LVwG-150545/6/EW/FE - 150549/2

Linz, 13.07.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Wiesbauer über die Beschwerde 1. des Ing. D R und 2. der C R, beide wohnhaft x, 3. der E T und 4. des H W, beide wohnhaft x, und 5. der D W, wohnhaft in x, alle vertreten durch x, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Mauthausen vom 26. September 2014, Zl. 030/0/31/2014, betreffend die Errichtung einer Wohnhausanlage in der Marktgemeinde Mauthausen,

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG werden die Beschwerden mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die nachstehende Auflage zusätzlich vorgeschrieben wird:

„Gebäude und bauliche Anlagen auf unmittelbar an das zu bebauende Grundstück angrenzenden Grundstücken sowie die Hausbrunnen auf den Gst. Nr. x und xx, je KG M, sind aus bautechnischer Sicht beweiszusichern.“

Im Übrigen bleibt der bekämpfte Bescheid vollinhaltlich aufrecht.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Sachverhalt und bisheriger Verfahrensverlauf:

 

I.1. Mit Schreiben vom 25. Februar 2014, eingelangt am 17. März 2014, suchte die x GmbH, x (im Folgenden: Antragstellerin), um Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung von drei Wohnanlagen mit insgesamt 28 Wohneinheiten und einer Tiefgarage auf den Grundstücken Nr. x1, x2 und der Baufläche Nr. x3, EZ x, KG M, an.

 

I.2. Die Baubehörde erster Instanz führte dazu am 12. Mai 2014 eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung der Amtssachverständigen für Bautechnik und für Luftreinhaltetechnik durch. Der Ortsplaner Arch. Dipl. Ing. W S, stellte weiters im Schreiben vom 8. Mai 2014 fest, dass das geplante Bauvorhaben dem Bebauungsplan nicht widerspreche.

 

Alle Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) erhoben dazu schriftliche Einwendungen, welche am 9. Mai 2014 bei der Baubehörde erster Instanz einlangten.

 

I.3. Mit Bescheid vom 5. August 2014, Zl. 030/0/31/2014, erteilte der Bürgermeister der Marktgemeinde Mauthausen als Baubehörde erster Instanz die Baubewilligung zur Errichtung der geplanten Wohnanlagen samt Tiefgarage unter Vorschreibung von Auflagen. Zu den Einwendungen der Nachbarn führte die Baubehörde erster Instanz im Wesentlichen aus, dass der mangelnde Wasserdruck des Ortswasserleitungsnetzes sowie die zusätzliche Verkehrsbelastung in der Hstraße und der Kstraße, der Beeinträchtigung der Hausbrunnen, des Auftretens von Rissen am eigenen Gebäude und der Beeinträchtigung der eigenen Liegenschaft durch Bautätigkeit keine zulässigen Einwendungen darstellen würden. Bei der Einwendung hinsichtlich der Geschoß- und Gebäudehöhe handle es sich um eine zivilrechtliche Einwendung. Der Einwand der Belästigung durch Lärm und Abgase von den offenen Parkplätzen und der Tiefgarage würde nicht ausreichen, um ein subjektiv-öffentliches Recht zu begründen, welches zur Abweisung des Bauansuchens führen würde. Der Beurteilung der Amtssachverständigen in dieser Hinsicht wurde außerdem nicht entgegengetreten.

 

I.4. Gegen diesen Bescheid erhoben alle Bf fristgerecht Berufung.

 

Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführer (im Folgenden: Erst-Bf und Zweit-Bf) wendeten in ihrer Berufung vor allem die Nichtumsetzung des seit 1998 bestehenden Verkehrskonzeptes ein. Auf Grund der Nichtumsetzung dieses Verkehrskonzeptes sei ihre Gesundheit und Sicherheit durch die Erteilung einer Baubewilligung massiv gefährdet. Der Erst‑Bf und die Zweit‑Bf fordern, dass eine Beweissicherung der Erdarbeiten an der Grundstücksgrenze zu ihnen durchgeführt werden soll und auf Grund der Steilheit des Hanges absolute Rutschgefahr bestehe. Außerdem würde ihr Grundstück mit samt dem Haus einer massiven Wertminderung bei Durchführung des geplanten Projektes unterliegen. Es liege ein massiver Eingriff in das Eigentumsrecht des Erst‑Bf und der Zweit‑Bf vor. Auf Grund der bestehenden Probleme mit dem Wasserdruck der Ortswasserleitung sei die Wasserversorgung durch die Marktgemeinde Mauthausen vorher zu sanieren. Außerdem sei die Funktion des Abwasserkanals und die Dimensionierung der geplanten Rückhaltebecken zu überprüfen und vorher dürfe keine Baubewilligung erteilt werden. Die immer wieder zugesagte Koordinationsstelle müsse eingerichtet werden, um die Anrainer bei extremer Windlage und Staubentwicklung sowie bei Lärm und sonstigen Problemen zu schützen.

