LVwG-150288/5/VG/EG - 150302/2

Linz, 21.07.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Verena Gubesch über die Beschwerden 1. der Oö. U, in Linz, 2. der A P und 3. des R P, 4. der K M und 5. des C M, 6. der M K und 7. des R K, 8. der S P und 9. des O P, 10. der H D und 11. des S D, 12. der H I und 13. des M I sowie 14. der V S und 15. des A S, alle in A-P, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde A-P vom 27.5.2014, GZ. GA6-Bau-402-76/2012-Li, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben,

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde der unter 
1. genannten Beschwerdeführerin stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben. Der Antrag der
S. S. Ges.m.b.H. vom 21.12.2012 auf Erteilung der Baubewilligung zur Erweiterung der Getränkeproduktion durch zwei Hallenschiffe auf näher bezeichneten Grundstücken der KG A-P wird gemäß § 35 Abs. 1 Z 2 Oö. Bauordnung 1994 iVm Anlage 1 zur Oö. Betriebstypenverordnung 1997 abgewiesen.

 

II.      Die unter 2. bis 15. genannten Beschwerdeführer werden mit ihren Beschwerden auf Spruchpunkt I. verwiesen.

 

III.         Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

IV.      

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Verfahrensgang:

 

1. Mit Eingabe vom 21.12.2012 (am selben Tag bei der erstinstanzlichen Baubehörde eingelangt) beantragte die S. S Ges.m.b.H. (in der Folge: Bauwerberin) die Erteilung der Baubewilligung zur Erweiterung der Getränkeproduktion durch zwei Hallenschiffe auf näher bezeichneten Grundstücken der KG A-P.

 

2. Mit Schreiben vom 7.3.2013 führte der bautechnische Amtssachverständige im Zuge der erstbehördlichen Vorprüfung aus, bei der Firma der Bauwerberin handle es sich um einen Betrieb mit industriellem Charakter. Der Bestand verteile sich auf einer Grundfläche von mehr als 20 ha in der Widmung „Betriebsbaugebiet“. Nunmehr sei eine Erweiterung im nordwestlichen Areal für eine automatisierte Dosenabfüllanlage sowie für Lagerflächen geplant. Diese Erweiterung komme in der Widmung „gemischtes Baugebiet“ zu liegen.

 

3. Die Zweit- bis Fünfzehntbeschwerdeführer sind jeweils Miteigentümer von Liegenschaften, die von den zu bebauenden Grundstücken unbestritten höchstens 50 m entfernt sind.

 

4. Mit Kundmachung vom 20.8.2013 beraumte der Bürgermeister der Stadtgemeinde A-P eine öffentliche mündliche Verhandlung für den 30.9.2013 an, zu der u.a. die Beschwerdeführer nachweislich (jeweils mit gesonderten Rückscheinbriefen) mit dem Hinweis geladen wurden, dass Beteiligte insoweit ihre Parteistellung verlören, wenn sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Baubehörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhöben. Im Hinblick auf die Präklusionsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG ist hier noch relevant, dass A und R P, K und C M (Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer) sowie H und S D und H und M I (Zehnt- bis Dreizehntbeschwerdeführer) im Zuge der mündlichen Verhandlung Einwendungen zu folgenden Punkten erhoben:

-      Verminderung des Lichteinfalls durch die geplante Höhe der Halle, auch wenn die baurechtlichen Bestimmungen eingehalten werden;

-      Stärkeres Verkehrsaufkommen auf der S Straße;

-      Mehr Betriebsbewegungen auf dem Betriebsareal (elektr. Stapler, Ent- und Beladung, Schneeräumung und dgl.) wodurch die Lärmbelastung zunimmt;

-      Stärkere Geruchsbelastung durch die Dosenabfüllanlage.

 

