LVwG-300530/28/GS/BZ

Linz, 29.04.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag.a Gabriele Saxinger über die Beschwerde der Finanzpolizei Team 43 für das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr, gegen den Einstellungsbescheid vom 30. Oktober 2014, GZ SV96-24-2013, des Bezirkshauptmannes von Freistadt wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG)

 

zu Recht  e r k a n n t:

I.         Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Der Bezirkshauptmann von Freistadt (im Folgenden: belangte Behörde) hat mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 29. April 2014 Herrn Ing. Mag. C. W. (im Folgenden: mitbeteiliget Partei) folgenden Tatvorwurf zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit eingeräumt, sich zu rechtfertigen:

 

„Sie haben als Dienstgeber und nach außen zur Vertretung Berufener (§ 9 VStG) der Firma W. Bau GmbH im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG, am 03.07.2013 um 13:15 Uhr, die slowakischen Staatsangehörigen a) G. R., geb. x, b) H. M., geb. x und M. P., geb. x, als Dienstnehmer, in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit Uhr auf der Baustelle der Fa. W. Bau GmbH in x (Bauherr Dr. J.) als Bauarbeiter beschäftigt. Die in Rede stehenden Beschäftigten waren Ihnen organisatorisch sowie hinsichtlich des Arbeitsortes und der Arbeitszeit maßgeblich unterworfen. Auch bestand eine persönliche Arbeitsverpflichtung und Weisungsgebundenheit. Die Höhe des Entgeltes lag über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG.

Obwohl diese Dienstnehmerinnen nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen und als Beschäftigte in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung voll versichert sind, wurde hierüber eine, zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete Meldung beim zuständigen Krankenversicherungsträger nicht vor Aufnahme der Tätigkeit erstattet.

Sie haben somit gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht des § 33 Abs. 1 ASVG verstoßen.

 

Verwaltungsübertretungen nach § 33 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG).“

 

I.2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Oktober 2014, GZ SV96-24-2013, wurde das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Ermittlungsverfahren ergeben hätte, dass im gegenständlichen Fall die für eine Strafbarkeit notwendigen Tatbestandselemente nicht vorliegen würden und die mitbeteiligte Partei die angelastete Übertretung nicht begangen hätte bzw. die Voraussetzungen für die Einleitung eines weiteren Verfahrens nicht vorliegen würden. Das Verwaltungsstrafverfahren sei somit einzustellen gewesen.

 

I.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig von der Finanzpolizei Team 43 für das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr eingebrachte Beschwerde vom 28. November 2014, mit der im Wesentlichen die Aufhebung des Bescheides und Aussprache eine Bestrafung wegen Übertretung des ASVG beantragt werden.

 

Die Beschwerde ist im Wesentlichen wie folgt begründet:

„Bei der Kontrolle einer Baustelle der W. Bau GmbH wurden unter anderem drei slowakische Arbeiter angetroffen, welche angaben, dass sie selbstständig tätig sind. Festgestellt wurde von Seiten der FinPol aufgrund der Vielzahl von Widersprüchen bei den Aussagen und im Hinblick auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt eine Dienstnehmereigenschaft. Bauherr ist Herr Dr. J. K.

Herr M. gibt bei der Niederschrift vom 3.7.2013 an, dass er den Bauherren Dr. J. in einem Restaurant in S. getroffen habe. Dabei waren ebenfalls Herr H. und Herr G.. Das Gespräch fand voraussichtlich im Februar 2013 statt. Herr M. hat beim Gespräch angegeben, dass er selbstständiger Maurer ist und Herr Dr. J. hat laut Aussage von Herrn M. angegeben, dass er ein Haus baut und noch Leute sucht.

Arbeitsanweisungen würde er vom Polier ‚M.‘ erhalten, der auch jeden Tag auf der Baustelle ist. Das erforderliche Werkzeug mit Ausnahme von Wasserwaage und Kelle wird von der Firma W. zur Verfügung gestellt. Das Material kommt von Dr. J.. Es wird weiter angegeben, dass das vereinbarte Entgelt bei Beendigung der Baustelle gezahlt wird. Zu der Haftungsfrage konnte Herr M. keine Angaben machen, da er das noch nie gehabt hätte. Er könnte sich eine Abschlagszahlung vorstellen.