 

Auch von der Dritt- und dem Viertbeschwerdeführer (im Folgenden: Dritt‑Bf und Viert‑Bf) wurde die mangelnde Umsetzung des Verkehrskonzeptes von 1998 in ihrer Berufung vorgebracht. Außerdem befürchten sie, dass ihr Hausbrunnen durch das gegenständliche Bauvorhaben versiegen würde, was von der Baubehörde nicht berücksichtigt worden sei. Auch auf ihren Einwand hinsichtlich der Grenzmauer, deren Fundamentierung bedenklich ist, wurde von der Baubehörde nicht eingegangen. Durch die geplante neue Parkfläche und die Tiefgarage sei ein gesundheitsgefährdendes Ausmaß an Lärm und Abgasen erreicht bzw. überschritten. Durch die Lärm- und Staubbelastung während der Bauarbeiten sei die Gesundheit der Anrainer gefährdet. Vor Erteilung der Baubewilligung hätten ausreichende Infrastrukturen (Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und Dimensionierung des Rückhaltebeckens) geschaffen werden müssen. Auch die unabhängige Koordinationsstelle wird von der Dritt‑Bf und dem Viert‑Bf gefordert.

 

Die Fünftbeschwerdeführerin (im Folgenden: Fünft‑Bf) bringt in ihrer Berufung die mangelnde Umsetzung des Verkehrskonzeptes, die Gefährdung ihres Hausbrunnens, die Lärm- und Staubbelästigung während der Bauarbeiten, die Dimensionierung des geplanten Rückhaltebeckens des Abwasserkanals und die Einrichtung der zugesagten Koordinationsstelle ein. Darüber hinaus werde auf Grund der direkt an das Grundstück der Fünft‑Bf angrenzenden Parkfläche (5 m unter dem derzeitigen Niveau) eine zusätzliche Lärmbelästigung und ein gesundheitsgefährdendes Ausmaß an Lärm und Abgasen befürchtet und seien diesbezüglich keine exakten Erhebungen von der Erstbehörde durchgeführt worden, sondern hat sich der Sachverständige auf das vorgelegte Gutachten bezogen. Außerdem wendet die Fünft‑Bf ein, dass die Gesamthöhe nicht höher als beim Altbestand sein dürfe.

 

I.5. Mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Mauthausen (im Folgenden: belangte Behörde) vom 26. September 2014, Zl. 030/0/31/2014, wurde den Berufungen der Bf keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid vollinhaltlich bestätigt. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass der Einwand hinsichtlich des Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan bzw. zum Örtlichen Entwicklungskonzept im erstinstanzlichen Bauverfahren nicht eingewendet worden sei und somit aus formalen Gründen als neue Einwendung unbeachtlich sei. Darüber hinaus seien die Ausführungen zum Flächenwidmungsplan auch inhaltlich nicht geeignet, eine Versagung der beantragten Baubewilligung herbeizuführen, da das Verkehrskonzept 1998 erstellt wurde. Diesem Verkehrskonzept hätten die künftigen Flächenwidmungen zu entsprechen. Da für das gesamte gegenständliche Bauareal seit jeher die Widmung Bauland bestehen würde und eine weitere Baulandausweisung nicht erfolgt sei, würde kein Widerspruch zum Flächenwidmungsplan und dem Örtlichen Entwicklungskonzept vorliegen. Außerdem handle es sich beim Örtlichen Entwicklungskonzept als Teil des Flächenwidmungsplanes um eine Verordnung, auf deren Inhalt ebenso wenig ein subjektives Recht bestehe, wie darauf, dass das Örtliche Entwicklungskonzept in der Flächenwidmung umgesetzt werde. Hinsichtlich der Einwendung der Dritt-, Viert- und Fünft‑Bf, dass durch die geplanten Grabungsarbeiten die Brunnen dieser Bf versiegen würden, führt die belangte Behörde unter Zugrundelegung der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus, dass kein Recht auf Schutz des Brunnens oder hinsichtlich Wasserversorgung und Wasserqualität bestehe. Beweissicherungsverfahren seien im Zuge des Zivilverfahrens durchzuführen. Die Frage der Lärm- und Luftbeeinträchtigung auf den Parkflächen und durch die Tiefgarage sei durch die beigezogenen Amtssachverständigen entsprechend beurteilt worden. Außerdem seien Immissionen von Stellplätzen nicht zu berücksichtigen, wenn sie in der betreffenden Widmungskategorie zulässig seien, wie dies im gegenständlichen Fall vorliege. Dass sich die Fahrbewegungen generell erhöhen, sei als Einwendung nicht zu berücksichtigen. Weiters habe der Nachbar auf die Art der öffentlichen Wasserversorgung und die Wasserableitung keinen subjektiven Rechtsanspruch. Die erstinstanzliche Behörde habe sich aber mit der Abwasserbeseitigung hinreichend auseinander gesetzt. Außerdem hätten die Nachbarn auf eine Koordinationsstelle, welche mit Kompetenzen, wie die Einschränkung des LKW-Verkehrs oder die Verfügung eines Baustopps, ausgestattet ist, keinen Rechtsanspruch. Hinsichtlich der Einwendung der Dritt- und des Viert‑Bf betreffend die Grenzmauer und deren bedenkliche Fundamentierung wird auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach insbesondere Befürchtungen der Beeinträchtigung während der Bauführung durch Erschütterungen und ähnliche Umweltbeeinträchtigungen kein subjektives Nachbarrecht begründen würden. Selbstverständlich seien die bauausführenden Firmen insbesondere zivilrechtlich verpflichtet, die Baumaßnahmen so zu setzen, dass dadurch keine Schäden an den Nachbarliegenschaften entstehen. Auch die Einwendung der Fünft‑Bf, dass durch die Bau- und Grabungsarbeiten die auf ihrer Liegenschaft errichtete Halle beeinträchtigt werden könne, sei aus den oben genannten Gründen nicht zielführend. Der Einwand der Fünft‑Bf hinsichtlich der Höhe des Bauvorhabens stelle keinen Versagungsgrund dar, weil die Vorschriften betreffend die Höhe eingehalten werden würden. Hinsichtlich der Einwendung des Erst- und der Zweit‑Bf sei die Unverletzlichkeit des Eigentums keine taugliche Einwendung und im Übrigen nicht im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht worden. Auch die Einwendungen, dass die Verbreiterung des öffentlichen Gutes (Kweg) unzulässig sei und eine Rutschgefahr betreffend des Bauprojektes bestünde, seien keine zulässigen Einwendungen. Mit dem Wasserdruck und der Relevanz der Ortswasserleitung hinsichtlich der Nachbarrechte im Bauverfahren habe sich die erstinstanzliche Baubehörde hinreichend auseinander gesetzt. Die Sanierungsbedürftigkeit des Hochbehälters sei nicht geeignet, eine Versagung des gegenständlichen Bauvorhabens zu bewirken.

