LVwG-700111/9/MZ

Linz, 08.09.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des E N, geb x, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 17.7.2015, GZ: Pol96-62-2015/Gr, wegen einer Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes, durch Verkündung

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als von der Verhängung einer Geldstrafe abgesehen und der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ermahnt wird.

 

II.       Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 17.7.2015, GZ: Pol96-62-2015/Gr, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) gemäß § 1 Abs 1 und 2 iVm § 10 Abs 1 lit a Oö. Polizeistrafgesetz 1979 eine Geldstrafe in der Höhe von 100 Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 46 Stunden verhängt.

 

Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:

 

„Sie haben am 30.1.2015 um 20:00 Uhr in 4020 Linz, X-gasse 14, den öffentlichen Anstand verletzt, indem Sie sich über die Amtshandlung der Beamten nach einer von Ihnen begangenen Verwaltungsübertretung, u.a. mit folgenden Worten: „Wer glaum denn sie wer sie san? Sands deppat? I muss mi an gor nix halten!“ lustig machten und den Beamten auch mit den Worten: „Wauns ned glei wegfoan, kriagns a Problem mit mir, Foans jetzt sofort weg mit eichan Kübl!“ drohten. Dies konnte von einer weiteren anwesenden Person wahrgenommen werden. Ihr Verhalten in der Öffentlichkeit verstieß damit gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte.“

 

Auf die Wiedergabe der Entscheidungsbegründung kann verzichtet werden, da diese überwiegend aus Textbausteinen besteht und ihr kein Begründungswert zukommt.

 

II. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

In seiner Beschwerde macht der Bf auf das Wesentliche verkürzt geltend, dem Beamten lediglich die Fragen nach seinem Ausweis und seinem Namen beantwortet und darüber hinaus kein Wort mit ihm gewechselt zu haben. Zudem sei die verhängte Strafe überschießend.

 

Er beantragt die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses.

 

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem, auf das Wesentliche verkürzten, entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Der Bf befand sich am 30.1.2015 gegen 20:00 Uhr auf der S-straße und überquerte die ampelgeregelte Kreuzung in Richtung B-gasse, um in das von seiner Lebensgefährtin gelenkte, am gegenüberliegenden Straßenrand geparkte Kraftfahrzeug zu steigen. Die Überquerung der Straße wurde von den Polizisten Herrn S und Frau H beobachtet, die vermeinten, dass die Ampel im Zeitpunkt der Straßenquerung rotes Licht gezeigt habe.

 

Herr S begab sich zum Fahrzeug der Zeugin und bedeutete dem Bf, das Fenster zu öffnen. Er konfrontierte den Bf mit seiner Beobachtung, dass der Bf die Straße trotz Rotlichts überquert habe, was dieser in Abrede stellte. In Folge forderte Herr S den Bf zur Ausweisleistung auf. Da dieser keinen Ausweis bei sich trug nannte er lediglich seine Personalien, woraufhin Herr S diese per Telefon unter Zuhilfenahme seiner Dienststelle abklären ließ. Während dieses Vorganges sagte der Bf zu seiner Lebensgefährtin, die Polizisten seien „deppat“, wenn sie glaubten, er habe die Straße bei rot überquert. Aufgrund der geöffneten Fahrzeugfenster war diese Äußerung für Herrn S hörbar.

 

Nach Überprüfung der vom Bf angegebenen Personalien begann Herr S mit einer eingehenden Fahrzeugkontrolle. Da sich die gesamte Amtshandlung mittlerweile über einen relativ langen Zeitraum hinzog, sagte der Bf zu den Beamten, sie mögen „mit ihrem Kübel“ wegfahren, widrigenfalls sie Probleme mit ihm bekommen würden.

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a) Die einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes vom 21. März 1979 über polizeirechtliche Angelegenheiten (Oö. Polizeistrafgesetz - Oö. PolStG.), LGBl 1979/36 idF LGBl 2014/66, lauten wie folgt:

 

㤠1

Wahrung des öffentlichen Anstandes

(1) Wer den öffentlichen Anstand verletzt, begeht eine Verwaltungsübertretung.

(2) Als Anstandsverletzung im Sinne des Abs. 1 ist jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

§ 10

Strafbestimmungen

 (1) Verwaltungsübertretungen gemäß den §§ 1, 1a, § 2 Abs. 2 und § 3 sind von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, von der Landespolizeidirektion, bei Übertretungen nach

a) den §§ 1 und 3 mit Geldstrafe bis 360 Euro,

b) …

zu bestrafen.“

 

b) Nach § 1 Abs 2 Oö. PolStG ist unter Anstandsverletzung jenes Verhalten zu verstehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten bildet und zudem in der Öffentlichkeit gesetzt wird.

 

Der Tatbestand der Verletzung des öffentlichen Anstandes wird durch ein Verhalten erfüllt, das mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht und das einen groben Verstoß gegen diejenigen Pflichten darstellt, die jedermann in der Öffentlichkeit zu beachten hat. Bei der Beurteilung der Verletzung jener Formen des äußeren Verhaltens, die nach Auffassung gesitteter Menschen der Würde des Menschen als sittlicher Person bei jedem Heraustreten aus dem Privatleben in die Öffentlichkeit entsprechen, ist ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl VwSlg 11.077 A /1983; 13.342 A /1990; VwGH 4.9.1995, 94/10/0166).

