LVwG-410765/2/FP

Linz, 31.08.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl über die Beschwerde von F. E., geb. x, x, vertreten durch Prof. Dr. F. W., Rechtsanwalt in x gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom  6. Mai 2015 GZ. Pol96-45-2015, wegen Übertretungen des Glücksspielgesetzes

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG entfällt die Verpflichtung des Beschwerdeführers einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis vom 6. Mai 2015 verhängte die belangte Behörde eine Geldstrafe von insgesamt 51.000 Euro über den Beschwerdeführer (Bf). Die belangte Behörde verfolgte den Bf im Wege des § 9 Abs 1 VStG als außenvertretungsbefugtes Organ einer „H. GmbH“ und lastete dieser zusammengefasst an, verbotene Glücksspiele unternehmerisch zugänglich gemacht zu haben.

 

I.2. Mit Schriftsatz vom 3. Juni 2015 erhob der Bf rechtzeitig Beschwerde und beantragte das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.  

Das Vorbringen stütze sich im Wesentlichen auf eine behauptete Unionsrechtswidrigkeit des GSpG.

 

II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oö. hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht, Einsichtnahme in das Firmenbuch und Telefonate mit der belangten Behörde und der Organpartei (Finanzamt Amstetten Melk Scheibbs). Zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis zu beheben ist, entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung (§ 44 Abs 2 VwGVG).

 

II.2. Folgender entscheidungswesentlicher S A C H V E R H A L T steht fest:

 

Der Spruch des ggst. Straferkenntnisses lautet:

„Sie haben, als handelsrechtlicher Geschäftsführer, somit als das zur Vertretung nach Außen berufene Organ der H. GmbH, mit Sitz in x, gemäß § 9 VStG zu verantworten, dass im Lokal mit der Bezeichnung „H. GmbH“ in x, Betreiber F. E., Glücksspiele in Form von verbotenen Ausspielungen iSd. § 2 Abs 4 GSpG, an denen vom Inland aus teilgenommen werden konnte, am 20.01.2015, um 11.25 Uhr, von der genannten Firma unter Verwendung folgender Glücksspielgeräte

 

Nr

Gehäusebezeichnung

Serien-Nr

Typenbe-zeichnung

Versiegelungs-plaketten-Nr.

1

ACT Multi Player

 

 

70888-70891, 70893 u.70923

2

ACT Dreamliner

 

 

70894-70899, 70924

3

Diplomat Casino Games

 

 

70900-70903, 70925

4

A-P&E

x

 

70905-70909

5

Kajot Doublematic

 

 

70910-70916

6

Multi Game Hot Space 4

 

 

70917-70922

7

Multi Game Planet Games

x

 

70926-70930

8

DLT

x

 

70931-70936

9

1,2,4 Fun

 

 

 

 

welche von den Kontrollorganen mit der Nummerierung 1 – 9 versehen wurde, unternehmerisch zugänglich gemacht wurden.“

 

Der BF ist nicht Geschäftsführer der „H. GmbH“.

 

II.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorliegenden Verfahrensakt. Aus dem historischen Firmenbuchauszug vom 24. August 2015 ergibt sich, dass seit 7. August 2010 ein D. C. und ein DI J. H. Geschäftsführer der genannten Gesellschaft sind. Der Bf scheint im vorliegenden Firmenbuchauszug nicht auf.

Der Aufklärung dienende Telefonate mit dem zuständigen Bearbeiter bei der BH Linz-Land und jenem bei der Finanzpolizei haben ergeben, dass der Bf wohl Vermieter des ggst. Geschäftslokales, Geschäftsführer einer A. GmbH und ggf. auch Betreiber oder Zugänglichmacher von Glücksspielgeräten am Standort x, sein mag, er ist aber jedenfalls nicht vertretungsbefugtes Organ der „H. GmbH“.

 

III. Rechtliche Beurteilung        

 

III.1. Rechtliche Grundlagen

 

§ 9 Abs 1 VStG lautet:

§ 9.  (1)  Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

§ 44a VStG lautet:

Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:
1.die als erwiesen angenommene Tat;
2.die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;
3.die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;
4.den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;
5.im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.

III.2. In seinem Erkenntnis vom 31. Juli 2014, Ro 2014/02/0099, hat der Verwaltungsgerichtshof wie folgt ausgesprochen: „Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war die Berufungsbehörde in Verwaltungsstrafsachen berechtigt, die als erwiesen angenommene Tat – unter Beachtung der durch das Verbot der reformatio in peius (§ 51 Abs 6 VStG, vgl nun § 42 VwGVG) gezogenen Grenzen – einer anderen rechtlichen Subsumtion, etwa der Unterstellung unter eine andere Strafnorm, zu unterziehen (vgl das hg Erkenntnis vom 18. Oktober 2007, Zl 2006/09/0031). Im Hinblick auf die den Verwaltungsgerichten übertragene Pflicht, in Verwaltungsstrafsachen über Beschwerden meritorisch zu entscheiden (Art 130 Abs 4 erster Satz B-VG und § 50 VwGVG), kann für das Beschwerdeverfahren gegen Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden vor den Verwaltungsgerichten nichts anderes gelten.“

 

In seinem Erkenntnis vom 13. Oktober 2013, 2009/06/0189, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass "‘Sache‘ des Berufungsverfahrens [...] die Angelegenheit [ist], die Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz war; die den Entscheidungsspielraum der Berufungsbehörde begrenzende Sache iSd (gemäß § 24 VStG im Strafverfahren anwendbaren) § 66 Abs. 4 AVG ist also nicht etwa jene, welche in erster Instanz in Verhandlung war, sondern ausschließlich die, die durch den (Spruch des) erstinstanzlichen Bescheid(es) begrenzt ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S 1265 unter E 111f zu § 66 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Gegenstand des Verfahrens vor der belangten Behörde war somit nur die im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides genannte Tat.“

 

Das Verwaltungsgericht ist iSd der dargestellten Judikatur sohin auf die Überprüfung der durch den behördlichen Bescheidspruch begrenzten Sache beschränkt.

