LVwG-750242/6/ER

Linz, 29.04.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde des M. S., geb. x, StA der Türkei, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M. Z., B.-straße 41, L., gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz, namens des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 11. Juni 2014, GZ 304-3-AEG/24145, wegen Abweisung eines Antrags auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ erteilt.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid vom 11. Juni 2014, GZ 304-3-AEG/24145, wies der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz (im Folgenden: belangte Behörde) namens des Landeshauptmanns von Oberösterreich den Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) vom 19. November 2013 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wie folgt ab:

Aufgrund des Antrages des Herrn S. M. ergeht namens des Landeshauptmannes von Oberösterreich (Ermächtigung durch die Verordnung LGBI.Nr. 127/2005) vom Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung erster Instanz folgender

Spruch

Der Antrag vom 19.11.2013 des Herrn S. M., geb. x, StA sowie wohnhaft in der Türkei, vertreten durch Herrn RA Dr. M. Z. auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger gemäß § 47 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005 (NAG) idgF wird abgewiesen.

(...)

Begründung

Die Behörde geht von folgendem aktenkundigen Sachverhalt aus:

Sie haben am 19.11.2013 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 47 NAG 2005 idgF beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Einwohner- und Stan-

desamt, Abt. Fremdenrecht, eingebracht. Sie hatten bereits Aufenthaltstitel als Familienangehöriger bis zum 15.3.2009, welche im Anschluss nicht mehr verlängert wurden, da gegen Sie ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot verhängt wurde. Die letzten 3,5 Jahre lebten Sie in der Türkei.

Während Ihres Aufenthaltes in Österreich wurden gegen Sie insgesamt 11 rechtskräftige Verurteilungen im Zeitraum zwischen 2000 und 2009 verhängt. Es handelt sich dabei erschwerend vorwiegend um Delikte nach dem Suchtmittelgesetz und waren sie deshalb auch mehrmals inhaftiert. Im Einzelnen handelt es sich den ha Erhebungen zufolge um folgende Verurteilungen:

1) BG Lambach 4 U 46/2000H vom 12.10.2000 wegen § 88/1 U3 (81/2) 89 (81/2) StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagsätzen zu je 30 ATS

2) BG Linz 17 U 485/2000I vom 8.1.2001 wegen § 83/1 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagsätzen zu je 30 ATS samt Zusatzstrafe gem. §§ 31 und 40 StGB

3) BG Linz 17 U 261/2001Z vom 5.7.2001 wegen § 89 (81/2) StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagsätzen zu je 30 ATS

4) LG Linz 34 HV 79/2003A vom 12.8.2003 wegen § 15/1 StGB, § 27 Abs. 1 U 2/2 27/1 SMG und § 223/2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, davon 6 Monate bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren, diese Probezeit wurde vom LG Linz am 19.10.2004 auf insgesamt 5 Jahre verlängert und wurde am 15.5.2009 vom LG Linz der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe widerrufen

5) LG Linz 34 HV 57/2004 vom 19.10.2004 wegen §§ 83/1 84/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren; wobei zu dieser Verurteilung die Probezeit vom BG Linz 18 U 598/2004W/B am 6.5.2005 auf 5 Jahre verlängert wurde

6) BG Linz 18 U 598/2004W vom 6.5.2005 wegen § 27/1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten

7) LG Linz 21 HV 131/2005F vom 5.9.2005 wegen §§ 105/1 107/1 U2 83/1 StGB; § 50 Abs. 1/3 WaffG und §§ 105/1 15/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten

8) LG Linz 24 HV 172/2005G vom 7.11.2005 wegen §§ 27 Abs. 2/2, 27/1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten samt Zusatzstrafe gem. §§ 31 und 40 StGB

Am 31.3.2006 wurden Sie aus der Freiheitsstrafe bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren entlassen und wurde diese vom BG Linz 18 U 558/2007T/B vom 4.3.2008 auf 5 Jahre verlängert und weiters vom LG Linz 27 HV 64/2009B vom 15.5.2009 die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe widerrufen

9) BG Linz 32 U 66/2007T vom 23.7.2007 wegen § 223/2 StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagsätzen zu je 19 Euro

10) BG Linz 18 U 558/2007T vom 4.3.2008 wegen § 27/1 SMG zu einer Geldstrafe von 120 Tagsätzen zu je 9 Euro