 

I.6. Gegen diesen Bescheid haben alle Bf fristgerecht Beschwerde erhoben.

 

Der Erst- und die Zweit‑Bf führen in ihrer Beschwerde aus, dass das Verkehrskonzept, welches seit 1998 vorliege und vom Gemeinderat genehmigt wurde, bis heute nicht umgesetzt worden sei. Die Bf weisen darauf hin, dass in diesem Verkehrskonzept ausgeführt worden sei, dass ohne Lösung des Straßenproblems (Belastung von Wohngebietsstraßen mit gebietsfremdem Durchgangsverkehr auch für den Kweg sowie die K- und Hstraße) keine weiteren Baulandausweisungen nördlich des Ortszentrums vorzunehmen seien. Entsprechend des § 18 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 (im Folgenden: Oö. ROG 1994) dürfe daher keine Verbauung des alten Seniorenheimareals durchgeführt werden. Das Argument der belangten Behörde, dass es sich beim gesamten Bauareal seit jeher um die Widmung Baugebiet im Sinn des § 21 Oö. ROG 1994 handle und somit durch die gegenständliche Baubewilligung keine Ausweitung erfolgt wäre, sei nicht korrekt, da die Sonderwidmung die Widmung als Seniorenheim und nicht als verdichtete Bebauung mit vermehrtem Verkehrsaufkommen betreffen würde. Außerdem seien rechtsverbindliche Entwicklungskonzepte von Amts wegen umzusetzen, ohne dass überhaupt ein Hinweis eines Nachbarn oder einer sonstigen Partei notwendig sei. Diese Einwendungen seien auch nicht verspätet erhoben worden. Bei Nichtumsetzung des Verkehrskonzeptes vor Erteilung einer Baubewilligung für das gegenständliche Projekt sei die Sicherheit und Gesundheit des Erst- und der Zweit‑Bf massiv gefährdet. Außerdem dürften die Geschoßhöhen nicht höher werden als sie beim Altbestand (Seniorenheim) gewesen sind. Die mündlich zugesagten Höhenbeschränkungen seien nicht eingehalten worden. An der Grundgrenze werde das Niveau von 298 m auf 293 m abgesenkt und in 5 m Tiefe ein Parkplatz errichtet. Weiters ist unmittelbar angrenzend an das Grundstück des Erst- und der Zweit‑Bf eine Tiefgarage geplant. Dadurch bestehe auf Grund der Steilheit des Grundstückes der Bf massive Rutschgefahr. Trotzdem sei eine Auflage einer Beweissicherung nicht vorgesehen worden. Durch die beabsichtigte Verbreiterung des Kweges werden zukünftig Besucher diesen verparken, sodass die Bf in ihrem Recht auf freie Zufahrt zu ihrem Anwesen behindert werden würden. Durch die beabsichtigten Baumaßnahmen werde das Objekt des Erst- und der Zweit‑Bf total entwertet und daher unverkäuflich. Durch die geplanten Grabungsarbeiten bestehe eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Hangrutschung. Diesbezüglich gebe es auch keine Auflagen zur Beweissicherung. Auch wenn für die Bebauung des Seniorenheimgeländes zwei getrennte Projekte eingereicht wurden, sei dieses als einheitliche Baumaßnahme zu werten und die Nichtbehandlung des Umstandes, dass direkt an der Grundgrenze der Erst- und Zweit‑Bf eine Absenkung wegen des Baues der Tiefgarage erfolgen solle, bedenklich. Außerdem seien extrem unzumutbare Emissionen zu berücksichtigen. Durch das Absenken um 5 m zur Schaffung einer großen