Am 4.7.2013 wurde mit Herrn Dr. J. eine Niederschrift im Beisein seines Steuerberaters Herrn Mag. H. durchgeführt. Dr. J. gibt an, dass die Arbeiter durch Herrn F. H. von der Firma W. vermittelt wurden, indem er ihm eine Visitenkarte von Herrn M. überreicht hätte. Herr F. gab laut Dr. J. an, dass die Firma W. öfter mit diesen Subunternehmern arbeiten würde. Herr M. gab bei seiner Befragung an, dass er und die beiden anderen Arbeiter das erste Mal in Österreich arbeiten würden. Durch die Inanspruchnahme von ‚Subunternehmern‘ könnte laut Herrn F. der Fixpreis des Hauses reduziert werden. Dies wird als ‚Ich Bau Mit-Bauweise‘ bezeichnet.

Das erste Treffen zwischen Herrn M. und Herrn Dr. J. fand übereinstimmend am 13.6.2013 auf der Baustelle statt. Dort wurde auch der Werkvertrag mit ihm unterzeichnet. Die Werkverträge mit den anderen beiden Maurern wurden jeweils am ersten Arbeitstag unterzeichnet. Mit Herrn G. am 17.6.2013 und mit Herrn H. am 1.7.2013. Die Werkverträge wurden alle am ersten Arbeitstag unterschriftsreif vorgelegt. Dr. J. gab weiter an, dass er bei der Unterzeichnung der Werkverträge zum ersten Mal die tatsächlichen Kosten der Arbeitsleistung erfuhr. Beim Gespräch mit Herrn F. gab dieser an, dass es ca. € 18,- je Stunde sein würde. Widersprüchlich ist auch die Aussage von Herrn M., wonach er erst nach Beendigung der Baustelle bezahlt werden würde. Dr. J. gab an, dass er schon € 3.000,- bezahlt hätte.

Die Arbeiter sind nach Prüfung und der Betrachtung im Rahmen des § 539a ASVG Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG der Firma W. GmbH, da sie in den Arbeitsablauf der Firma W. eingebunden sind. Ein weiteres Indiz für die Eingliederung in die Firma W. ist, dass die Arbeiter von der Firma W. vermittelt wurden.

Ein Werkvertrag ist kein ausreichendes Indiz für die Selbstständigkeit (siehe VwGH 99/08/0102, 2000/08/0159).

Dahingehend gab es bereits Verurteilungen durch den UVS. Herr W. C. war somit mit der Bestimmungen des § 33 (1) ASVG vertraut.

Zusätzlich zum bereits im Strafantrag vom 24. März 2014 Sachverhalt darf auf die in der Rechtfertigung angeführte Aussage, wonach kein Werkzeug der Fa. W. verwendet wurde, erwähnt werden, dass eine Maurertätigkeit mit einer Kelle und einer Wasserwaage (wie niederschriftlich bestätigt) nicht möglich sind. Als Mindestausstattung werden hier eine Ziegelschneidemaschine, eine Mischmaschine oder Baueimer mit Rührgerät und Rührstab für das Anrühren des Mörtels, zusätzlich zur Kelle zumindest eine Mörtelpfanne, ein Maßband und ein Gummihammer.

