LVwG-650238/18/BR

Linz, 09.02.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bleier über den Antrag der Landespolizeidirektion Oberösterreich -  Polizeikommissariat Steyr, vom 26.1.2015 GZ: FE 202/2014, auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Beschwerde des H S, geb. X, R, S, mit h. Erkenntnis, LVwG-650238/11/BR/MSt, vom 3.11.2014 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens, den

 

 

B E S C H L U S S

gefasst:

 

 

I.     Der Antrag der Behörde (siehe oben) vom 26.1.2015 auf Wiederaufnahme des mit dem bezeichneten Erkenntnis rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens wird gemäß § 32 Abs.1 Z2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG iVm § 31 VwGVG als unbegründet

a b g e w i e s e n.

 

 

II.   Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.     Dem Beschwerdeführer war von der antragstellenden Behörde im Anschluss an eine aufgenommene Niederschrift am 27.8.2014 mündlich verkündeten Bescheid

·         gemäß § 30 Abs.2 letzter Satz FSG die Lenkberechtigung für die Klassen AM, B1 und B, welche er in der Tschechischen Republik erworben hatte, ab dem Tag der Verkündung/Zustellung dieses Bescheides auf Dauer entzogen;

      weiters stellte die Behörde fest, dass vor Ablauf von einem Monat, gerechnet ab 14.08.2014 keine österreichische Lenkberechtigung erteilt werden dürfe;

      ordnete sie die Absolvierung des Verkehrscoachings, für alkoholauffällige Lenker, vor Erteilung einer österreichischen Lenkberechtigung an;

      erkannte sie einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab.

Führerschein: ausgestellt von: M. B., am: 26.6.2013, Zahl: 880515/0000, Klassen: AM, B1, B

 

Rechtsgrundlage: §§ 2; 7; 24 Abs. 1 Zi. 1, Abs.3 u. 4; 25 Abs. 1 u. 3 FSG; 30 Abs. 2 FSG; § 13 Abs. 2 VwGVG.

 

 

II. Dieser Bescheid wurde vom Landesverwaltungsgericht mit dessen oben zitierten Erkenntnis stattgegeben und der Entzugsbescheid betreffend die dem Beschwerdeführer von einer tschechischen Behörde erteilte Lenkberechtigung ersatzlos behoben.

Bereits im Vorfeld war über Antrag des Beschwerdeführers der Beschwerde die Aufschiebende Wirkung zuerkannt worden (Beschluss v. 14.10.2014, LVwG-650238/4/Br/Mst).

 

II.1. Dies unter Hinweis auf das feststehende Beweisergebnis dem zur Folge es nicht zulässig sei alleine aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer offenbar während des Erwerbes der Lenkberechtigung in Tschechien durchgehend auch einen österreichischen Wohnsitz unterhalten habe bzw. hier durchgehend gemeldet gewesen sei, dem Erwerb der Lenkberechtigung in Tschechien eine Umgehung oder rechtswidrigen Erwerb dieser Berechtigung und der tschechischen Behörde im Ergebnis zu unterstellen sich über die zit. Richtlinie hinweg gesetzt zu haben. 

Solche im Sinne des unten zit. EuGH-Urteils als „unbestreitbar“ anzusehende  Informationen des Ausstellungsstaates wurden als nicht vorliegend erachtet.   Hierfür habe weder die Behörde im Rahmen ihres Verfahrens Feststellungen getroffen, noch  hätten sich diesbezüglich im Rahmen des Beschwerdeverfahrens konkrete Anhaltspunkte gefunden. Es lägen auch keine sonstigen, gegen eine Anerkennung sprechende Informationen vor, so das Landesverwaltungsgericht.

Hier wäre auch offenbar die Erteilungsbehörde von einem Wohnsitz auch in Tschechien ausgegangen, so dass letztlich in gemeinschaftskonformer Gesetzesauslegen mangels eines vorliegenden Beweises nicht von einem rechtswidrigen Erwerb der Lenkberechtigung ausgegangen werden habe dürfen. 

Weiter vermeinte das Landesverwaltungsgericht, dass auch nicht davon ausgegangen werden hätte können, dass der Beschwerdeführer die tschechische Behörde im Hinblick auf die dort geltenden Erteilungsvoraussetzungen im Sinne des Artikels 7 Abs.1 der RL 91/439 allenfalls getäuscht hätte, sich gleichsam die ihm erteilte Fahrerlaubnis in rechtswidriger Weise erworben bzw. erschlichen hätte.

