LVwG-600731/13/Bi

Linz, 07.07.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn Mag. F P, vom 10. Februar 2015 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 22. Jänner 2015, VerkR96-8799-2014, wegen Übertretung der StVO 1960   

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen gemäß § 45 Abs.1 Z4 VStG eingestellt.

 

II.

Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren.

 

 

III.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs.4 VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.6 Z1 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4 B-VG unzulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 45 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt sowie ihm gemäß § 64 Abs.1 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von 10 Euro auferlegt.

Zugrundegelegt wurde laut Schuldspruch, er habe am 27. September 2014, 16.05 Uhr, mit dem Pkw x im Gemeindegebiet Sipbachzell, A1 bei km 189.600, in Fahrtrichtung Wien die auf Autobahnen zulässige Höchst­geschwindigkeit von 130 km/h um 12 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden.

Das Straferkenntnis wurde laut Rückschein am 26. Jänner 2015 zugestellt.

 

2. Dagegen hat der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungs­gericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erübrigte sich gemäß § 44 Abs.2 VwGVG.

 

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, er habe die ordnungsgemäße Messung der Geschwindigkeit durch das seinen Pkw ablichtende Messgerät angezweifelt, und aus dem Eichschein sei bereits klar gewesen, dass die Frist für die neuerliche Eichung im September 2014 abgelaufen gewesen sei. Die letzte Eichung stamme vom 9.6.2014, dh das Messgerät sei ungültig geworden und hätte nicht mehr verwendet werden dürfen. Die Missachtung der Bestimmungen des MEG habe das Straferkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet. Die Behörde hätte das erzielte Beweisergebnis aufgrund der geltenden Offizialmaxime zu verwerten gehabt, sie habe sein Vorbringen zu Unrecht als Erkundungsbeweis gewertet. Beantragt wurde die Aufhebung des Straferkenntnisses und Verfahrens­einstellung – auf die zunächst beantragte mündliche Verhandlung wurde in der Äußerung vom 30. März 2015 verzichtet.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Unbestritten ist, dass der Bf den Pkw x am 27. September 2014 gegen 16.05 Uhr auf der Westautobahn A1 im Gemeindegebiet Sipbachzell in Richtung Wien lenkte. Bei km 189.600 wurde der Pkw mit dem stationären Radarmess­gerät MUVR 6F Nr.697 mit einer Geschwindigkeit von 150 km/h gemessen und ein einzelnes Foto angefertigt. Eine Anhaltung erfolgte nicht. Der Anzeige wurde nach Abzug der vorgesehenen Toleranzen von 5% aufgerundet, dh 8 km/h, eine tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit von 142 km/h und daher eine Überschreitung der auf Autobahnen erlaubten Höchstgeschwindigkeit um 12 km/h zugrundegelegt. 

 

Im Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde wurde zunächst von der Zulassungsbesitzerin, Frau Mag. I P, eine Lenkerauskunft gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 eingeholt, wobei sie den Bf als Lenker zum auf dem Foto genannten Zeitpunkt angab.

Gegen die Strafverfügung der belangten Behörde vom 25. November 2014 erhob der Bf fristgerecht Einspruch und bestritt die ihm angelastete Geschwindig­keitsüberschreitung mit der Begründung, er habe einen Tempomat aktiviert und das entsprechende Limit eingegeben, weshalb das Messergebnis unrichtig sein müsse. Mit der Behauptung, das Messgerät sei nicht ordnungsgemäß geeicht gewesen, verlangte er die Eichdaten.

Seitens der belangten Behörde wurde das Radarmessprotokoll angefordert, aus dem sich ersehen lässt, dass die Radarmessungen am 27. September 2014 von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr bei km 189.6 der A1, FR Wien, im abfließenden Verkehr vom Messbeamten CI G B, Landespolizeidirektion , durchgeführt wurden. Weiters vorgelegt wurde ein mit 27. Juni 2011 datierter Eichschein für das Radarmessgerät MUVR 6F IdNr.697 mit Bestätigung der seitens des BEV erfolgten Eichung am 9. Juni 2011 mit Nacheichfrist bis 31. Dezember 2014. Außerdem wurde das Radarfoto mit der Uhrzeit 16:05:45 Uhr vorgelegt, auf dem ein einzelner Pkw mit dem Kennzeichen x im abfließenden Verkehr auf der mittleren der drei Fahrspuren zu sehen ist; das Kennzeichen wurde außerdem vergrößert.

Im Rahmen des Parteiengehörs äußerte sich der Bf zum Eichschein und kritisierte, dass nach den §§ 18 Z4 und  15 MEG die Nacheichfrist maximal drei Jahre beträgt, dh eine gesetzliche Vermutung bestehe, dass nach Ablauf der dreijährigen Frist die Genauigkeit des Gerätes nicht mehr gegeben sei.

Daraufhin erging das in Beschwerde gezogene Straferkenntnis. 

 

Im Rahmen des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht wurde von der Landespolizeidirektion der mit 16. Juli 2014 datierte Eichschein für das Radarmessgerät MUVR 6F IdNr.697 über eine am 17. Juni 2014 erfolgte Eichung  vorgelegt. Der neue Eichschein sei zur Zeit der Anforderung erst bei der Ausfertigung beim BEV gewesen. Beide Eichscheine seien zum Tatzeitpunkt gültig; dazu wurde auf die Bestimmung des § 16 MEG verwiesen. Weiters wurde deponiert, dass Gerätereparaturen immer bei der Fa. J. in Wien durchgeführt würden; sollte es zu Öffnungen von eichrelevanten Teilen kommen, würden diese anschließend dem Eichamt vorgeführt, das Gerät von diesem geprüft und nachgeeicht.

