LVwG-150579/3/RK/WP

Linz, 14.07.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Roland Kapsammer über die Beschwerde des Dr. A H, x, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Bad Zell vom 16. Dezember 2014, GZ: 851,1008-2014, den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I. Der Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Bad Zell vom 16. Dezember 2014, GZ: 851,1008-2014, wird anlässlich der Beschwerde aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG an den Gemeinderat der Marktgemeinde Bad Zell zurückverwiesen.

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Sachverhalt, bisheriger Verfahrensverlauf

 

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) ist Alleineigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundstücks Nr x, EZ x der KG L mit den darauf befindlichen baulichen Anlagen und der Postadresse x, x.

 

2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Bad Zell (im Folgenden: Bürgermeister) vom 13. Juni 1997 wurde dem Bf die Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses samt Komposttoilette, Klärbecken und Auffangbecken auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück rechtskräftig erteilt.

 

3. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 9. August 2011 wurde der Marktgemeinde Bad Zell die wasserrechtliche Bewilligung für die Erweiterung der Abwasserbeseitigungsanlage durch das Detailprojekt „E“ erteilt. Mit Schreiben des Bürgermeisters vom 25. April 2014 wurde der Bf darüber informiert, dass ab 8. Mai 2014 die einzelnen Hausanschlüsse an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage in der Ortschaft E hergestellt werden könnten, da am 5. Mai 2014 die Pumpwerke E bzw das Hauptpumpwerk B installiert und in Betrieb genommen werden.

 

4. Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 5. Mai 2014 wurde der Anschlusszwang für „die Liegenschaft x, x“ an die Kanalisationsanlage der Marktgemeinde Bad Zell festgestellt und der Bf verpflichtet, binnen 3 Monaten ab Rechtskraft des Bescheides das Objekt an die gemeindeeigene Kanalisation anzuschließen. Der Bescheid wurde dem Bf durch Hinterlegung zugestellt. Die Abholfrist begann am 8. Mai 2014 zu laufen.

 

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf mit Schriftsatz vom 18. Mai 2014, am Marktgemeindeamt Bad Zell am 19. Mai 2014 eingelangt, mit umfassender Begründung Berufung.

 

6. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2014 wies der Gemeinderat der Marktgemeinde Bad Zell (im Folgenden: belangte Behörde) die Berufung des Bf als unbegründet ab. Auf das Wesentliche zusammengefasst führte die belangte Behörde aus, bei der Frage, ob es sich um ein (anschlusspflichtiges) Objekt im Sinne des Gesetzes handle, sei eine abstrakte Beurteilung zu Grunde zu legen. Es komme nicht darauf an, ob konkret Abwasser anfalle, sondern darauf „ob ein Gebäude, in dem bei bestimmungsgemäßer Nutzung häusliches oder betriebliches Abwasser anfällt, gegeben ist. Dass bei einem Wohnobjekt wie dem gegenständlichen bei bestimmungsgemäßer Nutzung Abwässer anfallen, wird auch vom Berufungswerber nicht bestritten“. Dieser Bescheid wurde dem Bf am 19. Dezember 2014 zugestellt.

 

7. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf mit Schriftsatz vom 2. Jänner 2015, am Marktgemeindeamt der Marktgemeinde Bad Zell am 5. Jänner 2015 eingelangt, Bescheidbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Darin beantragt der Bf mit umfassender Begründung die Aufhebung des Bescheides sowie die Feststellung, dass keine Kanalanschlusspflicht bestehe.

 

8. Mit Schreiben vom 14. Jänner 2015, beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am folgenden Tag eingelangt, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

 

II.         Beweiswürdigung:

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt samt den einliegenden ausführlichen Schriftsätzen des Bf sowie durch Einholung eines aktuellen Grundbuchsauszuges (vgl ON 2 des verwaltungsgerichtlichen Aktes). Der entscheidungserhebliche Sachverhalt ergibt sich daraus widerspruchsfrei.

 

III.           Rechtslage:

 

1. Gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

2. Das Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001, LGBl 27 lautet auszugsweise wie folgt:

 

§ 1
Ziele und Grundsätze

(1) Dieses Landesgesetz hat das Ziel, die Entsorgung von häuslichen und betrieblichen Abwässern sowie von Niederschlagswässern, die auf bebauten Grundstücken anfallen, zu ordnen, die anfallenden Abwassermengen zu verringern und die Umwelt möglichst von Schadstoffen freizuhalten.

 

(2) Der Anfall von häuslichen und betrieblichen Abwässern ist weitgehend zu vermeiden. Nicht oder nur gering verunreinigte Niederschlagswässer sind möglichst direkt in den natürlichen Kreislauf rückzuführen. Nicht erforderliche Bodenversiegelungen haben zu unterbleiben.