 

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung VfSlg. 10.700/1985 ausgeführt, dass, "[o]b der Anstand verletzt wird oder nicht, … auch bei einer öffentlichen Äußerung nicht bloß nach ihrem Wortlaut beurteilt werden [kann]. Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, mit welchen Äußerungen die in Betracht kommenden Zuhörer den Umständen nach zu rechnen haben. Auch hier gilt, was für den gesamten Bereich des öffentlichen Anstandes charakteristisch ist: dass nämlich die Erfordernisse in jeder Situation andere sind; was in der einen anstößig ist, kann in der anderen ganz natürlich sein. Wer eine – wenn auch öffentliche – Theateraufführung besucht, muss weithin eine Sprache in Kauf nehmen, die er im täglichen Leben grob anstößig finden würde. Andererseits gibt es Gelegenheiten und Anlässe in der Öffentlichkeit, bei denen Formulierungen, die sonst kaum auffallen, als so schwerer Verstoß gegen die Schicklichkeit erscheinen, dass sie auch in einer demokratischen Gesellschaft nicht hingenommen werden müssen. Die berechtigten Erwartungen sind dort und da ganz verschieden. Die Öffentlichkeit ist ferner keine einheitliche Größe. Was tragbar ist, wechselt auch nach der Art des Publikums." Dieser Auffassung hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 19.10.2005, 2003/09/0074, angeschlossen.

 

c) Im Beschwerdefall ist durch das Beisein von Frau F bei der Amtshandlung das Tatbestandselement der „Öffentlichkeit“ jedenfalls als erfüllt anzusehen, da der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge bereits die so genannte "Sukzessivöffentlichkeit" genügt, dh die "Öffentlichkeit" bei einer Anstandsverletzung ist zu bejahen, wenn die Möglichkeit bestand, dass die Handlung durch einen Zeugen im Hinblick auf den mit der Tat verbundenen Belästigungseffekt auch einer anderen Person bekannt werden würde (siehe VwGH 18.6.1984, 84/10/0023).

 

d) Es bleibt daher letztlich zu beurteilen, mit welchen im Beisein der amtshandelnden Polizeibeamten und der Zeugin gefallenen Äußerungen des Bf die in Betracht kommenden Zuhörer den Umständen nach zu rechnen hatten.

 

Wie vom Bf nicht in Abrede gestellt, hat er – zwar nicht unmittelbar an die Polizisten gerichtet, jedoch für diese hörbar – zur Zeugin gesagt, dass die Meldungsleger „deppat“ seien. Weiters steht außer Streit, dass der Bf in der Meinung, die Beamten würden eine allenfalls lapidare Angelegenheit völlig überbewerten und die Amtshandlung künstlich in die Länge ziehen, die Polizisten aufforderte, „den Kübel wegzustellen“, widrigenfalls sie Probleme mit ihm bekommen würden.

 

Der Bf zeigte sich in der öffentlichen mündlichen Verhandlung als kultiviert und gesittet. Bei diesen Äußerungen handelt es sich nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich daher keineswegs um milieubedingte Aussagen sondern um solche, die in der konkreten Situation, in der zunächst lediglich die Frage, ob die Ampel während der Überquerung der Straße durch den Bf rot oder grün gezeigt hat, zu klären war, nicht zu erwarten waren und auch nicht geduldet werden brauchen. Wenn der Bf, möglicherweise zu Recht, der Meinung war, aufgrund des von der Polizei vermuteten straßenverkehrsrechtlichen Delikts ungerecht behandelt zu werden, hätte er sich nach den Dienstnummern der Beamten erkundigen und in Folge eine Aufsichtsbeschwerde einbringen können, anstelle sich in der Wortwahl zu vergreifen.

 

Der objektive Tatbestand ist somit als erfüllt anzusehen.

 

e) Umstände, welche das Verschulden des Bf ausschließen würden, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, weshalb gemäß § 38 VwGVG iVm § 5 Abs 1 VStG von fahrlässigem Verhalten auszugehen und somit auch die subjektive Tatseite zu bejahen ist.

 

f) Nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich ist jedoch im Sinne des § 38 VwGVG iVm § 45 Abs 1 letzter Satz VStG davon auszugehen, dass die Intensität der Beeinträchtigung des durch § 1 Abs 1 Oö. PolStG geschützten Rechtsguts lediglich gering ist, da der Bf die Beamten nicht unmittelbar beschimpfte und darüber hinaus auch, abgesehen von der dem Bf zuzurechnenden Zeugin und den Meldungslegern, niemand sonst Kenntnis von den Äußerungen erlangte. Zudem ist nicht erkennbar, dass das Verschulden des Bf bei der Begehung der Tat mehr als nur gering gewesen sein soll.

 

Aufgrund des während der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom Bf gewonnenen Eindrucks konnte, insb aus spezialpräventiven Überlegungen heraus, von der Verhängung einer Geldstrafe abgesehen und unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit des gesetzten Verhaltens mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden. Diese dürfte nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich ausreichen, um den Bf in Hinkunft von Übertretungen des § 1 Abs 1 Oö. PolStG abzuhalten.

 

g) Bei diesem Ergebnis ist dem Bf gem § 52 Abs 8 VwGVG kein Beitrag zu den Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufzuerlegen.

 

V. Zulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da der Frage, ob konkret die Äußerungen des Bf in der damaligen Situation den öffentlichen Anstand verletzten, keine grundsätzliche, dh über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt und die Entscheidung darüber hinaus der zitierten, einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Zeinhofer