LVwG-600831/12/FP

Linz, 29.09.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl über die Beschwerde von R M, geb. x, L., A., vertreten durch Dr K W, Rechtsanwalt in B, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden, vom 7. Jänner 2015, GZ: VerkR96-18026-2013, wegen zweier Verstöße gegen die StVO, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde dahingehend Folge gegeben, dass die Strafe im Hinblick auf Spruchpunkt 1 des bekämpften Straferkenntnisses auf 120 Euro (48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) und jene im Hinblick auf Spruchpunkt 2 des bekämpften Straferkenntnisses auf 50 Euro (23 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) herabgesetzt wird.

 

II.         Die Kosten des behördlichen Strafverfahrens ermäßigen sich auf 22 Euro (§ 64 Abs 2 VStG, 10%, mind. 10 Euro pro Spruchpunkt). Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG entfällt der Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

III.        Hinsichtlich Spruchpunkt 1 des bekämpften Straferkenntnisses ist gegen dieses Erkenntnis gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

IV.       Hinsichtlich Spruchpunkt 2 des bekämpften Straferkenntnisses ist gegen dieses Erkenntnis gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4   B-VG unzulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1.  Mit Straferkenntnis vom 7. Jänner 2015 warf der Bezirkshauptmann von Gmunden (belangte Behörde) der Beschwerdeführerin (Bf) vor, an einem im Straferkenntnis näher bezeichneten Ort, zu einer bestimmten Zeit mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden zu sein, ihr Fahrzeug nicht sofort angehalten (Spruchpunkt 1) und nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt zu haben, obwohl Sie und die Person(en), in deren Vermögen der Schaden eingetreten sei, einander ihre Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben (Spruchpunkt 2).

Die belangte Behörde verhängte hinsichtlich Spruchpunkt 1 eine Geldstrafe iHv 200,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden), hinsichtlich Spruchpunkt 2 eine Geldstrafe iHv 100,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden).

 

Begründend führte die belangte Behörde Nachstehendes aus:

 

Begründung:

Mit Anzeige der Polizeiinspektion Gmunden vom 25.07.2013 wurde der BH Gmunden folgender Sachverhalt zur Kenntnis gebracht: Am 20.07.2013 gegen 11:05 Uhr ereignete sich auf der B145 auf Höhe StrKm. 26,6 am Krankenhausberg in Gmunden in Fahrtrichtung Vöcklabruck ein Verkehrsunfall mit Sachschaden. Herr W lenkte seinen PKW am oberen Teil des Krankenhausberges, wo die Fahrbahn von zwei Spuren wieder auf eine Spur zusammengeführt wird. Er wurde von Ihrem PKW mit dem Kennzeichen BA-… überholt. Aufgrund des Gegenverkehrs wechselten Sie unmittelbar auf Höhe des Fahrzeuges von Herrn W auf dessen Spur und streiften dabei seinen PKW links vorne. Sie haben Ihr Fahrzeug danach nicht angehalten, obwohl Herr W hupte und ihnen Lichtsignale gab.

 

In der Niederschrift der Polizeiinspektion Bad Aussee vom 20.07.2013 gaben Sie sinngemäß Folgendes bekannt: Es sei richtig, dass Sie mit dem PKW mit dem Kennzeichen BA-… am angeführten Ort unterwegs gewesen seien. Sie haben dabei ein am rechten Fahrstreifen relativ weit links fahrendes, weißes Fahrzeug überholt. Am Ende der Überholspur haben Sie Ihr Fahrzeug wieder auf den rechten Fahrstreifen gelenkt, um nicht die Sperrlinie zu überfahren. Eine Berührung mit dem anderen Fahrzeug sei von Ihnen nicht wahrgenommen worden. Lichtsignale und Hupen seien Ihnen ebenfalls nicht aufgefallen. Sie bestätigten, dass am hinteren Kotflügel Ihres Fahrzeuges Abschürfungen vorhanden seien, Sie aber keine Angaben darüber machen können, ob diese von der angeblichen Berührung stammen. Eine Fahrerflucht sei sicherlich nicht in Ihrer Absicht gestanden sei, da Sie von einer Berührung nichts bemerkt haben.

 

In der Folge wurde vom technischen Sachverständigen des Amtes der Oö. Landesregierung, Herrn H, unter Zugrundelegung des Aktes ein Gutachten über die Frage eingeholt, ob der gegenständliche Schadenseintritt für Sie wahrnehmbar war. Diesem Gutachten vom 24.09.2013 ist zusammengefasst zu entnehmen, dass Sie aus technischer Sicht die Kontaktstellen der Fahrzeuge über den rechten Außenspiegel wahrnehmen konnten bzw. den außergewöhnlich geringen Abstand wahrnehmen mussten, aufgrund dessen Sie sich in geeigneter Weise davon überzeugen hätten müssen, keinen Sachschaden verursacht zu haben.