 

(3) Die Entsorgung der häuslichen und betrieblichen Abwässer hat in einer den Anforderungen des Umweltschutzes, der Gesundheit und der Hygiene entsprechenden Weise zu erfolgen.

 

§ 2
Begriffsbestimmungen; Abgrenzung

(1) Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:

 

1. Abwasser: Wasser, das infolge seiner Verwendung in nicht natürlichen Prozessen in seinen Eigenschaften derart verändert wird, dass es Gewässer in ihrer Beschaffenheit (§ 30 WRG) zu beeinträchtigen oder zu schädigen vermag; natürlich anfallendes oder künstlich erschlossenes Thermalwasser und Wasser aus Heilquellen oder Heilmooren, die derartigen Prozessen unterworfen werden, gelten nicht als Abwasser;

 

2. häusliches Abwasser: Abwasser aus Küchen, Waschküchen, Waschräumen, Sanitär- oder ähnlich genutzten Räumen in Haushalten oder mit diesem hinsichtlich seiner Beschaffenheit vergleichbares Abwasser aus öffentlichen Gebäuden, Gewerbe-, Industrie- oder landwirtschaftlichen oder sonstigen Betrieben; [...]

 

13. Objekt: ein Gebäude, in dem bei bestimmungsgemäßer Nutzung häusliches oder betriebliches Abwasser anfällt; mehrere Gebäude, die den Hofbereich eines land- und forstwirtschaftlichen Anwesens bilden, gelten als ein Objekt.

 

§ 12

Anschlusspflicht

(1) Für Objekte besteht Anschlusspflicht an die öffentliche Kanalisation, wenn

 

1. die Abwässer nach Maßgabe der Einleitungsbedingungen in die öffentliche Kanalisation eingeleitet werden dürfen und

 

2. die kürzeste, in Luftlinie gemessene Entfernung zwischen dem Messpunkt des Objekts und dem für den Anschluss in Betracht kommenden Kanalstrang nicht mehr als 50 Meter beträgt; der Messpunkt wird ermittelt, indem der am weitesten in Richtung Kanalstrang vorspringende Teil des Objekts auf den Erdboden projeziert wird.

 

§ 22

Eigener Wirkungsbereich, Behördenzuständigkeit

(1) Die im Landesgesetz geregelten Aufgaben - ausgenommen die Vollziehung des § 14 Abs. 2 und des § 23 - sind von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen.

 

IV.          Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat über die zulässige und rechtzeitige Beschwerde erwogen:

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht vorerst davon aus, dass das Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001 unter Berücksichtigung des Wortlautes der §§ 12 und 13 eine absolute Anschlussverpflichtung für Objekte im 50m-Bereich eines Kanalstranges einer öffentlichen Kanalisation mit Ausnahme land- und forstwirtschaftlicher (Wohn-)Objekte [landwirtschaftliche Betriebe werden vom Anwendungsbereich des Gesetzes nicht erfasst] vorsieht, soweit die jeweiligen Einleitungsbedingungen der in Betracht kommenden öffentlichen Kanalisation die Einleitung zulassen.

 

2. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, grundsätzlich keine Bedenken gegenüber einem gesetzlichen Anschlusszwang (vgl VfSlg 6556/1971, 15894/2000) zu hegen. Es bedürfe keiner weiteren Begründung, dass die hygienisch einwandfreie Entsorgung des Abwassers und der Schutz des Grundwassers und anderer Gewässer im öffentlichen Interesse liegen (vgl das BVG über den umfassenden Umweltschutz) und es rechtfertigen, strenge Voraussetzungen für Ausnahmen von der Anschlussverpflichtung vorzusehen. Weiters hegt der Verfassungsgerichtshof auch keine grundsätzlichen Bedenken, dass ein solcher Anschlusszwang im Interesse der wirtschaftlichen Führung einer kommunalen Kanalisationsanlage verfügt wird.

 

3. In seiner Entscheidung vom 12. Juni 2002, G322/01, hatte der Verfassungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall zur Niederösterreichischen Bauordnung zu beurteilen, ob die ausnahmslose Verpflichtung zum Anschluss an die öffentliche Kanalisation im Einklang mit den verfassungsgesetzlichen Vorgaben, insbesondere mit dem Sachlichkeitsgebot steht. In seinem Prüfungsbeschluss zu § 62 Abs 2 erster Satz NÖ Bauordnung 1996 führt der Verfassungsgerichtshof diesbezüglich aus:

 

Der Gerichtshof geht ... vorläufig davon aus, daß es Situationen geben kann, in denen all diesen legitimerweise verfolgten Zielen ausnahmsweise im Einzelfall ohne Anschlußzwang Rechnung getragen wird und ein wichtiger Grund die Ausnahme rechtfertigt. Im Beschwerdefall scheint eine solche Situation vorzuliegen. Der Verfassungsgerichtshof hat das Bedenken, daß eine Regelung wie §62 Abs2 erster Satz BauO, die für solche Situationen keine Ausnahme vorsieht, überschießend und unverhältnismäßig ist und damit gegen das Sachlichkeitsgebot verstößt.

 

Im Beschwerdefall ist nämlich diese Situation anscheinend dadurch gekennzeichnet, daß eine private Pflanzenkläranlage bereits besteht, daß diese Anlage das Ziel einer hygienisch einwandfreien Abwasserentsorgung ebenso gut erfüllt wie die kommunale Anlage und daß sie die Wirtschaftlichkeit der kommunalen Anlage nicht gefährdet. Zur Frage des umfassenden Grundwasserschutzes haben die Beschwerdeführer behauptet, ihre Lösung sei der vom Gesetz vorgeschriebenen überlegen, und im verfassungsgerichtlichen Verfahren Unterlagen vorgelegt, welche diese Beschwerdebehauptungen anscheinend stützen. Zwar hat die belangte Behörde diese Umstände nicht erhoben, doch war sie dazu anscheinend vom Gesetz auch nicht verpflichtet. Gerade daß das Gesetz, wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt, es der Behörde verwehrt, diese Umstände zu berücksichtigen, dürfte gegen das Sachlichkeitsgebot verstoßen:

 

Die vorliegende Regelung dürfte der Behörde verbieten, auf andere öffentliche Interessen, aber auch auf die Einzelinteressen der Anschlußverpflichteten in irgendeiner Weise Rücksicht zu nehmen. Der konkrete Fall scheint zum Beispiel deutlich zu machen, daß bei einer sachlichen Abwägung andere (öffentliche) Interessen den Vorrang vor dem Anschluß an eine öffentliche Kanalisationsanlage erreichen können. Es dürfte zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen sein, daß bei einer sachlichen Abwägung das öffentliche Interesse am Weiterbetrieb einer in Fachkreisen anerkannten Musteranlage, die auch aus öffentlichen Geldern gefördert worden ist, und an der Fortführung einer wissenschaftlichen Begleitforschung überwiegt, während das öffentliche Interesse, das durch die Anschlußverpflichtung eigentlich verfolgt werden soll, nämlich der umfassende Grundwasserschutz, durch die von den Beschwerdeführern verwirklichte Lösung in gleicher Weise erreicht wird wie durch den Anschluß an die öffentliche Kanalisationsanlage.

 

Der Gerichtshof vermag vorläufig nicht zu erkennen, warum die bloße Notwendigkeit, (auch) Kleinkläranlagen regelmäßig zu kontrollieren, einen absoluten Anschlußzwang erforderlich machen könnte. Es mag zwar zutreffen, daß bei einer Vielzahl von Ausnahmen diese Kontrolle schwierig werden könnte. Private Anlagen mit entsprechend hohem Standard dürften aber nicht so zahlreich sein, daß ganz allgemein und von vornherein gesagt werden könnte, ihre Kontrolle wäre unmöglich. Dies müßte anscheinend im Einzelfall geprüft werden; gerade der Beschwerdefall dürfte zeigen, daß auch die laufende (wasserrechtliche) Kontrolle derartiger privater Anlagen keine besonderen Probleme aufwirft, zumal da die Anlage der Beschwerdeführer - nach den Beschwerdeangaben - ohnedies laufend kontrolliert wird.

 

Der Gerichtshof kann vorläufig auch nicht finden, daß der absolute Anschlußzwang, wie ihn §62 Abs2 BauO vorsieht, durch die Richtlinie des Rates 91/271/EWG, ABl. 1991 L 135/40, erzwungen würde. Art3 dieser Richtlinie scheint nicht zwingend von gemeindeeigenen Kanalisationsanlagen auszugehen; Art12, nach dessen Abs1 gereinigtes Abwasser nach Möglichkeit wiederverwendet werden soll, dürfte den Vorrang nachhaltiger Bewirtschaftung zum Ausdruck bringen, dem nach den Beschwerdebehauptungen gerade durch die Pflanzenkläranlage der Beschwerdeführer entsprochen wird.

 

Daß §62 BauO auf die geschilderten Situationen nicht Rücksicht nimmt und eine Interessenabwägung und Berücksichtigung im Einzelfall ausnahmslos ausschließt, dürfte unverhältnismäßig sein und ihn mit Verfassungswidrigkeit belasten.