11) LG Linz 27 HV 64/2009B vom 15.5.2009 wegen §§ 28/1, 27 Abs. 1/1 und 27/2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten

Darüber hinaus existiert ein aktuelles Waffenverbot (LPD Oö vom 23.9.2004) ,

Dass aufgrund dieser Umstände Ihr Aufenthalt den öffentlichen Interessen widerstreite und der begehrte Aufenthaltstitel nach Ansicht der ha Behörde nicht erteilt werden kann, wurde Ihnen im Zuge des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht. Diese Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme wurde am 20.05.2014 an Ihren Rechtsvertreter zugestellt. Hiezu langte sodann am 4.6.2014 eine Stellungnahme ein, der eine Reihe von Unterlagen, wie die erste Seite des Erkenntnis des UVS vom 28.6.2010, mit welchem ein gegen Sie verhängtes Aufenthaltsverbot auf 3 Jahre befristet wurde, und ein aktueller Strafregisterauszug aus der Türkei angeschlossen waren. Vorgebracht wird durch Ihren Rechtsvertreter, dass der UVS in seinem Erkenntnis vom 28.6.2010 zu VwSen-720272/2/Sr/Fu/Sta, davon ausging, dass die Dauer eines 3-jährigen Aufenthaltsverbotes ausreichend sein wird, um die Änderung Ihrer Einstellung zu den Gesetzen zu prüfen und die Änderung Ihres Verhaltens unter Beweis zu stellen. Sie würden sich nunmehr seit dreieinhalb Jahren in der Türkei befinden und sich dort wohlverhalten haben. Damit hätten sie die positive Änderung Ihrer Einstellung zu den Gesetzen unter Beweis gestellt.

Die Behörde hat erwogen:

1.1. Die der Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsvorschriften des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) 2005 in der geltenden Fassung lauten auszugsweise:

(...)

1.2. Zur Beurteilung Ihres Antrages ist auch das Assoziationsabkommen zwischen der EWR und der Türkei, konkret die in Art. 13 des Assoziationsratsbeschlusses (ARB) bzw. Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolles verankerte, sog. ‘Stillhalteklausel’ heranzuziehen.

(...)

1.3. Die sog. ‘Stillhalteklausel’ in Art. 13 des ARB 1/80 (bzw. in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolles) verbietet somit allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit (bzw. der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs) durch türkische Staatsangehörige strengeren Voraussetzungen unterworfen werden, als sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ARB im jeweiligen Mitgliedstaat galten (vgl. dazu z.B. EuGH vom 17.9.2009, C-242/06). In Österreich ist daher das Datum des Beitrittes zur Europäischen Union (01.01.1995) maßgeblich, was bedeutet, dass der Familiennachzug von türkischen Staatsangehörigen zu österreichischen Ankerpersonen aufgrund der ‘Stillhalteklausel’ und des dieser immanenten ‘Verschlechterungsverbotes’ nicht nur anhand der Bestimmungen des NAG, sondern auch anhand der Normen des Fremdengesetz (FrG) 1997, konkret § 49 Abs. 1 FrG 1997, als günstigere Bestimmung, zu messen ist. (...)

2. Aus den zitierten Bestimmungen ergibt sich, dass zur Prüfung Ihres Antrages grundsätzlich die §§ 47 und 49 des Fremdengesetz 1997 heranzuziehen sind. Demnach steht aufgrund der aufrechten Ehe zu einer österreichischen Staatsbürgerin unbestritten fest, dass Sie als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen sind. Die diesbezüglich heranzuziehende Norm (§ 47 Abs. 2) regelte, dass diesem Personenkreis eine Niederlassungsbewilligung auszustellen ist, wenn deren Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Daraus ergibt sich, dass für die entscheidende Behörde zu prüfen bleibt, ob Ihr Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.

3.1. Wie Ihnen bereits mit Parteiengehör vom 16.5.2014, zugestellt am 20.05.2014, mitgeteilt wurde, wird aufgrund der nicht geringen Anzahl von Strafregistereinträgen im Zeitraum zwischen dem Jahr 2000 und 2009, welche erschwerend zu einem erheblichen Teil aus Verurteilungen nach dem Suchtmittelgesetz bestehen, von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgegangen. Die im Parteiengehör bereits mit 11 bezifferte Anzahl der rechtskräftigen Verurteilungen wurde von Ihnen nicht bestritten und kann somit als erwiesen angesehen werden.