5. In der mündlichen Verhandlung führte der (bereits im Zuge der Vorprüfung beigezogene) bautechnische Amtssachverständige in seinem Befund auf das hier Wesentliche zusammengefasst aus, dass die Halle 1 des geplanten Bauvorhabens unmittelbar an den Bestand angrenze. In der Halle 1 erfolge die Abfüllung, Verpackung und Palettierung von nicht alkoholischen Getränken. Die fertig palettierten Produkte würden mit Förderbändern von der Halle des Zubaus durch den Bestand im geschlossenen Bereich zum bestehenden Hochregallager befördert werden. Es erfolge kein Auslieferungsverkehr im Bereich der gegenständlichen Zubauten. Im Hallenabschnitt 2 würden die für die Abfüllung benötigten Leerdosen und Leerpaletten gelagert. Die Manipulation erfolge mit einem Elektrostapler. Die Ladestation befinde sich in der Halle. Die Dosenaufgabe zur Abfüllung erfolge im Hallenabschnitt 1. Zur Beurteilung der schalltechnischen Auswirkungen sei ein schalltechnisches Projekt der T.GmbH vom 28.12.2012 samt Ergänzung vom 13.8.2013 erstellt worden. Die
Lärm-Ist-Situation sei bereits bei Messungen im Jahr 2004 dokumentiert worden. Zusätzlich sei im östlichen Bereich der G Straße (auf einem näher bezeichneten Grundstück) im Jahr 2012 eine Ist-Messung durchgeführt worden. Zur Ermittlung der in der neuen Produktionshalle zu erwartenden Innenpegel seien schalltechnische Messungen bei vergleichbaren Produktionsbereichen durchgeführt worden. Für die Immissionsberechnung werde eine Schallschutzwand entlang der nordwestlichen Grundstücksgrenze mit einer Länge von 37 m und einer Höhe von 4,5 m projektiert. Entsprechend der Ergänzung vom 13.8.2013 werde diese Schallschutzwand auch entlang der westlichen Grundgrenze zur G Straße, beginnend vom nordwestlichen Grundstück, übergreifend auf eine Länge von 10 m über der Verladezone hinaus erweitert. Die Gesamtlänge der projektierten Schallschutzwand betrage demnach rund 70 m. Die Höhe werde generell mit 4,50 m über dem Niveau des Verladebereichs angegeben. In seinem Gutachten hielt der Amtssachverständige im Wesentlichen fest, nach den Bestimmungen der Oö. Betriebstypenverordnung 1997 sei für eine Flaschenabfüllanlage die Widmungskategorie Betriebsbaugebiet festgelegt. Der gesamte bestehende Betrieb der Lebensmittel- und Getränkeproduktion befinde sich in der Widmung „Betriebsbaugebiet“. Die nunmehr geplante Erweiterung der Getränkeproduktion mit Dosenabfüllung und Lager soll im nordwestlichen Betriebsareal in der Widmungskategorie „gemischtes Baugebiet“ errichtet werden. Zur Beurteilung, ob der geplante Betrieb anhand der Oö. Grenzwertverordnung in der Widmung „gemischtes Baugebiet“ zulässig sei, sei ein schalltechnisches Projekt der T.-GmbH vom 14.8.2014 vorgelegt worden. Die Grundlage würden Lärm-Ist-Messungen entsprechend dem zugrundeliegenden schalltechnischen Projekt vom 28.12.2012 bilden. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass bei projektgemäßer Ausführung der geplanten Betriebserweiterung die Grenzwerte gemäß Oö. Grenzwertverordnung sowohl an der eigenen Grundstücksgrenze als auch im ungünstigsten Einwirkungsbereich der nächstgelegenen Anrainerliegenschaften eingehalten werden könnten. Durch die projektierten Schallschutzwände würden die Immissionen der Verladetätigkeit zu den nächstgelegenen Anrainern abgeschirmt. Die schalltechnische Untersuchung habe ergeben, dass die Immissionen der gesamten Betriebsanlage (inkl. der nunmehr geplanten Erweiterung) keine Anhebung der bereits durch den bestehenden Betrieb vorhandenen Immissionen bei den maßgeblich in Betracht kommenden Anrainerliegenschaften bewirkten. Zusätzlich würden die Immissionsgrenzwerte für gemischtes Baugebiet (bei den südlich angrenzenden Wohnnachbarn) als auch die Grenzwerte für Wohngebiet (bei den Wohnanrainern westlich der Gmundner Straße) gemäß der Oö. Grenzwertverordnung zur Tages- und Nachtzeit eingehalten. Im schalltechnischen Projekt seien diverse Mindestanforderungen an die Außenbauteile, Türen, Fenster, lüftungs- und klimatechnische Anlagen aufgelistet. Bei derartigen Betrieben der Lebensmittelerzeugung sei es als betriebsüblich anzusehen, dass die Türen und Fenster zur üblichen Lüftung geschlossen gehalten würden. Der Luftwechsel werde über die am Dach aufgesetzten Lüfter gewährleistet. Die Zulässigkeit der Betriebserweiterung im gemischten Baugebiet werde im schalltechnischen Projekt (Überprüfung der Grenzwerte gemäß Oö. Grenzwertverordnung) dargelegt. Die Frage der Widmungskonformität habe die Behörde in ihrer rechtlichen Abwägung zu entscheiden.

 

6. Mit Bescheid vom 30.1.2014 erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde A-P die beantragte Bewilligung unter Vorschreibung von Auflagen. Begründend wurde – soweit hier noch wesentlich – ausgeführt, gemäß § 31 Abs. 6 Oö. Bauordnung 1994 seien Einwendungen, mit denen der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen geltend gemacht würde, im Bauverfahren nur zu berücksichtigen, soweit sie die Frage der Zulässigkeit der Betriebstype in der gegebenen Widmungskategorie beträfen. Die von einem Gewerbebetrieb konkret ausgehende Belästigung sei hingegen Gegenstand des gewerblichen Betriebsanlagenverfahrens. Hinsichtlich der Beurteilung des Erweiterungsbaues in der Widmung „gemischtes Baugebiet“ seien folgende rechtliche Überlegungen maßgeblich: Der Erweiterungsbau soll direkt an die bestehende Getränkeproduktionshalle angebaut werden, wobei zum Bestand eine offene Verbindung bestehe und innerbetriebliche Beförderungen hinein erfolgen würden. Aufgrund dieser Gegebenheiten sei nach Rechtsansicht der erstinstanzlichen Baubehörde von der Einheitlichkeit der gesamten Betriebsanlage samt Erweiterungsbau auszugehen und verbiete sich eine gesonderte Beurteilung alleine des Erweiterungsbaues bzw. eine gesonderte Zuordnung zu einer Betriebstype und somit eine isolierte Betrachtung des Erweiterungsbaues als Flaschenabfüllanlage. Der Gesamtbetrieb sei unstrittig ein Betrieb mit industriellem Produktionscharakter. Gemäß Anlage 1 der Oö. Betriebstypenverordnung 1997 ergebe sich eine Einordnung des Gesamtbetriebes in Gruppe 2 „Betriebe zur Erzeugung von Getränken und Tabakwaren“ unter „B/M Erzeugung von nichtalkoholischen Getränken, Fruchtsäften oder Spirituosen“ und Gruppe 1 „Betriebe zur Erzeugung von Nahrungs- und Genussmitteln“ unter „B/M Erzeugung von Backwaren oder Süßwaren“.

