LVwG-410000/3/Gf/Rt

Linz, 13.01.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Gróf  aus Anlass der Beschwerde der Fa. J, vertreten durch RA Dr. P, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Stadt Steyr vom 16. Jänner 2012, Zl. 7507/St/11, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Glücksspielgesetz den

 

B E S C H L U S S

 

gefasst:

 

I.          Die Beschwerde wird gemäß § 17 VwGVG i.V.m. § 6 Abs. 1 AVG an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet.

 

II.         Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 

 

B e g r ü n d u n g

 

Zu I.:

 

1.1. Mit der ho. anhängigen, ursprünglich auf Art. 129a Abs. 1 Z. 1 a.F. B-VG – nunmehr: Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG – gestützten, am 24. Jänner 2012 per Telefax eingebrachten Beschwerde wendete sich die Rechtsmittelwerberin gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Stadt Steyr vom 16. Jänner 2012, Zl. 7507/St/11, mit dem über sie eine Geldstrafe in Höhe von 4.000 Euro wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Glücksspielgesetz verhängt wurde.

 

1.2. Gegen das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 12. Juli 2012, Zl. VwSen-301166/7/Gf/JK, mit dem dieser Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wurde, hat die Bundesministerin für Finanzen eine Amtsbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) erhoben.

 

1.3. Aus Anlass dieser Amtsbeschwerde hat der VwGH die vorangeführte Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates mit Erkenntnis vom 21. Oktober 2013, Zl. 2012/17/0333, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

 

Auf Grund dieses ihm am 14. November 2013 zugestellten VwGH-Erkenntnisses war der Oö. Verwaltungssenat daher (bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013) gemäß § 63 Abs. 1 VwGG dazu verhalten, der Rechtsansicht des VwGH im Wege der Erlassung eines Ersatzbescheides entsprechend Rechnung zu tragen.

 

1.4. Mit Wirkung vom 1. Jänner 2014 wurden durch Art. 151 Abs. 51 Z. 8 erster Satz B‑VG (u.a.) die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern – und damit auch der Oö. Verwaltungssenat – aufgelöst.

 

Hinsichtlich der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei den Unabhängigen Verwaltungssenaten anhängigen Verfahren ordnet Art. 151 Abs. 51 Z. 8 zweiter Satz erster Halbsatz B-VG an, dass die Zuständigkeit zu deren Weiterführung (allgemein) auf „die Verwaltungsgerichte“ übergeht.

 

2. Gegenständlich liegt kein Fall eines (noch) beim VwGH (oder beim Verfassungsgerichtshof) anhängigen Verfahrens i.S.d. Art. 151 Abs. 51 Z. 9 B‑VG, sondern vielmehr eine Konstellation gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 8 B-VG im eben dargestellten Sinn vor.

 

Wenn davon ausgehend Art. 151 Abs. 51 Z. 8 zweiter Satz erster Halbsatz B‑VG explizit anordnet, dass die Zuständigkeit zur Weiterführung anhängiger Verfahren „auf die Verwaltungsgerichte“ (Hervorhebung nicht im Original) als solche (und nicht: auf die Verwaltungsgerichte der Länder) übergeht, so knüpft der Verfassungsgesetzgeber damit – mangels gegenteiliger Hinweise sowohl im B‑VG selbst als auch in den §§ 1 ff des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetzes BGBl.Nr. I 33/2013 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 122/2013 (VwGbk-ÜG) – an die insoweit gleichsam allgemeine Kompetenzverteilung des Art. 131 B-VG zwischen den drei unterschiedlichen Typen von Verwaltungsgerichten (Verwaltungsgerichte der Länder, Bundesverwaltungsgericht, Bundesfinanzgericht; vgl. Art. 129 B-VG) an.

 

Nach der diesbezüglich gleichsam als Generalklausel fungierenden Anordnung des Art. 131 Abs. 1 B-VG erkennen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B‑VG – und damit auch über Beschwerden gegen einen Bescheid (bzw. wie im vorliegenden Fall: gegen ein Straferkenntnis) einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit i.S.d. Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG – die Verwaltungsgerichte der Länder, soweit sich aus der lex specialis des Art. 131 Abs. 2 B-VG hinsichtlich des Bundesverwaltungsgerichtes (oder aus der Spezialbestimmung des Art. 131 Abs. 3 B-VG in Bezug auf das Bundesfinanzgericht) nicht anderes ergibt.