3.2. Wenn Sie in Ihrer Stellungnahme darzulegen versuchen, dass bereits der UVS in seinem Erkenntnis vom 28.6.20010 davon ausging, dass 3 Jahre ausreichend sind, Ihre Änderung zur Einstellung zu den Gesetzen unter Beweis zu stellen und sie dies auch getan haben, so muss Ihnen folgendes entgegengehalten werden:

Bereits im Fremdengesetz 1997 war eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als (einziger) Versagungsgrund eines Aufenthaltstitels normiert. Der Gesetzgeber der derzeit geltenden aufenthaltsrechtlichen Normen unterscheidet in § 11 NAG zwischen Abs. 1, wonach ein Aufenthaltstitel nicht erteilt werden darf, wenn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung (vormals Ausweisung, Aufenthaltsverbot) bestehen und zwischen Abs. 2, wonach ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden darf, wenn der Aufenthalt nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Es kann daher nach Ansicht der ha Behörde nicht davon ausgegangen werden, dass allein aufgrund der Tatsache, dass nunmehr kein Aufenthaltsverbot mehr vorliege, eine Prüfung, ob der begehrte Aufenthalt den öffentlichen Interessen widerstreiten würde, nicht mehr zu Lasten des Antragstellers ausgehen könne. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass der UVS im zitierten Erkenntnis ein für die Dauer von 10 Jahren erlassenes Aufenthaltsverbot auf 3 Jahre befristet hat, da diese fremdenpolizeiliche Entscheidung keinerlei Bindungswirkung für die nunmehr zu treffende Entscheidung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz entfaltet. Darüber hinaus ist der ha Behörde keine Rechtsgrundlage bekannt, aufgrund derer etwa nach einem vorherigen längerfristigen Aufenthalt neuerlich ein Aufenthaltstitel erteilt werden müsse, nachdem die Befristung eines Aufenthaltsverbotes eingetreten ist. § 47 Abs. 3 FrG 1997 kennt zwar einen Tatbestand, wonach nach einem 10-jährigen Aufenthalt eine Versagung nicht mehr erfolgen darf, wird darin jedoch auf einen ununterbrochenen Aufenthalt abgestellt, welcher unbestritten nicht vorliegt.

3.3. Vielmehr ist seitens der ha Behörde eine Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen, ob aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Falle eines (neuerlichen) Aufenthaltes auszugehen ist. Wie bereits der VwGH in seinem Erkenntnis vom 28.2.2008, ZI. 2006/21/0218 (mit weiteren Nachweisen), ausgeführt hat, ist zur Auslegung der unbestimmten Gesetzesbegriffe ‘sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde’ eine das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers berücksichtigende Prognosebeurteilung geboten. Diesbezüglich wird bei der Entscheidungsfindung erschwerend angesehen, dass Sie während Ihres bisherigen Aufenthaltes in Österreich, welcher ha Behörde seit dem Jahr 2000 bis zu Ihrer Ausreise im November 2010 bekannt ist, von Anbeginn an strafrechtlich in Erscheinung getreten sind. Die erste rechtskräftige Verurteilung erfolgte im Oktober 2000, somit bereits relativ bald nach Ihrer Einreise. Insbesondere die seit 2003 nach dem Suchtmittelgesetz erfolgten rechtskräftigen Verurteilungen hielten Sie trotz verlängerter Probezeiten und unbedingten Freiheitsstrafen nicht davon ab, immer wieder mit diesen Vorschriften in Konflikt zu geraten. Hinsichtlich der Tilgung der verhängten Strafen ist diese noch nicht eingetreten und war diese Erhebungen zufolge im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht einmal errechenbar.

Auch wenn Sie sich in den letzten 3 Jahren in Ihrer Heimat laut vorgelegtem Strafregisterauszug der Türkei wohlverhalten haben, kann daraus nicht geschlossen werden, dass Sie in Österreich, wo Sie bisher derart häufig strafrechtlich in Erscheinung getreten sind, sich künftig auch wohlverhalten werden. Diesen Schluss lässt aus Sicht der ha Behörde schon allein die Tatsache nicht zu, dass Sie sich bereits während Ihres ersten Jahres in Österreich nicht an die Gesetze hielten und es anschließend durchschnittlich betrachtet zu mindestens einer Verurteilung pro Jahr gekommen ist. Dies, obwohl Sie während diverser Probezeiten oder im Anschluss an Inhaftierungen immer wieder auch in Österreich unter Beweis stellen hätten können, Ihre Einstellung ändern zu wollen. Darüber hinaus steht es nach Ansicht der ha Behörde in keiner Relation, wie Sie darzulegen versuchen, dass Sie sich die letzten 3 Jahre in der Türkei wohlverhalten haben, wo Sie doch in Österreich von Ihrer Einreise im Jahr 2000 bis zu Ihrer Inhaftierung im Jahr 2009, somit in einem heranzuziehenden Zeitrahmen von 9 Jahren immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Für den genannten Zeitraum von 9 Jahren, in welchem Sie durchschnittlich betrachtet etwas mehr als einmal pro Jahr rechtskräftig verurteilt wurden und dies von Anbeginn Ihres Aufenthalts in Österreich, wird ein dem gegenüberstehender 3-jähriger straffreier Aufenthalt in der Türkei als nicht ausreichend betrachtet, um von einer nachhaltigen Änderung Ihrer Einstellung überzeugen zu können. Daraus ergibt sich für die entscheidende Behörde, dass 3 Jahre Wohlverhalten in der Türkei im Gegensatz zu 11 Verurteilungen in einem Zeitraum von 9 Jahren in Österreich, bei denen es sich um Körperverletzungsdelikte und davon erschwerend fünfmal nach dem Suchtmittelgesetz handelte, zu keiner positiven Prognose führen können.

3.4. Wie auch in einem Berufungsbescheid des BM.I vom 4.7.2013, GZ 164.820/2-111/4/13, ausgeführt wurde, ist ein rigoroses Vorgehen gegen Suchtgiftdelikte, ganz gleich in welcher Form, dringend geboten. Dies deshalb, da der immer größer werdende Konsum von Suchtgiften zu verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft und hier wiederum vor allem bei Jugendlichen führt. In der genannten Entscheidung wurde weiters ausgeführt, dass der Genuss von Suchtgiften mit einer Suchtgiftkriminalität einhergeht, welche bereits Dimensionen annehme, die zu einer eklatanten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit führen. Diese Entscheidung erging in einem ähnlich gelagerten Fall, wo sich der Antragsteller im Inland befand und seine letzte Verurteilung im Zeitpunkt der Entscheidung bereits 10 Jahre zurückgelegen ist.

3.5. Aus den genannten Überlegungen konnte Ihr Antrag daher mangels einer zu Ihren Gunsten ausfallenden Prognose keiner positiven Erledigung zugeführt werden und war wie im Spruch zu entscheiden.“

 

I.2. Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2014 erhob der Bf gegen diesen Bescheid rechtzeitig Beschwerde und führte darin Folgendes aus:

Der Bescheid wird wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung bekämpft.

Der Beschwerdeführer beantragte die Erteilung eines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger gemäß § 47 NAG 2005.

Dieser Antrag wurde mit dem bekämpften Bescheid abgewiesen.

Die Dauer des Aufenthaltsverbots wurde durch den UVS OÖ für die Dauer von drei Jahren befristet. Hier ist auf die Bestimmung des § 60 Abs 1 NAG hinzuweisen, wonach ein Aufenthaltsverbot erlassen werden kann, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in im Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interesse zuwiderläuft. Eine Befristung bedeutet daher, dass die erkennende Behörde der Ansicht war, dass nach Ablauf der Befristung der Aufenthalt des Fremden die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit etc nicht mehr vorliegt. Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltstitels handelt es sich um einen vom Ausspruch des Aufenthaltsverbots nicht trennbaren Inhalt (VwGH 2012/18/0012).

Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer sind die Vorstrafen konsumiert und darf seitens der belangten Behörde auf dieser nicht mehr Bedacht genommen werden; anderenfalls wäre die vom Gesetzgeber vorgesehene Befristung der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbots ohne jegliche Bedeutung - der UVS OÖ ist eben davon ausgegangen, dass die Gültigkeitsdauer von drei Jahren ausreicht, um Gefährdung der in § 60 Abs 1 NAG genannten Rechtsgüter abzuwenden.

Der Beschwerdeführer ist mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, hat einen konkreten Arbeitsplatz in Aussicht und hat sich in der Türkei wohlverhalten, so dass unter dem Aspekt des Schutzes des Privat- und Familienlebens (Art 8 EMRK) und des Ablaufs der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots jedenfalls ein Aufenthaltstitel als Familienangehöriger zu erteilen ist.

