LVwG-150566/5/DM/WP

Linz, 07.04.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Doris Manzenreiter über die Beschwerde des D P S, gegen den Bescheid des Gemeinderats der Marktgemeinde Sierning vom 19. November 2014, GZ: WA – 22/2014/Gr., betreffend Anschlusszwang an die öffentliche Wasserversorgungsanlage, den

 

 

B E S C H L U S S

 

 

gefasst:

 

I. Der Beschwerde wird stattgegeben. Der Bescheid des Gemeinderats der Marktgemeinde Sierning vom 19. November 2014, GZ: WA -22/2014/Gr., wird aufgehoben und die Angelegenheit wird zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG an den Gemeinderat der Marktgemeinde Sierning zurückverwiesen.

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.         Sachverhalt, Verfahrensgang

 

1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Sierning vom 6. Mai 2014 wurde festgestellt, „das Objekt P, im Eigentum von Herrn S D, lieg[e] im Versorgungsbereich einer öffentlichen Wasserversorgungsanlage. Der Bedarf an Trink- und Nutzwasser [sei] daher innerhalb des Gebäudes ausschließlich aus der öffentlichen Wasserversorgungsanlage zu decken“. Der Bescheid enthält keine nachvollziehbare Darstellung des relevanten Sachverhalts. Die rechtliche Begründung erschöpft sich in der (auszugsweisen) Wiedergabe des Gesetzestextes. Dieser Bescheid wurde dem Bf am 9. Mai 2014 zugestellt.

 

2. Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2014 erhob der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) durch seine ausgewiesene rechtsfreundliche Vertreterin Berufung und stellte die Anträge, 1. den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben, in eventu 2. den Antrag hinsichtlich Ausnahme vom Anschlusszwang gem § 3 Abs 2 Oö. Wasserversorgungsgesetz zu gewähren, und 3. die Kosten des Berufungswerbers in den Ausspruch über die Kosten in den Bescheid aufzunehmen. Begründend führte der Bf aus, die Bausubstanz sei bereits sehr alt und auch instabil und er plane in den nächsten 5 Jahren ein neues Haus auf der gegenständlichen Liegenschaft zu bauen und dieses dann an die öffentliche Wasserversorgungsanlage anzuschließen. Die weiteren Ausführungen beziehen sich auf den gleichzeitig gestellten Antrag auf Ausnahme vom Anschlusszwang.

 

3. Mit Bescheid des Gemeinderats der Marktgemeinde Sierning (im Folgenden: belangte Behörde) vom 19. November 2014 wurde die Berufung des Bf abgewiesen und die Frist zur Herstellung des Hausanschlusses bis 30. Juni 2015 verlängert. Begründend führt die belangte Behörde aus, nach dem derzeit geltenden Oö. Wasserversorgungsgesetz sei eine Ausnahme von der Entnahmepflicht nicht möglich. Der Wasseranschluss liege bereits auf dem Grundstück, durch die Herstellung des Hausanschlusses entstünden keine unverhältnismäßig hohe Kosten. Zudem hätte der Bf keinen Prüfbericht bzgl der Trinkwasserqualität des Brunnenwassers vorgelegt. Der Berufungsbescheid wurde dem Bf zu Handen seiner rechtsfreundlichen Vertreterin am 20. November 2014 zugestellt.

 

4. Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2014 erhob der Bf durch seine rechtsfreundliche Vertreterin Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufs nimmt der Bf unter Punkt 1. Bezug auf die Unverhältnismäßigkeit der Herstellung des Wasseranschlusses. Unter Punkt 2. wird ein Verfahrensmangel behauptet, da die Anschlussvoraussetzungen des § 1 Abs 3 Z 1 und 2 Oö. Wasserversorgungs­gesetz nicht näher ermittelt worden seien. Da diesbezügliche Ermittlungen fehlen, sei in der Folge auch das Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Unter Punkt 3. behauptet der Bf die Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten infolge Unterlassens ausreichender Ermittlungsschritte sowohl hinsichtlich § 3 Abs 2 Oö. Wasserversorgungsgesetz wie auch hinsichtlich §§ 5 iVm 1 Abs 3 und 2 Abs 3 leg cit. Abschließend stellt der Bf daher den Antrag, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge 1. den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben; 2. den Antrag zur neuerlichen Entscheidung an die Unterinstanz zurückverweisen; 3. dem Antrag aufschiebende Wirkung zuerkennen; 4. gem § 74 Abs 2 AVG in den Ausspruch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeführers aufnehmen.

 

5. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2014 legte der Bürgermeister der Gemeinde Sierning die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor. Mit Schreiben vom 7. Jänner 2015 leitete das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Beschwerde samt Akt der belangten Behörde weiter, da kein Beschluss über das Absehen einer Beschwerdevorentscheidung gefasst worden und die zweimonatige Entscheidungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Mit Schreiben vom 2. März 2015 legte der Bürgermeister der Gemeinde Sierning die Beschwerde samt Akt unter Hinweis auf die Verordnung der belangten Behörde betreffend die Übertragung verfahrensrechtlicher Entscheidungen bei Erhebung einer Bescheidbeschwerde dem Landesverwaltungsgericht erneut zur Entscheidung vor. Auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung wurde verzichtet.