 

Und nach demselben Schema ordnet Art. 131 Abs. 2 B-VG an, dass das (allgemeine) Verwaltungsgericht des Bundes – soweit sich aus Art. 131 Abs. 3 B-VG nicht hinsichtlich des Bundesfinanzgerichtes Abweichendes ergibt – über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (und damit u.a. auch über Beschwerden gegen Straferkenntnisse) in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes erkennt, „die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden“.

 

Wenn vor diesem Hintergrund § 50 des Glücksspielgesetzes, BGBl.Nr. 620/1989 (in der im gegenständlichen Fall grundsätzlich maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 76/2011 bzw. in der geltenden Fassung BGBl.Nr. I 70/2013, im Folgenden: GSpG), anordnet, dass (u.a.) für Strafverfahren und Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion hingegen diese bzw. im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, die Landespolizeidirektion zuständig ist, dann wird damit vor dem Hintergrund, dass ein mehrgliedriger behördlicher Rechtsmittelinstanzenzug – von den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde abgesehen – seit dem 1. Jänner 2014 nicht mehr besteht (arg. Art. 131 Abs. 1 B-VG: „Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde“; vgl. auch § 63 Abs. 1 AVG i.d.g.F.), im Ergebnis für die in § 8 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 560/1991 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 53/2012 (im Folgenden: SPG) genannten Gemeinden eine Vollziehung des Verwaltungsstrafverfahrens nach dem GSpG unmittelbar durch Bundesbehörden i.S.d. Art. 131 Abs. 2 B-VG festgelegt.

 

3.1. Zur Entscheidung gegen derartige Straferkenntnisse ist daher nicht (mehr) das nach örtlichen Bezugspunkten in Betracht kommende Verwaltungsgericht eines Landes, sondern nach den Spezialbestimmungen des Art. 131 Abs. 2 B-VG i.V.m. § 50 Abs. 1 GSpG (nicht das Bundesfinanzgericht gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG i.V.m. § 19 des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes, BGBl.Nr. I 9/2010, sondern, weil § 50 Abs. 1 GSpG auch in Bezug auf § 19 AVOG als lex specialis anzusehen ist,) das Bundesverwaltungsgericht sachlich und funktionell zuständig.

 

3.2. § 50 Abs. 1 zweiter Satz GSpG (entgegen seinem Wortlaut) verfassungskonform interpretierend war daher die vorliegende, gegen ein das Gebiet einer Gemeinde gemäß § 8 Z. 5 SPG (nämlich: die Statutarstadt Steyr) betreffendes, nach § 96 Abs. 6 SPG nunmehr der Landespolizeidirektion Oberösterreich zuzurechnendes Straferkenntnis gerichtete Beschwerde gemäß § 17 VwGVG i.V.m. § 6 Abs. 1 AVG an das Bundesverwaltungsgericht weiterzuleiten.

 

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG insofern grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil bislang eine entsprechende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen diesen Beschluss besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde bzw. Revision ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Beschlusses durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr.  G r ó f

 

 

 

 

 

 

LVwG-410000/3/Gf/Rt vom 13. Jänner 2014

 

Rechtssatz

 

Beschluss

 

Art. 129 B-VG; Art. 130 B-VG; Art. 131 B-VG; Art. 151 Abs. 51 B-VG; § 50 GSpG; § 19 AVOG; § 8 SPG; § 96 Abs. 6 SPG; §§ 1 ff VwGbk-ÜG; § 17 VwGVG; § 6 Abs. 1 AVG

 

Wenn Art. 151 Abs. 51 Z. 8 zweiter Satz erster Halbsatz B VG explizit anordnet, dass die Zuständigkeit zur Weiterführung anhängiger Verfahren „auf die Verwaltungsgerichte“ (Hervorhebung nicht im Original) als solche (und nicht: auf die Verwaltungsgerichte der Länder) übergeht, so knüpft der Verfassungsgesetzgeber damit – mangels gegenteiliger Hinweise sowohl im B VG selbst als auch in den §§ 1 ff VwGbk-ÜG – an die insoweit gleichsam allgemeine Kompetenzverteilung des Art. 131 B-VG zwischen den drei unterschiedlichen Typen von Verwaltungsgerichten (Verwaltungsgerichte der Länder, Bundesverwaltungsgericht, Bundesfinanzgericht; vgl. Art. 129 B-VG) an.