Außerdem ist auf die Wertungen des Gesetzgebers in § 11 Abs 4 Z 1 und 2 NAG hinzuweisen. Aus Z 2 ergibt sich, dass die Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit sehr massiv sein muss; davon kann hinsichtlich des Beschwerdeführers, für den nur Z 1 in Betracht kommt, nicht einmal ansatzweise ausgegangen werden.

Selbst wenn die belangte Behörde eine Prognose zu treffen hat - dies ist nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht der Fall (siehe oben) - so wäre in Betracht zu ziehen, dass die 3,5 Jahre dauernde Abwesenheit jedenfalls zu einer Änderung der Einstellungen des Beschwerdeführers geführt hat, insbesondere unter Hinweis auf die Trennung von seiner Ehefrau. Es wird gestellt der Antrag, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge der Beschwerde Folge geben, den angefochtenen Bescheid aufheben und dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel als Familienangehöriger gemäß NAG 2005 erteilen.“

 

I.3. Mit Schreiben vom 13. Jänner 2015 legte die belangte Behörde dem Oö. Landesverwaltungsgericht die Beschwerde samt dem verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

Mit Schreiben vom 1. April 2015 legte der Bf durch seinen Rechtsanwalt folgende Urkunden samt beglaubigter Übersetzung vor: einen Strafregisterauszug der StV Oberstaatsanwaltschaft E./Türkei und Laborergebnisse vom 12. März 2015 betreffend die Untersuchung des Harns des Bf auf Amphetamine, Benzodiazepin, Kokain, Morphium und Marihuana.

Mit Schreiben vom 20. April 2015 legte der Bf ua einen aufschiebend bedingten Dienstvertrag vom 15. April 2015 betreffend die Beschäftigung des Bf als Küchenhilfe im Ausmaß von 40 Wochenstunden in einem Lokal in Linz vor.

 

I.4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme des vorgelegten Verwaltungsakts und der Beschwerdeschrift sowie durch Einsichtnahme in den ergänzend vorgelegten, beglaubigt übersetzten Strafregisterauszug vom 12. März 2015 sowie die beglaubigt übersetzten Laborergebnisse vom 12. März 2015 betreffend einen Harntest und die ergänzend vorgelegte Einstellungszusage vom 15. April 2015.

Gemäß § 24 Abs 1 iVm Abs 4 VwGVG konnte die Durchführung einer – von keiner Verfahrenspartei beantragten – öffentlichen mündlichen Verhandlung aufgrund der Tatsache, dass der für das Verfahren wesentliche Sachverhalt aufgrund Aktenlage für das erkennende Gericht hinreichend geklärt vorliegt und eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ, unterbleiben. Dass dem Entfall der Verhandlung Art 6 EMRK oder Art 47 der EU-Charta der Grundrechte entgegenstünde, vermag nicht erkannt zu werden.

 

Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von folgendem entscheidungsrelevanten  S a c h v e r h a l t  aus:

Der Bf ist seit 1991 verheiratet, seine Gattin ist seit 26. April 2010 österreichische Staatsbürgerin.

Gegen den Bf scheinen folgende Verurteilungen auf:

1) BG Lambach 4 U 46/2000H vom 12.10.2000 wegen § 88/1 U3 (81/2) 89 (81/2) StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagsätzen zu je 30 ATS

2) BG Linz 17 U 485/2000I vom 8.1.2001 wegen § 83/1 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagsätzen zu je 30 ATS samt Zusatzstrafe gem. §§ 31 und 40 StGB

3) BG Linz 17 U 261/2001Z vom 5.7.2001 wegen § 89 (81/2) StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagsätzen zu je 30 ATS

4) LG Linz 34 HV 79/2003A vom 12.8.2003 wegen § 15/1 StGB, § 27 Abs. 1 U 2/2 27/1 SMG und § 223/2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, davon 6 Monate bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren, diese Probezeit wurde vom LG Linz am 19.10.2004 auf insgesamt 5 Jahre verlängert und wurde am 15.5.2009 vom LG Linz der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe widerrufen