freien Parkfläche werden Immissionen im Sinn des § 364 Abs. 2 ABGB begründet, welche eine konkrete Gefahr darstellen. Mit entsprechenden Bescheidauflagen hätte Sicherheit für die Bf geschaffen werden können. Konkrete Gesundheitsgefährdungen würden sich aus der offenen Parkfläche mit enormer Lärm- und Abgasbelästigung ergeben sowie aus der Tatsache, dass giftige Abluft aus der Tiefgarage, welche über die offene Parkfläche geführt werde, nicht berücksichtigt worden sei. Daher hätten Lärmschutzmaßnahmen, die Nachteile aus der Zunahme des Verkehrs ausgleichen, vorgeschrieben werden müssen. Weiters hätten die Erst- und Zweit‑Bf ein Grundrecht auf sichere Wasserversorgung und die ordnungsgemäße Ableitung der Oberflächenwässer und sonstigen Abwässer. Die geplanten Rückhaltebecken seien zu klein dimensioniert und würden nicht für Starkregenereignisse ausreichen. Eine entsprechende Bauauflage zur Absicherung gegen die Gefahr der Abrutschung der Grundgrenze während des Baues und der Wiedererrichtung des Zaunes hätten vorgeschrieben werden müssen. Den Bf sei es nicht zumutbar, zum Zivilgericht zu gehen, um ihr Eigentum von Nachteilen zu schützen. Da weder eine unabhängige Koordinationsstelle eingerichtet wurde noch das Verkehrskonzept aus dem Jahr 1998 verwirklicht worden sei, wäre das Bauansuchen abzuweisen gewesen. Bei extremer Windlage und Staubentwicklung sowie bei Lärm und sonstigen Problemen müssten die Anrainer z.B. beim Abbruch des alten Seniorenheimes wieder zum Zivilgericht gehen, um eine einstweilige Verfügung und einen Baustopp zu erwirken. Abschließend wird die Aufhebung folgender Textteile des § 35 Abs. 1a Oö. Bau 1994 wegen Verfassungswidrigkeit angeregt: "..., die im Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigen sind ..., wenn sie sachlich gerechtfertigt sind". Begründet wird dieser Antrag, weil durch diese Wortfolge eine weitgefasste Regelung der nachbarrechtlichen Parteistellung in § 31 Abs. 3 Oö. BauO 1994 wieder eingeschränkt werde. § 31 Abs. 3 Oö. BauO 1994 werde durch den § 35 Abs. 1a Oö. BauO 1994 unterlaufen. Die Baubehörde hätte ein verfassungsrechtlich bedenkliches ausuferndes Ermessen, welche öffentlich-rechtlichen Einwendungen zu berücksichtigen seien und welche nicht. Es stelle eine ungerechtfertigte Einengung der Nachbarschaftsrechte dar, wenn die Behörde entscheiden darf, was sachlich gerechtfertigt ist und was nicht, wenn es sich um subjektive Rechte wie beispielsweise den Einwand des versiegenden Hausbrunnens bzw. den Einwand des Abrutschens des ganzen Hanges handle. Die Baubehörde könne durch Abs. 1a des § 35 Oö. BauO 1994 ihren eingeräumten Ermessensspielraum exzessiv zum Nachteil der Nachbarn ausnutzen. Es sei unter dem Gleichheitsgrundsatz bedenklich, wenn Nachbarn, die bereits vor dem neu zu errichtenden Bauwerk gesiedelt haben, nunmehr die Lebensqualität und ihr Eigentum sowie ihre Gesundheit verteidigen müssen und dabei auf die Zivilgerichte verwiesen werden. Die Baubehörde dürfe wie ein Zensor darüber in der Sache selbst entscheiden.