 

Nach der Judikatur des VwGH habe der „Grundsatz der Einheitlichkeit der Betriebsanlage“ dazu geführt, dass im Bauverfahren im Rahmen der Oö. Betriebstypenprüfung – also zur Frage nach der Zulässigkeit eines Betriebes nach seiner Betriebstype in einer gewissen Widmungskategorie – auch bei Erweiterungsbaumaßnahmen grundsätzlich der gesamte Betrieb einer Prüfung zugrunde zu legen gewesen sei. Zuletzt habe sich jedoch durch die Ausführungen des VwGH in seiner Entscheidung vom 25.9.2012, Zl. 2011/05/0067, eine Lockerung dieser Judikatur für bloße Fälle der Betriebserweiterung ergeben. Bei der Auslegung dieser Entscheidung des VwGH folge die erstinstanzliche Baubehörde dem Rechtsgutachten von Univ. Prof. Dr. X. vom 25.2.2013. Die Aussagen des VwGH seien demnach so auszulegen, dass für eine bloße Betriebserweiterung ein anderer Beurteilungsmaßstab anzuwenden sei, nämlich dass die zuständige Baubehörde im Baubewilligungsverfahren den Auswirkungen, die sie im Ermittlungsverfahren (bei betriebstypologischer Betrachtungsweise) für den präsumtiven Gesamtbetrieb feststelle, jene Immissionen gegenüberstelle, die im Rahmen des rechtskräftigen Baubewilligungskonsenses bereits vom bestehenden Stammbetrieb verursacht würden. Auf ihre Vereinbarkeit mit der Widmungskategorie „gemischtes Baugebiet“ seien in der Folge nur jene Werte zu prüfen, die sich nach Vornahme der Betriebserweiterung gegenüber dem bewilligten Status quo als erhöht darstellen würden. Hingegen schade es nicht, dass andere, durch die Erweiterung nicht verstärkte, Auswirkungen im gemischten Baugebiet unzulässig seien. Es sei sohin eine zweistufige Ermittlung vorzunehmen: Im ersten Schritt seien in Anwendung der bisherigen Betriebstypentheorie jene Auswirkungen zu bestimmen, die nach Fertigstellung des Erweiterungsbaues für den Gesamtbetrieb zu erwarten seien. In einem zweiten Schritt seien die so ermittelten Werte allesamt den bereits vom bestehenden Baukonsens gedeckten Vergleichswerten des Stammbetriebes gegenüberzustellen. Wenn es zu keiner Überschreitung komme, habe sie bei der Beurteilung der Widmungskonformität des Erweiterungsbaus außer Betracht zu bleiben.

 

Der bautechnische Amtssachverständige habe festgestellt, dass der präsumtive Gesamtbetrieb (inkl. geplanter Erweiterung) keine Anhebung der bereits durch den bestehenden Betrieb vorhandenen Schallimmissionen bewirke. Darüber hinaus würden durch den präsumtiven Gesamtbetrieb für den südlich angrenzenden Wohnnachbarn die Immissionsgrenzwerte für gemischtes Baugebiet und für die Wohnanrainer westlich der G Straße sogar die Immissionsgrenzwerte für Wohngebiet nach der Oö. Grenzwertverordnung eingehalten. Es komme sohin durch die Betriebserweiterung unter Einschluss der schon durch den konsentierten Betrieb verursachten Immissionen zu keiner Erhöhung der Immissionswerte.

 

Der Amtssachverständige für Luftreinhaltung habe festgestellt, dass weder aus der Getränkeproduktion der geplanten Abfüllanlage noch aus den zusätzlichen LKW-Fahrten eine relevante Erhöhung der Luftschadstoffimmissionen bei den Nachbarn zu erwarten sei. Auch hinsichtlich des Wasserdampfes, der jedoch keinen Luftschadstoff darstelle, seien keine wesentlichen Auswirkungen zu erwarten. Da somit feststehe, dass die Erweiterungsmaßnahmen keine Immissionsverstärkung bewirken würden, sei auch evident, dass es zu keiner Überschreitung der vom bereits bestehenden Baukonsens gedeckten Immissionswerte des Stammbetriebes komme. Es liege daher keine wesentliche Störung durch die Betriebserweiterung iSd § 22 Abs. 5 Oö. Raumordnungsgesetzes 1994 vor und sei die Errichtung des Erweiterungsbaues in der Widmungskategorie „gemischtes Baugebiet“ zulässig.

 

7. Mit Bescheid vom 27.5.2014 gab der Gemeinderat der Stadtgemeinde A-P (in der Folge: belangte Behörde) den dagegen u.a. von den Beschwerdeführern erhobenen Berufungen keine Folge.

 

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das gegenständliche Projekt zusätzlich zur baubehördlichen Genehmigung auch einer gewerbebehördlichen Genehmigung bedürfe. Dadurch komme für die Nachbarn die Einwendungseinschränkung, die in § 31 Abs. 6 Oö. Bauordnung 1994 angeordnet sei, zur Anwendung. Es könne berechtigterweise nur eine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts eingewendet werden, die die Frage der Zulässigkeit der Betriebstype in der gegebenen Widmungskategorie betreffe. Nur jene in erster Instanz erhobenen Einwendungen, die tatsächlich diese Frage beträfen, seien als zulässig zu werten und würden die Parteistellung weiter bestehen lassen. Die in erster Instanz in dieser Hinsicht unzulässig erhobenen Einwendungen würden zu einem Verlust der Parteistellung führen.

 

Zu den Berufungen der A und des R P (Zweit- und Drittbeschwerdeführer), der K und des C M (Viert- und Fünftbeschwerdeführer), der H und des S D (Zehnt- und Elftbeschwerdeführer) sowie der H und des M I (Zwölft- und Dreizehntbeschwerdeführer) hielt die belangte Behörde – soweit hier noch relevant – im Ergebnis fest, dass diese zum Thema Widmungskonformität keine rechtzeitigen Einwendungen in erster Instanz erhoben hätten, weshalb sie diesbezüglich ihre Parteistellung verloren hätten und ihre Berufungen unzulässig seien.