5) LG Linz 34 HV 57/2004 vom 19.10.2004 wegen §§ 83/1 84/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren; wobei zu dieser Verurteilung die Probezeit vom BG Linz 18 U 598/2004W/B am 6.5.2005 auf 5 Jahre verlängert wurde

6) BG Linz 18 U 598/2004W vom 6.5.2005 wegen § 27/1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten

7) LG Linz 21 HV 131/2005F vom 5.9.2005 wegen §§ 105/1 107/1 U2 83/1 StGB; § 50 Abs. 1/3 WaffG und §§ 105/1 15/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten

8) LG Linz 24 HV 172/2005G vom 7.11.2005 wegen §§ 27 Abs. 2/2, 27/1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten samt Zusatzstrafe gem. §§ 31 und 40 StGB

Am 31.3.2006 wurden Sie aus der Freiheitsstrafe bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren entlassen und wurde diese vom BG Linz 18 U 558/2007T/B vom 4.3.2008 auf 5 Jahre verlängert und weiters vom LG Linz 27 HV 64/2009B vom 15.5.2009 die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe widerrufen

9) BG Linz 32 U 66/2007T vom 23.7.2007 wegen § 223/2 StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagsätzen zu je 19 Euro

10) BG Linz 18 U 558/2007T vom 4.3.2008 wegen § 27/1 SMG zu einer Geldstrafe von 120 Tagsätzen zu je 9 Euro

11) LG Linz 27 HV 64/2009B vom 15.5.2009 wegen §§ 28/1, 27 Abs. 1/1 und 27/2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten.

 

Mit Bescheid vom 28. August 2009, 103496/FRB, wurde gegen den Bf von der Bundespolizeidirektion Linz ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Der Berufung gegen diesen Bescheid wurde vom Oö. Verwaltungssenat mit Erkenntnis vom 28. Juni 2010, VwSen-720272/2/Sr/Fu/Sta, insoweit Folge gegeben, als das Aufenthaltsverbot auf die Gültigkeitsdauer von drei Jahren befristet wurde.

Der Bf war bis 15. März 2009 im Besitz eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“, der aufgrund des rechtskräftigen Aufenthaltsverbots nicht mehr verlängert wurde. Dieses Aufenthaltsrecht gründete auf Art 7 ARB 1/80.

Im November 2010 reiste der Bf aufgrund des Aufenthaltsverbots in die Türkei aus, wo er sich seither aufhält.  Am 19. November 2013 stellte der Bf – nach Ablauf des befristeten Aufenthaltsverbots – einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 47 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid wurde dieser Antrag abgewiesen.

Der Bf ist während seines Aufenthalts in der Türkei nicht straffällig geworden. Ein aktueller Harntest hat ergeben, dass der Bf derzeit keine Drogen konsumiert.

Der Bf verfügt über einen aufschiebend bedingten Dienstvertrag vom 15. April 2015, wonach ihm in einem Lokal die Einstellung als Küchenhilfe in einem Ausmaß von 40 Wochenstunden in Aussicht gestellt wird.

 

 

II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt sowie dem ergänzend vorgelegten aktuellen Strafregisterauszug der Oberstaatsanwaltschaft E./Türkei und dem ergänzend vorgelegten aktuellen Laborbefund betreffend einen Harntest, sowie dem vorgelegten Dienstvertrag vom 15. April 2015.

 

 

III. Gemäß § 47 Abs 1 NAG idF BGBl I Nr 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl I Nr 68/2013, sind Zusammenführende im Sinne der Abs 2 bis 4 Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.

Gemäß Abs 2 ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

 

Gemäß Art 6 Abs 1 Assoziationsratsbeschlusses 1/1980 – ARB 1/80 hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung, in diesem Mitgliedstaat

-      nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

-      nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

-      nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

 

Gemäß Art 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.

 

Gemäß Art 14 Abs 1 ARB 1/80 gilt dieser Abschnitt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind.

 

Gemäß § 49 Abs 1 FrG 1997 genießen Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs 3, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt. Solche Fremde können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen. Die Gültigkeitsdauer der ihnen die beiden ersten Male erteilten Niederlassungsbewilligung beträgt jeweils ein Jahr.

Gemäß Abs 2 ist die Niederlassungsbewilligung solchen Drittstaatsangehörigen auf Antrag unbefristet zu erteilen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 8 Abs 1) gegeben sind und die Fremden

1. seit mindestens zwei Jahren mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet sind und mit diesem im Bundesgebiet im gemeinsamen Haushalt leben;

2. minderjährige Kinder eines österreichischen Staatsbürgers sind und mit diesem im Bundesgebiet im gemeinsamen Haushalt leben.