 

Die Dritt- und der Viert‑Bf begründen ihre Beschwerde ebenfalls mit der mangelnden Umsetzung des Verkehrskonzeptes aus 1998, der Lärm- und Abgasbelästigung aus der offenen Parkfläche und der Abluft aus der Tiefgarage, dem Grundrecht auf eine sichere Wasserversorgung und die ordnungsgemäße Ableitung der Oberflächenwässer und sonstigen Abwässer, der zu kleinen Dimensionierung des geplanten Rückhaltebeckens und der Einrichtung einer Koordinationsstelle. Darüber hinaus bringen sie auch vor, dass ihr Hausbrunnen durch die Baumaßnahmen versiegen würde sowie dass durch die geplante Absenkung die Grenzmauer durch die Grabungsarbeiten zerstört werde und dazu keine Auflagen hinsichtlich der Beweissicherung vorgeschrieben wurden. Ebenfalls regen sie die Aufhebung von Wortteilen des § 35 Abs. 1a Oö. BauO 1994 an.

 

Auch die Fünft‑Bf verweist in ihrer Beschwerde auf die Nichtumsetzung des Verkehrskonzeptes aus 1998 als Teil des Örtlichen Entwicklungskonzeptes, auf die extrem unzumutbaren Emissionen, auf die Lärm- und Abgasbelästigung aus den offenen Parkflächen und der Tiefgarage, auf die fehlenden Lärmschutzmaßnahmen hinsichtlich der Zunahme des Verkehrs für die Anrainer, auf das subjektive Recht auf eine gesicherte Wasserversorgung sowie einer ordnungsgemäßen Ableitung der Oberflächenwässer, auf eine zu geringe Dimensionierung des geplanten Rückhaltebeckens bei Starkregenereignissen und auf die Nichteinrichtung der unabhängigen Koordinationsstelle. Darüber hinaus wendet die Fünft‑Bf noch ein, dass konkrete Gefahr bestehe, dass der Hausbrunnen versiegen würde und keine Beweissicherungsmaßnahmen als Auflage vorgeschrieben worden seien. Weiters werde der Einwand erhoben, dass keine Schutzvorkehrungen für die Liegenschaft der Fünft‑Bf, die gewerblich genutzt wird, getroffen worden seien. Im bekämpften Bescheid würden sich keine Hinweise befinden, dass durch Auflagen dafür Sorge getroffen worden wäre, dass die gewerblich genutzte Halle der Fünft‑Bf durch Grabungsarbeiten bzw. das generelle Absenken des zu bebauenden Grundstückes um 5 m nicht beschädigt werde; dies obwohl die konkrete Gefahr bestehe, dass der flüssigkeitsdichte Hallenboden durch die geplanten Baumaßnahmen Risse erhält. Es fehle somit am Anrainerschutz für den Gewerbebetrieb der Fünft‑Bf. Auch eine Bauauflage zur Absicherung der Grundgrenze während des Baues sowie die Wiedererrichtung des Zaunes als Bescheidauflage fehlen. Auch die Fünft‑Bf regt die Aufhebung eines Textteiles des § 35 Abs. 1a Oö. BauO wegen Verfassungswidrigkeit an.

 

I.7. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2014, eingelangt am 9. Dezember 2014, legte die belangte Behörde die Beschwerden und die dazugehörigen Verwaltungsakten dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

II. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Baubehörde, in den Bebauungsplan
Nr. 66 und den Flächenwidmungsplan (ON 3). Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits nach der Aktenlage hinreichend geklärt war, konnte gemäß § 24 VwGVG trotz Parteienantrages von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden (vgl. VwGH 06.11.2013, 211/05/0007; 15.05.2014, 2012/05/0089).

 

Gemäß § 2 VwGVG hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in der verfahrensgegenständlichen Sache durch einen Einzelrichter zu entscheiden.

 

III.1. Gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG erkennen, soweit gesetzlich nichts anderes geregelt ist, die Verwaltungsgerichte der Länder.

Gemäß Art. 132 Abs 6 B-VG kann in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches Beschwerde beim Verwaltungsgericht erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden.

Wer durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann gemäß Art. 132 Abs 1 Z 1 B-VG gegen den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben.

 

Die Beschwerde des Bf ist daher zulässig.

 

III.2. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

 

III.3. Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994) LGBl Nr 66/1994 in der Fassung LGBl 90/2013 lauten:

 

㤠31

Einwendungen der Nachbarn

 

(1) Nachbarn sind

1. bei Wohngebäuden einschließlich der zugehörigen Stellplätze für Kraftfahrzeuge sowie der allenfalls vorgeschriebenen Neben- und Gemeinschaftsanlagen: die Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens zehn Meter entfernt sind;

 

2. bei allen anderen Bauvorhaben sowie für die Nachbarrechte im Sinn des Abs 5: die Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens 50 Meter entfernt sind.

 

Die Stellung als Nachbar besteht jedoch jeweils nur unter der Voraussetzung, dass diese Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind Grundeigentümern oder Grundeigentümerinnen gleichgestellt.

[...]

 

(3) Nachbarn können gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind.

