LVwG-750270/10/MZ

Linz, 10.06.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde der B P M. Z, geb x, vertreten durch RA Mag. S S, M-Straße 9, W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 4.3.2015, BZ-Auf-9015-2013, wegen der Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 4.3.2015, BZ-Auf-9015-2013, wurde der Erstantrag der Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ gemäß § 46 Abs 1 Z 2 lit c NAG abgewiesen.

 

Ihre Entscheidung begründend führt die belangte Behörde folgendes aus:

 

„Sie haben am 29.08.2013 persönlich einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot Karte Plus" bei der österreichischen Botschaft in Islamabad, Pakistan, eingebracht, der am 27.09.2013 bei der hs. Behörde eingelangt ist.

 

Nach Prüfung der eingereichten Unterlagen stellt sich folgender maßgeblicher Sachverhalt dar:

 

Als Aufenthaltszweck haben Sie die Familienzusammenführung mit Ihrem Gatten R N, Staatsbürger von Afghanistan und Asylberechtigter seit 10.08.2005, angegeben. Sie sind somit Familienangehöriger lt. § 2 Abs. 1 Z. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz NAG.“

 

Es folgt die Wiedergabe der einschlägigen rechtlichen Bestimmungen. Im Anschluss setzt die belangte Behörde fort:

 

„Dem ggstl. Antrag war weder ein Sprachdiplom gem. § 21a Abs. 1 NAG beigelegt, noch wurde ein Nachweis gem. § 14a oder § 14b NAG vorgelegt.

 

Vorgelegt wurde eine Bestätigung eines Neurologen, ob aus Pakistan oder aus Afghanistan ist nicht ersichtlich, dass Sie seit drei Jahren in psychischer Behandlung sind. Da dieser Arzt jedoch weder ein Amtsarzt ist noch ein Vertrauensarzt einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde, gilt diese Bestätigung nicht als Ausnahmetatbestand gem. § 21a Abs. 4Z 2 NAG.

Die Erteilungsvoraussetzung, dass bereits mit Stellung eines Erstantrages Deutschkenntnisse gem. § 21a Abs. 1 NAG nachgewiesen werden müssen, ist somit nicht erfüllt.

 

Bei vielen Vorsprachen Ihres Gatten bei der hs. Behörde sowie mehreren Telefonaten mit Ihrer Rechtsvertreterin wurden Möglichkeiten gesucht, die Erteilungsvoraussetzung zu erfüllen, entweder durch das Ablegen einer entsprechenden Deutsch-Prüfung oder durch die Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens oder eines Gutachten eines Vertrauensarztes.

 

Obwohl Sie sich ganz offensichtlich darum bemühten und Ihnen von der hs. Behörde auch die dafür benötigte Zeit gewährt wurde, die Voraussetzung zu erfüllen, war es Ihnen bisher nicht möglich den notwendigen Nachweis zu erbringen.

 

Gem. § 21a Abs. 5 NAG kann die Behörde auf begründeten Antrag eines Drittstaatsangehörigen von einem Nachweis nach Abs. 1 absehen zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3 NAG).“

 

Es folgt die Wiedergabe des Art 8 EMRK sowie des § 11 Abs 3 NAG. Im Anschluss wird die Begründung wie folgt fortgesetzt:

 

„Das Ihrem Antrag beigelegte ärztliche Schreiben in Verbindung mit den Vorsprachen Ihres Gatten und den Telefonaten und Schreiben mit Ihrer Rechtsvertreterin wird von der hs. Behörde als begründeter Antrag gem. § 21a Abs. 5 NAG gewertet.

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten hat die hs. Behörde folgendes erwogen:

 

Sie haben sich bisher noch nie in Österreich aufgehalten und haben daher auch nicht gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts verstoßen oder strafrechtlich relevante Delikte begangen.