Vor diesem Hintergrund sei die Bestimmung des § 30 Abs.2 Führerscheingesetz im Einklang mit dem Vorrang des Gemeinschaftsrechtes zu lesen, widrigenfalls wegen des Vorranges des Gemeinschaftsrechts einer diesem entgegenstehende innerstaatlichen Rechtsnorm suspendiert wäre (vgl. h. Erk. v. 21.10.2014, LVwG-650194/7/Bi/SA).

Letztlich verwies das Landesverwaltungsgericht auf den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, der einer auf irgendeine andere Information gestützten Weigerung entgegen steht (Hinweis EuGH 01.03.2012, C-467/10 Akyüz, Rn 67 f mwN; Heinzle, ZVR 2014, 9). Solche Informationen lägen evident nicht vor….

 

 

 

II.2. Im nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag weist die Behörde im Grunde darauf hin, dass der Beschwerdeführer entgegen seiner Behauptung in ihrem Verfahren und auch im Beschwerdeverfahren im Hinblick auf seinen Aufenthalt in Tschechien im Zusammenhang mit dem Erwerb der Lenkberechtigung falsche Angaben gemacht habe, weil er im Zuge einer Niederschrift beim AMS am 19.12.2014 – von diesem wurde ihm wegen seines behaupteten Aufenthaltes in Tschechien eine Sozialleistung gestrichen – sich lediglich einen Tag, nämlich vom 10. bis 11.6.2013 zwecks Fahrprüfung aufgehalten zu haben und insgesamt dort nur  14 Tage gemeldet gewesen zu sein. 

Darin erblickte die Behörde eine neu hinzugekommene Tatsache iSd § 32 Abs.1 Z2 VwGVG, die in Kenntnis dieser bisher nicht bekannten Tatsache zu einem anderen Ergebnis der verwaltungsgerichtlichen Erledigung geführt hätte.

 

 

III. Zu diesem Antrag äußerte sich der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers im Grunde dahingehend, dass diese Tatsachen irrelevant wären, weil mit Blick auf das Urteil Akyüz v. 1.3.2012  und der dazu zwischenzeitig ergangenen Rechtsprechung, Erk. VwGH Ra 2014/11/0084 v. 16.12.2014, diese Information nicht vom Herstellerstaat herrühre.

Dem Wiederaufnahmeantrag wäre daher nicht statt zu geben.

 

III.1. Das zwischenzeitig auch dem Landesverwaltungsgericht im Volltext vorliegende Erkenntnis. Darin führt das Höchstgericht unter Hinweis auf die oben zit. Rechtsprechung des EuGH und den § 32 Abs.2 FSG betreffend eine Revision gg. eine Entscheidung des hg. Verwaltungsgerichtes folgendes aus:

„ 3.2.2.2. ….

……Das Verwaltungsgericht gründet seine Sachverhaltsannahme, der Revisionswerber habe im Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Lenkberechtigung seinen Wohnsitz nicht im Gebiet der Tschechischen Republik, sondern in Österreich gehabt, auf Informationen, die aus österreichischen Informationssystemen (Zentrales Melderegister, Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung) stammen. Zwar wird, vermischt mit rechtlichen Ausführungen, in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses als Indiz für einen fehlenden Wohnsitz des Revisionswerbers in Tschechien ein Schreiben der österreichischen Botschaft in Prag "in einem nahezu gleichgelagerten Fall, in welchem Zweifel am Vorliegen eines Wohnsitzes in Tschechien bestanden", erwähnt, demzufolge von der der tschechischen Führerscheinbehörde übergeordneten Behörde festgestellt worden sei, dass von der Führerscheinbehörde bei Führerscheinerteilungen an fremde Staatsangehörige der Nachweis über den üblichen Wohnsitz des Antragstellers auf dem Gebiet der Tschechischen Republik nicht ausreichend verlangt worden sei. Von einer derartigen Information, die sich nach der Feststellung des Verwaltungsgerichtes nicht auf den Fall des Revisionswerbers bezieht, kann - und zwar auch nicht unter Berufung auf den Grundsatz der freien Beweiswürdigung - nicht gesagt werden, dass es sich dabei um eine vom Ausstellermitgliedstaat (hier: der Tschechischen Republik) herrührende Information handelt, aus der sich im Sinne der wiedergegebenen Rechtsprechung des Gerichtshofes unbestreitbar ergibt, dass der Inhaber des Führerscheins (hier: der Revisionswerber) seine Lenkberechtigung (und damit auch seinen Führerschein) im Jahr 2011 unter Missachtung der in Art. 7 Abs. 1 lit. b der Führerscheinrichtlinie vorgesehenen Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat erlangt hat.