 

Aufgrund der Berufungen der M und des R K (Sechst- und Siebtbeschwerdeführer) sowie der S und des O P (Acht- und Neuntbeschwerdeführer) führte die belangte Behörde aus, die Kernfrage des erstinstanzlichen Verfahrens sei die Rechtsfrage gewesen, ob die Erweiterung der bestehenden Getränkeproduktion durch zwei Hallenschiffe auf Grundstücken mit der Widmung „gemischtes Baugebiet rechtlich zulässig sei. Dazu seien in erster Instanz rechtliche Überlegungen angestellt worden. Es sei die (zuletzt geänderte) Rechtsprechung des VwGH rezitiert und auch die Rechtsmeinung von Univ. Prof. Dr. X. über die Auslegung der neuen Entscheidung des VwGH vom 25.9.2012, Zl. 2011/05/0067, dargestellt worden. Zur Verdeutlichung sei gesagt, dass sich das erwähnte Rechtsgutachten ganz allgemein mit der objektiven Auslegung des VwGH-Erkenntnisses vom 25.9.2012 beschäftige. Dieses Gutachten beziehe sich sohin nicht auf einen konkreten Sachverhalt. Es sei auch nicht für das gegenständliche Verfahren erstellt worden. Die erstinstanzliche Behörde habe ihrer Entscheidung das genannte Erkenntnis des VwGH zu Grunde gelegt, und zwar in einer Auslegung wie sie auch Univ. Prof. Dr. X. anstelle. Die Beurteilung der relevanten Rechtsfrage sei aber von der erstinstanzlichen Behörde selbst erfolgt, auch wenn sie sich auf eine gleichlautende Beurteilung einer anderen Person stütze. Angemerkt sei, dass die Rechtsfragenbeurteilung kein Bestandteil des Ermittlungsverfahrens sei und damit auch nicht der Akteneinsicht unterliege. Die erstinstanzliche Behörde habe in völlig nachvollziehbarer Argumentation die Beurteilung der Rechtsfrage dargelegt und sei damit ihrer Begründungspflicht nachgekommen. Entsprechend dieser Auslegung sei eine Immissionsprüfung dahingehend erfolgt, ob es durch die Betriebserweiterung zu einer Verstärkung der Immissionen komme. Die erstinstanzliche Behörde sei zu dem schlüssigen, durch Gutachten der beteiligten Amtssachverständigen untermauerten, Ergebnis gekommen, dass die Errichtung des Erweiterungsbaues in der Widmungskategorie „gemischtes Baugebiet“ zulässig sei.

 

Zur Berufung der V und des A S (Vierzehnt- und Fünfzehntbeschwerdeführer) führte die belangte Behörde – soweit hier noch erheblich – aus, es sei richtig, dass nach der früheren Judikatur des VwGH der entwickelte „Grundsatz der Einheitlichkeit der Betriebsanlage“ dazu geführt habe, dass für die Zuordnung zu einer Betriebstype auch bei bloßen Erweiterungsbaumaßnahmen grundsätzlich der gesamte Betrieb (bestehender Betrieb samt Erweiterung) einer einheitlichen Beurteilung zu unterziehen gewesen sei. Bei Anwendung eines derartigen Prüfungsmaßstabes (welcher aufgrund der baulichen Ausführung des Erweiterungsbaues nach der früheren Rechtsprechung auch indiziert erscheine) sei davon auszugehen, dass der Gesamtbetrieb ein Betrieb mit industriellem Produktionscharakter sei. Nach dem in der Anlage 1 zur Oö. Betriebstypenverordnung 1997 festgehaltenen Zuordnungssystem sei dann auch der Erweiterungsbau nur im Betriebsbaugebiet zulässig. Nunmehr sei jedoch eine Judikaturänderung erfolgt. Der VwGH sei in seinem Erkenntnis vom 25.9.2012 vom Grundsatz der Einheitlichkeit der Betriebsanlage abgewichen, wenn es sich um eine „bloße Betriebserweiterung“ handle. Für diesen Fall der bloßen Betriebserweiterung sei jedenfalls nicht der gesamte Betrieb zu betrachten. Die Zulässigkeit des unbestritten rechtmäßig bereits bestehenden Betriebes sei nicht zu beurteilen. Die Prüfung der Frage der „wesentlichen Störung“ iSd § 22 Abs. 5 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 durch das Vorhaben habe unter Einschluss der schon durch den gegebenen Betrieb verursachten Immissionen zu erfolgen. Die weiteren Aussagen des VwGH darüber, welcher Beurteilungsmaßstab nun für bloße Betriebserweiterungen anzuwenden sei, sei mangels hinreichender Konkretisierung auszulegen. Hier gehe die belangte Behörde, ebenso wie die erstinstanzliche Behörde, von einer erforderlichen Gegenüberstellung der Immissionen nach einem zweistufigen Ermittlungsverfahren aus. Für eine solche Beurteilung der Immissionswerte seien Amtssachverständige beigezogen worden. Anhand dieser Gutachten sei festzustellen, dass es im vorliegenden Fall zu keiner Überschreitung der vom Stammbetrieb gedeckten, bestehenden Immissionen komme. Der Erweiterungsbau in der Widmung „gemischtes Baugebiet“ sei somit rechtskonform.

 

Die von den Beschwerdeführern herangezogene Bestimmung des § 2 der Oö. Betriebstypenverordnung 1997 über Sonderfälle von Betriebstypen sei für die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nicht einschlägig. Dies sei bereits in der erstinstanzlichen Bescheidbegründung klargestellt worden. Auch das vom Antragsteller eingebrachte betriebstypologische Gutachten spiele bei der oben dargestellten Beurteilung der Rechtslage keinerlei Rolle. Deshalb habe auch keine Erörterung bzw. Prüfung dieser Unterlage stattgefunden.

 

Die im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Fehlbezeichnungen von Betriebstypen der Anlage 1 zur Oö. Betriebstypenverordnung 1997 seien wie folgt zu korrigieren: Betriebstypus Gruppe 1: richtig „B/M Erzeugung von Back- und Zuckerbäckerwaren“ anstatt „B/M Erzeugung von Backwaren oder Süßwaren“; Betriebstypus Gruppe 2: richtig „B/M Erzeugung von nichtalkoholischen Getränken und Fruchtsäften“ anstatt „B/M Erzeugung von nichtalkoholischen Getränken, Fruchtsäften oder Spirituosen“.