Bestätigt wurde in der Rechtfertigung die Anwesenheit zumindest eines Maurers der Fa. W. auf der kontrollierten Baustelle und die Lieferung des notwendigen Baumaterials. Dazu ist anzumerken, dass in den Personenblättern der kontrollierten slowakischen Staatsbürger angegeben wurde, dass sie Arbeitsanweisungen von ‚M.‘ erhalten würden. Dabei handelt es sich schlüssigerweise um den Polier der Baustelle H. M., welcher nach eigenen Angaben seit 10.6.2014 auf der Baustelle tätig war und welcher in einem Dienstverhältnis zur Fa. W. stand und wohl auch noch steht. Als Polier hatte er natürlich ein Weisungsrecht gegenüber der slowakischen Arbeiter hinsichtlich des Arbeitsablaufes und der Arbeitszeit. Bei der Kontrolle konnte durch keinen der drei slowakischen Arbeiter ein eigenständiges Werk oder eine in sich geschlossene Einheit vorgewiesen werden. Alle Arbeiter arbeiteten zwangsläufig im Verbund, was zum Zeitpunkt der Kontrolle hinsichtlich des Baufortschrittes gar nicht anders möglich war.

Eine weitere Frage die sich hinsichtlich des festgestellten Sachverhaltes stellt, ist jene der Haftung. Aus dem dargestellten Sachverhalt ist davon auszugehen, dass die Haftung für die Baustelle bei der Fa. W. liegt, wovon wohl auch der Bauherr, Herr Dr. J. K., ausgehen durfte, als er den Bauauftrag vergab.

Hinsichtlich der in der Rechtfertigung vorgebrachten Äußerung, wonach sich Herr Dr. J. nach der Baustellenkontrolle unsicher gefühlt hatte und die drei Arbeiter zur SV angemeldet hat, darf angemerkt werden, dass Herr Dr. J. sich natürlich verunsichert fühlte, da ihm Herr F. von der Fa. W. ja zugesichert hatte, dass alle Subunternehmer legal und zur Sozialversicherung angemeldet wären. Für Herrn Dr. J. war die Fa. W. Ansprechpartner und die Arbeiten auf der Baustelle wurden von Herrn H. oder Herrn G. eingeteilt. Herr Dr. J. nahm die Anmeldung zur SV voraussichtlich nur deshalb vor, weil er mangels Unkenntnis wohl angenommen hatte, dass dann alle Probleme hinsichtlich der Anmeldung zur SV beseitigt wären. Von der Fa. W. hatte er wohl auch in dieser Phase keine Unterstützung.

Abschließend darf angemerkt werden, dass die Geschäftsgebarung der Fa. W. in diesem Fall mehr als fragwürdig ist. Als Bauherr darf man gegenüber dem Bauträger, welchem ja Spezialwissen bei den entsprechenden Bauleistungen zugestanden wird, wohl das Vertrauen haben, dass die ausgesprochenen Empfehlungen im Sinne des Bauherren getroffen werden, welcher im Regelfall ja nicht die notwendigen Kenntnisse in der Materie besitzt. Die Niederschrift mit dem Beschuldigten der Fa. W. lässt eher darauf schließen, dass Herrn Dr. J. Unerfahrenheit im Baugewerbe jetzt genutzt wird, um den angezeigten Straftatbestand auf ihn abzuwälzen.

Aus Sicht der Finanzpolizei liegt daher eine Übertretung des § 111 Abs. 1 ASVG iVm § 33 Abs. 1 ASVG vor.“

 

 

 

 

I.4. Die belangte Behörde hat die Beschwerde gemeinsam mit dem Verfahrensakt mit Schreiben vom 2. Dezember 2014 dem Landesverwaltungsgericht Oö. zur Entscheidungsfindung vorgelegt. Dieses hat gemäß § 2 VwGVG durch Einzelrichter zu entscheiden.

 

I.5. Das Landesverwaltungsgericht Oö. hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 5. Februar 2015. Zu dieser Verhandlung sind ein Vertreter der beschwerdeführenden Partei und die mitbeteiligte Partei gemeinsam mit ihrem rechtsfreundlichen Vertreter gekommen. Zeugenschaftlich wurden Dr. K. J., H. F. und M. H. einvernommen.

 

I.6. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem relevanten Sachverhalt aus:

 

Herr Ing. Mag. C. W. ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der W. GmbH.