 

(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen. Ein Schutz gegen Immissionen besteht jedoch insoweit nicht, als die Nachbargrundstücke oder die darauf allenfalls errichteten Bauwerke nicht für einen längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind und die Errichtung solcher Bauwerke auf Grund faktischer oder rechtlicher Umstände auch in Hinkunft nicht zu erwarten ist. Als längerer Aufenthalt gilt dabei jedenfalls nicht ein wenn auch mehrmaliger oder öfterer, jeweils aber nur kurzzeitiger vorübergehender Aufenthalt von Menschen. Überdies kann der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen nicht dazu führen, daß die Baubewilligung für ein Bauvorhaben, das nach der für das Baugrundstück geltenden Flächenwidmung zulässig ist, grundsätzlich versagt wird.“

 

(5) Beim Neubau von Wohngebäuden auf bisher unbebauten Grundstücken (heranrückende Bebauung) sind auch Einwendungen zu berücksichtigen, mit denen Immissionen geltend gemacht werden, die von einer bestehenden benachbarten Betriebsanlage oder von einem bestehenden benachbarten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb ausgehen und auf das geplante Bauvorhaben einwirken. Dies gilt jedoch nur für Immissionen, die auf Grund rechtskräftiger Bescheide zulässig sind. In diesem Fall hat der Nachbar die entsprechenden Nachweise beizubringen.

[...].

 

§ 35

Entscheidung über den Baubewilligungsantrag

[...]

(1a) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn, die im Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigen sind, stehen der Erteilung einer Baubewilligung entgegen, wenn sie sachlich gerechtfertigt sind. Kann solchen öffentlich-rechtlichen Einwendungen durch Auflagen oder Bedingungen entsprochen werden, sind diese vorzuschreiben.

[...]“

 

Die maßgeblichen Bestimmungen des Oö. Raumordnungsgesetzes (Oö. ROG 1994) LGBl 1993/114 idF LGBl 2015/69 lauten auszugsweise:

 

㤠18

Flächenwidmungsplan mit örtlichem Entwicklungskonzept

[...]

(3) Das örtliche Entwicklungskonzept besteht aus einer zeichnerischen Darstellung (Funktionsplan) und den gegebenenfalls notwendigen ergänzenden textlichen Festlegungen; es hat jedenfalls grundsätzliche Aussagen zu enthalten über:

1. das Baulandkonzept, das [...]

2. das Verkehrskonzept mit den geplanten Infrastrukturmaßnahmen der Gemeinde im Bereich der örtlichen Verkehrserschließung

3. das Grünlandkonzept, das [...].“

 

IV.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat im Rahmen des durch §§ 27 und 9 Abs 1 Z 3 und 4 VwGVG normierten Prüfungsumfang erwogen:

 

Die Bf sind unstrittig Nachbarin iSd § 31 Oö. BauO 1994. Vorweg ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt ist: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (VwGH 28.04.2006, 2004/05/0257). Der Nachbar kann nach der oberösterreichischen Rechtslage im Baubewilligungsverfahren daher nur eine Verletzung seiner ihm vom Gesetz eingeräumten subjektiv-öffentlichen Rechte geltend machen (vgl. als Beispiel für viele etwa das Erkenntnis des VwGH vom 12.6.2012, 2009/05/0105, mwN). Der Nachbar behält seine Parteistellung im Baubewilligungsverfahren zudem nur, wenn er (taugliche) Einwendungen im Rechtssinn erhoben hat. Eine Einwendung in diesem Sinne liegt nur dann vor, wenn aus dem Vorbringen des Nachbarn zu erkennen ist, in welchem vom Gesetz geschützten Recht er sich durch die beabsichtigte Bauführung verletzt erachtet. Er muss zwar das Recht, in dem er sich verletzt erachtet, nicht ausdrücklich bezeichnen und auch nicht angeben, auf welche Gesetzesstelle sich seine Einwendung stützt, und er muss seine Einwendung auch nicht begründen, jedoch muss daraus erkennbar sein, welche Rechtsverletzung behauptet wird (VwGH 15.11.2011, 2008/05/0146, mwN).

 

IV.2. Der Einwand der Bf, dass entgegen einer mündlichen Zusage die Geschoßhöhe nun höher geplant ist als beim Altbestand, begründet keine subjektiven Rechte. Allenfalls handelt es sich dabei um eine privatrechtliche Vereinbarung deren Durchsetzung im Zivilrechtsweg anzustreben ist. Einen Widerspruch des geplanten Bauvorhabens zum Bebauungsplan hinsichtlich der Geschoßhöhe wurde von den Bf nicht behauptet. Darüber hinaus stellte der Ortsplaner in seiner Stellungnahme vom 8. Mai 2014 fest, dass hinsichtlich des geplanten Bauvorhabens kein Widerspruch zum Bebauungsplan festgestellt werden konnte.