 

Mit Strafverfügung vom 03.10.2013 wurde Ihnen daher die im Spruch genannte Verwaltungsübertretungen zur Last gelegt, wogegen Sie im Wege Ihrer Rechtsvertretung binnen offener Frist Einspruch erhoben. Sie gaben nochmals bekannt, dass Sie am oben angeführten Ort ein weißes Fahrzeug überholt hätten, es jedoch zu keinem Verkehrsunfall gekommen sei und Sie keinerlei Berührung mit einem anderen Fahrzeug wahrgenommen hätten. Ihnen seien auch keine Blinkzeichen oder ein Hupen aufgefallen. Sie ersuchten abschließend um Übermittlung sämtlicher Aktenteile, um eine ausführliche Stellungnahme abgeben zu können, und beantragten die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

 

Dementsprechend wurde Ihnen mit Schreiben vom 30.10.2013 eine Aktenkopie übermittelt und die Möglichkeit zur Abgabe einer weiteren Rechtfertigung eingeräumt. Im Wege Ihrer Rechtsvertretung   gaben   Sie   mit  Schriftsatz  vom   18.11.2013   sinngemäß  folgende Rechtfertigung ab: Da Sie keine Berührung bemerkt hätten, müsste diese derart gering gewesen sein, dass es bei keinem der beiden Fahrzeuge zu einer sichtbaren Lackbeschädigung gekommen sei. Dies sei aus der Vergrößerung der schwarzen Abriebspur am Fahrzeug von Herrn W klar zu erkennen, diese könne lediglich von einem Gummi oder Plastikteil stammen, da die Fahrzeuglackierung des Tatfahrzeuges silbergrau sei. In diesem Zusammenhang falle auf, dass Herr W angegeben habe, von einem dunklen SUV überholt worden zu sein. Wenn Sie nur die geringste Berührung bemerkt hätten, hätten Sie mit Sicherheit angehalten, da Sie problemlos über das Kennzeichen identifiziert werden könnten und mit einer Anzeige rechnen müssten. Der Schaden am Fahrzeug von Herrn W sei in der Zwischenzeit bezahlt worden. Sie stellten erneut den Antrag auf Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

 

Von der Behörde wurde Folgendes erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, sofort anzuhalten, wenn sie ein Fahrzeug lenken.

 

Gemäß § 4 Abs. 5 StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall steht, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn diese Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

Gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO begeht der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und 2 zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizeidienststelle verständigt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 36,- Euro bis 2.180,- Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen.

 

Gemäß 99 Abs. 3 lit. b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726,- Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer in anderer als der in Abs. 2 lit. a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Schaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalls nicht Hilfe leistet.

 

Ihrem Einwand, wonach aus der Vergrößerung der schwarzen Abriebspur am Fahrzeug von Herrn W klar zu erkennen sei, dass diese lediglich von einem Gummi oder Plastikteil (gemeint ist wohl: nicht Ihres PKWs) stammen könne, da die Fahrzeuglackierung des Tatfahrzeuges silbergrau sei, ist entgegen zu halten, dass lediglich der Lack Ihres Fahrzeuges silbergrau ist und eine schwarze Abriebspur auch von Schichten unterhalb des silbergrauen Lackes herrühren kann. Auch der Einwand, dass Herr W angegeben hat, von einem „dunklen SUV" überholt worden zu sein, schürt aufgrund der Tatsache, dass sich dieser wohl erschrocken haben muss und zudem damit beschäftigt war, sich das Kennzeichen zu merken, keinen Zweifel an dessen Aussagen.

 

Insbesondere wird auf das exakte Übereinstimmen der Lage, Intensität und Form der beiden Schäden der Unfallfahrzeuge mit den Schilderungen von Herrn W hingewiesen. Im Zusammenhang mit der Tatsache, dass Sie den Überholvorgang ähnlich schilderten und auch keine andere Erklärung für die Abschürfungen an Ihrem PKW hatten, entsteht für die Behörde ein in sich völlig schlüssiges und vollständiges Bild der Geschehnisse.

 

Aufgrund des vorliegenden Sachverhalts und Ihrer eigenen Angaben kommt die Behörde deshalb ohne Zweifel zu dem Schluss, dass Sie die gegenständliche Verwaltungsübertretung in objektiver Weise zu verantworten haben.

Zur subjektiven Tatseite ist anzumerken, dass es sich bei den Verwaltungsübertretungen des § 4 Abs. 1 und Abs. 5 StVO um Ungehorsamsdelikte handelt: Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt demnach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, da Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen ist, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 9.3.1983, 81/03/0024) können die Delikte des § 4 Abs. 1 und Abs. 5 StVO in der Schuldform der Fahrlässigkeit begangen werden. Fährlässig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkannt hat, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könnte, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.

Ihr Einwand, wonach Sie mit Sicherheit angehalten hätte, wenn Sie nur die geringste Berührung der Fahrzeuge bemerkt hätten, da Sie problemlos über das Kennzeichen identifiziert werden könnten und mit einer Anzeige rechnen müssten, geht somit - mangels Vorsatzerfordernis - ins Leere.

