LVwG-600789/9/KH

Linz, 09.07.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Katja Hörzing über die Beschwerde des Herrn J F, geb. 1973, aus A, vertreten durch RA Mag. W L, aus R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptfrau von Rohrbach vom 12. Februar 2015, GZ: VerkR96-262-2015, wegen Verwaltungsübertretungen nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960)

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde, noch einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.             Über Herrn J F (im Folgenden: Beschwerdeführer – Bf), geb. 1973, aus A, wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptfrau von Rohrbach (im Folgenden: belangte Behörde) vom 12. Februar 2015, GZ: VerkR96-262-2015, wegen Verstößen gegen § 4 Abs. 1 lit. a StVO sowie § 4 Abs. 5 StVO Verwaltungsstrafen von jeweils 100 Euro sowie ein Verfahrenskostenbeitrag von 20 Euro verhängt.  

 

Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 16. Februar 2015, erhob der Bf mit Schreiben vom 5. März 2015, binnen offener Frist Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht. Darin führte er begründend insbesondere aus, dass er zum Tatzeitpunkt einen leichten, fast unmerklichen Ruck im Fahrzeug verspürte, den er auf Fahrbahnunebenheiten zurückführte, da er aufgrund des starken Regens und der trotz Spiegelheizung nasser Rückspiegel, auch nach mehrmaligen Blicken in beide Rückspiegel nichts erkennen habe können.

Erst der Verlader habe den Schaden links hinten am Anhänger seines LKW bemerkt, der Bf habe daraufhin seine Firma verständigt. Diese habe sich daraufhin mit der Autobahnpolizei Ried in Verbindung gesetzt, um den Vorfall zu melden bzw. herauszufinden, was überhaupt vorgefallen sein könnte.

Der Bf sei sich keines Vergehens bewusst und habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Er halte die verhängte Strafe für zu hoch und ungerechtfertigt und ersuchte die belangte Behörde, diese auszusetzen.

 

 

II.            Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Behördenakt sowie in Durchführung einer mündlichen Verhandlung am       17. Juni 2015.

 

Die wahrscheinliche Unfallkonstellation wurde vom Amtssachverständigen im Rahmen der Verhandlung nochmals erörtert. Er stellte dazu fest, dass aufgrund der Unfallkonstellation der beteiligte PKW grundsätzlich im Sichtfeld des linken Außenspiegels des LKW gelegen ist, dass jedoch aufgrund des Starkregens sicherlich eine Sichteinschränkung über den Rückspiegel bestanden hat. Weiters musste im Hinblick auf die großen Massenunterschiede der beiden Fahrzeuge der Anstoßruck für den Fahrer des LKW nicht unbedingt wahrnehmbar gewesen sein. Im Hinblick auf die Entfernung der Anstoßstelle vom Lenker sowie auf die Umgebungsgeräusche musste auch ein Kollisionsgeräusch nicht zwingend in der Fahrerkabine wahrnehmbar gewesen sein. Da der Beschwerdeführer seine Spur gehalten hat und den Verkehr vor ihm beobachten musste, ergab sich aus technischer Sicht kein zwingender Grund, in den Rückspiegel zu blicken. Im Hinblick auf eine rechnerische Eingrenzung des Rucks war der Anstoßruck, der durch den BMW beim Kraftwagenzug entstanden ist, als eher leichte Erschütterung einzustufen, die durchaus nicht einer Kollision zugeordnet werden musste.

Aufgrund der Aussage des zeugenschaftlich einvernommenen BI K konnte der Schluss gezogen werden, dass eine in der Fotodokumentation erkennbare entstandene Geländemulde vom Anprall des PKW herrührte, was das Unfallbild (seitenversetzte Schäden an den beiden Fahrzeugen) hinsichtlich des PKW erklärte und zu dem Schluss führte, dass der auf den Bildern erkennbare Schaden auf der rechten Vorderseite des PKW von diesem Anprall und nicht vom Anstoß an den LKW herrührte.

Die Feststellungen und Folgerungen des Amtssachverständigen waren aus Sicht des Landesverwaltungsgerichts nachvollziehbar und schlüssig.

 

 

III.           Aus Sicht des Landesverwaltungsgerichts steht folgender Sachverhalt fest:

 

Am 22. Juli 2014 ereignete sich auf der Autobahn A8 ein Unfall, in welchem ein in Großbritannien wohnhafter Lenker involviert war und mehrere seiner Mitfahrer verletzt wurden.

Der Bf sagte im Rahmen seiner Vernehmung inhaltsgleich zum Inhalt der Beschwerde aus, dass er im Bereich des Tatortes während seiner Fahrt Richtung Linz einen kurzen, kaum wahrnehmbaren Ruck im Fahrzeug verspürte, den er auf Fahrbahnunebenheiten zurückführte. Erst der Verlader habe den Schaden links hinten am Anhänger seines LKW bemerkt, der Bf habe daraufhin seine Firma verständigt. Diese habe sich daraufhin mit der Autobahnpolizei Ried in Verbindung gesetzt, um den Vorfall zu melden.