Dadurch, dass Sie sich bisher noch nie in Österreich aufgehalten haben, ist Ihre einzige - wenn auch sehr starke - Bindung zu Österreich Ihr im Bundesgebiet niedergelassener Ehemann.

 

Sie sind in Ihrem Heimatstaat aufgewachsen und mit den dortigen Sitten und Gebräuchen vertraut. Somit sind auch entsprechende Bindungen zu Ihrem Heimatstaat gegeben. Sie sprechen natürlich auch Ihre Heimatsprache, die deutsche Sprache beherrschen Sie laut Ihrem Gatten nicht, auch nicht auf ganz einfachem Niveau. Eine Integration in Österreich liegt demnach naturgemäß auch nicht vor. Ihr Lebensmittelpunkt mit all den zugehörigen sozialen Kontakten und Bindungen liegt ausschließlich im Heimatland.

 

Die Eheschließung und damit der Beginn zur Bindung an Ihren Mann und des Bezugs zu Österreich war am 05.09.2010. Ein Privat- und Familienleben besteht seit Ihrer Eheschließung nur in einer sehr eingeschränkten Form und zwar darin, dass Ihr Ehegatte einen Teil seines Urlaubs mit Ihnen in einem Drittstaat, außerhalb Ihres Heimatlandes, verbringt und Sie mittels verschiedener technischer Kommunikationsformen laufend in Kontakt stehen. Ihr Privat- und Familienleben hat daher noch nicht jenen Stellenwert, der notwendig ist, um daraus einen Aufenthaltstitel ableiten zu können.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 08.10.2003, ZI. G119/03, festgestellt, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seiner Judikatur einer Ausländerfamilie nicht das unbedingte Recht auf ein gemeinsames Familienleben in einem Vertragsstaat zugesteht. Art. 8 EMRK umfasst nicht die generelle Verpflichtung eines Vertragsstaates, die Wahl des Familienwohnsitzes durch die verschiedenen Familienmitglieder anzuerkennen und die Zusammenführung einer Familie auf seinem Gebiet zu erlauben. Auch beinhaltet Art. 8 EMRK nicht das Recht, den am meisten geeigneten Ort für die Entwicklung des Familienlebens zu wählen. Des weiteren besteht laut EMGR nicht die grundsätzliche Verpflichtung zur Herstellung des Familienlebens. Jeder Vertragsstaat habe das Recht, die Einreise von Nichtstaatsangehörigen einer Kontrolle zu unterwerfen.

 

Der österreichische Staat hat diese Kontrolle der Einreise von Nichtstaatsangehörigen u.a. durch § 21a NAG umgesetzt, mit der geregelt ist, dass Drittstaatsangehörige mit der Stellung eines Erstantrages gem. § 8 Abs. 1 Z 2 NAG Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen haben.

 

Zusammenfassend ist für die hs. Behörde sehr wohl nachvollziehbar, dass Sie sich gemeinsam mit Ihrem Gatten in Österreich niederlassen möchten. Jedoch ist aus den o.a. Abweisungsgründen den öffentlichen Interessen (= gesetzliche Regelungen zur Kontrolle der Einreise von Nichtstaatsangehörigen) gegenüber Ihren privaten Interessen absolute Priorität einzuräumen. Besonders berücksichtigungswürdige humanitäre Gründe, die für eine andere Beurteilung sprechen würden, sind im konkreten Fall nicht ersichtlich. So erscheint es im Rahmen einer Gesamtschau etwa durchaus möglich und zumutbar, das Familienleben - wie derzeit auch - durch regelmäßige Besuche aufrecht zu erhalten.

 

Anhand der vorgelegten Unterlagen und des im Ermittlungsverfahren festgestellten Sachverhaltes konnte nicht festgestellt werden, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder einer Dokumentation mit einem anderen Aufenthaltszweck als beantragt möglich ist.

 

Dieser Sachverhalt war Ihnen über Ihre Rechtsanwältin im Wege der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 16.12.2014 nachweislich zur Kenntnis gebracht worden, insbesondere die Absicht der Behörde, den gegenständlichen Antrag abzuweisen.