Voraussetzung in subjektiver Hinsicht für die Meldepflicht gemäß § 4 Abs. 5 StVO ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 22.3.2000, 99/03/0469) das Wissen vom Eintritt eines Sachschadens, wobei der Tatbestand schon dann verwirklicht ist, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zum Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte. Hiebei ist der Fahrzeuglenker hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit einer Kollision bei riskantem Fahrverhalten -wie auch im vorliegenden Fall - zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet.

Wie dem Gutachten des technischen Sachverständigen des Amtes der Oö. Landesregierung zu entnehmen ist, konnten Sie die Kontaktstellen beider Fahrzeuge über den rechten Außenspiegel bzw. zumindest, einen außergewöhnlich geringen Abstand zwischen den Fahrzeugen wahrnehmen. Sie haben ebenfalls angegeben, dass der zu überholende PKW relativ weit links auf der rechten Fahrbahnseite gefahren ist. Sie konnten somit eine Kontaktierung der Fahrzeuge nicht ausschließen und hätten sich vergewissern müssen, keinen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht zu haben. Sie sind hingegen ohne anzuhalten weitergefahren und haben es ebenfalls unterlassen die nächste Polizeidienststelle zu verständigen. Es wäre Ihre Sorgfaltspflicht gewesen, nach dem Unfall sofort Ihr Fahrzeug anzuhalten und sich hinsichtlich etwaiger Schäden zu vergewissern. Wären Sie dieser Pflicht nachgekommen, hätten Sie die Berührung mit Herrn W PKW wahrgenommen und hätten die notwendigen Maßnahmen im Sinne des § 4 Abs. 1 und des § 4 Abs. 5 StVO treffen können. Sie haben jedoch Ihre Fahrt fortgesetzt und unterlassen, die nächste Polizeidienststelle zu verständigen. Auch der subjektive Tatbestand ist daher als erfüllt anzusehen.

 

Aufgrund obiger Umstände müssen Ihre Ausführungen seitens der Behörde daher als Schutzbehauptungen gewertet werden.

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Nach § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32-35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Als Milderungsgründe wurden die verhältnismäßig lange Verfahrensdauer und Ihre verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit gewertet, Erschwernisgründe waren aus dem Akt nicht ersichtlich.

Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten konnten mangels Bekanntgabe nicht erhoben werden und wurden deshalb, wie in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 30.10.2013 angekündigt, geschätzt.

Die gegen Sie verhängten Strafen erscheinen als tat- und schuldangemessen und geeignet, Sie in Hinkunft von gleichartigen Verwaltungsübertretungen abzuhalten.“

 

I.2. In ihrer, aufgrund eines von der belangten Behörde zugunsten der Bf positiv abgeführten Wiedereinsetzungsverfahrens, rechtzeitigen Beschwerde, führte diese zusammengefasst wie folgt aus:

„Die Bf habe eine geringfügige Streifung mit dem Geschädigtenfahrzeug nie in Abrede gestellt, sie bestreite aber, eine Berührung wahrgenommen oder eine solche für wahr gehalten zu haben. Der Abrieb am Geschädigtenfahrzeug möge vom Fahrzeug der Bf stammen, obwohl der Geschädigte von einem dunklen SUV gesprochen habe, obwohl jener der Bf silbergrau sei. Bemerkenswert sei, dass kein Plastikteil gesprungen und der Lack am Geschädigtenfahrzeug nicht beschädigt sei. Wenn eine Berührung zwischen den Fahrzeugen stattgefunden habe, sei diese so minimal gewesen, dass diese nicht bemerkt werden konnte. Hätte die Bf etwas bemerkt, hätte ihr wohl klar sein müssen, dass der Unfallgegner sie anzeigen würde.

Die von der belangten Behörde zitierte Judikatur des VwGH sei nicht einschlägig, als durch nichts erwiesen sei, dass der Bf objektiv auch nur irgendein Umstand für einen Schadenseintritt bewusst geworden wäre.

Das Argument des Amtssachverständigen sei nicht nachvollziehbar. Auch bei gehöriger Aufmerksamkeit sei der Bf nicht bewusst gewesen und hätte ihr auch nicht bewusst werden müssen, dass es zu einer unmerklichen Berührung gekommen sei.“

Die Bf beantragte das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungs-strafverfahren einzustellen.

 

I.3. Die belangte Behörde legte den ggst Verwaltungsakt mit Schreiben vom 10. April 2015 zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.

