LVwG-600947/8/MZ

Linz, 17.08.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde der S W, vertreten durch RA Mag. M E, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 8.6.2015, GZ VerkR96-7780-2014, wegen einer Übertretung des Führerscheingesetzes

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.) Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 8.6.2015, GZ VerkR96-7780-2014, wurde der Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) vorgeworfen, am 20.7.2014 um 3:55 Uhr das KFZ mit dem Kennzeichen x auf der Hauptstraße bis zum Anwesen 36 (Parkplatz Tankstelle) im Ortsgebiet von Ried im Traunkreis mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,25 mg/l gelenkt zu haben, obwohl das Lenken eines KFZ nur erlaubt ist, wenn der Alkoholgehalt der Atemluft weniger als 0,25 mg/l beträgt.

 

II. Gegen das genannte Straferkenntnis ergriff die Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

Auf die Beschwerdebegründung braucht mangels weiterer Verfahrensrelevanz nicht eingegangen zu werden.

 

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt sowie die Einholung von Nachweisen in Bezug auf die rechtzeitige Einbringung des Einspruchs gegen die dem bekämpften Straferkenntnis vorausgegangene Strafverfügung. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da der in folgendem Punkt dargestellte entscheidungsrelevante Sachverhalt unstrittig feststeht und auch nicht ersichtlich ist, dass einem Entfall der Verhandlung Art 6 EMRK oder Art 47 GRC entgegen stehen.

 

c) Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt steht fest:

 

Die dem genannten Straferkenntnis vorausgegangene Strafverfügung vom 4.8.2014, GZ VerkR96-7780-2014, wurde am 6.8.2014 hinterlegt und ab 7.8.2014 zur Abholung bereitgehalten. Der mit 21.8.2014 datierte Einspruch gegen die Strafverfügung wurde – laut Poststempel – am 22.8.2014 zur Post gegeben bzw am 21.8.2014 um 20:24 Uhr per Telefax sowie um 20:34 Uhr per E-Mail an die offizielle Mailadresse der belangten Behörde übermittelt.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a.1) Die einschlägigen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG lauten in der geltenden Fassung:

 

„Anzuwendendes Recht

§ 38. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles, und des Finanzstrafgesetzes – FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Prüfungsumfang

§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“

 

a.2) Die einschlägigen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG lauten in der heranzuziehenden Fassung:

 

„§ 49. (1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) …

 

§ 24. Soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, gilt das AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren. Die §§ 2, 3, 4, 11, 12, 13 Abs. 8, 14 Abs. 3 zweiter Satz, 37 zweiter Satz, 39 Abs. 3, 41, 42, 44a bis 44g, 51, 57, 68 Abs. 2 und 3, 75 und 78 bis 82 AVG sind im Verwaltungsstrafverfahren nicht anzuwenden.“

 

a.3) Die im Wege des § 38 VwGVG iVm § 24 VStG anzuwendenden Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG lauten in der geltenden Fassung:

 

„Anbringen

§ 13. (1) …

(2) Schriftliche Anbringen können der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.

(3) …

(5) Die Behörde ist nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen.

 

 

5. Abschnitt: Fristen

§ 32. (1) …

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

 

§ 33. (1) …

(3) Die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) werden in die Frist nicht eingerechnet.“

 

b) Die dem genannten Straferkenntnis vorausgegangene Strafverfügung vom 4.8.2014, GZ VerkR96-7780-2014, wurde am 6.8.2014 hinterlegt und ab 7.8.2014 zur Abholung bereitgehalten. Gemäß § 32 Abs 2 AVG endete die laut § 49 Abs 1 VStG zweiwöchige Einspruchsfrist gegen diese Strafverfügung somit am Donnerstag den 21.8.2014. Da der Einspruch, wie dem im Verwaltungsakt aufliegenden Briefkuvert bzw dem darauf abgedruckten Poststempel zu entnehmen ist, erst am 22.8.2014 an die Post übergeben wurde, vermag die Bf nicht in den Genuss des Postlaufprivileges des § 33 Abs 3 AVG zu gelangen.

 

Ob der von der Bf erhobene Einspruch rechtzeitig war, ist daher anhand der am 21.8.2014 um 20:24 Uhr per Telefax sowie um 20:34 Uhr per E-Mail an die belangte Behörde übermittelten Ausfertigungen zu beurteilen.

 

c) Gem § 13 Abs 5 AVG ist die belangte Behörde nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten und kann – Abs 2 leg cit zufolge – technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten im Internet bekanntmachen.

 

Von der Ermächtigung des § 13 Abs 2 AVG hat die belangte Behörde Gebrauch gemacht. Auf deren Homepage findet sich unter dem Punkt „Amtstafel“ die Kundmachung über die Kommunikation mit der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 1. Juli 2013 (https://www.land-oberoesterreich.gv.at/Mediendateien/Formulare/DokumenteBH_KI/AmtszeitenParteienverkehr.pdf).

 

In § 2 der Kundmachung werden die Amtsstunden wie folgt festgelegt:

 

Montag 07:00 – 12:00 Uhr und 12:30 – 17:00 Uhr

Dienstag 07:00 – 17:30 Uhr

Mittwoch 07:00 – 12:30 Uhr

Donnerstag 07:00 – 12:00 Uhr und 12:30 – 17:00 Uhr

Freitag 07:00 – 12:30 Uhr

 

§ 1 Abs 2 der Kundmachung normiert zudem, dass die Empfangsgeräte (Telefax und E-Mail) zwar auch außerhalb der Amtsstunden empfangsbereit sind, diese allerdings nur während der Amtsstunden betreut und Anbringen, die außerhalb der Amtsstunden an diese Empfangsgeräte gerichtet werden, daher nicht entgegengenommen werden.

 

Darüber hinaus erfolgt sogar der Hinweis, dass dies die Wirkung hat, dass Anbringen auch dann, wenn sie an sich bereits in den Verfügungsbereich der Behörde gelangt sind, erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht (und eingelangt) gelten.

 

Am Donnerstag den 21.8.2014 endeten entsprechend der wiedergegebenen Kundmachung die Amtsstunden um 17:00 Uhr. Das per Telefax um 20:24 Uhr sowie um 20:34 Uhr per E-Mail eingebrachte Rechtsmittel erreichte die belangte Behörde daher außerhalb der Amtsstunden und gilt damit im Hinblick auf die oben genannte Kundmachung erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden, somit am Freitag den 22.8.2014 als eingebracht (vgl VwGH 23.05.2012, 2012/08/0102).

 

d) Die – postalisch und elektronisch eingebrachten – Einsprüche der Bf gegen die Strafverfügung vom 4.8.2014, GZ VerkR96-7780-2014, sind daher als verspätet anzusehen und die Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen.

 

Demzufolge war die belangte Behörde nicht berechtigt, das angefochtene Straferkenntnis zu erlassen und das Landesverwaltungsgericht hat dieses – in Anwendung des § 27 VwGVG – wegen Unzuständigkeit ersatzlos aufzuheben.

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die gegenständliche Entscheidung nicht von der zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Markus Zeinhofer