LVwG-650457/4/Bi

Linz, 24.09.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn H W, A, S M, vom 27. Juni 2015 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 8. Juni 2015, VerkR21-574-2014/LL, wegen Entziehung der Lenkberechtigung bis zur amtsärztlichen Untersuchung hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, 

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen und der in Beschwerde gezogene Bescheid bestätigt.  

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde dem Beschwerdeführer (in Folge: Bf) gemäß § 24 Abs.4 FSG die Lenkberechtigung – Führerschein ausgestellt von der BH Linz-Land am 28. April 2014 zu GZ:14151381 – für die Klassen AM, A, B und BE bis zur amtsärztlichen Untersuchung hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, gerechnet ab Rechtskraft dieses Bescheides entzogen. Gemäß § 29 Abs.3 FSG wurde angeordnet, dass er seinen Führerschein unverzüglich nach Rechtskraft des Bescheides bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land abzuliefern habe.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut Rückschein am 15. Juni 2015.

2. Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Die Durchführung einer (nicht beantragten) öffentlichen mündlichen Verhandlung erübrigte sich gemäß § 24 Abs.1 VwGVG.

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, seine letzte amtsärztliche Untersuchung sei im Februar 2013 gewesen samt Beibringung eines Gutachtens des Augenarztes, einer neurologischen Stellungnahme zu seiner Krankheit MS, sowie einer Überprüfungsfahrt mit Sachverständigen der OÖ. Landesregierung und der Amtsärztin Frau Dr. D. Dann sei ihm eine auf drei Jahre befristete Lenkberechtigung ausgestellt worden.

Da ihm kein verkehrsrechtliches Vergehen zur Last gelegt werde, ersuche er um Einstellung des Verfahrens, zumal er nach Fristablauf ohnehin mit einem neuen Amtsarzt-Gutachten mit fachärztlichem Gutachten und Beobachtungsfahrt zu rechnen habe. Der Abstand zu seiner letzten positiven Untersuchung erscheine ihm zu kurz. Ihm erscheine ungewöhnlich, das ein von einem kompetenten Sachverständigen erstelltes Gutachten nach so kurzer Zeit durch die Aussage eines Bauern und zwei von diesem hergeholten Streifenpolizisten revidiert werde, zumal er sein Fahrzeug zum betreffenden Zeitpunkt abgestellt gehabt habe. Das erscheine ihm als Akt besonderer Härte gegenüber einem Behinderten. Er habe aufgrund seiner 43jährigen Fahrschulpraxis ein ausreichendes Verantwortungs­bewusstsein, um bei einer ev. Änderung seines Zustandes das Lenken eines Kraftfahrzeuges sofort zu unterlassen. Hätte er geahnt, dass durch das Hinzuziehen der Polizei die Sache in dieser Weise eskaliert, wäre er zu Fuß zur nächsten Tankstelle 25 km gelaufen und nichts wäre passiert. Beigelegt war ein klinischer Bericht des Klinikums Traunstein vom 2. Oktober 2014 mit den Diagnosen „Spastische Beinparese und Dysathrie bei bekannter MS, letzter Schub 2012“ und „Residuelle Hemianopsie nach links nach Apoplex 01/14“.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Die PI Traunstein, Deutschland, verständigte die belangte Behörde mit Schreiben vom 2. Oktober 2014 davon, dass der Bf am 1. Oktober 2014 gegen 19.00 Uhr in Traunstein mit dem Pkw LL-... mit Hänger LL-... angetroffen worden sei. Er sei verwirrt und desorientiert gewesen. Herausgefunden worden sei, dass er von St. Marien gegen 11.00 Uhr nach Bad Tölz aufgebrochen sei, wo er sich verfahren habe und er umhergeirrt sei, bis ihm der Treibstoff ausgegangen sei. Nach eigenen Angaben leide er an Multipler Sklerose. Mit seiner Ehefrau sei telefonisch Kontakt aufgenommen worden und Frau E W. habe angegeben, er leide am MS und habe im Frühjahr 2014 einen Schlaganfall gehabt. Im ärztlichen Begleitschreiben sei angeführt, dass er keine Kraftfahrzeuge führen solle; dazu fehle ihm aber krankheitsbedingt die Einsicht.

Der Fahrzeugschlüssel sei sichergestellt und an ihn im Klinikum Traunstein abholende Familienangehörige ausgehändigt worden. Offensichtlich sei er zum Zeitpunkt der Feststellung weder körperlich noch geistig in der Lage gewesen, ein fahrerlaubnispflichtiges Kraftfahrzeug auf öffentlichem Verkehrsgrund zu führen.

 

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. Oktober 2014, VerkR21-574-2014/LL, wurde der Bf gemäß § 24 Abs.4 FSG aufgefordert, sich innerhalb von einem Monat ab Rechtskraft hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 amtsärztlich untersuchen zu lassen und binnen vier Wochen ab der aä Untersuchung den/die zur Erstattung des Gutachtens erforderlichen Befund/e beizubringen. Einer allfällig dagegen eingebrachten Beschwerde wurde gemäß § 13 Abs.2 VwGVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut Rückschein am 27. Oktober 2014.

 

Der Bf schilderte in seiner „Stellungnahme zum Bescheid“ vom 28. Oktober 2014 den Vorfall vom  1. Oktober 2014 und betonte, er habe in dem kleinen Ort keine Tankstelle gefunden und deshalb den Bauern gefragt, der offenbar wegen seiner krankheitsbedingt verwaschenen Sprache eine Alkoholisierung angenommen und die Polizei verständigt habe. Die Polizei habe ihm die Schlüssel und den Führerschein abgenommen und er sei im Krankenhaus Traunstein untersucht worden, wo festgestellt wurde, dass er nicht alkoholisiert war. Er habe sich von seiner Tochter abholen lassen. Die Polizei habe ihn nicht bei einer Kontrolle  gestoppt und es sei auch nichts passiert; wenn er als verantwortungsbewusster Fahrer  das Fahrzeug  abstelle, weil er sich nicht gut fühle, rechtfertige das keine aä Untersuchung. Bevormundung habe Grenzen, seine Krankheit reiche ihm.