 

II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch  Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsstrafakt, insbesondere das in diesem erliegende ASV-Gutachten H, durch Beischaffung und Einsichtnahme in von der Polizei hergestellte Farblichtbilder, Einholung einer Stellungnahme des verkehrstechnischen Amtssachverständigen Dipl-HTL-Ing. R H, zur Frage, ob überhaupt ein Schaden vorlag, und öffentliche mündliche Verhandlung in welcher die Bf, der unfallsbeteiligte Zeuge gehört wurden sowie der genannte Amtssachverständige ein Gutachten erstattet hat. In der Verhandlung wurden vom Zeugen und der Bf Beweisunterlagen (Besichtigungsbericht, Fotos, Reparaturrechnung) vorgelegt, in welche das Verwaltungsgericht und der Sachverständige Einsicht genommen haben. Das Verwaltungsgericht hat zudem Einsicht in ein Luftbild des ggst. Unfallortes genommen, welcher von der Bf und dem Zeugen zuvor bereits übereinstimmend beschrieben worden war.

 

II.2. Nachstehender entscheidungswesentlicher S A C H V E R H A L T steht fest.

 

Die Salzkammergut Straße (B 145) beschreibt zwischen Strkm 26,7 und 26,5 eine langgezogene Rechtskurve. Bis etwa Strkm 26,5 verläuft die B 145 zweispurig. Danach, etwa bei Strkm 26,6 verengt sich die linke Fahrspur um etwa bei Strkm 26,5 vollends in die rechte Fahrspur einzumünden. Diese Fahrbahnverengung wird zwischen etwa Strkm. 26,7 und 26,5 dreimal durch die Bodenmarkierung „linksseitige Fahrbahnverengung“ (§ 50 Z8b StVO) angekündigt.     

Die Bf fuhr am 20. Juli 2013, gegen 11.05 Uhr mit dem auf ihren Vater zugelassenen PKW Daihatsu Terios, KZ: BA-…. auf der B 145, Salzkammergut Straße in Fahrtrichtung Vöcklabruck, auf der linken Fahrspur (Übereinstimmende PV und ZV). Die Bf war auf dem Weg nach Vöcklabruck um Ihre Mutter vom Krankenhaus abzuholen, sie war alleine im Fahrzeug (PV).

Der Zeuge W (der Zeuge) fuhr zur gleichen Zeit am gleichen Straßenabschnitt um zum SEP-Einkaufszentrum in Gmunden zu gelangen. Er benutzte die rechte Fahrspur. Es herrschte Gegenverkehr (ZV). Die Bf war im Begriff, den Zeugen zu überholen. Sie nahm das zu überholende Fahrzeug des Zeugen als weißes Fahrzeug wahr (Aussage der Bf bei der Polizei, PV). Im Bereich der Fahrbahnverengung musste die Bf knapp (wenige Zentimeter, ASV) vor dem Zeugenfahrzeug nach rechts lenken um die Sperrlinie nicht zu überfahren und den Gegenverkehr nicht zu gefährden (Aussage der Bf bei der Polizei, ZV). Die Bf fuhr in einem Zug am Fahrzeug des Zeugen vorbei, versuchte dabei aufgrund des Gegenverkehrs gerade noch vor dem Zeugen „durchzukommen“ und „zwickte“ sich vor diesem auf die nunmehr einzelne Fahrspur. Dabei touchierte die Bf mit dem rechten hinteren Eck ihres Fahrzeuges das vordere linke Eck des Fahrzeuges des Zeugen in Form einer Streifkollision (ASV, Zeuge). Die Bf nahm die Kollision nicht wahr. Während des Überholmanövers war die Berührung zwischen den Fahrzeugen über den rechten Außenspiegel (zu einem bestimmten nicht feststellbaren Zeitpunkt) sichtbar bzw. war ein ungewöhnlich geringer Abstand von nur wenigen Zentimetern erkennbar.    Durch einen zur rechten Zeit vorgenommenen Blick in den rechten Außenspiegel, hätte die Bf die Berührung erkennen können. Sie hätte jedenfalls erkennen können, dass sie in einem ungewöhnlich geringen Tiefenabstand von nur wenigen Zentimetern vor dem Fahrzeug des Zeugen eingeschert ist. Die Entstehung eines immer kleiner werdenden Tiefenabstandes vor der Berührung und die Vergrößerung des ungewöhnlich geringen Tiefenabstandes nach der Berührung erstreckte sich über einen so großen Zeitraum, dass die Bf den ungewöhnlich geringen Abstand mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erkannt hätte, wäre kurz eine rasche Blickfolge in den rechten Außenspiegel erfolgt. Der wahrnehmbare Seitenabstand hat nur mehr wenige Zentimeter betragen (Gutachten ASV im verwaltungsgerichtlichen Verfahren).

Die Bf hat nicht in den Außenspiegel geblickt (Aussage der Bf bei der Polizei).

Der Zeuge setzte nach der Kollision Hup- und Lichtzeichen ab. Die Bf bemerkte diese nicht.

Die Bf hat ihr Fahrzeug nach dem Unfall nicht angehalten. Es kam nach dem Unfall zu keinem Kontakt zwischen ihr und dem Zeugen und meldete die Bf den Unfall nicht bei der Polizei.

