LVwG-700109/2/Sr

Linz, 06.08.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des F Z, geboren am x, vertreten durch Mag. Dr. H B, Rechtsanwalt in L, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 16. Juni 2015, GZ: VStV/915300756684/2015,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insoweit stattgegeben, als von der Verhängung einer Strafe abgesehen und dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seine Verhaltens gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 4 VStG eine Ermahnung erteilt wird.

 

II.       Gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG entfällt für den Beschwerdeführer die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 16. Juni 2015, GZ: VStV/915300756684/2015, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) eine Geldstrafe in Höhe von 500,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage) gemäß § 120 Abs. 1a in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 verhängt, da er sich in der Zeit von 8. bis 28. Mai 2015 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Die belangte Behörde führte im Spruch wie folgt aus:

 

Sie haben sich als Fremder (§ 2 Abs. 4 Z 1 FPG), wie am 27.05.2015 in Linz bei der Fremdenpolizei festgestellt wurde, seit 08.05.2015 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, da für den rechtmäßigen Aufenthalt eine rechtmäßige Einreise Voraussetzung ist und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristungen oder die Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten werden dürfte.

Sie sind illegal nach Österreich eingereist, haben sich am 08.05.2015 beim Meldeamt des Magistrates Linz angemeldet und haben sich seit Ihrer Einreise bis zur Heirat mit einer EU-Bürgerin am 28.05.2015 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten.

 

Ihre Entscheidung begründend führt die belangte Behörde – ohne Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen oder jegliche Ausführungen bezüglich die subjektive Tatseite oder die Strafzumessung – wie folgt aus:

 

Im Einspruch gegen die Strafverfügung wird der nicht rechtmäßige Aufenthalt nicht bestritten. Zur Eheschließung mit einer EU-Bürgerin ist festzuhalten, dass zwar ab dem Zeitpunkt der Heirat ein Aufenthaltsrecht abgeleitet werden kann, aber dadurch nicht der zurückliegende unrechtmäßige Aufenthalt saniert wird.

 

Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu.

 

Ihre illegale Einreise und der anschließende nicht rechtmäßige Aufenthalt laufen massiv einem geordneten Fremdenwesen zuwider, weshalb dem Einspruch nicht stattgegeben wird.

 

2. Gegen das in Rede stehende Straferkenntnis erhob der Bf im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde und stellte einleitend u.a. die Anträge, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben, in eventu die ausgesprochene Strafe angemessen herabzusetzen.

 

3. Die belangte Behörde legte die rechtzeitig erhobene Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsstrafaktes dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen; damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte mangels Parteiantrags abgesehen werden.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von dem unter den Punkten I.1. und I.2. dargestellten Sachverhalt aus.

 

II.

 

Der festgestellte Sachverhalt ist unbestritten.

 

III.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

1. Der unter der Überschrift „Rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt“ stehende § 120 Abs. 1a des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl I 2005/100, in der im Tatzeitpunkt anzuwendenden Fassung BGBl I 2015/70, normiert:

Wer als Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2 500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2 500 Euro bis zu 7 500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

 

§ 31 Abs. 1 FPG legt fest:

§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt;

5. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

2. Dass der Bf, welcher die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG ist, und er sich, ohne entsprechenden Titel im Zeitraum 8. bis 27. Mai 2015 in Österreich aufhielt, den objektiven Tatbestand des § 120 Abs. 1a FPG übertreten hat, steht außer Frage und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Dies wird im Übrigen auch in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt.