 

§ 47 FrG 1997 regelt die Aufenthaltsberechtigung begünstigter Drittstaatsangehöriger:

Gemäß § 47 Abs 1 FrG 1997 unterliegen Angehörige von EWR-Bürgern, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, der Sichtvermerkspflicht.

Gemäß Abs 2 genießen begünstigte Drittstaatsangehörige (Abs 3) Niederlassungsfreiheit, sofern die EWR-Bürger zur Niederlassung berechtigt sind; ihnen ist eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Solche Fremde können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen, wenn sie an sich zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt sind. Die Niederlassungsbewilligung ist mit fünf Jahren, in den Fällen der beabsichtigten Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den EWR-Bürger (§ 46 Abs. 2 Z 3) jedoch mit sechs Monaten ab dem Zeitpunkt seiner Einreise zu befristen.

Gemäß Abs 3 Z 1 sind begünstigte Drittstaatsangehörige folgende Angehörige eines EWR-Bürgers: Ehegatten

 

 

IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

IV.1. Im gegenständlichen Fall ist davon auszugehen, dass der Bf die Begünstigungen, die sich aus dem Assoziationsratsbeschluss (ARB) 1/1980 ergeben, geltend machen kann:

Erworbene Rechtsstellungen nach Art 7 ARB 1/80 gehen zwar infolge eines Aufenthaltsverbots, das als Maßnahme nach Art 14 ARB 1/80 zu verstehen ist, verloren (vgl VwGH 20.12.2012, 2011/23/0170; 17.3.2009, 2008/23/0206; 10.11.2009, 2008/22/0848). Im Sinne des Erkenntnisses VwGH 20.12.2012, 2011/23/0170, kann eine Position nach dem ARB 1/80 aber nach Untergang neuerlich erworben werden. Unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. Dezember 2010, C-300/09, C-301/09, T. und O., RN 45, hielt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2011, 2008/22/0180, fest, dass es der Anwendung des Art 13 ARB 1/80 nicht entgegen stehe, dass der betreffende Arbeitnehmer nicht bereits (legal) in den Arbeitsmarkt des Mitgliedstaates integriert ist, also die Voraussetzungen gemäß Art 6 Abs 1 ARB 1/80 nicht erfüllt; die Stillhalteklausel in Art 13 ARB 1/80 diene nämlich nicht dazu, die schon in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integrierten türkischen Staatsangehörigen zu schützen, sondern solle gerade für die türkischen Staatsangehörigen gelten, die noch keine Rechte in Bezug auf Beschäftigung und entsprechend auf Aufenthalt nach Art 6 Abs 1 ARB 1/80 genießen.

In seinem Erkenntnis vom 28. März 2012, 2009/22/0344, verwies der Verwaltungsgerichtshof „gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG im Hinblick darauf, dass es sich beim (...) Beschwerdeführer um einen türkischen Staatsangehörigen handelt, der die Vornahme einer Erwerbstätigkeit anstrebt - im Verwaltungsverfahren wurde als Nachweis für das diesbezügliche Vorbringen eine Einstellungszusage vorgelegt - auch auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 13. Dezember 2011, Zl. 2008/22/0180, dessen Fall in seinem entscheidungsmaßgeblichen Sachverhalt und der auf Art. 13 ARB 1/80 bezugnehmenden Rechtsfrage dem vorliegenden gleicht“.

Der Bf, der türkischer Staatsbürger ist, verfügt über eine aktuelle Einstellungszusage vom 15. April 2015. ISd zitierten Judikatur sind somit die Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels nach den Bestimmungen des FrG 1997, die aufgrund der „Stillhalteklausel“ des Art 13 ARB 1/80 für Berechtigte nach dem ARB heranzuziehen sind, zu prüfen.

 

IV.2. Gemäß § 47 Abs 2 FrG 1997 darf einem begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 47 Abs 3 FrG 1997 ein Aufenthaltstitel nur dann nicht erteilt werden, wenn ihr Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet.