 

Zu diesem Schreiben wurde dem Bf seitens der belangten Behörde mit Schreiben vom 4. November 2014 ein Verbesserungsauftrag erteilt, falls es als Beschwerde aufzufassen sei – der Bf hat nach Rsa-Zustellung am 7. November 2014 darauf nicht reagiert.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 9. Februar 2015 wurde die Beschwerde vom 28. Oktober 2014 gemäß §§ 13 Abs.3 AVG iVm § 17 VwGVG als mangelhaft zurückgewiesen. Die Zustellung erfolgte am 1. Februar 2015.

Sodann erging der nunmehr in Beschwerde gezogene Bescheid.

 

Im Akt befinden sich das Protokoll der aä Untersuchung vom 3. Februar 2014 bei der Amtsärztin Dr. B D mit dem Gutachten gemäß § 8 FSG von 11. April 2014, mit dem der Bf für auf drei Jahre befristet geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen B und BE befunden wurde mit Nachunter­suchung mit neurologischer Stellungnahme und der Auflage der Verwendung einer Brille. Begründend wurde ausgeführt, eine längerfristige Kontrolle sei möglich, weil die  krankheitsbedingten Einschränkungen noch gering seien. Die Amtsärztin erklärte in ihrer Stellungnahme vom 3. Juli 2015 an die belangte Behörde, der Bf habe bei der aä Untersuchung am 3. Februar 2014 nichts von einem Schlaganfall gesagt und auch aus der neurologischen Stellungnahme ergebe sich kein Hinweis auf einen solchen. Auch bei der augenärztlichen Untersuchung sei keine Hemianopsie nach links festgestellt worden. Eventuell  sei ein Schlaganfall nach der Untersuchung eingetreten. Da aber bei einer Hemianopsie keine Fahrtauglichkeit bestehe, sei eine neuerliche aä Untersuchung in jedem Fall erforderlich.

 

Mit h. Schreiben vom 24. August 2015 wurde dem Bf bestätigt, dass sich aus dem von ihm vorgelegten Arztbrief des Klinikums Traunstein zweifellos ersehen lässt, dass die Einweisung irrtümlich war und seine Argumente gerechtfertigt sind. Ihm wurde mitgeteilt, dass damit nicht der Vorfall vom 1. Oktober 2014 wohl aber die Mitteilung seiner Gattin an die Polizei Traunstein die für die Erlassung des in Beschwerde gezogenen Bescheides erforderlichen Bedenken hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausgelöst haben. Er wurde aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zustellung – laut Rückschein am 26. August 2015 – eine Stellungnahme zu diesem Schreiben abzugeben und ev. medizinische Unterlagen über einen Schlaganfall – auch wegen des Datums – und dessen für das Lenken von Kraftfahrzeugen nachteilige Folgen sowie eine Terminvereinbarung zur aä Untersuchung bei der BH Linz-Land vorzulegen, ansonsten wäre die Beschwerde abzuweisen. Der Bf hat darauf nicht reagiert.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (vgl E 23.9.2014, Ra 2014/11/0023 mit Hinweis auf E 28.6.2011, 2009/11/0095; 21.9.2010, 2010/11/0126; 22.6.2010, 2010/11/0076; 16.4.2009, 2009/11/0020, und 17.10.2006, 2003/11/0302, jeweils mwN) ist ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs.4 FSG nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Fall einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) bei der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungs­voraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in diese Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige – aktuelle – Bedenken (vgl E 22.1.2013, 2010/11/0070) sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen.

Wird der Inhaber einer Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs. 4 FSG aufgefordert, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen, so sind diese Befunde im Aufforderungsbescheid im Einzelnen anzuführen (vgl E 13.8.2004, 2004/11/0063).

 

Die bescheidmäßige Aufforderung vom 20. Oktober 2014, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, war im Lichte der möglichen Beeinträchtigung des Bf durch einen Schlaganfall gerechtfertigt, nicht aber die Aufforderung der Beibringung nicht konkret angeführter Befunde. Der Bescheid vom 20. Oktober 2014 ist mangels eines konkreten Beschwerdeantrags ebenso in Rechtskraft erwachsen wie die Beschwerdevorentscheidung vom 9. Februar 2015. Der Bf hat der Aufforderung gemäß § 24 Abs.4 FSG keine Folge geleistet, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Zu bemerken ist aber, dass dem Bf dann nicht zu widersprechen wäre, wenn der Schlaganfall tatsächlich, so wie im Arztbrief des Klinikums Traunstein angegeben, im Jänner 2014 war, zumal weder bei der aä Untersuchung am 3. Februar 2014 noch laut augenfachärztlicher Stellungnahme vom 10. Februar 2014 noch bei der Beobachtungsfahrt am 24. März 2014 Beeinträchtigungen festzustellen waren, was schließlich das aä Gutachten vom 11. April 2014 („befristet geeignet“) zur Folge hatte. Da sich der Vorfall in Traunstein erst am 1. Oktober 2014 ereignete, ist aber nicht auszuschließen, dass das im klinischen Bericht genannte Datum „01/14“ unrichtig ist, was der Bf aufzuklären gehabt hätte.

 

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger