LVwG-600774/7/SE/RR

Linz, 07.09.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Sigrid Ellmer über die Beschwerde von Herrn E H S, vom 3. März 2015 gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 19.  Februar 2015 GZ. VStV/914301154658/2014,

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG  wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

 

II.      Gemäß  § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshof gesetz - VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             1. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 19. Februar 2015, GZ: VStV/914301154658/2014, wurde Herr E H S, (in Folge: Beschwerdeführer) belangt, weil er am 23. Oktober 2014 um 23:20 Uhr in Linz, Hauptplatz x, als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen x dieses Fahrzeug so abgestellt habe, dass dadurch ein anderer Straßenbenützer am Vorbeifahren gehindert worden sei.  

 

Der Beschwerdeführer habe daher eine Übertretung des § 23 Abs. 1 StVO 1960 begangen, weshalb gegen ihn, unter Berücksichtigung der erhobenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (Nettoeinkommen in Höhe von € 800,00, kein Vermögen, Sorgepflichten für 2 Kinder) gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von € 40, ersatzweise eine Freiheitsstrafe von 18 Stunden, verhängt wurde.

 

I. 2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der  Beschwerde.

 

In seiner Beschwerde führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass er zum Tatzeitpunkt als Taxilenker unterwegs gewesen sei und sein Taxi zwar nicht ganz parallel zum Fahrbahnrand abgestellt habe, er habe aber niemanden am Vorbeifahren gehindert. Es sei der Lenker hinter ihm gewesen, welcher die anderen Fahrzeuge behindert habe. Aus Sicht des Beschwerdeführers hätte dieser angezeigt werden müssen.

 

I. 3. Die belangte Behörde legte die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben vom 10. März 2015, eingelangt am 12. März 2015, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidungsfindung vor (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2  VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin.

 

I. 4. Im Zuge der am 17. Juli 2015 durchgeführten mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er die Durchfahrt nicht blockiert habe. Er habe zwar nicht ganz gerade beim Taxistand geparkt, es wäre jedoch noch genug Platz für vorbeifahrende Autos gewesen. Das Taxi hinter ihm hätte das Vorbeifahren der Polizei behindert, da er nach Freiwerden eines Platzes am Taxistand nachrücken wollte. Der als Zeuge einvernommene, am 23. Oktober 2014 amtshandelnde Polizist, gab an, dass die Auffahrt zum Hauptplatz bzw. die Durchfahrt zum Hauptplatz blockiert gewesen sei. Es hätte sich eine Kolonne von fünf Autos, auch Taxilenkern, gebildet. Da ein Vorbeifahren nicht möglich war, habe er gehupt. Es habe eine längere Zeit gedauert, bis das blockierende Taxi zur Seite fuhr. Es sei jedenfalls der Beschwerdeführer gewesen, welcher die Durchfahrt blockiert habe.

 

II.            1. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17. Juli 2015.  

 

II. 2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Der Beschwerdeführer war am 23. Oktober 2014, um 23:20 Uhr in Linz, Hauptplatz x, als Lenker eines Taxifahrzeuges (Mercedes-Benz, x) mit dem Kennzeichen x, unterwegs. Er stellte sein Fahrzeug auf der Fahrbahn ab, um auf einen freien Stellplatz am Taxistand zu warten. Da das vom Beschwerdeführer gelenkte Fahrzeug nicht  parallel zum Fahrbahnrand, sondern auf der Fahrbahn abgestellt war, wurden mehrere Fahrzeuglenker, darunter auch der in einem Zivilstreifenwagen fahrende Meldungsleger, am Vorbeifahren gehindert, weshalb sich eine Kolonne bildete. Unmittelbar vor dem Fahrzeug des Beschwerdeführers befand sich kein weiteres Fahrzeug. Die Dauer der Behinderung der Verkehrsteilnehmer konnte nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer reagierte jedoch erst nach mehrmaligem Hupen des Meldungslegers, woraufhin er zur Seite fuhr und unmittelbar darauf von der Zivilstreife beanstandet wurde.

 

II. 3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem abgeführten Ermittlungsverfahren. Dazu ist auszuführen, dass hinsichtlich des von Seiten des Beschwerdeführers bestrittenen Tatvorwurfs dem Meldungsleger Glauben zu schenken war, da dieser eindeutig und nachvollziehbar den Tathergang schildern konnte. Er führte dazu aus, dass an genau dieser Stelle immer wieder die Durchfahrt von Kfz-Lenkern blockiert wird, und deshalb von Seiten der Polizei genau darauf geachtet wird, den Lenker des tatsächlich blockierenden Autos zu beanstanden. Der Meldungsleger war zudem in der Kolonne der blockierten Autos mit einem Zivilstreifenwagen unterwegs, und nahm daher die vom Beschwerdeführer verursachte Behinderung unmittelbar wahr. Der Beschwerdeführer gab hingegen selbst an,  das Auto „nicht ganz parallel zum Fahrbahnrand“ abgestellt zu haben. Die Amtshandlung wurde auch unverzüglich im Anschluss durchgeführt. Eine „Verwechslung“ erscheint aus den gegebenen Umständen unwahrscheinlich. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich bei den Angaben des Beschwerdeführers um reine Schutzbehauptungen handelt.  

 

 

III.           Das Landesverwaltungsgericht hat erwogen:  

 

III. 1. Anzuwendende Rechtsvorschriften:

 

Die maßgeblichen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl. Nr. 159/1960, in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung lauten:

 

㤠23. Halten und Parken.

 

(1) Der Lenker hat das Fahrzeug zum Halten oder Parken unter Bedachtnahme auf die beste Ausnützung des vorhandenen Platzes so aufzustellen, dass kein Straßenbenützer gefährdet und kein Lenker eines anderen Fahrzeuges am Vorbeifahren oder am Wegfahren gehindert wird.