Herr Dr. K. J. als Bauherr hat mit Auftrag vom 30.01.2013 die W. GmbH mit der Errichtung eines Einfamilienhauses in Form der „Ich-Bau-Mit – Variante“ beauftragt. Nachdem keine Verwandten bei der Errichtung tätig wurden, hat der Verkäufer der W. GmbH, Herr F., dem Bauherrn Herrn M. als „Helfer“ namhaft gemacht.

 

Dr. J. hat mit den drei slowakischen Arbeitern Werkverträge abgeschlossen. Der Inhalt dieser „Werkverträge“ (Formular) umfasst neben Angabe der Vertragsparteien den Vertragsgegenstand „Maurertätigkeiten bzw. Bauhelfer“ und die Verpflichtung zur Durchführung der Bauarbeiten im Zeitraum von 1.7.2013 bis 27.7.2013 sowie die Verpflichtung des Auftraggebers zur Barzahlung von 2.100 Euro bzw. 2.800 Euro pauschal am 27.7.2013 nach Vollendung der Bauarbeiten.

 

Anlässlich einer Kontrolle durch Organe der Finanzpolizei am 3. Juli 2013 um 13:15 Uhr wurden folgende drei slowakischen Arbeiter bei Maurerarbeiten auf der Baustelle des Herrn Dr. K. J. in x,  angetroffen:

-      R. G., geb. x

-      M. H., geb. x

-      P. M., geb. x

 

Die slowakischen Arbeiter waren in Österreich nicht zur Sozialversicherung angemeldet.

 

Für M. H. wurde eine beglaubigte Übersetzung einer Bescheinigung von der Gewerbeberechtigung, ausgestellt vom Bezirksamt in N., datiert mit 2.7.2010, für die Gewerbeausführung „Vollendungsarbeiten bei der Durchführung von Außen- und Innenbauten“ vorgelegt.

 

Anlässlich der mündlichen Verhandlung wurden von dem Vertreter der beschwerdeführenden Partei A1-Bescheinigungen von M. H. und P. M. vorgelegt.

Mit dem A1-Formular, ausgestellt am 10. Juni 2013, wird Herrn M. bescheinigt, dass er für den Zeitraum vom 3. Juni bis 27. Juli 2013 als Arbeitnehmer des Herrn J. K., entsandt wird und den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften der Slowakei unterstellt bleibt.

Herrn M. H. wird mit dem A1-Formular, ausgestellt am 8. Juli 2013, bescheinigt, dass er für den Zeitraum vom 1. Juli bis 27. Juli 2013 als Arbeitnehmer des Herrn J. K., entsandt wird und den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften der Slowakei unterstellt bleibt. 

 

Mit Schriftsatz vom 15. April 2015 wurde von der mitbeteiligten Partei eine A1-Bescheinigung für R. G. vorgelegt. Darin wird Herrn G. bescheinigt, dass er für den Zeitraum vom 17. Juni bis 10. August 2013 als Arbeitnehmer des Herrn J. K., entsandt wird und den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften der Slowakei unterstellt bleibt.

 

II. Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt, den Aussagen des Vertreters der beschwerdeführenden Partei und den Aussagen der mitbeteiligten Partei in der mündlichen Verhandlung sowie jener der Zeugen und den im Zuge der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen widerspruchsfrei.

 

 

III. Rechtslage

 

Als Dienstnehmer gilt gemäß § 4 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) derjenige, der in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird, wobei hiezu auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen; unabhängig davon gelten Personen jedenfalls dann als Dienstnehmer, wenn sie entweder mit einem Dienstleistungsscheck nach dem Dienstleistungsscheckgesetz entlohnt werden, oder wenn sie nach § 47 Abs. 1 iVm Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lohnsteuerpflichtig sind, soweit es sich nicht um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. a oder b EStG oder um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen, handelt.

 

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

 

Nach § 33 Abs. 1a leg. cit. kann der Dienstgeber die Anmeldeverpflichtung so erfüllen, dass er in zwei Schritten meldet, und zwar

1.    vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. die Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben Anmeldung) und

2.    die noch fehlenden Angaben innerhalb von sieben Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung (vollständige Anmeldung).