 

Die vom Verfassungsgerichtshof im soeben wiedergegebenen Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken konnten im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht zerstreut werden und führten in weiterer Folge zur Aufhebung der maßgeblichen Bestimmung über den Anschlusszwang in der NÖ Bauordnung 1996.

 

4. Vor dem Hintergrund der soeben wiedergegebenen Rsp des Verfassungsgerichtshofes geht das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich davon aus, dass die Leitlinien dieser – zur niederösterreichischen Rechtslage ergangenen – Entscheidung bei der Interpretation der einschlägigen Bestimmungen des Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001 zu beachten sind. Der oberösterreichische Landesgesetzgeber scheint diesbezüglich allerdings ein – im Vergleich zur niederösterreichischen Rechtslage – flexibles Modell gewählt zu haben, das die verfassungsgesetzlich notwendige Einzelfallbetrachtung zuzulassen scheint. Dies aus folgenden Gründen:

 

5. Hauptanknüpfungspunkt für die Anschlusspflicht bildet der in § 2 Abs 1 Z 13 Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001 legal definierte Objektsbegriff. Nach dem Wortlaut des Gesetzes handelt es sich bei einem Objekt um „ein Gebäude, in dem bei bestimmungsgemäßer Nutzung häusliches [...] Abwasser anfällt“. Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH vom 28.1.2009, 2008/05/0196) ist darauf abzustellen, ob „bei konsensgemäßer Nutzung eines Gebäudes häusliches oder betriebliches Abwasser anfällt. [...] Eine konsensgemäße Nutzung eines Wohngebäudes lässt das Anfallen von häuslichen Abwässern erwarten. [...] Bei einer aufrechten Baubewilligung eines bestehenden Wohngebäudes ist daher davon auszugehen, dass dieses Gebäude als Wohngebäude genutzt werden darf und daher häusliche und betriebliche Abwässer anfallen“. Die Ausführungen des Höchstgerichts lassen die klare Trennung zwischen Tatbestandsebene (arg: bei konsensgemäßer Nutzung anfällt) und Sachverhaltsebene (arg: Nutzung eines Wohngebäudes lässt erwarten) erkennen: Während auf tatbestandlicher Ebene abstrakt in Frage steht, ob bei konsensgemäßer (bestimmungsgemäßer) Nutzung häusliches Abwasser anfällt, ist auf Ebene des Sachverhalts zu klären, ob die konkrete (und mit dem Konsens übereinstimmende) Nutzung zum Anfall von Abwasser führt. Der Verwaltungsgerichtshof beantwortete in der zitierten Entscheidung diese Frage mittels Prognose. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist daher bei der Beurteilung, ob beim verfahrensgegenständlichen Objekt bei bestimmungs­gemäßer (konsensgemäßer) Nutzung häusliches Abwasser anfällt, kein abstrakter Maßstab anzulegen, sondern konkret festzustellen, ob häusliches Abwasser anfällt. Diese Feststellungen im Wege einer Prognose, abgeleitet von der typischen und durchschnittlichen Nutzung eines Wohngebäudes, zu treffen, erweisen sich in Bezug auf das verfahrensgegenständliche Objekt des Bf als nicht ausreichend. Denn bereits der Bürgermeister hatte aufgrund der Baubewilligung Kenntnis darüber, dass der Bf über ein baurechtlich rechtskräftig bewilligtes Wohngebäude verfügt, bei dessen Nutzung möglicherweise kein häusliches Abwasser anfällt. Jedenfalls aber die belangte Behörde erlangte aufgrund des umfangreichen Vorbringens des Bf in seiner Berufung Kenntnis über die besondere Nutzung des Wohngebäudes des Bf.

 

6. Die Feststellung der konsensmäßigen Nutzung eines Gebäudes bedarf in einem ersten Schritt notwendigerweise der Feststellung von Art und Umfang des zugrundeliegenden Baukonsenses. Mit anderen Worten: Welche Art von Gebäude und welche Nutzung wurden baurechtlich bewilligt? Dabei erhellt, dass dem Bf ein Wohngebäude samt Komposttoilette, Klärbecken und Auffangbecken auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück rechtskräftig erteilt wurde. Nach den glaubhaften Ausführungen des Bf in der Berufung sowie im Beschwerde­schriftsatz – denen die belangte Behörde in keiner Weise auf vergleichbarer fachlicher Ebene entgegen getreten ist – fällt bei konsensgemäßer Nutzung des rechtskräftig bewilligten Wohngebäudes des Bf samt den mitgenehmigten weiteren technischen Einrichtungen kein häusliches Abwasser an.