 

Dass durch die beabsichtigte Verbreiterung des Kweges dieser künftig von Besuchern verparkt werde, sodass die Bf, beim Ausfahren aus ihrem Anwesen behindert werden, stellt keine zulässige Einwendung dar, da aus der befürchteten Verschlechterung der Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Straßen kein subjektives Recht abgeleitet werden kann (vgl. VwGH 22.11.1985, 85/05/0112; 16.9.2003, 2001/05/03702; 15.2.2011, 2009/05/0017).

 

Daher führt auch der Einwand der Bf, dass das vom Gemeinderat genehmigte Verkehrskonzept aus dem Jahr 1998 bis heute nicht umgesetzt wurde ins Leere, da auch dieser auf die Verschlechterung der Verkehrssituation im Bereich Kberg sowie der K- und Hstraße durch das geplante Bauvorhaben abzielt. Die Einwendung, dass die Gesundheit der Bf und ihre Sicherheit bei Nichtumsetzung des Verkehrskonzeptes bei Erteilung der Baubewilligung massiv gefährdet sei, zielt auf den Schutz vor „schädlichen Umwelteinwirkungen“ nach § 3 Abs 3 Z 2 iVm § 2 Z 22 Oö. BauTG 2013 ab. Jedoch bezieht sich diese Bestimmung auf den Bestand und die Benützung der zu errichtenden Bauwerke und nicht auf öffentliche Straßen. Auch wird der belangten Behörde Recht gegeben, wenn sie darlegt, dass die zu bebauenden Grundstücke seit jeher die Widmung Bauland aufweisen und somit auch kein Widerspruch zum Verkehrskonzept vorliegt. Mit diesen Argumenten konnten die Bf keine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides aufzeigen.

 

Hinsichtlich der Einwendung der Bf betreffend der Funktionstüchtigkeit und Dimensionierung der geplanten Rückhaltebecken ist auf das diesbezügliche wasserrechtliche Bewilligungsverfahren zu verweisen und stellt diese keine zulässigen Einwendung dar.

 

Dem Vorwurf der Bf, dass durch die offene Parkfläche und die Abluft aus der Tiefgarage mit enormen Lärm und Abgasbelästigungen und dadurch mit einer Gesundheitsgefährdung zu rechnen sei, ist entgegenzuhalten, dass in der mündlichen Verhandlung am 12. Mai 2014 sowohl der Amtssachverständige für Bautechnik als auch der Amtssachverständige für Luftreinhaltetechnik Befund und Gutachten zum geplanten Bauvorhaben abgegeben haben. Der Amtssachverständige für Luftreinhaltetechnik hat auf Grundlage der von der Antragstellerin vorgelegten Berechnungsergebnisse ein Gutachten über die Immissionsbelastung durch Luftschadstoffe durch den Betrieb der Tiefgaragen und der Freiparkplatze erstellt. Er ging von der ungünstigsten Situation für die Nachbarn im Bereich des GrstNr. x aus und kam beim Vergleich der Berechnungsergebnisse mit den Immissionsgrenzwerten des Immissionsschutzgesetz-Luft zu dem Ergebnis, dass die Zusatzbelastung als sehr geringfügig einzustufen sei und es zu keiner Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte kommt. Der bautechnische Amtssachverständige nimmt auf das schalltechnische Gutachten der Antragstellerin hinsichtlich der Parkplatzlärmsituation Bezug, aus welchem hervorgeht, dass keine relevante Beeinflussung der widmungsgemäßen Planrichtwerte im Bereich der nächstgelegenen Anrainerliegenschaften und Grundgrenzen durch die Parkflächen im Freien und in der Tiefgarage ableitbar ist. Diese Gutachten und Berechnungen sind nachvollziehbar und schlüssig. Da die Bf den gutachterlichen Feststellungen auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten sind, kann diese Einwendung der Bf keine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides aufzeigen.

 

Zur Einwendung, dass die getrennt zur Baubewilligung eingereichten Projekte auf dem ehemaligen Seniorenheimareal von den Bf als einheitliche Baumaßnahme betrachtet werden und deshalb auch zum anderen Bauprojekt Einwände in diesem Verfahren vorgebracht werden, wird darauf hingewiesen, dass es sich bei einem Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren handelt, für das der in den Einreichplänen und in den Baubeschreibungen zum Ausdruck gebrachte Bauwille des Bauwerbers entscheidend ist (vgl VwGH 11.5.2010, 2009/05/0064; 21.12.2010, 2007/05/0308). Gegenstand der baubehördlichen Entscheidung ist das durch den Bauplan und die baubehördliche Beschreibung konkretisierte Bauvorhaben (vgl. VwGH 18.11.2014, 2013/05/0178). Einwendungen bezüglich eines anderen Bauvorhabens können daher in diesem Verfahren keine Berücksichtigung finden.