Am 02.02.2015 langte durch Ihre Rechtsvertreterin eine Stellungnahme ein, in der zusammengefasst festgestellt wird, dass sich der maßgebliche Sachverhalt so darstellt wie von der hs. Behörde angeführt.

 

Somit hat sich auch am dargestellten Sachverhalt keine Veränderung ergeben.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 3 EMRK ist die Verweigerung des Aufenthaltstitels, sofern damit das Privat- und Familienleben des Antragstellers angegriffen würde nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK notwendigen Ziele notwendig ist.

 

Im Sinne der damit geforderten Notwendigkeit darf ein Aufenthaltstitel nicht verweigert werden, wenn die Auswirkungen einer solchen Entscheidung auf die Lebenssituation des Fremden oder seiner Familie schwerer wiegen, als die nachteiligen Folgen der Nichterteilung des Aufenthaltstitels.

 

Bei dieser Abwägung ist auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Antragstellers und seiner Familienangehörigen sowie die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.

 

Bei Abwägung Ihrer privaten Interessen mit den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK hat die hs. Behörde, wie bereits ausführlich dargelegt, sehr wohl berücksichtigt, dass durch den Aufenthalt Ihres Gatten familiäre Bindungen zum Bundesgebiet bestehen.

 

Dennoch musste im Hinblick auf das Vorliegen der oben erläuterten Abweisungsgründe den öffentlichen Interessen gegenüber Ihren privaten Interessen absolute Priorität eingeräumt werden. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

 

II. Gegen den genannten Bescheid erhob die Bf im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

Im Rechtsmittelschriftsatz führt die Bf folgendes aus:

 

„Ich erhebe zunächst mein gesamtes bisheriges Vorbringen zum Inhalt dieses Beschwerdeschriftsatzes und hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung eine inhaltliche anders lautende Entscheidung ergehen müssen.

 

Die negative Entscheidung erging mit der Begründung, dass dem gegenständlichen Antrag weder ein Sprachdiplom gem. § 21 Abs. 1 NAG beigelegt war, noch ein Nachweis gem. § 14a oder § 14b vorgelegt wurde.

 

Gem. § 21a Abs. 4 Z. 2 NAG ist es möglich, dass auf Grund des psychischen oder physischen Gesundheitszustandes die Erbringung des Nachweises nicht zugemutet werden kann, dies hat der Drittstaatsangehörige durch ein amtsärztliches Gutachten oder ein Gutachten eines Vertrauensarztes einer Österreichischen Berufsvertretungsbehörde nachzuweisen.

 

Im gegenständlichen Fall wurde von der Beschwerdeführerin eine Bestätigung eines Neurologen vorgelegt, bei dem die Beschwerdeführerin seit 3 Jahren in psychischer Behandlung ist. Die Behörde führt dies bezüglich aus, dass nicht ersichtlich sei, ob der Arzt aus Pakistan oder Afghanistan sei und dieser Arzt weder ein Amtsarzt noch ein Vertrauensarzt einer Österreichischen Berufsvertretungsbehörde sei. Die Bestätigung würde daher nicht den Ausnahmetatbestand gern, § 21a Abs, 4 Z. 1 NAG erfüllen. Aus diesem Grund wäre die Erteilungsvoraussetzung, dass bereits mit Stellung eines Erstantrages Deutschkenntnisse gern, §21 a Abs. 1 NAG nachgewiesen werden müssen, nicht erfüllt und wäre der Antrag negativ zu bescheiden gewesen.

 

Trotz umfangreicher Bemühungen ist es der Beschwerdeführerin nicht gelungen, die A1-Deutschprüfung erfolgreich abzulegen bzw. einen ärztlichen Nachweis dafür zu erbringen, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, die Prüfung positiv abzulegen.