Ganz im Sinne der Ziele und Grundsätze des Oö. Abwasserentsorgungsgesetzes 2001 vermeidet der Bf – soweit die von ihm vorgelegten Unterlagen vermuten lassen – durch ein durchdachtes und technisch ausgefeiltes System sowie eine entsprechend – vom menschlichen Mainstream abfallende – und den Zielen des Gesetzes angepasste - Lebensweise den Anfall jeglichen häuslichen Abwassers. In der Diktion des Gesetzgebers würde es sich beim Objekt des Bf daher um ein Gebäude handeln, bei dem bei bestimmungsgemäßer (konsensmäßiger) Nutzung kein häusliches Abwasser anfällt. Damit läge kein Objekt iSd § 2 Abs 1 Z 3 Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001 vor. Die (gesetzliche) Anschlusspflicht gem § 12 Abs 1 leg cit bestünde damit nicht.

 

7. Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich hat die belangte Behörde durch das Abstellen auf eine abstrakte Betrachtungsweise bei der Beurteilung der bestimmungsgemäßen (konsensgemäßen) Nutzung eines Objektes maßgebliche Ermittlungsschritte unterlassen, die zur Beurteilung der Anschlusspflicht des Wohngebäudes des Bf notwendig gewesen wären.

Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 26.6.2014, Ro 2014/03/0063) kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht). Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde keinerlei Ermittlungen im Hinblick auf die konsensgemäße Nutzung des Wohngebäudes des Bf getätigt und insbesondere keine Feststellungen zum tatsächlichen Anfall von häuslichen Abwässern getroffen. Die belangte Behörde hat damit in Bezug auf das zentrale Tatbestandselement keinerlei Ermittlungsschritte getätigt. Die Zurückverweisung zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens erweist sich daher als zulässig.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

8. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde – allenfalls unter Heranziehung eines Amtssachverständigen – festzustellen haben, ob bei bestimmungs- bzw konsensgemäßer Nutzung des Wohngebäudes des Bf häusliches Abwasser anfällt. Die belangte Behörde wird sich hierbei auch ausführlich mit dem Vorbringen des Bf im Berufungsschriftsatz auseinanderzusetzen haben und dem Bf im fortgesetzten Verfahren ausreichend Gelegenheit zu geben haben, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen.

 

Am Rande erlaubt sich das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich darauf hinzuweisen, dass gem § 12 Abs 3 letzter Satz Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001 die 3-monatige Frist zur Herstellung des Kanalanschlusses durch den Eigentümer erst mit Fertigstellung der öffentlichen Kanalisation (dies war nach den Angaben der belangten Behörde der 8. Mai 2014) zu laufen beginnt. Gem § 12 Abs 4 leg cit darf ein diesbezüglicher Leistungsbescheid erst nach fruchtlosem Verstreichen dieser Frist erlassen werden. Da zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bürgermeisters (Zustellung am 8. Mai 2014) die Frist noch nicht abgelaufen war (in Wahrheit erst an diesem Tag zu laufen begann!), stand der Bescheid des Bürgermeisters im Zeitpunkt seiner Erlassung im Widerspruch zu seinen gesetzlichen Grundlagen.

 

9. Die vom Bf beantragte öffentliche mündliche Verhandlung konnte gem § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

 

V.           Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Im gegenständlichen Verfahren war in materiell-rechtlicher Hinsicht die Frage zu klären, ob durch die bestimmungsgemäße (konsensgemäße) Nutzung eines Gebäudes häusliches Abwasser anfällt, in abstrakter Weise im Wege einer typologischen (abstrakten) Betrachtungsweise zu beantworten ist, oder ob – insbesondere bei Vorliegen einschlägiger Indizien – eine Prüfung der konkreten (konsensgemäßen) Nutzung des Gebäudes durchzuführen ist und auf Basis dieser Nutzung festzustellen ist, ob häusliches Abwasser anfällt und damit ein (anschlusspflichtiges) Objekt iSd Oö. Abwasserentsorgungsgesetzes 2001 vorliegt. Diesbezüglich geht das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in Übereinstimmung mit der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes (vgl 28.1.2009, 2008/05/0196) von einer konkreten Prüfpflicht aus. Da die belangte Behörde eine typologische (abstrakte) Betrachtungsweise gewählt hat, hat sie maßgebliche Ermittlungsschritte unterlassen, weshalb aufgrund der mittlerweile stRsp des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063) eine Zurückverweisung iSd § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG an die belangte Behörde zulässig war. Es war daher keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Roland Kapsammer