 

Zum Vorbringen der Oö. U (Erstbeschwerdeführerin) führte die belangte Behörde zusammengefasst ergänzend aus:

 

Das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin unter der Rubrik „Rechtliche Beurteilung“ stelle eine Fehlinterpretation der erstinstanzlichen Entscheidung dar. Die erstinstanzliche Behörde argumentiere an keiner Stelle der Entscheidungsbegründung mit der Ausnahmebestimmung des § 2 der Oö. Betriebstypenverordnung 1997 betreffend Sonderfälle von Betriebstypen. Gegenteilig werde in der Bescheidbegründung eindeutig klargestellt, dass die Bestimmung des § 2 Oö. Betriebstypenverordnung 1997 für die von der Baubehörde vorgenommene rechtliche Beurteilung nicht einschlägig sei. Warum Derartiges in der Berufungsschrift vorgetragen werde, sei nicht klar. Die erstinstanzliche Behörde habe ihre Entscheidung ausschließlich auf die Tatsache gestützt, dass es sich beim verfahrensgegenständlichen Bauprojekt um eine Betriebserweiterung handle und wende darauf die jüngst ergangene VwGH-Rechtsprechung zu diesem Thema an.

 

Auch das von der Bauwerberin eingebrachte betriebstypologische Gutachten spiele bei der erstinstanzlichen Beurteilung der Rechtslage keinerlei Rolle. Sämtliche Berufungsausführungen über die behauptete Fehlerhaftigkeit und Unvollständigkeit dieses Gutachtens gingen daher ins Leere.

 

Die Berufungsschrift rüge weiters, dass die berechtigten immissionsrechtlichen Einwände der Erstbeschwerdeführerin unter Hinweis auf § 31 Abs. 6 Oö. Bauordnung 1994 zurückgewiesen würden. Das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin zu Schall- bzw. Geruchsimmissionen in erster Instanz stehe immer im Zusammenhang mit der betriebstypologischen Beurteilung des Bauprojektes bzw. im Zusammenhang mit einer Bemängelung des betriebstypologischen Gutachtens der Bauwerberin. Sofern überhaupt davon auszugehen sei, dass die Erstbeschwerdeführerin unabhängig von der betriebstypologischen Beurteilung eigenständige immissionsrechtliche Einwendungen erhoben habe, würden folgende Erwägungen gelten: Das verfahrensgegenständliche Projekt bedürfe zusätzlich zur baubehördlichen Genehmigung auch einer gewerbebehördlichen Genehmigung. Damit reduziere sich der Prüf- und Beurteilungsmaßstab der Baubehörde dahingehend, dass immissionstechnische Auswirkungen des konkreten Bauprojektes auf die Nachbarschaft nicht von Amts wegen zu prüfen seien. Dieser Themenbereich unterliege der Prüfpflicht der Gewerbebehörde. Es bestehe sohin unabhängig davon, ob Nachbarn tatsächlich derartige konkrete immissionstechnische Einwendungen erhoben hätten, diesbezüglich für die Baubehörde keine amtswegige Ermittlungspflicht. Damit seien derartige Einwendungen, auch wenn sie seitens der Erstbeschwerdeführerin erhoben würden, nicht Gegenstand des baurechtlichen Verfahrens.

 

8. Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde richten sich die rechtzeitig erhobenen Beschwerden an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, in denen vor allem die Zulässigkeit der geplanten Betriebstype in der gegebenen Widmungskategorie moniert wird.

 

9. Mit Beschwerdemitteilung vom 15. Juni 2015 räumte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der Bauwerberin die Möglichkeit ein, zu den Beschwerden Stellung zu nehmen. In dieser Mitteilung wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auch ausdrücklich darauf hin, es sei aufgrund der Aktenlage davon auszugehen, dass der bestehende Betrieb der Bauwerberin samt der geplanten Erweiterung unstrittig einen industriellen Produktionscharakter aufweise. Die Bauwerberin machte von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme nicht Gebrauch.

 

 

 

II.            Beweiswürdigung:

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und Einholung aktueller Grundbuchsauszüge. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erwies sich gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG als nicht erforderlich, zumal der maßgebliche Sachverhalt bereits aufgrund der Aktenlage feststeht und zudem ausschließlich Rechtsfragen zu beurteilen waren.

 

Folgender Sachverhalt steht als erwiesen fest und wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

 

Mit Eingabe vom 21.12.2012 beantragte die Bauwerberin die Erteilung der Baubewilligung zur Erweiterung der Getränkeproduktion durch zwei Hallenschiffe auf Grundstücken, die im maßgeblichen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde A-P als gemischtes Baugebiet (M) gewidmet sind. Die angrenzende Liegenschaft, auf der sich der bestehende Betrieb der Bauwerberin befindet, ist als Betriebsbaugebiet (B) gewidmet. Die maßgebliche Widmung ergibt sich unbestritten aus dem vorgelegten Akt. Der bestehende Betrieb sowie die geplante Betriebserweiterung weisen einen industriellen Produktionscharakter auf. Dies ergibt sich aus den unbestritten gebliebenen Ausführungen des bautechnischen Amtssachverständigen im verwaltungsbehördlichen Verfahren. Der bestehende Betrieb samt der geplanten Erweiterung fällt nach der Aktenlage unbestritten unter Betriebstypen der Anlage 1 zur Oö. Betriebstypenverordnung 1997, die den Widmungskategorien B/M zugeordnet sind.

 

 

III.           Maßgebliche Rechtslage:

 

Vorweg ist festzuhalten, dass das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich – soweit keine anderslautende Übergangsbestimmung besteht – die Sach- und Rechtslage zu seinem Entscheidungszeitpunkt anzuwenden hat.