 

 

II. Beweiswürdigung

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde. Daraus ergibt sich der unter I. dargelegte Sachverhalt widerspruchsfrei.

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde im Rahmen des durch §§ 27 und 9 Abs 1 Z 3 und 4 VwGVG normierten Prüfungsumfangs durch seine gemäß § 2 VwGVG zuständige Einzelrichterin erwogen:

 

1. Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

2. Unter Punkt 2. seiner Beschwerde behauptet der Bf, es liege ein Verfahrensmangel vor, da die Anschlussvoraussetzungen des § 1 Abs 3 Z 1 und 2 Oö. Wasserversorgungs­gesetz nicht näher ermittelt worden seien. Da diesbezügliche Ermittlungen fehlen, sei in der Folge auch das Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Mit dieser Behauptung ist der Bf im Recht:

 

Gem § 37 AVG hat die Behörde ein Ermittlungsverfahren durchzuführen und den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Es liegt daher grundsätzlich an der Behörde, den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen und die erforderlichen Beweise aufzunehmen. Vom Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Behörde sodann die Parteien zu informieren und ihnen die Gelegenheit zu geben, dazu Stellung zu nehmen. Der vorgelegte Akt der belangten Behörde enthält keinerlei Hinweise auf die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens. Außer den Schriftsätzen kann dem Akt kein weiterer Inhalt entnommen werden, insbesondere keine Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt. Angesichts der von der Behörde anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen des Oö. Wasserversorgungsgesetzes ist für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht nachvollziehbar, warum keine Feststellungen zur Lage des Objektes und der Versorgungsleitung und deren Entfernung voneinander sowie zum voraussichtlichen Wasserverbrauch im Objekt und zur damit korrespondierenden Kapazität der öffentlichen Wasserversorgungsanlage getroffen wurden. Unter Berücksichtigung des Akteninhaltes geht das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich – in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Bf – davon aus, dass die belangte Behörde entgegen § 37 AVG keinerlei – nach außen in Erscheinung tretendes – Ermittlungsverfahren durchgeführt hat.

 

3. Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 26.6.2014, Ro 2014/03/0063) kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht). Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde – wie unter Punkt III.2. dargelegt – keinerlei Ermittlungsschritte gesetzt.

 

4. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde daher ein den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts entsprechendes Ermittlungs­verfahren durchzuführen haben. Das gewonnene Tatsachensubstrat wird sie dann dem Bf zur Kenntnis zu bringen haben und ihm Gelegenheit geben, dazu ausführlich Stellung zu nehmen.

 

5. Im Ergebnis hat die Behörde jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen und damit gegen den Grundsatz der Offizialmaxime maßgeblich verstoßen.

 

6. Im Übrigen erlaubt sich das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich aus verfahrensökonomischen Gründen auf Folgendes hinzuweisen:

 

Die Feststellung des Anschlusszwangs (§§ 5 iVm 1, 2 Oö. Wasserversorgungs­gesetz) bildet ein eigenständiges (Feststellungs-)Verfahren, das vom Verfahren zur Erteilung einer Ausnahme vom Anschlusszwang gem § 3 Abs 2 und Abs 3 Oö. Wasserversorgungsgesetz strikt zu trennen ist. Der vorgelegte Verwaltungsakt lässt erkennen, dass der Bf und die belangte Behörde die Verfahren miteinander verknüpfen und damit in unzulässiger Weise miteinander in Verbindung bringen. Dies gilt insbesondere für die Frage des Vorliegens unverhältnismäßig hoher Anschlusskosten, die der Bf in der Berufung sowie in der Beschwerde vorbringt und auf die die belangte Behörde in ihrer Begründung ausdrücklich Bezug nimmt. Die Kosten des Anschlusses sind bei der Beurteilung des Vorliegens des Anschlusszwangs aber unbeachtlich, da diese ein Tatbestandmerkmal (Voraussetzung) der Bewilligung der Ausnahme vom Anschlusszwang bilden. Da der Bf den Antrag auf Ausnahme vom Anschlusszwang im Berufungsverfahren gestellt hat, wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren diesen Antrag gem § 6 AVG an die zuständige Behörde (Bürgermeister) weiterzuleiten haben, der sodann – nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, das insbesondere Feststellungen zur Gefährdung der gesundheitlichen Interessen, zur Kapazität der (privaten) Wasserversorgungsanlage und zur Höhe der tatsächlichen Anschlusskosten sowie der durchschnittlichen Anschlusskosten in der Gemeinde zu umfassen hat – über diesen Antrag zu entscheiden hat. Dabei wird der Bürgermeister die einschlägige Rsp des Verwaltungsgerichtshofes (zB vom 22.4.2010, 2008/07/0143) bzw des Landesverwaltungs­gerichtes Ober­österreich (zB LVwG-150126; LVwG-150259) zu berücksichtigen haben.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Doris Manzenreiter