 

Tatsache ist, dass es weder in Afghanistan noch in Pakistan einen Amtsarzt oder einen Vertrauensarzt einer Österreichischen Berufsvertretungsbehörde gibt und daher jegliche ärztliche Bestätigungen aus Pakistan oder Afghanistan nicht als Grundlage für den Befreiungstatbestand des § 21a Abs. 4 Z. 2 NAG herangezogen werden können. Es ist daher per se für Antragssteller aus Pakistan oder Afghanistan nicht möglich, den im Gesetz normierten Ausnahmetatbestand von der Erbringung des Nachweises von Deutschkenntnissen auf A1-Niveau in Anspruch zu nehmen. Dieser gesetzliche Ausnahmetatbestand geht daher im gegenständlichen Fall völlig ins Leere.

 

Gem. § 21a Abs. 5 NAG kann die Behörde auf begründeten Antrag eines Drittstaatsangehörigen von einem Nachweis gem. § 21 Abs. 1 NAG absehen, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

 

Die erstinstanzliche Behörde führt diesbezüglich aus, dass es viele Vorsprachen des Ehegatten der Beschwerdeführerin gab bzw. zahlreiche Telefonate mit der gefertigten Rechtsvertreterin geführt wurden, um Möglichkeiten zu suchen, um die Erteilungsvoraussetzungen zu erfüllen. Es wurden daher über einen langen Zeitraum alle nur möglichen Bemühungen gesetzt, trotzdem war es der Beschwerdeführerin nicht möglich, die entsprechenden Nachweise zu erbringen.

 

In weiterer Folge prüft die erstinstanzliche Behörde, ob die Kriterien des Art, 8 EMRK ausreichend sind, um die Voraussetzung des § 21a Abs. 5 NAG zu erfüllen.

 

Es werden dies bezüglich die einzelnen Kriterien des § 11 Abs. 3 NAG herangezogen und jeweils einer Beurteilung unterworfen. Im gegenständlichen Fall sind jedenfalls das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens erfüllt, da die Beschwerdeführerin seit beinahe 5 Jahren verheiratet ist und es laufend persönlichen oder fernmündlichen Kontakt gab. Dies allein deshalb, da es bislang nicht möglich war, dass die Beschwerdeführerin zu ihrem Ehegatten nach Österreich zieht. Die Bindungen zum Heimatstaat sind naturgemäß nicht so groß wie die Bindungen zu ihrem Ehegatten, welcher langjährig in Österreich aufhältig und hier integriert ist. Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten, es liegen keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung vor, das Familienleben entstand nicht zu einem Zeitpunkt, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und ist auch Punkt 9. des § 11 Abs. 3 NAG nicht erfüllt.

 

Ergänzend ist auszuführen, dass es nach der afghanischen Tradition für eine Frau eine große Schande ist, wenn sie - obwohl sie bereits jahrelang verheiratet ist -nicht mit ihrem Ehemann zusammen lebt und deren Familie nach wie vor für die Frau aufkommen muss. Dies ist eine in dieser Tradition sehr unangenehme Situation und kann aus diesem Grund nicht damit argumentiert werden, dass die Beschwerdeführerin nach wie vor in Afghanistan ihren Lebensmittelpunkt und die dazugehörige Sozialen Kontakte hätte. Natürlich ist es so, dass eine Frau alleine nicht überlebensfähig ist in einem derartigen Land und wird dort die Ansicht vertreten, dass die Frau zum Ehegatten gehört und diese nach einer Heirat nicht jahrelang weiter von der Familie erhalten werden muss.

 

Im gegenständlichen Fall ist daher der Ausnahmetatbestand des § 21a Abs. 5 NAG erfüllt und hätte eine positive Entscheidung hinsichtlich der Familienzusammenfügung ergehen müssen.“

 

Die Bf beantragt daher, eine öffentliche mündliche Verhandlung abzuhalten, den angefochtenen Bescheid zu beheben und den beantragten Aufenthaltstitel zu erteilen.

 

III.a.) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt sowie die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 2.6.2015, an der der Gatte der Bf als Zeuge sowie eine Vertreterin der belangten Behörde teilgenommen haben. Nicht erschienen sind sowohl die die Verhandlung beantragt habende Bf wie auch ihre Rechtsvertretung.

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem, unstrittigen Sachverhalt aus:

 

Die strafrechtlich unbescholtene, am x geborene Bf ist afghanische Staatsangehörige und des Lesens und Schreibens unkundig. Sie lebt derzeit in Afghanistan, war bis vor kurzem jedoch in Pakistan wohnhaft. In Österreich hat sie sich bislang nicht aufgehalten.

Die Bf hat am G-Institut an Deutschkursen teilgenommen, vermag jedoch keinen positiven Kursabschluss nachzuweisen. Im Verfahren hat die Bf ein mit 15.9.2013 datiertes Schreiben sowie eine beglaubigte Übersetzung desselben des Neurologen Dr. M Y W vorgelegt. Das Schreiben hat folgenden Inhalt: „Es wird hiermit bestätigt, dass Frau P, Tochter des M Z, aufgrund ihrer Krankheit mood tistorte – (Dysthymie) und psychischer Besorgnis seit drei Jahren bei uns behandelt wird. Es sollten ab jetzt die Faktoren ihrer Krankheit und Lernbelastungen vermieden werden.“ Zudem hat die Bf ein Schreiben des B H C Centers vom 24.3.2014 vorgelegt. Dieses hat folgenden Inhalt: „B H C Center certifies that Y D/o A H a 24 old lady visited to our O departement with her main complaint of severe headache and anxiety. After her medical examination and systematic investigation she is diagnosed severe depression due to some of her social problem. The patient is now under treatment in B H C Center.“

 

Es gibt in Afghanistan keine österreichische Botschaft, die pakistanische Botschaft hat keinen Vertrauensarzt bestellt.

 

Am 5.9.2010 ehelichte die Bf in Pakistan den am x geborenen Herrn R N. Die Bf und ihr Gatte sind im selben Dorf in Afghanistan aufgewachsen und kennen sich seit ihrer Kindheit. Der Gatte der Bf kam im Jahr 2003 als Asylwerber nach Österreich; sein Asylantrag wurde in Folge positiv erledigt. Seither ist der Gatte der Bf in Österreich wohnhaft.

 

Die Bf und ihr Gatte haben mehrmals in der Woche telefonischen Kontakt. Darüber hinaus reiste der Gatte der Bf, beginnend im Jahre 2008, mehrfach für einen Zeitraum von ca 45 Tagen nach Pakistan zu seiner bis vor kurzem dort aufhältigen Gattin. Die Ehe der Bf ist kinderlos. Die Bf, eine Näherin, lebt derzeit in Afghanistan bei der Familie ihres Gatten.

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a.1) Die einschlägigen rechtlichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG lauten in der geltenden Fassung:

 

„Bestimmungen über die Familienzusammenführung

§ 46. (1) Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus” zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und

1.

der Zusammenführende einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte” gemäß § 41 oder einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus” gemäß § 41a Abs. 1 oder 4 innehat, oder

2.

ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende

a)

einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU” innehat,

b)

einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus”, ausgenommen einen solchen gemäß § 41a Abs. 1 oder 4 innehat, oder

c)

Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt.

 

Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) …

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1.

der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2.

der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3.

der Fremde über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4.

der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5.

durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

6.

der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 (4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

1.

sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2.

der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können.

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung (Abs. 2 Z 15 oder 18), ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.“

 

Nachweis von Deutschkenntnissen

§ 21a. (1) Drittstaatsangehörige haben mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6 oder 8 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms oder Kurszeugnisses einer durch Verordnung gemäß Abs. 6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom oder das Kurszeugnis darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.