 

Nach der diesbezüglich gleichsam als Generalklausel fungierenden Anordnung des Art. 131 Abs. 1 B-VG erkennen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B‑VG – und damit auch über Beschwerden gegen einen Bescheid (bzw. wie im vorliegenden Fall: gegen ein Straferkenntnis) einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit i.S.d. Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG – die Verwaltungsgerichte der Länder, soweit sich aus der lex specialis des Art. 131 Abs. 2 B-VG hinsichtlich des Bundesverwaltungsgerichtes (oder aus der Spezialbestimmung des Art. 131 Abs. 3 B-VG in Bezug auf das Bundesfinanzgericht) nicht anderes ergibt.

 

Und nach demselben Schema ordnet Art. 131 Abs. 2 B-VG an, dass das (allge-meine) Verwaltungsgericht des Bundes – soweit sich aus Art. 131 Abs. 3 B-VG nicht hinsichtlich des Bundesfinanzgerichtes Abweichendes ergibt – über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (und damit u.a. auch über Beschwerden gegen Straferkenntnisse) in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes erkennt, „die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden“.

 

Wenn vor diesem Hintergrund § 50 GSpG (in der im gegenständlichen Fall grundsätzlich maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 76/2011 bzw. in der geltenden Fassung BGBl.Nr. I 70/2013), anordnet, dass (u.a.) für Strafverfahren und Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion hingegen diese bzw. im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, die Landespolizeidirektion zuständig ist, dann wird damit vor dem Hintergrund, dass ein mehrgliedriger behördlicher Rechtsmittelinstanzenzug – von den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde abgesehen – seit dem 1. Jänner 2014 nicht mehr besteht (arg. Art. 131 Abs. 1 B-VG: „Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde“; vgl. auch § 63 Abs. 1 AVG i.d.g.F.), im Ergebnis für die in § 8 SPG genannten Gemeinden eine Vollziehung des Verwaltungsstrafverfahrens nach dem GSpG unmittelbar durch Bundesbehörden i.S.d. Art. 131 Abs. 2 B-VG festgelegt.

 

Zur Entscheidung gegen derartige Straferkenntnisse ist daher nicht (mehr) das nach örtlichen Bezugspunkten in Betracht kommende Verwaltungsgericht eines Landes, sondern nach den Spezialbestimmungen des Art. 131 Abs. 2 B-VG i.V.m. § 50 Abs. 1 GSpG (nicht das Bundesfinanzgericht gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG i.V.m. § 19 des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes, BGBl.Nr. I 9/2010, sondern, weil § 50 Abs. 1 GSpG auch in Bezug auf § 19 AVOG als lex specialis anzusehen ist,) das Bundesverwaltungsgericht sachlich und funktionell zuständig.

 

§ 50 Abs. 1 zweiter Satz GSpG (entgegen seinem Wortlaut) verfassungskonform interpretierend war die vorliegende, gegen ein das Gebiet einer Gemeinde gemäß § 8 Z. 5 SPG (nämlich: die Statutarstadt Steyr) betreffendes, nach § 96 Abs. 6 SPG nunmehr der Landespolizeidirektion Oberösterreich zuzurechnendes Straferkenntnis gerichtete Beschwerde gemäß § 17 VwGVG i.V.m. § 6 Abs. 1 AVG an das Bundesverwaltungsgericht weiterzuleiten.

 

Beschlagwortung:

 

Verwaltungsgerichte – Zuständigkeit – Generalklausel – lex specialis; unmittelbare Besorgung durch Bundesbehörden; Landespolizeidirektionen als erstinstanzliche Sicherheitsbehörden; verfassungskonforme Interpretation contra legem