 

Aufgrund des am 21.12.2012 bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangten Bauansuchens sind auch im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch die baurechtlichen Bestimmungen in der Fassung vor Inkrafttreten der Oö. Bauordnungs-Novelle 2013 anzuwenden (Art. II der Oö. Bauordnungs-Novelle 2013, LGBl. Nr. 34/2013).

 

Die relevanten Bestimmungen der Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994), LGBl. Nr. 66/1994 idF 36/2008, lauten auszugsweise:

 

 

 

㤠31

Einwendungen der Nachbarn

(1) Nachbarn sind

[…]

2. bei allen anderen Bauvorhaben sowie für die Nachbarrechte im Sinn des Abs. 5: die Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens 50 Meter entfernt sind.

Die Stellung als Nachbar besteht jedoch jeweils nur unter der Voraussetzung, dass diese Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind Grundeigentümern oder Grundeigentümerinnen gleichgestellt.

[…]

(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen. Ein Schutz gegen Immissionen besteht jedoch insoweit nicht, als die Nachbargrundstücke oder die darauf allenfalls errichteten Bauten nicht für einen längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind und die Errichtung solcher Bauten auf Grund faktischer oder rechtlicher Umstände auch in Hinkunft nicht zu erwarten ist. Als längerer Aufenthalt gilt dabei jedenfalls nicht ein wenn auch mehrmaliger oder öfterer, jeweils aber nur kurzzeitiger vorübergehender Aufenthalt von Menschen. Überdies kann der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen nicht dazu führen, daß die Baubewilligung für ein Bauvorhaben, das nach der für das Baugrundstück geltenden Flächenwidmung zulässig ist, grundsätzlich versagt wird.

[…]

(6) Bei baulichen Anlagen, die auch einer gewerbebehördlichen Genehmigung bedürfen, sind Einwendungen der Nachbarn, mit denen der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen geltend gemacht wird, nur zu berücksichtigen, soweit sie die Frage der Zulässigkeit der Betriebstype in der gegebenen Widmungskategorie betreffen.

§ 32

Bauverhandlung

[…]

(2) Soweit es sich nicht um Wohngebäude handelt, ist bei Bauvorhaben nach § 24 Abs. 1 Z 1 bis 3 auch die Oö. Umweltanwaltschaft als Partei (§ 5 Abs. 1 Oö. Umweltschutzgesetz 1996) zur Bauverhandlung zu laden. […]

§ 35

Entscheidung über den Baubewilligungsantrag

(1) Die Baubehörde hat über den Antrag gemäß § 28 einen schriftlichen Bescheid zu erlassen. Sofern nicht eine Zurückweisung oder eine Abweisung nach § 30 zu erfolgen hat, ist die beantragte Baubewilligung zu erteilen, wenn

[…]

2.         das Bauvorhaben in allen seinen Teilen den Bestimmungen des Flächenwidmungsplans und des Bebauungsplans sowie sonstigen baurechtlichen Vorschriften nicht widerspricht und

[…]

Andernfalls ist die beantragte Baubewilligung zu versagen. […]“

 

§ 5 Abs. 1 Oö. Umweltschutzgesetz 1996 (Oö. USchG), LGBl. Nr. 84/1996 idF LGBl. Nr. 81/2013, lautet:

㤠5

Rechte der O.ö. Umweltanwaltschaft in Verwaltungsverfahren;

Mißstandskontrolle; Amtshilfe

 

(1) Die O.ö. Umweltanwaltschaft hat in den von den jeweiligen Landesgesetzen bezeichneten Verfahren zur Wahrung des Umweltschutzes, insbesondere zur Vermeidung von schädlichen Einwirkungen auf die Umwelt, Parteistellung im Sinn des § 8 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) sowie das Recht, gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG an das Landesverwaltungsgericht und Revision gemäß Art. 133 Abs. 8 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die O.ö. Umweltanwaltschaft kann auf ihre Parteienrechte auch verzichten.“

 

§ 42 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 in der zum Kundmachungszeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, lautet auszugsweise:

„§ 42. (1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. […]“

 

Das Oö. Raumordnungsgesetz 1994 (Oö. ROG 1994), LGBl. Nr. 114/1993 – mangels Übergangsbestimmung bereits idF der am 1.7.2015 in Kraft getretenen Oö. Raumordnungsgesetz-Novelle 2015, LGBl. Nr. 69/2015 – lautet auszugsweise:

 

 

 

㤠21

Bauland

[…]

(2a) Teile eines Betriebes, die sich emissionsseitig wesentlich von der Betriebstype dieses Betriebes unterscheiden (wie Büro- oder Lagernutzungen), können auch in einer Widmungskategorie, die nicht der Betriebstype dieses Betriebes entspricht, errichtet werden, wenn sie für sich gesehen in der betreffenden Widmungskategorie zulässig sind.

(3) Zur Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigungen und zur Erreichung eines möglichst wirksamen Umweltschutzes kann die Landesregierung durch Verordnung festlegen,

1.    welche bestimmte Arten von Betrieben (Betriebstypen) in den Widmungskategorien gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 errichtet werden dürfen und

[…]“

 

 

Die Oö. Betriebstypenverordnung 1997 (Oö. BTypVO 1997), LGBl. Nr. 111/1997 idF LGBl. Nr. 72/2001, lautet auszugsweise:

„Anlage 1

zur . BETRIEBSTYPENVERORDNUNG 1997

Folgende Betriebe sind auf Grund ihrer Betriebstype den Widmungskategorien gemischtes Baugebiet (M), Betriebsbaugebiet (B) und Industriegebiet (I) zuzuordnen.

Betriebe, die den Widmungskategorien B/M zugeordnet sind, sind im gemischten Baugebiet (M) nur dann zulässig, wenn sie keinen industriellen Produktionscharakter aufweisen.