(2) Abs. 1 gilt auch für Drittstaatsangehörige, die einen Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6 oder 8 im Zuge eines Verfahrens gemäß § 24 Abs. 4 oder § 26 stellen.

(3) Der Nachweis gilt überdies als erbracht, wenn die Voraussetzungen zur Erfüllung des Moduls 1 oder 2 der Integrationsvereinbarung (§§ 14a und 14b) vorliegen.

(4) Abs. 1 gilt nicht für Drittstaatsangehörige,

1. die zum Zeitpunkt der Antragstellung unmündig sind,

2. denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes die Erbringung des Nachweises nicht zugemutet werden kann; dies hat der Drittstaatsangehörige durch ein amtsärztliches Gutachten oder ein Gutachten eines Vertrauensarztes einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde nachzuweisen, oder

3. die Familienangehörige von Inhabern eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 41 Abs. 1, 42 oder 45 Abs. 1, letztere sofern der Zusammenführende ursprünglich einen Aufenthaltstitel „Blaue Karte EU“ innehatte, sind.

 (5) Die Behörde kann auf begründeten Antrag eines Drittstaatsangehörigen von einem Nachweis nach Abs. 1 absehen:

1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17) zur Wahrung des Kindeswohls, oder

2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3).

Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(6) Durch Verordnung des Bundesministers für Inneres sind jene Einrichtungen zu bestimmen, deren Sprachdiplome und Kurszeugnisse als Nachweis gemäß Abs. 1 gelten.

 (7) Der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres für den örtlichen Wirkungsbereich einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde im Ausland durch Verordnung auch andere als in der Verordnung gemäß Abs. 6 genannte Einrichtungen bestimmen, deren Sprachdiplome und Kurszeugnisse als Nachweis gemäß Abs. 1 gelten, wenn diese Einrichtungen mit den in der Verordnung gemäß Abs. 6 genannten Einrichtungen vergleichbare Standards einhalten. Solche Verordnungen sind durch Anschlag an der Amtstafel der jeweiligen Berufsvertretungsbehörde kundzumachen und gelten für den Zeitraum eines Jahres ab Kundmachung.“

 

a.2) Die einschlägige Bestimmung der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzdurchführungsverordnung lautet in der geltenden Fassung:

 

„Nachweis von Deutschkenntnissen

§ 9b. (1) Kenntnisse der deutschen Sprache zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau im Sinne des § 21a Abs. 1 NAG entsprechen dem A1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen, Berlin u.a., Langenscheidt 2001).

(2) Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse im Sinne des § 21a Abs. 1 NAG gelten allgemein anerkannte Sprachdiplome oder Kurszeugnisse von folgenden Einrichtungen:

1.

Österreichisches Sprachdiplom Deutsch;

2.

G-Institut e.V.;

3.

T GmbH;

4.

Österreichischer Integrationsfonds.

(3) Aus dem Sprachdiplom oder Kurszeugnis muss hervorgehen, dass der Fremde über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest auf A1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt. Andernfalls gilt der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse als nicht erbracht.“

 

b.1) Es steht außer Streit, dass die Bf im Verfahren keinen Nachweis über dem § 21a NAG entsprechende Deutschkenntnisse erbracht hat.

 

