.2011, das auf seine Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit geprüft wurde,  steht fest, dass der vom Gemeinderat als Baupolizei zweiter Instanz erlassene Bescheid vom 14.07.2011 (Zl. Bau-131-9-2011/Zö) wegen Anwendung der falschen Rechtsgrundlage rechtswidrig ist und aufgehoben wird.

IV.2. Der Bf beantragt in seiner Vorstellung vom 27.7.2011 die Zurückverweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Marktgemeinde Garsten. Damit will der Bf entsprechend seiner Beschwerde und dem von ihm vorgelegten Sachverständigen Gutachten die Abtragung (gemäß § 48 Abs. 2 Oö. BauO 1994) des betreffenden Gebäudeteils und die Räumung (gemäß § 48 Abs. 6 Oö. BauO 1994) des Gebäudes erreichen.

 

A: Instandsetzungs- oder Abtragungsauftrag

Nach § 48 Abs. 2 Oö. BauO 1994 hat die Baubehörde, so sie  Kenntnis vom Vorliegen eines Baugebrechens erlangt, die allenfalls erforderlichen Sicherungsmaßnahmen anzuordnen und dem Eigentümer unter Gewährung einer angemessenen Frist die Behebung des festgestellten Baugebrechens durch Instandsetzung oder, wenn eine Instandsetzung nicht mehr möglich ist oder so weitgehend wäre, dass sie einer Erneuerung der baulichen Anlage gleichkommen würde, die Abtragung aufzutragen.

Im gegenständlichen Fall geht aus dem Sachverständigen-Gutachten von Arch. DI Dr. L S vom 01.09.2011 hervor, „dass die einzige wirtschaftlich und bautechnisch sinnvolle Sanierungsmaßnahme ein Ersatz der gesamten Holztramdecke durch eine ca. 20 cm starke Stahlbetondecke ist. Nur so ist es möglich, die nach § 8 Abs. 1 lit. 2 Oö. BauTV vorgesehene Raumhöhe von 2,5 m in der unter der Wohnung T liegenden Wohnung im ersten Obergeschoß beizubehalten und nur so ist ein zufriedenstellender Trittschallpegel laut Norm erreichbar. Eine Ertüchtigung der bestehenden Holztramdecke durch das Ergänzen weiterer Holzbalken bzw. Stahlträger ist zwar technisch möglich, aber völlig unwirtschaftlich. Abgesehen von der dadurch zu Stande kommenden Unterschreitung der Mindestraumhöhe wären zusätzliche Brandschutzmaßnahmen erforderlich und wäre bei dieser Lösung auch die Problematik des Trittschallpegels nicht bewältigbar.“                               

Aufgrund des vorliegenden Gutachtens, das nach Prüfung durch das erkennende Landesverwaltungsgericht als schlüssig und nachvollziehbar erachtet wird, ist in Anwendung des § 48 Abs. 2 Oö. BauO 1994 der Ersatz der gesamten Holztramdecke durch eine ca. 20 cm starke Stahlbetondecke und die Herstellung aufgrund der Empfehlungen des sachverständigen Gutachters durchzuführen.

 

Laut vorliegendem Sachverhalt erteilte der Bürgermeister als örtliche Baupolizei erster Instanz mittels Bescheid vom 14.10.2011 (Zl. Bau-131-9-2011/Zö) den Abtragungs- und Instandsetzungsauftrag gemäß § 48 Abs. 2 Oö. BauO 1994 entsprechend dem vom Bf vorgelegten Gutachten und Begehren.

 

 

B: Räumung bei Gefahr in Verzug und Benützungsverbot:

Nach § 48 Abs. 6 kann bei Gefahr in Verzug die Baubehörde ohne weiteres Verfahren und ohne Anhörung des Eigentümers die notwendigen Sicherungsmaßnahmen einschließlich der Räumung des Gebäudes oder der Gebäudeteile auf Gefahr und Kosten des Eigentümers durch Mandatsbescheid (§ 57 AVG) verfügen. Hat sich der Zustand einer baulichen Anlage oder eines Teiles davon so verschlechtert, dass eine Gefahr für das Leben oder die körperliche Sicherheit der Benützer dieser baulichen Anlage oder eines Teiles davon nicht auszuschließen ist, hat die Baubehörde die weitere Benützung der baulichen Anlage oder eines Teiles davon mit Bescheid bis zur Behebung des Baugebrechens zu untersagen (§ 48 Abs. 7 Oö. BauO 1994).

Laut vorliegendem Sachverhalt verfügte der Bürgermeister als örtliche Baupolizei erster Instanz mittels Bescheid vom 14.10.2011 (Zl. Bau-131-9-2011/Zö) mit sofortiger Wirkung die Räumung der im 2. OG des Mehrfamilienwohnhauses xstraße x, x G (Grundstück Nr. x der KG G) gelegenen Räume und untersagte die Benützung. 

 

Durch die zitierten Bescheide des Bürgermeisters vom 14.10.2011 wurde dem Begehren des Bf auf Abtragung des betreffenden Gebäudeteils und die Räumung des Gebäudes nach § 48 Oö. BauO 1994 bereits entsprochen. Die Sach- und Rechtslage hat sich laut vorliegendem Sachverhalt nicht verändert. Wurde über einen bestimmten Sachverhalt bescheidmäßig abgesprochen, kann bei Gleichbleiben der tatsächlichen Verhältnisse und rechtlichen Grundlagen keine weitere Entscheidung in dieser Sache ergehen (VwGH 4. 5. 1990, Zl. 90/09/0016; 17. 6. 1993, Zl. 93/09/0076; 9. 11. 2006, Zl. 99/16/0395). Aus diesem Grundsatz der Unwiederholbarkeit eines Bescheides folgt, dass der Antrag auf Zurückverweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Marktgemeinde Garsten gemäß § 28 VwGVG abgewiesen wird.

 

 

V. Im Ergebnis ist daher festzuhalten:

In Bindung an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.06.2014, Zl. 2011/05/0141 steht fest, dass der vom Gemeinderat als Baupolizei zweiter Instanz erlassene Bescheid vom 14.07.2011 (Zl. Bau-131-9-2011/Zö) rechtswidrig ist und aufgehoben wird.

Dem Begehren des Bf auf Abtragung des betreffenden Gebäudeteils und die Räumung des Gebäudes nach § 48 Oö. BauO 1994 wurde durch die Bescheide vom 14.10.2011 (Zl. Bau-131-9-2011/Zö) bereits entsprochen. Der Antrag auf Zurückverweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Marktgemeinde Garsten wird gemäß § 28 VwGVG abgewiesen.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Roland Kapsammer