Am vom Bf gelenkten Fahrzeug traten unfallskausale Schäden in Form von Lack- und Kunststoffschäden am vorderen Stoßfänger (linksseitig), sowie in Form einer Verformung des linken vorderen Kotflügels samt Lackschaden ein. Die Teile mussten instandgesetzt und lackiert werden. Der merkantile Minderwert am Fahrzeug betrug 190 Euro (Besichtigungsbericht, Reparaturrechnung, Gutachten ASV).

 

Die Bf verfügt über kein eigenes Einkommen. Sie ist Hausfrau. Sie verfügt über kein Vermögen. Das Verwaltungsstrafverfahren wurde von der belangten Behörde Ende September 2013 eingeleitet.

 

II.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Verfahrensakt und den in der öffentlichen mündlichen Verhandlung hervorgekommenen Beweisergebnissen, insbesondere aus jenen, die unter II.2. in Klammern angegeben sind. Dass das ggst Überholmanöver stattgefunden hat, ergibt sich aus den übereinstimmenden Aussagen der Bf und des Zeugen, sowie der Aussage der Bf bei der Polizei. Die Bf gab bei der Polizei an, ein weißes Auto überholt zu haben, sie erinnerte sich auch in der Verhandlung noch an ein Überholmanöver. Der Zeuge hatte sich nach dem Unfall das Kennzeichen gemerkt. Dass es bei diesem Überholmanöver äußerst knapp zuging, dass es zur Berührung kam und dass er Hup- und Lichthupzeichen abgesetzt hat, ergibt sich aus der glaubwürdigen Aussage des Zeugen, der den Sachverhalt äußerst schlüssig und sachlich schilderte. Das Gericht hatte keine Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des unter Wahrheitspflicht stehenden Zeugen. Angesichts der Tatsache, dass der Schaden am Fahrzeug seiner Frau beglichen wurde und der Vorfall lange zurück liegt, hatte der Zeuge auch keinen Vorteil aus seiner Aussage zu erwarten. Die Aussagen des Zeugen ließen sich auch gut mit dem Gutachten des Sachverständigen in Einklang bringen, welches schlüssig und vollständig war. Der Sachverständige war in der Lage im Detail darzustellen, warum die Schäden an den beiden Fahrzeugen korrespondieren, sodass diesbezüglich für das Gericht keinerlei Zweifel bestehen. Auch der Umstand, dass der Bf gehupt und die Lichthupe betätigt hat, erscheint dem Gericht äußerst lebensnah und glaubwürdig. Dem Gericht erschiene es lebensfremd, wenn eine Person, die unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt wird, den sich entfernenden Verursacher nicht mit den entsprechenden Mitteln auf den Unfall aufmerksam machen will. Die Bf hat in der Beschwerde im Übrigen ausgeführt, dass „die Möglichkeit einer geringfügigen Streifung nie in Abrede gestellt“ worden sei.

Auch in Hinblick auf die Feststellungen zur Erkennbarkeit der Kollision, insbesondere zur Frage, wie knapp die Tiefen- und Seitenabstände waren, war das Gutachten schlüssig. Es ergibt sich aus diesem Gutachten, sowie dem Umstand, dass es zu einer Streifkollision kam, selbst, dass die Bf außergewöhnlich knapp an das gegnerische Fahrzeug heranfuhr und sich zu knapp vor diesem wieder einordnete.

Was das Vorbringen der Bf betrifft, nichts vom Unfall bemerkt zu haben, hegt das Gericht, keinerlei Zweifel an der Wahrheit der Aussage der Bf. Das Gericht erkannte wohl, dass der Bf die Geschehnisse und das vorliegende Verfahren nahe gingen und außerordentlich unangenehm war. Die Bf machte auf das Gericht einen glaubwürdigen und integren Eindruck, sodass das Gericht der Einlassung der Bf folgt.

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen.

 

III.1. Rechtliche Grundlagen: 

 

§ 4 Abs 1 und 5 StVO lauten:

 

§ 4. Verkehrsunfälle.

(1) Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, haben

a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

b) wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,

c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

[...]

 (5) Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

[...]

 

§ 99 Abs 2 lita und Abs 3 lit a und b lauten:

 

§ 99. Strafbestimmungen.

[...]

(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2 180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen,

a) der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und 2 zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizeidienststelle verständigt,

[...]

(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist,

b) wer in anderer als der in Abs. 2 lit. a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalles nicht Hilfe leistet,

[...]

 

III.2. Objektiver Tatbestand:

 

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes steht fest, dass es im Zuge des Überholmanövers der Bf zu einem Verkehrsunfall (plötzliches, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängendes Ereignis, das sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr ereignet und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat, vgl. VwGH v. 13. Feber 1991, 90/03/0114) in Form einer Streifkollision zwischen den beteiligten Fahrzeuge gekommen ist und durch diese Berührung Schäden am Fahrzeug des Zeugen verursacht wurden. Es lag sohin ein Verkehrsunfall vor, bei welchem ein Sachschaden eingetreten ist.