1. BETRIEBE ZUR ERZEUGUNG VON NAHRUNGS- UND GENUSSMITTELN SOWIE

VON TIEFKÜHLPRODUKTEN

[…]

B/M  - Erzeugung von Back- und Zuckerbäckerwaren

[…]

2. BETRIEBE ZUR ERZEUGUNG VON GETRÄNKEN UND TABAKWAREN

[…]

B/M  - Erzeugung von nichtalkoholischen Getränken und Fruchtsäften“

 

 

IV.          Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat gemäß § 27 VwGVG durch seine gemäß § 2 VwGVG zuständige Einzelrichterin erwogen:

 

1.        Zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin (Spruchpunkt I.):

 

Vorweg ist festzuhalten, dass sich die Parteistellung der Oö. U (Erstbeschwerdeführerin) im Baubewilligungsverfahren aus der Bestimmung des § 32 Abs. 2 Oö. BauO 1994 iVm § 5 Abs. 1 Oö. USchG ergibt. Demnach ist die Oö. U berechtigt, Einwendungen zur Wahrung des Umweltschutzes, insbesondere zur Vermeidung von schädlichen Einwirkungen auf die Umwelt, zu erheben.

 

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin bringt zunächst vor, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil in Ermangelung jeglicher Bescheidbegründung lediglich der Spruch Gegenstand der Abstimmung des Gemeinderates gewesen sein könne. Es sei die Pflicht des Gemeinderates, wenn dieser über eine Berufung entscheide, als Kollegialorgan einen konkreten Beschluss zu fassen und darüber einen Bescheid zu erlassen. Der Beschluss müsse die Entscheidung über die Berufung (Stattgabe, Abweisung) sowie eine Begründung über die getroffene Entscheidung enthalten. Es reiche nicht aus, wenn nur der Spruch des Bescheides vom Beschluss erfasst sei.

 

Im gegenständlichen Beschwerdefall kann dahingestellt bleiben, ob diese Einwendung der Erstbeschwerdeführerin vor dem Hintergrund der zitierten Bestimmung des § 5 Abs. 1 Oö. USchG zulässig ist. Nach dem vorgelegten Verwaltungsakt lag den Mitgliedern des Gemeinderates der Entwurf des Berufungsbescheides für die Abstimmung vor, weshalb ohnehin von der Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Gemeinderates auszugehen ist (vgl. die von der Erstbeschwerdeführerin selbst zitierte Entscheidung des LVwG Burgenland vom 15.5.2014, Zl. E GB5/08/2014.008/002, mHa höchstgerichtliche Judikatur).

 

1.2. Die Erstbeschwerdeführerin vermeint weiters, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil die belangte Behörde die Rechtslage verkenne und von grundlegend unrichtigen Genehmigungsvoraussetzungen ausgehe, indem sie völlig außer Acht gelassen habe, dass für Betriebe mit industriellem Produktionscharakter andere Maßstäbe der Zulässigkeit im gemischten Baugebiet anzulegen seien. Dies sei aus Anlage 1 zur Oö. BTypVO 1997 eindeutig ersichtlich. In der Einleitung der Anlage 1 zur Oö. BTypVO 1997 finde sich u.a. folgende Bestimmung: „Betriebe, die den Widmungskategorien B/M zugeordnet sind, sind im gemischten Baugebiet (M) nur dann zulässig, wenn sie keinen industriellen Produktionscharakter aufweisen. Indem die erstinstanzliche Behörde von Anfang an festgestellt habe, dass es sich gegenständlich um einen Betrieb mit industriellem Produktionscharakter handle, hätte sie von sich aus zu dem Schluss kommen müssen, dass ein solcher gemäß den einleitenden Bestimmungen der Anlage 1 zur Oö. BTypVO 1997 auf gemischten Baugebiet nicht zulässig und der Antrag der Bauwerberin daher abzuweisen sei. Die Erstbeschwerdeführerin bringt weiters vor, dass das im gegenständlichen Verfahren in Rede stehende Gutachten von Univ. Prof. Dr. X. für einen Mühlenbetrieb erstellt worden sei, für den ein Bebauungsplan existiert habe. Für diesen betreffenden Mühlenbetrieb sei auch nicht der industrielle Produktionscharakter festgestellt worden.

 

Mit diesem Vorbringen, das unzweifelhaft den Immissionsschutz betrifft und damit eine zulässige Einwendung zur Wahrung des Umweltschutzes iSd § 5 Abs. 1 Oö. USchG darstellt, ist die Erstbeschwerdeführerin im Recht:

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich verkennt nicht, dass im gegenständlichen Beschwerdefall – mangels Übergangsbestimmung – bereits die Bestimmung des § 21 Abs. 2a Oö. ROG 1994 idF der Oö. Raumordnungsgesetz-Novelle 2015 zu beachten ist. Demnach können Teile eines Betriebes, die sich emissionsseitig wesentlich von der Betriebstype dieses Betriebes unterscheiden (wie Büro- oder Lagernutzungen), auch in einer Widmungskategorie, die nicht der Betriebstype dieses Betriebes entspricht, errichtet werden, wenn sie für sich gesehen in der betreffenden Widmungskategorie zulässig sind.