 

Vorliegend lastet die belangte Behörde einem Unternehmen, der „H. GmbH“ einen Verstoß (eine „Tat“) an, für den sie deren Geschäftsführer, als außenvertretungsbefugtes Organ zur Verantwortung ziehen will. Die genannte Gesellschaft soll Glücksspiele unternehmerisch zugänglich gemacht haben. Als Geschäftsführer hat die belangte Behörde den Bf „ermittelt“.

Die belangte Behörde rechnet die vorliegende Straftat einem Unternehmen zu. Angesichts der Ausgestaltung des § 52 Abs 1 Z1 3. Fall GSpG (unternehmerisch Zugänglichmachen) ist eine Zurechnung dieses Tatbestandes im Hinblick auf ein Unternehmen grundsätzlich möglich. Es kann demnach auch eine Verantwortlichkeit nach § 9 Abs 1 VStG geben [Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 9 VStG RZ 7 (Stand 1.7.2013, rdb.at)].

 

Die gem § 9 Abs 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen sind amtswegig zu ermitteln (VwGH 22. Oktober 1971, 443/71; 23. November 1993, 93/04/0152; 21. März 1995, 94/04/0265). Eine Bejahung statutarischer Vertretungsmacht allein aufgrund einer diesbezüglichen Verantwortung des Beschuldigten/der juristischen Person ist unzureichend; maßgeblich ist stets die objektive Rechtslage (zB VwSlg 7753 A/1970; VwGH 23. November 1993, 93/04/0152) (aaO RZ 12).

 

Die Behörde, und auch das Landesverwaltungsgericht haben also amtswegig zu überprüfen, ob eine Verantwortlichkeit des Bf gegeben ist.

 

Bezugspunkt des § 9 ist die Verantwortlichkeit für jene Rechtsvorschriften, deren Einhaltung der juristischen Person/eingetragenen Personengesellschaft obliegt. Die Verantwortlichkeit gem § 9 setzt daher voraus, dass die in Rede stehenden Straftaten nicht bloß im Umfeld der juristischen Person begangen werden, sondern dieser auch rechtlich zurechenbar sind (hM, vgl nur Thienel/Schulev-Steindl5 423; Wessely in N. Raschauer/Wessely § 9 Rz 3; dazu auch Stöger, Verantwortlichkeit 5/2) (aaO Rz 7).

 

Wird ein Täter als verantwortliches Organ im Sinne des § 9 Abs 1 VStG bestraft, so erfordert § 44a Z 1 VStG, dass im Spruch des Straferkenntnisses die Art der Organfunktion, derzufolge der Täter zur Vertretung nach außen berufen ist, eindeutig angeführt wird [...] (vgl. E 6. Juli 1982, 82/11/0013; E 27. September 1988, 88/08/0054) (VwGH 22. März 2012, 2012/07/0018).

 

Es ergibt sich, dass, wenn die belangte Behörde ein strafbares Verhalten einer  Gesellschaft zurechnet, nur deren nach Außen vertretungsbefugte Organe via § 9 Abs 1 VStG zur Bestrafung herangezogen werden können.

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, ist und war der Bf nie Geschäftsführer der „H. GmbH“, er kann somit auch nicht für dieser Gesellschaft zurechenbare Taten zur Verantwortung gezogen werden. Vorliegend steht also fest, dass der Bf nichts mit der als vermeintlichen Zugänglichmacherin zu tun hat, er kommt demnach nicht als strafrechtlich Verantwortlicher in Betracht.

 

Ermittlungen des erkennenden Gerichtes zur Frage, ob andere Personen als der Bf als Verantwortliche iSd § 9 Abs 1 VStG in Betracht kommen oder möglicherweise der Bf selbst als unmittelbarer Täter oder Geschäftsführer einer anderen Gesellschaft zur Verantwortung gezogen werden könnte, haben vorliegend zu unterbleiben, zumal dem Gericht, eine Sanierung bzw. Korrektur des Spruchs nicht zukommt, als die Tat vorliegend der „H. GmbH“ zugerechnet wird und dem Verfahren wohl ein gänzlich anderer Sachverhalt zu unterstellen wäre und eine andere als erwiesen anzunehmende Tat vorläge. Eine Auswechslung der als erwiesen angenommenen Tat, kommt dem Verwaltungsgericht nicht zu. Das Verwaltungsgericht wäre lediglich zu einer Präzisierung, jedenfalls aber nicht zu einer Änderung oder Erweiterung des Vorwurfs berechtigt (vgl. auch VwGH 5. November 2014, Ra 2014/09/0018). Mit darüberhinausgehenden Änderungen würde das Gericht dem Verfahren eine andere „Sache“ unterstellen. Es ist diesbezüglich auf die Eingangs dargestellte Judikatur des VwGH zu verweisen.

 

III.3. Es ergibt sich demgemäß, dass eine Bestrafung des Bf für der genannten Gesellschaft zugerechneten Taten im Wege des § 9 Abs 1 VStG vorliegend nicht in Betracht kommt, weil der Bf schlicht nicht Geschäftsführer der im Spruch genannten Gesellschaft ist.

Das Verwaltungsstrafverfahren war demnach im Hinblick auf den Tatvorwurf, der Bf habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H. GmbH zu verantworten, dass von dieser verboten Ausspielungen unternehmerisch zugänglich gemacht wurden, zur Einstellung zu bringen.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Pohl