Es steht auch fest, dass die Bf ihr Fahrzeug nicht angehalten hat, sondern weiter gefahren ist und dass sie nicht unverzüglich die nächste Polizeidienststelle verständigt hat.

 

Der objektive Tatbestand sowohl des § 4 Abs 1 lit a StVO, als auch jener des Abs 5 ist daher erfüllt.   

 

III.3. Subjektiver Tatbestand:

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 17. November 2014, 2012/02/0237) ist Voraussetzung für die Anhalte- und Meldepflicht des § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 und des § 4 Abs. 5 leg. cit. als objektives Tatbildmerkmal der Eintritt wenigstens eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte (Hinweis E 29.6.1994, 92/03/0269).

Der Verwaltungsgerichtshof führt in dieser Entscheidung zudem aus, dass der Lenker eines Fahrzeuges bei und nach riskanten Fahrmanövern, bei welchen die dringende Gefahr besteht, dass es zu einer Kollision mit einem anderen Straßenverkehrsteilnehmer kommen kann, den Geschehnissen um sein Fahrzeug die volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und sich zu vergewissern hat, ob sein Fahrverhalten für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist. Unterlässt er dies, so ist sein Nichtwissen von einem von ihm derart verursachten Unfall verschuldet (vgl. E 23. Mai 2002, 2001/03/0417). Kann der Lenker am Unfallort nichts von dem Unfall bemerken, verlässt er somit den Unfallort, ohne dass ihm objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte, ist es ihm aber auch nicht zuzumuten, ausschließlich aus der (allenfalls bemerkbaren) Tatsache, dass ein hinter ihm herfahrender Verkehrsteilnehmer öfters die Hupe bzw. Lichthupe betätigt, zu schließen, dass er möglicherweise ursächlich an einem Verkehrsunfall beteiligt war. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Lenker die im Zuge der Nachfahrt getätigten Lichthup- und Hupsignale bemerkte oder bemerken musste, weil er mangels Durchführung eines riskanten Fahrmanövers oder Vorliegen einer anderen erhöhten Gefährdungssituation nicht davon ausgehen musste, dass sein Fahrverhalten für einen Verkehrsunfall ursächlich war.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 25. März 1992, 91/03/0041 ausgesprochen, dass es im Hinblick auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 4 Abs 5 StVO bereits genügt, wenn dem Beschuldigten bei gehöriger Aufmerksamkeit objektive Umstände zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (Hinweis E 13. Dezember 1989, 89/02/0135).

 

In seinem Erkenntnis vom 22. Mai 1991, 90/03/0099 sprach der Verwaltungsgerichtshof aus: „Wegen einer Verengung der Fahrbahn, verbunden mit einem wenn auch nur geringfügigen Ausweichen nach links, hat der Lenker den Geschehnissen um sein Fahrzeug volle Aufmerksamkeit zu schenken und sich durch geeignete Maßnahmen - etwa durch einen sofortigen Blick in den Rückspiegel - davon zu überzeugen, daß es zu keinem Kontakt mit dem unfallgegnerischen Fahrzeug gekommen ist. Hat der Lenker die Streifung nicht wahrgenommen, weil er die ihm möglichen und zumutbaren Erkundigungen unterließ, ist ihm dieser Umstand als Verschulden iSd § 5 Abs 1 VStG anzurechnen (Hinweis E 13.12.1989, 89/02/0153).“

 

Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, war der Überholvorgang ein riskantes Fahrmanöver, weil die Bf versuchte, das Fahrzeug des Zeugen noch unmittelbar vor der Verengung der Fahrbahn zu überholen.

Alleine das Einscheren, das nach den Feststellungen des Sachverständigen nur wenige cm neben bzw. vor dem gegnerischen Fahrzeug erfolgte, ist ein riskantes Fahrmanöver, das die volle Aufmerksamkeit der Bf erfordert hätte. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, hätte die Bf (zumindest während eines kurzen Momentes) durch einen Blick in den Rückspiegel erkennen können, dass es zu einer Kollision gekommen ist. Jedenfalls wäre es der Bf aber während des Überholvorganges möglich gewesen, zu erkennen, dass sie zu knapp an das gegnerische Fahrzeug geriet und zu knapp vor diesem einscherte. Durch dieses besonders gefahrengeneigte Verhalten, hätte die Bf besondere (volle) Aufmerksamkeit walten lassen müssen und hätte ihr bewusst sein müssen, dass es, aufgrund des knappen Heranfahrens an das gegnerische Fahrzeug zu einer Beschädigung kommen konnte. Die Bf hätte sich demnach vor der Weiterfahrt bzw. unmittelbar nach dem Einordnen vergewissern müssen, ob sie dem Unfallgegner einen Schaden zugefügt hat oder nicht (vgl. VwGH v. 26. September 1990, 90/02/0039). Die Bf hätte demnach jedenfalls sofort in die Rückspiegel blicken müssen, was sie nach ihrer eigenen Aussage bei der Polizei vollends unterlassen hat. Die Bf hätte, hätte sie die notwendige Aufmerksamkeit walten lassen, erkannt, dass die äußerst knapp vor dem gegnerischen Fahrzeug eingeschert ist, sie hätte zudem die Licht- und Hupsignale wahrgenommen, wäre sie entsprechend aufmerksam gewesen. Die Bf wäre zudem, wäre sie aufgrund des Blicks in den Spiegel nicht schon überzeugt gewesen, dass kein Schaden eingetreten ist, gehalten gewesen, ihr Fahrzeug anzuhalten, um nähere Erkundigungen einzuholen (Gespräch mit dem Zeugen, Nachschau am eigenen und fremden Fahrzeug).

Die Bf hat damit die ihr möglichen und zumutbaren Erkundigungen unterlassen und ist ihr dieser Umstand als Fahrlässigkeit iSd § 5 Abs 1 VStG anzurechnen (vgl. VwGH v. 22. Mai 1991, 90/03/0099).

 

§ 5 Abs. 1 S 2 VStG ordnet der Sache nach an, dass bei fahrlässigen Ungehor­samsdelikten der Verstoß gegen den entsprechenden verwaltungsstrafrechtlichen Rechtsbefehl grundsätzlich Fahrlässigkeit indiziert; der Täter muss diesfalls glaubhaft machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungs­vor­­schrift „kein Verschulden trifft“ (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 5 Rz 5).

 

Zur Entkräftung der gesetzlichen Vermutung ihres fahrlässigen Handelns hätte die Bf im Sinne der stRsp des Verwaltungsgerichtshofs initiativ alles darzulegen gehabt, was für ihre Entlastung spricht.

 

Der Bf ist es im Verfahren nicht gelungen, die Verschuldensvermutung zu entkräften, zumal es nach der oben dargestellten Judikatur nicht darauf ankommt, ob ihr die Kollision mit dem anderen Fahrzeug bewusst wurde, sondern ob sie ihr bei Waltenlassen der gehörigen Aufmerksamkeit bewusst hätte werden müssen. Dies ist im Sinne der obigen Ausführungen der Fall.

 

Der objektive Tatbestand ist der Bf somit auch subjektiv vorwerfbar.

 

 

III.4. Zur Strafbemessung:

 

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungs­gründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 bis 35 Strafgesetzbuch (StGB) sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Bei der Strafzumessung handelt es sich laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (statt vieler VwGH 28.11.1966, 1846/65) innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Demgemäß obliegt es der Behörde in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensausübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. ua. VwSlg 8134 A/1971). § 19 Abs. 1 VStG enthält jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafzumessung sind, egal ob sie durch Organmandat, Strafverfügung oder im ordentlichen Verfahren (§§ 40 – 46 VStG) erfolgt.

Darüber hinaus normiert Abs. 2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer zu berücksichtigender subjektiver Umstände. Neben den explizit Genannten, wie insbes. Verschulden und Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten, findet sich hinsichtlich der Erschwerungs- bzw. Milderungsgründe ein Verweis auf die §§ 32 bis 35 StGB.

 

Gemäß § 32 Abs. 2 StGB hat das Gericht bei der Bemessung der Strafe die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen können. Nach Abs. 3 leg. cit. ist maßgeblich, wie intensiv ein Täter durch seine Handlung Pflichten verletzt hat, wie reiflich er seine Tat überlegt hat, wie sorgfältig er sie vorbereitet oder wie rücksichtslos er sie ausgeführt hat. Besondere Milderungsgründe liegen ua im Fall eines reumütigen Geständnisses, eines bisherigen ordentlichen Lebenswandels bzw. bisheriger Unbescholtenheit, achtenswerter Beweggründe, bloßer Unbesonnenheit, einer allgemein begreif­lichen heftigen Gemütsbewegung  oder, wenn die Tat unter einem Umstand, der einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekommt, begangen wurde, vor (vgl. § 34 StGB).

 

In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass die belangte Behörde mangels Äußerung der Bf von einem Einkommen von 1.400,-- Euro ausgegangen ist. In der Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht hat die Bf angegeben über kein eigenes Einkommen zu verfügen. Dieser Umstand ist zu berücksichtigen.

 

Die Delikte des § 4 StVO zählen neben Alkoholdelikten und Vorrangverletzungen zu den schwerwiegendsten Verstößen gegen straßenpolizeiliche Normen. Ihr Unrechtsgehalt ist erheblich. Zumal Erhebungen der Polizei erforderlich waren, blieben die Taten auch nicht ohne Folgen. 

 

Wesentlich ist vorliegend der Umstand, dass die Bf festgestelltermaßen nichts vom ggst. Unfall bemerkt hat. Die Bf war diesbezüglich glaubwürdig und hat auch der Sachverständige festgestellt, dass die Bf den Unfall nicht bemerkt haben muss.