 

Als privatrechtliche Einwendung ist die Behauptung der Bf zu werten, dass durch die geplante Baumaßnahme (vor allem durch die daraus resultierende unzumutbare Verkehrssituation auf der öffentlichen Straße) ihr Grundstück entwertet werden würde. Da privatrechtliche Einwendungen der Erteilung einer Baubewilligung nicht entgegenstehen, führt auch dieses Vorbringen nicht zur Aufhebung des Bescheides (vgl. Neuhofer, Oberösterreichisches Baurecht7 [2014] § 35 Oö. BauO 1994 Rz 22).

 

Die Forderung der Bf auf die Einrichtung einer unabhängigen Koordinationsstelle ist in der Oö. Bauordnung 1994 nicht vorgesehen und kann daher daraus kein subjektives Recht auf deren Einrichtung abgeleitet werden.

 

Die Vorbringen der Bf gegen die Ausführung des Bauvorhabens (Gefahr der Hangrutschung bei Grabungsarbeiten, wie etwa bei der Errichtung der Tiefgarage aufgrund der Steilheit des Grundstücks der Bf, was zur Zerstörung der Grenzmauer bzw. des Zaunes führen würde sowie die Gefahr, dass die gewerblich genutzte Halle mit flüssigkeitsdichtem Boden der Fünft-Bf durch Grabungsarbeiten beschädigt werde) sind keine Einwendungen im Sinne des Gesetzes, weil sich ein solches Vorbringen nicht gegen die Bewilligungsfähigkeit des Bauvorhabens richtet (vgl. VwGH 29.8.1995, 95/05/0195 mwN).

 

Die Bf berufen sich weiters auf ihr Grundrecht auf sichere Wasserversorgung und die ordnungsgemäße Ableitung der Oberflächenwässer und sonstigen Abwässern. Auf Sicherung der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung hat der Nachbar jedoch keinen Rechtsanspruch, (VwGH 13.6.1979, 49/79; 24.10.1979, 637, 638/79; 17.5.1990, 89/06/0045), zumal die Bf auch nicht darlegen, wie sie hiedurch in ihren Rechten betroffen sind. Weiters steht den Nachbarn nicht das Recht zu, dass durch das Bauvorhaben der Grundwasserhaushalt nicht beeinträchtigt werde (vgl. VwGH 21.7.2005, 2004/05/0156). Somit geht auch der Einwand der Dritt-, Viert- und Fünft-Bf hinsichtlich der Gefahr des Versiegens ihres Hausbrunnens durch Grabungsarbeiten ins Leere.

 

IV.3. Aus baurechtlicher bzw. -technischer Sicht ist hingegen sicherzustellen, dass es durch die (dem jeweiligen Stand der Technik entsprechend umzusetzenden) projektgegenständlichen Baumaßnahmen zu keinen Beschädigungen kommt, die u.U. auch das Versiegen eines Brunnens verursachen können. Diesem Umstand wurde – nach Rücksprache mit einem Amtssachverständigen für Bautechnik – durch die ergänzende Vorschreibung einer Beweissicherung Rechnung getragen. Eben dies gilt auch für die ebenfalls in der Beschwerde vorgebrachten möglichen Schäden an angrenzenden Gebäuden und baulichen Anlagen (Stützmauer). Dass die Bauwerberin einer Beweissicherung im Zuge des Verfahrens ohnehin zugestimmt hat (Verhandlungsschrift vom 12. Mai 2014), machte die Vorschreibung derselben nicht obsolet, sehr wohl aber die gesonderte Wahrung des Parteiengehörs im Zuge des Ermittlungsverfahrens.

 

IV.4. Hinsichtlich der Anregung der Bf auf Aufhebung des Textteils „wenn sie sachlich gerechtfertigt sind“ des § 35 Abs 1a Oö. Bauordnung 1994, weil dadurch die weitgefasste nachbarrechtliche Parteistellung des § 31 Abs 3 systemwidrig eingeschränkt werde, ist auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11.3.1978 (VfSlg 8279) zu verweisen. Darin spricht das Höchstgericht klar aus, dass abgesehen von Einzelfällen keine Verfassungsnorm besteht, die Parteienrechte überhaupt oder in einem bestimmten Umfang garantiert. Den Umfang der Parteienrechte in einem Verwaltungsverfahren bestimmt der einfache Gesetzgeber und kann diesen daher auch beschränken (vgl. auch Hauer, Der Nachbar im Baurecht6 [2008] 82; Neudorfer, Oberösterreichisches Baurecht7 [2014] 328). Auch einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz durch diese Bestimmung kann das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht erkennen. Der Anregung einer amtswegigen Normprüfung durch den Verfassungsgerichtshof wurde aus den genannten Gründen nicht nachgegangen.

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Dr. Elisabeth Wiesbauer

Beachte:

Die Revision wurde zurückgewiesen.

VwGH vom 27. Oktober 2015, Zl. Ra 2015/05/0071-4