Im Folgenden ist somit zu prüfen, ob der Aufenthalt des Bf die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde. Dabei ist eine auf das Gesamtverhalten des Bf gestützte Gefährdungsprognose zu treffen (vgl VwGH 16.2.2012, 2011/18/0039), bei welcher einerseits seine bisherigen Verurteilungen und das aus den Verurteilungen resultierende Aufenthaltsverbot, andererseits auch sein Verhalten seit der Verhängung des Aufenthaltsverbots zu berücksichtigen ist (vgl VwGH 3.3.2011, 2011/22/0010).

 

IV.2.1. Wie unter I.4. festgestellt, wurde der Bf im Zeitraum von 12. Oktober 2010 bis 15. Mai 2009 elfmal rechtskräftig von österreichischen Gerichten verurteilt. Dabei handelte es sich um fünf Verurteilungen wegen Körperverletzungsdelikten, wobei er letztmalig am 5. September 2005 wegen des Vergehens der Körperverletzung verurteilt wurde, fünf Verurteilungen nach dem Suchtmittelgesetz, wobei die letzte Verurteilung am 15. Mai 2009 erfolgte und Verurteilungen wegen Urkundendelikten.

Diese Verurteilungen führten zu einem auf drei Jahre befristeten Aufenthaltsverbot, wobei die Dauer der Befristung vom Oö. Verwaltungssenat damit begründet wurde, dass diese Frist ausreichen müsste, „um den Bf zu läutern und die von ihm ausgehende Gefahr für die öffentlichen Interessen zu beseitigen“.

 

Der Bf hat mittels Strafregisterauszug der stv. Oberstaatsanwaltschaft E./Türkei nachgewiesen, dass er seit seiner letzten Verurteilung in Österreich nicht mehr strafrechtlich belangt wurde. Hinsichtlich der Gefährdungsprognose ist die Dauer des Wohlverhaltens des Bf zu berücksichtigen. Er wurde – wie oben dargestellt – letztmalig im September 2005 wegen eines Körperverletzungsdelikts verurteilt. Nachdem er sich seither in Hinblick auf die Achtung der körperlichen Integrität anderer wohlverhalten hat, ist davon auszugehen, dass der Aufenthalt des Bf in Österreich diesbezüglich keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellt.

 

IV.2.2. Der Bf wurde letztmalig im Mai 2009 wegen eines Suchmitteldelikts verurteilt. Wie oben angeführt, ist der Bf seither nicht mehr straffällig geworden. Ferner hat der Bf mittels einer aktuellen Laboruntersuchung seines Harns nachgewiesen, dass er derzeit keine Drogen konsumiert. Zumal die letzte Verurteilung des Bf nach dem SMG bereits sechs Jahre zurückliegt und er seine aktuelle Drogenabstinenz nachgewiesen hat, ist davon auszugehen, dass der Aufenthalt des Bf auch diesbezüglich keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellt.

 

IV.2.3. Auch wenn die Entscheidung des Oö. Verwaltungssenats keine Bindungswirkung für das gegenständliche Verfahren entfaltet, war dessen Einschätzung hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbots dennoch zutreffend, zumal sich der Bf seither wohlverhalten hat. Zu berücksichtigen gilt im jetzigen Verfahren weiters auch, dass der Bf das über ihn verhängte Aufenthaltsverbot akzeptiert hat, freiwillig ausgereist ist und nunmehr nach Ablauf des Aufenthaltsverbots den von der Rechtsordnung vorgesehenen Weg beschreitet, um wieder einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Dies zeugt davon, dass der Bf durchaus gewillt ist, nach seiner zur Verurteilung führenden Verfehlung die österreichischen Rechtsvorschriften zu akzeptieren. Es vermag daher vom Oö. Landesverwaltungsgericht, entgegen der Auffassung der belangten Behörde, nicht erkannt zu werden, inwiefern der Aufenthalt des Bf in Österreich eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellen sollte.

 

 

V. Da sich der Bf auf die „Stillhalteklausel“ des Art 13 ARB 1/80 berufen konnte und daher lediglich zu prüfen war, ob von ihm eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gemäß § 47 Abs 2 FrG 1997 ausgeht, was im Ergebnis zu verneinen war, erfüllt der Bf sämtliche Erteilungsvoraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel. Im Ergebnis  war der Beschwerde daher stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und dem Bf der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen.

 

 

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Elisabeth Reitter

Beachte:

Das angefochtene Erkenntnis wurde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

VwGH vom 16. September 2015, Zl. Ra 2015/22/0091-7