 

(2) Außerhalb von Parkplätzen ist ein Fahrzeug, sofern sich aus Bodenmarkierungen oder Straßenverkehrszeichen nichts anderes ergibt, zum Halten oder Parken am Rand der Fahrbahn und parallel zum Fahrbahnrand aufzustellen. Auf Fahrbahnen mit gekennzeichnetem Radfahrstreifen, der kein Mehrzweckstreifen ist, dürfen Fahrzeuge auch parallel zu diesem aufgestellt werden. Einspurige Fahrzeuge sind am Fahrbahnrand platzsparend aufzustellen. Ist auf Grund von Bodenmarkierungen das Aufstellen von Fahrzeugen auf Gehsteigen vorgesehen, so dürfen auf diesen Flächen nur Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von nicht mehr als 3.500 kg aufgestellt werden.

 

[...]

 

§ 99. Strafbestimmungen.

 

[...]

 

(3) lit. a) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2c oder 4 zu bestrafen ist.

 

[...]“

 

 

 

 

 

Die maßgebliche Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl. 52/1991, in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung lautet:

 

㤠44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.“

 

III. 2. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist die Bestimmung des § 23 Abs. 1 StVO 1969 nur dann anwendbar, wenn das Halten und Parken an sich gestattet ist, und zwar weil einem solchen Verhalten weder die Bestimmung des Abs. 2, indem ein Fahrzeug am Rande der Fahrbahn und parallel zum Fahrbahnrand abgestellt wird, noch die im § 24 normierten Halte- und Parkverbote entgegenstehen (vgl. dazu VwGH vom 18.12.1981, Zl. 81/02/0158, ÖJZ 1982, 529; VwGH vom 30.1.2004, Zl. 2003/02/0234; VwGH vom 26.1.2007, Zl. 2006/02/0046, ZVR 2007/153).

Wird ein Kfz entgegen der Bestimmung des Abs. 2 abgestellt, kommt eine Anwendung des Abs. 1 darüber hinaus nicht mehr in Betracht (vg. VwGH vom 18.12.1981, Zl. 81/02/0158, ZVR 1983/91). So hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 26.1.2007, Zl. 2006/02/0046 ausgesprochen, dass Abs. 2 anzuwenden ist, wenn ein Lenker sein Kfz nicht am Fahrbahnrand, sondern in der Mitte der Straße abgestellt hat. In diesem Fall darf nicht auf die (allgemeine) Bestimmung des  Abs.  1 zurückgegriffen werden (vgl. dazu auch VwGH vom 23.12.1994, Zl. 94/02/0353, 0359, mwN).

 

Laut den Angaben des meldungslegenden Polizisten hatte der Beschwerdeführer sein Auto „mitten auf der Fahrbahn“ abgestellt, sodass ein Vorbeifahren nicht möglich war. Dies geht bereits sowohl aus der Anzeige, als auch den Aussagen des Meldungslegers im Verfahren vor der belangten Behörde hervor. Auch der Beschwerdeführer gab an, sein Auto „nicht ganz parallel zum Fahrbahnrand“ abgestellt zu haben.

Da ein Halten oder Parken mitten auf der Fahrbahn nicht gestattet ist, kann dieser Sachverhalt nicht der Verletzung der Vorschrift des § 23 Abs. 1 StVO 1960 unterstellt werden. Hingegen steht jedes der Vorschrift des Abs. 2 leg. cit. widersprechende Halten und Parken steht unter Strafsanktion, unabhängig davon, ob überhaupt das Halten oder Parken an dem betreffenden Ort erlaubt ist oder nicht (vgl. VwGH vom 30.06.1977, Zl. 1049/76). Aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich wurde durch den oben dargestellten Sachverhalt die Bestimmung des § 23 Abs. 2 StVO verletzt, was, im Hinblick auf die dargestellte Judikatur, die Nichtanwendbarkeit des § 23 Abs. 1 StVO auf denselben Sachverhalt zur Folge hat.

 

Gemäß § 44a Z 2 VStG hat der Spruch die durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift zu enthalten. Wie bereits ausgeführt, legte die belangte Behörde jedoch dem gegenständlichen Sachverhalt eine Vorschrift zugrunde, welche durch diesen nicht verletzt wurde. Es liegt daher ein Verstoß gegen § 44a VStG vor.

Nach der Rechtsprechung des VwGH zieht die ausschließliche Zitierung einer nicht die verletzte Vorschrift darstellende Bestimmung die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides nach sich (VwSlg 15.565 A/2001; VwGH vom 26.2.2003, Zl. 2002/03/0282; vgl. auch VwGH vom 12.12.2002, Zl. 99/07/0134; Walther/Thienel II2 § 44a Anm. 5). Das Landesverwaltungsgericht ist zu einer Richtigstellung oder Präzisierung der im erstinstanzlichen Straferkenntnis als verletzt bezeichneten Rechtsvorschrift nur berechtigt (vgl. VwGH vom 18.10.2005, Zl. 2001/03/0145), solange dem Beschuldigten kein anderer Sachverhalt zur Last gelegt wird (vgl. VwGH vom 31.1.2000, Zl. 97/10/0139; siehe auch VwGH vom 22.10.2012, Zl. 2010/03/0065 [LFG]).

 

Da es sich bei den Vorschriften des § 23 Abs. 1 und Abs. 2 StVO 1960 um unterschiedliche Tatvorwürfe handelt, war das Landesverwaltungsgericht nicht dazu ermächtigt im Zuge des Beschwerdeverfahrens die im behördlichen Straferkenntnis bezeichnete Rechtsvorschrift richtigzustellen.

 

Es war daher der Beschwerde Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

 

Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.


Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

IV.          Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Sigrid Ellmer