Wenn sich die Bf auf den Ausnahmetatbestand des § 21a Abs 4 Z 2 NAG stützt ist ihr zu entgegnen, dass sie kein amtsärztliches Gutachten oder ein Gutachten eines Vertrauensarztes einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde vorgelegt hat, aus welchem hervorginge, dass ihr auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes die Erbringung eines solchen Nachweises nicht zugemutet werden kann. Selbst wenn man, entgegen dem Wortlaut der zitierten Bestimmung, davon ausginge, dass – wie hier – im Falle des Nichtvorhandenseins einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde in einem Land bzw darüber hinaus im Nichtvorhandensein eines Vertrauensarztes einer solchen im Nachbarland ein Gutachten eines „normalen“ Arztes ausreicht, würde dies der Bf nicht zum Erfolg verhelfen. Der Neurologe Dr. M Y W bestätigt nämlich lediglich, dass die Bf „aufgrund ihrer Krankheit mood tistorte – (Dysthymie) und psychischer Besorgnis seit drei Jahren bei uns behandelt wird“ und „ab jetzt die Faktoren ihrer Krankheit und Lernbelastungen vermieden werden [sollten].“ Abgesehen davon, dass die Bestätigung bereits vom 15.9.2013 stammt und schon deshalb keine Auskunft über den aktuellen Gesundheitszustand der Bf zu geben vermag, ist dieser lediglich zu entnehmen, dass die Bf „Lernbelastungen“ vermeiden sollte. In einem sachgemäßen Gutachten werden jedoch beweiserhebliche Tatsachen festgestellt (Befundaufnahme), zusammengefasst (Befund) und aus dem Befund rechtsrelevante Schlüsse gezogen und begründet (Gutachtenserstattung). Von einem derartig aufgebauten, nachvollziehbarem und schlüssigem Gutachten, dem entnommen werden könnte, dass die Bf gesundheitlich nicht in der Lage ist, die geforderten Deutschkenntnisse zu erlernen und eine Prüfung darüber positiv abzuschließen, kann bei dem Schreiben des Dr. W nicht ausgegangen werden. Gleiches gilt für das Schreiben des B H C Centers, sofern sich dieses, was stark zu bezweifeln ist, überhaupt auf die Bf beziehen sollte. Diesem ist nämlich zu entnehmen, dass „Y D/o A H a 24 old lady“ behandelt wurde. Die Bf war im Zeitpunkt der Erstellung des Schreibens freilich 27 Jahre alt und trägt einen anderen Namen.

 

Der Ausnahmetatbestand des § 21a Abs 4 Z 2 NAG kommt daher nicht zur Anwendung.

 

b.2) Die Behörde kann zudem von dem Nachweis von Deutschkenntnissen gemäß § 21a Abs 5 Z 2 NAG auf begründeten Antrag eines Drittstaatsangehörigen zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK absehen. Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig.

 

Bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides findet sich ein solcher begründeter Antrag im vorliegenden Verwaltungsakt nicht. Selbst wenn man zugunsten der Bf von der Rechtzeitigkeit eines solchen Antrags im Wege der Beschwerde ausgeht, vermag ihr dies jedoch nicht zum Erfolg verhelfen:

 

Art 8 EMRK verlangt in einem Fall wie dem hier vorliegenden eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch Wahrung eines geordneten Fremdenwesens mit dem persönlichen Interesse der Bf, einen Nachweis entsprechender Deutschkenntnisse nicht erbringen zu müssen. § 21a Abs 5 Z 2 NAG verweist für diese Prüfung auf die in § 11 Abs 3 NAG festgelegten Kriterien. Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge obliegt es in diesem Zusammenhang grundsätzlich dem bzw der Fremden, integrationsbegründende Umstände, denen maßgebliche Bedeutung zukommen könnte, geltend zu machen (VwGH 22.1.2014, 2012/22/0245).

 

Im Sinne des § 11 Abs 3 NAG ist für die Bf ins Treffen zu führen, dass sie strafgerichtlich unbescholten ist und Verstöße gegen die öffentliche Ordnung nicht vorliegen. Insbesondere dass die Bf nicht – wie vielfach in ähnlich gelagerten Fällen – illegal nach Österreich eingereist ist, muss positiv vermerkt werden. Dies führt freilich auch dazu, dass ein integrationsbegründender Aufenthalt in Österreich nicht stattgefunden hat und die Bindungen zum Heimatstaat der Bf nach wie vor zur Gänze vorhanden und nie abgerissen sind. Ausschlaggebend im vorliegenden Fall sind nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich jedoch vor allem die Punkte des tatsächlichen Bestehens eines Familienlebens und die Frage, zu welchem Zeitpunkt dieses entstanden ist.