Gegenüber einem für vorliegende Delikte oftmals typischen vorsätzlichen oder bewusst fahrlässigem Verhalten („es wird schon nichts passiert sein“), tritt das Verschulden der Bf weit zurück.

Ihr ist, was die sogenannte „Fahrerflucht“ an sich betrifft, letztendlich vorzuwerfen, dass sie das beim Überholen, insbesondere beim Wiedereinordnen bestehende hohe pflichtauslösende Moment nicht erkannt hat. Erst aus dem Umstand, dass der Bf nicht bewusst war, welch hoher Sorgfaltsmaßstab hier angesetzt wird, ergibt sich ihr Verstoß, zumal sie den Anstoß tatsächlich nicht bemerkt hat. Ihr Fehler liegt primär darin, dass sie nicht ausreichend aufmerksam war, den Unfall zu bemerken.

Es ergibt sich ein nicht allzu hoher Grad der Fahrlässigkeit. Zwangsläufig, wenn auch nicht entschuldbar, hat die Bf ein weiteres Delikt (§ 4 Abs 5 StVO) begangen. Sie konnte den Willensentschluss, die Polizei zu verständigen zwangsläufig nicht fassen, weil ihr der Unfall fahrlässig nicht bewusst war.

 

Als Milderungsgründe sind der Bf die bisherige Unbescholtenheit und die lange Verfahrensdauer anzurechnen. Die belangte Behörde hat bereits im Herbst 2013 das Verfahren eingeleitet und erst Anfang 2015 ein Straferkenntnis erlassen und wird das verwaltungsgerichtliche Verfahren erst mehr als 2 Jahre nach dem Unfall abgeschlossen sein. Erschwerungsgründe sind keine hervorgekommen.

 

Aufgrund dessen und des nicht allzu schwerwiegenden, wenn auch nicht nur geringfügen Verschuldens, weiters des Umstandes, dass die Bf weder über Einkommen noch Vermögen verfügt, waren die verhängten Strafen auf das nun verhängte Maß zu reduzieren. Mit einer Ermahnung konnte aufgrund der Bedeutung des ggst. geschützten Rechtsgutes (Schutz anderer Verkehrsteilnehmer vor Schäden) und des nicht nur geringfügigen Verschuldens nicht vorgegangen werden (vgl. Verwaltungsgerichtshof v. 24. November 1993, 93/02/0269: „Kommt ein Lenker seiner Meldepflicht nach § 4 Abs 5 StVO nicht nach, so kann von einem geringfügigen Verschulden nicht gesprochen werden. Es kommt daher eine bloße Ermahnung im Sinne des § 21 Abs 1 VStG mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht in Betracht.“).

 

Das Gericht geht jedoch davon aus, dass in diesem besonderen Fall mit Strafen von 120 (§ 4 Abs 1) und 50 Euro (§ 4 Abs 5) das Auslangen gefunden werden kann. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Bf durch diese für sie dennoch empfindlichen Geldstrafen künftig von derlei Verstößen abgehalten werden wird und im Straßenverkehr mehr Aufmerksamkeit und Vorsicht walten lassen wird. Aus generalpräventiven Erwägungen war eine weitere Reduktion der Strafen nicht angezeigt.

 

Zu den Ersatzfreiheitsstrafen:

§ 99 Abs 2 lit a StVO sieht eine Höchststrafe von 2.180 Euro vor, der eine Ersatzfreiheitsstrafe von sechs Wochen (= 1008 Stunden) gegenüber steht. Es ergäbe sich bei 120 Euro rechnerisch eine Ersatzfreiheitsstrafe iHv 55 Stunden. Angesichts der von der belangten Behörde verhängten 48 Stunden, war an dieser festzuhalten.

§ 99 Abs 3 sieht eine Höchststrafe von 726 Euro und zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe vor. Rechnerisch ergibt sich bei 50 Euro eine Ersatzfreiheitsstrafe von 23 Stunden.

Die Ersatzfreiheitsstrafen entsprechen dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat.

 

III.5. Bei diesem Ergebnis war der Bf gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG kein Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht vorzuschreiben. Die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens waren gemäß § 38 VwGVG iVm § 64 Abs. 1 und 2 VStG spruchgemäß zu reduzieren. Pro Delikt ist ein Betrag von mindestens 10 Euro aufzuerlegen.

 

III.6. Es war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

 

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

 

Hinsichtlich Spruchpunkt 1 (§ 4 Abs 1 StVO):

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Hinsichtlich Spruchpunkt 2 (§ 4 Abs 5 StVO):

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Hinsichtlich Spruchpunkt 1 (§ 4 Abs 1 StVO):

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Hinsichtlich Spruchpunkt 2 (§ 4 Abs 5 StVO):

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde und der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s e

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Pohl