 

Eine Prüfung des gegenständlichen Bauvorhabens nach Maßgabe dieser neuen raumordnungsrechtlichen Bestimmung kam für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich aber schon deshalb nicht in Betracht, weil der bestehende Betrieb der Bauwerberin samt der geplanten Erweiterung unstrittig einen industriellen Produktionscharakter aufweist und der von der Erstbeschwerdeführerin angesprochene Einleitungssatz der Anlage 1 zur Oö. BTypVO 1997 nach wie vor in Geltung steht. Demnach sind Betriebe, die den Widmungskategorien B/M zugeordnet sind, im gemischten Baugebiet (M) nur dann zulässig, wenn sie „keinen industriellen Produktionscharakter“ aufweisen. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht – wie auch die Verwaltungsbehörden – im gegenständlich zu beurteilenden Einzelfall davon aus, dass der bestehende Betrieb samt geplanter Erweiterung rechtlich als Einheit zu qualifizieren ist. Dies u.a. deshalb, weil der Erweiterungsbau direkt an die bestehende Getränkeproduktionshalle angebaut werden soll, wobei zum Bestand eine offene Verbindung bestehen und innerbetriebliche Beförderungen hinein erfolgen sollen. Der Gesamtbetrieb fällt unbestritten unter Betriebstypen der Anlage 1 zur Oö. BTypVO 1997, die den Widmungskategorien B/M zugeordnet sind (konkret nach Richtigstellung durch die belangte Behörde: Betriebstypus Gruppe 1: „B/M Erzeugung von Back- und Zuckerbäckerwaren“; Betriebstypus Gruppe 2: „B/M Erzeugung von nichtalkoholischen Getränken und Fruchtsäften“). Die von der geplanten Erweiterung betroffenen Grundstücke liegen im gemischten Baugebiet. Somit war aber die beantragte Baubewilligung für die geplante Betriebserweiterung gemäß § 35 Abs. 1 Z 2 Oö. BauO 1994 iVm Anlage 1 zur Oö. BTypVO 1997 wegen Widerspruchs zur Flächenwidmung zu versagen. Gegenteiliges ergibt sich auch aus der im Verwaltungsverfahren erwähnten Entscheidung des VwGH vom 25.9.2012, Zl. 2011/05/0067 und dem offenbar dazu erstellten Rechtsgutachten von Univ. Prof. Dr. X. nicht, weil dort keine Aussagen zum hier relevanten industriellen Produktionscharakter iSd der Anlage 1 zur Oö. Betriebstypenverordnung 1997 getroffen wurden.

 

2.           Zu den Beschwerden der Zweit- bis Fünfzehntbeschwerdeführer (Spruchpunkt II.):

 

Die Zweit- bis Fünfzehntbeschwerdeführer sind jeweils Miteigentümer von Liegenschaften, die von den zu bebauenden Grundstücken unbestritten höchstens 50 m entfernt sind und damit Nachbarn iSd § 31 Abs. 1 Z 2 Oö. BauO 1994. Das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat. Der Nachbar kann daher nur eine Verletzung seiner ihm vom Gesetz eingeräumten subjektiv-öffentlichen Rechte geltend machen (vgl. etwa VwGH 24.2.2015, Zl. 2013/05/0054 mHa 11.12.2012, Zlen. 2009/05/0269 und 0271, mwN).

 

Es ist unbestritten, dass für das gegenständliche Erweiterungsvorhaben der Bauwerberin auch eine gewerberechtliche Genehmigung erforderlich war. Im vorliegenden Fall ist daher § 31 Abs. 6 Oö. BauO 1994 anzuwenden. Einwendungen der Nachbarn, mit denen der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen geltend gemacht wird, sind daher nur zu berücksichtigen soweit sie die Frage der Zulässigkeit der Betriebstype in der gegebenen Widmungskategorie betreffen (vgl. VwGH 19.9.2006, Zl. 2005/05/0216 mHa 30.9.1997, Zl. 97/05/0128; und 21.11.2000, Zl. 2000/05/0191).

 

Bemerkt wird, dass die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung allen beschwerdeführenden Nachbarn nachweislich (jeweils persönlich mit eigenem Rückscheinbrief) zugestellt wurde, sodass sich die Präklusionsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG auf sie erstrecken. Wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, haben die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer sowie die Zehnt- bis Dreizehntbeschwerdeführer erstmals in der Berufung und damit nicht rechtzeitig Einwendung zur Frage der Zulässigkeit der Betriebstype in der gegebenen Widmungskategorie erhoben. Mit diesem Vorbringen sind diese Beschwerdeführer daher präkludiert. Der darüber hinausgehende Immissionsschutz ist aber dem gewerberechtlichen Bewilligungsverfahren zugeordnet, weshalb sich bloß auf die befürchteten Immissionsbelastungen durch den Betrieb des beschwerdegegenständlichen Bauvorhabens (hier Lärm und Geruch) bezogene Einwendungen der Nachbarn als unzulässig erweisen (vgl. VwGH 13.4.2010, Zl. 2008/05/0141 mHa 20.11.2007, Zl. 2006/05/0197). Davon abgesehen sind aber diese Beschwerdeführer, ebenso wie die Sechst- bis Neunt- sowie die Vierzehnt- und Fünfzehntbeschwerdeführer angesichts der mit dieser Entscheidung unter Spruchpunkt I. erfolgten Abweisung des verfahrenseinleitenden Antrages der Bauwerberin nicht mehr beschwert, weshalb auf das Beschwerdevorbringen der Nachbarn (insbesondere auf jenes der Sechst- bis Neunt- sowie der Vierzehnt- und Fünfzehntbeschwerdeführer zur Frage der Zulässigkeit der Betriebstype in der gegebenen Widmungskategorie) nicht mehr eingegangen werden musste. Vielmehr konnten die Zweit- bis Fünfzehntbeschwerdeführer mit ihren Beschwerden auf Spruchpunkt I. dieser Entscheidung und die diesbezügliche Begründung verwiesen werden.

 

 

V.           Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es besteht – soweit erkennbar – keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum hier maßgeblichen Einleitungssatz der Anlage 1 zur Oö. Betriebstypenverordnung 1997, wonach Betriebe, die den Widmungskategorien B/M zugeordnet sind, im gemischten Baugebiet (M) nur dann zulässig sind, wenn sie keinen industriellen Produktionscharakter aufweisen. Insbesondere auch nicht vor dem Hintergrund der Bestimmung des § 21 Abs. 2a Oö. Raumordnungsgesetz 1994 idF LGBl. Nr. 69/2015.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Verena Gubesch

Beachte:

Vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben.

VwGH vom 26. September 2017, Zl.: Ro 2015/05/0024-5