 

Vorab ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht verkennt, dass im Rahmen der Abwägung nach Art 8 EMRK dem Bestehen einer Ehe mit einem dauerhaft niedergelassenen Partner große Bedeutung zukommt (VwGH 19.12.2012, 2009/22/0257; 11.11.2013, 2013/22/0224) und dass der Ehemann der Bf über den Status eines Asylberechtigten und somit über ein dauerndes Aufenthaltsrecht in Österreich verfügt. Auch wird nicht verkannt, dass dem Gatten der Bf eine Ausreise in den gemeinsamen Heimatstatt nicht zuzumuten ist und daher eine negative Erledigung des Antrages der Bf nur aufgrund eines besonderen öffentlichen Interesses zulässig ist (vgl VwGH 13.11.2012, 2011/22/0081 mwN).

 

Im ggst zu beurteilenden Fall muss jedoch von einem solchen massiven Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels für die Bf ausgegangen werden: Es ist nämlich nicht etwa so, dass die Bf und ihr (nunmehriger) Gatte bereits vor der im Jahr 2003 stattgefunden habenden Einreise des Ehemannes der Bf nach Österreich ein gemeinsames Familienleben in Form einer Lebensgemeinschaft (zur diesbzgl Gleichstellung mit einer Ehe siehe VwGH 30.8.2011, 2009/21/0197; 9.9.2013, 2013/22/0220) geführt hätten und daher die Fortsetzung eines bereits im Heimatstaat bestehenden Familienlebens in Österreich zu thematisieren wäre; zumindest wurde dies im Verfahren weder von der Bf noch von ihrem als Zeugen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung befragten Gatten ins Treffen geführt. Dafür, dass dies nicht der Fall gewesen sein dürfte, sprechen auch die Geburtsdaten der beiden in Rede stehenden Personen; die Bf war im Zeitpunkt der Ausreise ihres Gatten aus dem Heimatstaat 16 Jahre, der Ehemann der Bf 17 Jahre alt.

 

Die Eheschließung fand im Jahr 2010 und damit in einem Zeitpunkt statt, in welchem der Gatte der Bf bereits sieben Jahre lang in Österreich aufhältig war. Es musste den beiden Ehepartnern freilich zu diesem Zeitpunkt klar sein, dass ein gemeinsames Eheleben allenfalls außerhalb des Heimatstaates stattfinden kann. Dementsprechend ist das bestehende Familienleben auch nicht stark ausgeprägt: Die Bf und ihr Gatte haben, nachdem sie sich jahrelang nicht gesehen hatten, in Summe lediglich mehrere Monate gemeinsam in Pakistan verbracht und telefonieren mehrfach wöchentlich miteinander. Dass bereits hierdurch eine schützenswerte Verbindung zwischen den beiden geschaffen wurde, vermag jedoch vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht erkannt zu werden.

 

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass der Gatte der Bf in der öffentlichen mündlichen Verhandlung ausgesagt hat, die Bf auch in Hinkunft – wie bisher – in Pakistan treffen zu können. Die Aufrechterhaltung des Familienlebens in der bisherigen Form ist daher auch ohne die positive Erledigung des Antrags der Bf möglich.

 

Auch Art 8 EMRK ermöglicht es aufgrund der dargelegten Überlegungen nicht, vom Nachweis entsprechender Deutschkenntnisse der des Lesens und Schreibens unkundigen Bf abzusehen, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen ist.

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da der als Abweisungsgrund herangezogene Eingriff in das im konkreten Fall nicht als schutzwürdig erkannte Familienleben der Bf und ihres Gatten eine Einzelfallprüfung darstellt und nicht verallgemeinerungsfähig ist. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Dr. Markus Zeinhofer