 

3. Für die Frage der Strafbarkeit bleibt daher, die subjektive Tatseite zu prüfen.

 

Gemäß § 38 VwGVG iVm § 5 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter bzw. die Täterin nicht glaubhaft macht, dass ihn bzw. sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bf initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch das Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

Dem Bf ist aufgrund dieser Judikatur jedenfalls fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen. Er hat im Verfahren kein Tatsachenvorbringen erstattet bzw. keine Beweise beigebracht, welche gegen die gesetzliche Annahme sprechen würden. Es steht aus Sicht des erkennenden Mitglieds des Landesverwaltungsgerichtes außer Frage, dass vom Bf erwartet werden konnte, durch Einholung entsprechender Auskünfte sicherzustellen, dass sein Aufenthalt in Österreich bis zur unmittelbar bevorstehenden Eheschließung mit einer Unionsbürgerin auch legitimiert ist. Oder anders gewendet: Wenn sich ein Fremder für einen, wenn auch kurzfristigen Zeitraum, in Österreich aufhält und nicht selbst die entsprechenden Behördengänge vornimmt, hat er sich zumindest zu vergewissern, ob die diese Aufgabe übernehmende Person auch tatsächlich entsprechend handelt. Unterlässt der Fremde dies, handelt er fahrlässig, was für die Strafbarkeit nach § 120 Abs. 1a FPG ausreicht.

 

4.1. Gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter dem Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Voraussetzung für die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG ist das kumulative Vorliegen der in dieser Gesetzesstelle genannten Kriterien.

 

4.2. Zweck des § 120 Abs. 1a FPG ist es, den rechtswidrigen Aufenthalt sowie die rechtswidrige Einreise nach Österreich hintanzuhalten. Hinsichtlich der Bedeutung dieses Rechtsguts ist im abstrakten Vergleich zu den persönlichen Werten wie etwa dem Recht auf Leben oder dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, Gesundheit, Freiheit, etc. grundsätzlich von einer deutlich geringeren Bedeutung des hier in Rede stehenden Rechtsguts auszugehen (zum Rangverhältnis der kollidierenden Rechtsgüter vgl. Kienapfel/Höpfel, Strafrecht Allgemeinter Teil13 Z 12 RN 21). Die gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG erforderliche Voraussetzung der geringen Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts und der geringen Intensität der Beeinträchtigung kann, unter Ansehung der äußerst kurzen unrechtmäßigen Aufenthaltsdauer des Bf in Österreich, daher als erfüllt angesehen werden.

 

Darüber hinaus setzt § 45 Abs. 1 Z 4 VStG für die Erteilung einer Ermahnung voraus, dass das Verschulden gering ist. Von geringfügiger Schuld kann nur die Rede sein, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl noch zu § 21 Abs. 1 VStG aF VwGH vom 6.11.2012, 2012/09/0066). Solches kann auch bei vorsätzlichem Handeln des Täters der Fall sein, allerdings nur dann, wenn besondere Umstände bei der Begehung der Tat, wie zB eine dringende Notlage diesen Schluss rechtfertigen (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 1369 mwN).

 

Aus dem Vorlageakt und dem Vorbringen des Bf lässt sich glaubhaft erschließen, dass er gutgläubig gehandelt hat. Unmittelbar nach der Einreise in Österreich, die zur Eheschließung und gemeinsamen Wohnsitznahme erfolgt ist, hat er sich bei seiner nunmehrigen Ehegattin polizeilich angemeldet, war dort für Behördenorgane jederzeit erreichbar und hält sich nach wie vor an dieser Adresse auf. Ein geringes Verschulden an der Tat kann daher angenommen werden.

 

4.3. Aufgrund der besonderen Umstände im vorliegenden Fall gelangt das Landesverwaltungsgericht daher zum Ergebnis, dass hier ausnahmsweise mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden kann. Dies auch deshalb, da, wie beide Verfahrensparteien vorgebracht haben, dem Bf nunmehr ein Aufenthaltsrecht zukommt und eine Wiederholungsgefahr im Hinblick darauf derzeit nicht besteht.

 

5. Hinsichtlich Spruchpunkt II ist festzuhalten, dass gem. § 52 Abs 8 VwGVG die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Bf nicht aufzuerlegen sind, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da im ggst. Verfahren keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche, dh über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Ob nämlich gerade im Fall der Bf die Voraussetzungen für eine Ermahnung vorliegen, ist nicht verallgemeinerungsfähig und somit auch nicht revisibel.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Christian Stierschneider