 

Aufgrund einer Anzeige der Autobahnpolizei, Polizeiinspektion Ried, vom          29. August 2014, erging in der Folge am 7. Jänner 2015 eine Strafverfügung des örtlich zuständigen Bezirkshauptmannes von Grieskirchen, mit welcher der Bf wegen Verstößen gegen § 4 Abs. 1 lit. a sowie § 4 Abs. 5 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) mit 250 Euro bzw. 200 Euro bestraft wurde.

 

Gegen diese erhob der Bf Einspruch, welcher von der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen an die Wohnsitzbehörde des Bf übermittelt wurde. Diese erließ das angefochtene Straferkenntnis.

 

Gegen dieses Straferkenntnis brachte der Bf die im gegenständlichen Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht zu behandelnde Beschwerde ein. Im Gegensatz zur belangten Behörde ging das Landesverwaltungsgericht nicht davon aus, dass der Bf lediglich gegen die Strafhöhe Beschwerde erhoben hat, wie sich einerseits aus dem letzten Satz seiner Beschwerde ergab („ich bin mir keines Vergehens bewusst und ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt [...] erscheint mir die gegen mich verhängte Strafe von 220 Euro zu hoch und ungerechtfertigt und ich bitte Sie diese auszusetzen“.) und er andererseits im Rahmen der mündlichen Verhandlung dazu befragt eindeutig festhielt, dass sich seine Beschwerde als Vollbeschwerde und nicht bloß als Beschwerde gegen die Strafhöhe zu verstehen sei.

 

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens führte das Landesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu welcher der Bf im Beisein seines mittlerweile bevollmächtigten Rechtsvertreters, Herrn Mag. A S, Kanzlei RA Mag. W L, erschien. Weiters war Ing. R H als Amtssachverständiger für Verkehrstechnik anwesend. BI G K, API Ried, wurde zeugenschaftlich einvernommen. Der Vertreter der belangten Behörde hatte sich per E-mail für die Verhandlung entschuldigt.

 

 

IV.          In rechtlicher Hinsicht hat das Landesverwaltungsgericht wie folgt erwogen:

 

§ 4 Abs. 1 und 5 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960 lauten):

„(1) Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, haben

a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

b) wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,

c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

 

(5) Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.“

 

Zu § 4 Abs. 1 lit. a StVO:

Der Bf gab sowohl in seiner Beschwerde, als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht an, die verfahrensgegenständliche Kollision während der Fahrt nicht bemerkt zu haben, da es zur Tatzeit sehr stark regnete und er lediglich einen leichten, kaum wahrnehmbaren Ruck am Fahrzeug verspürte, wie es zB im Fall von Spurrinnen der Fall sei. Er habe auch danach in den Rückspiegel geschaut, die Sicht war aber trotz der beheizten Rückspiegel aufgrund des Starkregens sehr eingeschränkt und er habe im Rückspiegel nichts Außergewöhnliches erkennen können.

 

Diese Aussagen wurden durch das schlüssige und nachvollziehbare Gutachten des Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung bestätigt – der Anprall war tatsächlich nicht hörbar und kaum spürbar, es hat keinen Grund für den Bf gegeben, ihn mit einem Unfall in Zusammenhang zu bringen. Es bestand somit auch kein zwingender Grund für den Bf, in den Rückspiegel zu schauen. Somit lag keinerlei Anhaltspunkt für den Bf vor, dass sein Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und es ergab sich folglich für ihn auch keine Notwendigkeit anzuhalten.  

 

Zu § 4 Abs. 5 StVO:

Nachdem ihm am Abend des Tattages bekannt wurde, dass der von ihm gelenkte LKW einen Schaden aufwies, hat der Bf unverzüglich seinen Vorgesetzten verständigt, welcher in Absprache mit dem Bf noch am selben Abend die Autobahnpolizei Ried kontaktiert hat.

 

Somit bleibt für die Tatvorwürfe im Sinn des § 4 Abs. 1 lit. a und Abs. 5 StVO aus Sicht des Landesverwaltungsgerichts kein Raum mehr, dem Bf kann im Hinblick darauf auch keinerlei Verschulden vorgeworfen werden – er hat sorgfaltsgemäß gehandelt, ein Zusammenhang zwischen seinem Verhalten und dem entstandenen Unfall war dem Bf nicht bewusst und muss ihm auch nicht bewusst gewesen sein, wie durch die gutachtlichen Aussagen des Amtssachverständigen eindeutig bestätigt wurde.  

Als dem Bf bekannt wurde, dass sein LKW einen Schaden aufwies, hat dieser in Absprache mit seinem Vorgesetzten sofort im Sinn des § 4 Abs. 5 StVO reagiert.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG 1991, reicht, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten aus. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bf initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch das Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die „Glaubhaftmachung“ nicht.

 

Die Ausführungen des Bf waren diesbezüglich glaubwürdig und zu keinem Zeitpunkt widersprüchlich und wurden durch die Aussagen des Amtssachverständigen, dass keinerlei Bewusstsein bezüglich eines Zusammenhanges des Verhaltens des Bf mit dem gegenständlichen Verkehrsunfall bestanden haben muss, bestätigt. Somit geht das Landesverwaltungsgericht davon aus, dass keinerlei Verschulden auf Seite des Bf vorliegt.

 

Aus diesem Grund war der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Der Ausspruch über die Kosten ist in den zitierten Gesetzesbestimmungen begründet.

 

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

V.            Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Katja Hörzing