Der Grundsatz der Anerkennung einer von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Lenkberechtigung (eines Führerscheins), wie er in der unter Pkt. 3.2.2.1. wiedergegebenen Rechtsprechung des EuGH zu Art. 2 Abs. 1 der Führerscheinrichtlinie zum Ausdruck kommt, stand demnach im Revisionsfall der Anwendung des § 30 Abs. 2 letzter Satz FSG entgegen. Die dennoch - ohne das Vorliegen unbestreitbarer, von Behörden der Tschechischen Republik herrührenden Informationen, denen zufolge bei der Erteilung der tschechischen Lenkberechtigung an den Revisionswerber im Jahr 2011 das Wohnsitzerfordernis nicht beachtet worden wäre - mit dem angefochtenen Erkenntnis ausgesprochene Entziehung der tschechischen Lenkberechtigung des Revisionswerbers erweist sich daher als rechtswidrig.

Soweit die belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung meint, der aufgezeigten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses § 1 Abs. 4 FSG entgegenhalten zu können, übersieht sie Folgendes:

Es trifft zu, dass gemäß § 1 Abs. 4 FSG eine von einer zuständigen Behörde eines EWR-Staates erteilte Lenkberechtigung einer Lenkberechtigung gemäß Abs. 3, mithin einer von einer österreichischen Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung, gleichgestellt ist. Daraus folgt aber nicht, dass mithilfe einer solchen gesetzlichen Gleichstellungsanordnung der dargestellte unionsrechtliche Anerkennungsgrundsatz derart unterlaufen werden dürfte, dass im Wege der gesetzlichen Gleichstellung die dann gleichsam als österreichische Lenkberechtigung geltende ausländische Lenkberechtigung ohne Berücksichtigung des Anwendungsvorranges des Unionsrechts unter ausschließlich im nationalen Recht umschriebenen Voraussetzungen entzogen werden dürfte.“

 

 

III.2. In einem weiteren zwischenzeitig von h. Landesverwaltungsgericht im Sinne dieser Judikatur gegensätzlich entschiedener Sache und einer dagegen von einer Behörde erhobenen Revision, wurde diese unter Hinweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 16.12.2014, Ro 2015/11/0002-4 die Amtsrevision als unzulässig zurückgewiesen. Dies mit Blick auf die Richtlinienkonforme Auslegung des § 30 Abs.2 FSG durch das Landesverwaltungsgericht, dem im Ergebnis ein inhaltsgleicher Sachverhalt wie auch dem hier von der Wiederaufnahme betroffenen Erkenntnis zu Grunde lag. 

 

 

IV. Rechtlich hat das Landesverwaltungsgericht erwogen:

 

„Wiederaufnahme des Verfahrens

 

(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof gegen das Erkenntnis nicht mehr zulässig ist und

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

 

IV.1.  Da mit Blick auf die zwischenzeitig als gesichert geltende Judikatur die Wohnsitzfrage für die Anerkennung einer in einem EU-Mitgliedsstaat erworbenen Lenkberechtigung nicht ankommt, geht das Wiederaufnahmevorbringen ins Leere.   

Wenngleich der Behörde zu Folgen wäre, dass ihr die Tatsachen betreffend den Wohnsitz nicht bekannt waren und der Beschwerdeführer diesbezüglich, aus welchen Gründen auch immer, der Behörde aber im Grunde auch dem Landesverwaltungsgericht  gegenüber angegeben hat, er hätte sich zwecks Erwerb des Führerscheins für längere Zeit in Tschechien aufgehalten, würde dies mit Blick auf den Art.7 Abs.1 der Richtlinie 91/439 EWG hinsichtlich des Wohnsitzes für die  Erteilung der tschechischen Lenkberechtigung kein anderes Ergebnis als mit dem h. Erkenntnis vom 14.10.2014 in Rechtsbestand gelangte, erwarten lassen.

 

Daher war auch betreffend diesen Antrag einmal mehr dem Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers zu folgen gewesen. 

 

 

V.  Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage mehr vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen diesen Beschluss besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde bzw. Revision ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Beschlusses durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. einer bevollmächtigte Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr. B l e i e r