 

Nach § 111 Abs. 1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß § 111 Abs. 2 leg. cit. ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2180 Euro, im Wiederholungsfall von 2180 Euro bis 5000 Euro, bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligen Handeln nach Abs. 1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 539a leg. cit. ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.

Nach Abs. 2 können durch den Missbrauch von Formen und durch Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz, besonders die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden.

Ferner ist gemäß Abs. 3 ein Sachverhalt so zu beurteilen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre.

Abs 4 besagt: Scheingeschäfte und andere Scheinhandlungen sind für die Feststellung eines Sachverhaltes nach diesem Bundesgesetz ohne Bedeutung. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Beurteilung maßgebend.

Gemäß Abs. 5 gelten Grundsätze, nach denen

1.   die wirtschaftliche Betrachtungsweise,

2.   Scheingeschäfte, Formmängel und Anfechtbarkeit sowie

3.   die Zurechnung

nach den §§ 21 und 24 der Bundesabgabenordnung für Abgaben zu beurteilen sind, auch dann, wenn eine Pflichtversicherung und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten nach diesem Bundesgesetz zu beurteilen sind.

 

 

IV. Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich:

 

IV.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in dem Fall, dass in einem Mitgliedsstaat ein Formular E101 ausgestellt wurde, wonach eine Person den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften dieses Mitgliedsstaates unterworfen ist, der zuständige Träger eines anderen Mitgliedsstaates an die Angaben in der Bescheinigung gebunden und kann den fraglichen Arbeitnehmer nicht seinem eigenen System der sozialen Sicherheit unterstellen, so lange die Bescheinigung nicht zurückgezogen oder für ungültig erklärt wird. Das entsprechende Formular ist ein die anderen Mitgliedsstaaten bindendes Instrument zur Feststellung der Anwendbarkeit der Rechtsvorschriften jenes Staates, der eine solche Bescheinigung ausgestellt hat. Bei Zweifel über die Richtigkeit der Anwendung der EG-Verordnung durch den Entsendestaat kann die „Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer“ um Vermittlung angerufen werden. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat im Urteil vom 30. März 2000 in der Rechtssache C-178/97 (Banks ua) hinsichtlich der E101-Bescheinigung ausgesprochen, dass sie den Träger des Mitgliedsstaates, in den sich der Selbstständige zur Ausführung seiner Arbeit begibt, in Bezug auf die anzuwendenden sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften bindet, solange sie nicht zurückgezogen oder ungültig erklärt worden ist. Der EuGH hat weiters ausgesprochen, dass eine E101-Bescheinigung auch Rückwirkung entfalten kann (vgl. VwGH 23.05.2012, 2009/08/0204 sowie VwGH 16.03.2011, 2010/08/0231).

 

IV.2. Den Herren G., H. und M. wurden jeweils vom slowakischen Sozialversicherungsträger A1-Bescheinigungen (vormals: E101) ausgestellt, welche zum in der Aufforderung zur Rechtfertigung vorgeworfenen Tatzeitpunkt den Namen und die Adresse des Herrn Dr. J. als „Ort an dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird“ (Punkt 5. im Formular) ausweisen. In Zusammenschau mit der zitierten Rechtsprechung besteht eine Bindung an diese im Verfahren vorgelegten A1-Bescheinigungen. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hegt keine Zweifel an der Richtigkeit der den Bescheinigungen zugrunde liegenden Sachverhalte, sodass kein Grund vorliegt, wonach eine Anstrengung eines Verfahrens vor der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer gerechtfertigt wäre. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in den Bescheinigungen angegeben ist, dass die Arbeiter „entsandt“ wurden, was feststellungsgemäß nicht der Fall war.

 

Die slowakischen Arbeiter sind jedenfalls in den in Rede stehenden Zeiträumen in Österreich nicht der Pflichtversicherung unterlegen und hat die mitbeteiligte Partei demnach keine Pflicht getroffen, diese zur Sozialversicherung anzumelden.

 

 

V. Im Ergebnis war die Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag.a Gabriele Saxinger