In seiner Äußerung vom 30. März 2015 verzichtete der Bf ausdrücklich auf die in der Beschwerde beantragte mündliche Verhandlung und beantragte eine Ermahnung, bestritt aber gleichzeitig die Richtigkeit der Messung, weil er ja seinen Tempomat auf 130 km/h aktiviert gehabt habe, sodass ihn kein Verschulden an einer geringfügigen Überschreitung treffe.

 

Seitens des Landesverwaltungsgerichts wurde das technische Gutachten des Amtssachverständigen Dipl.HTL-Ing R H vom 15. Juni 2015, Verk-210000/4884-2015-Hag, eingeholt, laut dem nach fotogrammetrischer Auswertung des einzelnen Radarfotos ein Winkelfehler von 2,7 Grad zugunsten des Bf und eine korrigierte Fahrgeschwindigkeit von 147 km/h errechnet wurde, dh nach Abzug der 5% eine tatsächlich vorwerfbare Geschwindigkeit von 139 km/h. Ausgeführt wurde, dass sich das einzige Fahrzeug, nämlich der vom Bf gelenkte Pkw, auf dem Radarfoto im Auswerte­bereich befindet, wenn man davon ausgeht, dass der Pkw kein auf der dritten Spur fahrendes Fahrzeug verdeckt. Da bei mobilen Radarmessungen nur ein einzelnes Foto gemacht werde, sei die Geschwindigkeit nicht nachrechenbar, nur die Aufstellung des Gerätes habe überprüft werden können, und der Aufstellungsfehler sei im Sinne des Bf berück­sichtigt worden. Es obliege dem aufmerksamen Messbetrieb des Polizeibeamten, auszuschließen, dass der abgebildete Pkw kein auf der dritten Spur fahrendes Fahrzeug verdeckt.

 

In seiner Äußerung vom 25. Juni 2015 stellt der Bf erstmals die Behauptung auf, er könne sich an einen Motorradfahrer erinnern, den er zwischen Salzburg und St. Pölten immer wieder hinter sich im Rückspiegel wahrgenommen habe; dieser habe ihn mehrmals überholt, sei offenbar aufgrund von Zwischenstopps wieder hinter sein Fahrzeug zurückgefallen und wieder aufgefahren, er habe ihn zu einem Wettfahren auffordern wollen. Dieser Motorradfahrer habe offensichtlich das Radar ausgelöst und sei im Moment der Fotoaufnahme durch seinen Pkw verdeckt worden, es sei ein schwarz-oranges KTM-Motorrad gewesen, das ihn immer wieder umschwirrt und zum Schneller-Fahren gedrängt habe, worüber er sich geärgert habe. Er beantragt die Vergrößerung des Fotos, um das Motorrad ausmachen zu können, kann aber nach eigenen Worten nicht ausschließen, es zur Gänze verdeckt zu haben. Jedenfalls möge der Messbeamte zeugenschaftlich vernommen werden, der nicht entsprechend aufmerksam vorgegangen oder auch abgelenkt worden sei.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 20 Abs.2 StVO darf der Lenker eines Fahrzeugen, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h fahren.

 

Auf dem Abschnitt der A1 Westautobahn, RFB Wien, bei km 189.6 im Gemeinde­gebiet Sipbachzell gilt die auf österreichischen Autobahnen generell erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h.

 

Der vom Bf gelenkte Pkw wurde zur oben angeführten Zeit auf diesem Abschnitt mit (bereinigt im Sinne des oben angeführten Gutachtens) 147 km/h gemessen. Auf dem vergrößerten Radarfoto ist keinerlei Anhaltspunkt für ein hinter dem Pkw auf der dritten Spur fahrendes Motorrad zu finden. Die am 25. Juni 2015 überraschend aufflammende Erinnerung des Bf an ein orange-schwarzes KTM-Motorrad, das ihn angeblich am 27. September 2014 auf der A1 so überholt hat, dass er es zur Gänze verdeckt haben könnte, ist eindrucksvoll aber unglaubwürdig; seine Vermutung vom den aufmerksamen Messbetrieb verschlafenden Messbeamten vermag nicht zu überzeugen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Radarmesswert und das im Anschluss daran ausgelöste Radarbild auf den auf dem Foto ersichtlichen, vom Bf gelenkten Pkw zurück­zuführen ist.

Nach Abzug der laut Zulassung der Geschwindigkeitsmesser der Bauart MUVR 6F vorgeschriebenen Toleranz von 5% - bestehend aus der Verkehrsfehlergrenze von 3% und dem Sicherheitsfaktor für Unsicherheiten der Messmethode von 2% - aufgerundet, das sind 7,35 bzw 8 km/h, ergibt sich rechnerisch eine tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit von 139 km/h.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Die Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit um 9 km/h ist zweifellos als geringfügig anzusehen, zumal das geschützte Rechtsgut, nämlich die Verkehrssicherheit, lediglich in geringem Maß beeinträchtigt wurde; aufgrund seiner verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit (zumindest im Bezirk Wels-Land) besteht auch keine Veranlassung für eine Ermahnung des Bf.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, naturgemäß unter Entfall von Verfahrenskostenbeiträgen bei der belangten Behörde. 

 

 

Zu II.:

 

Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt die Vorschreibung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren.

 

 

Zu III.:

 

Die ordentliche Revision des Beschwerdeführers ist auf der Grundlage des § 25a Abs.4 VwGG nicht zulässig – gemäß dieser Bestimmung ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs.6 Z1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungs­strafsache 1. eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und 2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde.

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs.4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger