LVwG-000109/10/Bi

Linz, 28.09.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde der Frau A L, vertreten durch Herrn RA Mag. J H, vom 15. Juni 2015 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Eferding vom 19. Mai 2015, Pol96-25-1-2015, wegen Übertretung des OÖ. Hundehaltegesetzes nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 15. September 2015

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.

Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen und das in Beschwerde gezogene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch wie folgt abgeändert wird: „Sie haben am 16. April 2015 gegen 13.15 Uhr in Eferding, x, den Deutschen Schäferhund „Quatro“ insofern mangelhaft beaufsichtigt, als dieser beim Herannahen von Frau A. auf diese zuspringen und sie dadurch gefährden konnte, indem er sie in den rechten Unterarm zwickte und sich dabei mit der Pfote an ihrer rechten Lende abstützte, wodurch sie eine Rötung samt Bluterguss davontrug. Sie haben dadurch folgende Rechts­vorschriften verletzt: §§ 3 Abs.2 Z1 und 15 Abs.1 Z2 HG 2002. Von der Verhängung einer Strafe wird abgesehen und Ihnen unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit Ihres Verhaltens eine Ermahnung erteilt.“

 

 

II.

Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren.

 

 

III.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 3 Abs.2 und 15 Abs.1 Z2 OÖ. Hundehaltegesetz (OÖ. HHG) eine Ermahnung gemäß § 45 Abs.1 VStG ausgesprochen. Zugrundegelegt wurde laut Schuldspruch, sie  habe am 16. April 2015 gegen 13.15 Uhr in Eferding, Bahnhofstraße 24, den Deutschen Schäferhund „Quatro“ derart mangelhaft beaufsichtigt und verwahrt, dass dieser beim Herannahen von Frau A. aufgesprungen sei und ihr eine Biss­verletzung am rechten Unterarm sowie an der rechten Lende zugefügt habe.  

 

2. Dagegen hat die Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungs­gericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Auf Antrag wurde am 15. September 2015 eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit der Bf, ihres Rechtsvertreters RA Mag. J H sowie der Zeugin S A (A) durchgeführt. Die Vertreterin der belangten Behörde war entschuldigt. Auf die mündliche Verkündung des Erkenntnisses wurde verzichtet.

 

3. Die Bf macht im Wesentlichen geltend, der Hund habe niemanden verletzt und sei auch nicht mangelhaft beaufsichtigt worden. Sie sei am 16. April 2015 zur Mittagszeit mit dem Hund im Stadtgebiet Eferding in der Bahnhofstraße zur Trafik T. gegangen, um Zigaretten zu kaufen. Das Kleingeld habe sie abgezählt in der Jackentasche verwahrt, beim Hineinwerfen aber festgestellt, dass 50 Cent gefehlt hätten. Der Hund sei zu dieser Zeit links neben ihr gesessen. Während sie beim Automaten hantiert habe, sei eine Frau mit dem Pkw zur Trafik gefahren, ausgestiegen und habe im Automatenbereich gewartet. Sie habe die Frau, als sie keine 50 Cent-Münze finden habe können, gefragt, ob sie vor ihr den Automaten bedienen wolle. Als die Frau zum Automaten gekommen sei, sei der Hund aufgestanden und sie habe ihn eng an die Leine genommen. Es sei zu keiner Berührung zwischen der Frau und dem Hund gekommen. Der Hund habe die Frau weder belästigt noch ihr eine Bissverletzung zugefügt und sei auch nicht mangelhaft beaufsichtigt worden. Es sei eine völlig unauffällige und unbedenk­liche Situation gewesen.

Allfällige Verletzungen seien nicht nachvollziehbar; sofern vorhanden, stammten sie nicht von einem Hundebiss – dazu wird die Einholung eines gerichts­medizinischen Gutachtens beantragt.

Erst am Nachmittag des Vorfallstages sei sie von der PI Eferding kontaktiert worden und habe sich dorthin begeben. Das Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden. Beantragt wird die Aufhebung des Bescheides und Kostenersatz.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der die Bf und ihr Rechtsvertreter gehört, die Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides berücksichtigt und die im Akt befindlichen Fotos in Farbe angesehen und erörtert wurden sowie die Zeugin A unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 288 StGB einvernommen wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Die Bf und die Zeugin A, die sich bis dahin nicht gekannt haben, kamen beim Zigarettenautomaten zusammen, wo die Bf die in der Jackentasche vorbereitete 50 Cent-Münze nicht finden konnte und die Zeugin A vorlassen wollte. Neben der Bf saß an der kurzen Leine angeleint deren Hund, ein damals etwa 6-jähriger Langhaarschäfer, und die Zeugin A hielt zu diesem zunächst einen Respektsabstand ein. Die Zeugin A verstand die Äußerung der Bf so, dass ihr eine Münze hinuntergefallen sei und beugte sich nach eigener Darstellung in der Verhandlung mit dem Oberkörper nach vorne, um am Boden nach der fehlenden Münze zu schauen. Der Hund sprang plötzlich auf in Richtung der Zeugin A und zwickte diese in den rechten Unterarm, wobei er sich mit der Pfote oberhalb ihrer Hüfte abstützte. Die Zeugin A trug an diesem warmen trockenen Tag eine weiße Kurzarmbluse. Sie sah zunächst nicht auf ihren Arm, sondern auf den Boden und den Hund, den die Bf sofort an der Leine zurückzerrte und mit ihm schimpfte. Zur Zeugin A meinte sie nur, sie habe sich jetzt wohl geschreckt, kümmerte sich aber nicht weiter um sie und ging dann mit dem Hund an der Leine weg. Die Zeugin A bemerkte nach eigenen Angaben erst daheim die Rötung auf dem Arm und meldete den Vorfall bei der PI Eferding, wo die Identität der Bf geklärt und der gerötete Unterarm und die Leiste, wo sich ein Bluterguss gebildet hatte, fotografiert wurden.

 

Diese von der PI Eferding in Farbe angeforderten Fotos wurden in der Verhandlung erörtert und von der Zeugin A der Pfotenabdruck über ihrer rechten  Hüfte ebenso bestätigt wie die durch das Zwicken hervorgerufene Rötung am Unterarm. Die Zeugin A erklärte, sie habe den Vorfall gemeldet, obwohl „nichts Tragisches passiert“ sei, weil es immer heiße, Vorfälle mit Hunden seien zu melden wegen der Impfungen. An ihrer Glaubwürdigkeit bestehen seitens des Landesverwaltungsgerichtes keinerlei Zweifel, zumal sie auch die auf den Fotos ersichtlichen Rötungen bzw den Pfotenabdruck schlüssig erklärte und selbst betonte, sie habe sich nur um die Folgen in Bezug auf ihre Gesundheit gesorgt. Tatsächlich wurde von den Beamten der PI Eferding erhoben, dass der Hund die erforderlichen Tollwutimpfungen hatte.

 

Die Bf schilderte in der Verhandlung den Vorfall gänzlich anders und versuchte, die Zeugin A als völlig unglaubwürdig und das Zustandekommen der auf den Fotos ersichtlichen Spuren als gänzlich unmöglich darzustellen, weil der Hund gar nicht in die Nähe der Zeugin gekommen sei und die auf den Fotos zu sehenden Rötungen jedenfalls nicht von ihrem Hund und auch nicht von einem Biss stammen könnten. Sie gab an, ihr Hund sei nicht aufgesprungen, sondern ganz normal aufge­standen und das auch nicht wegen der Zeugin, sondern weil sie selbst den Automatenbereich verlassen wollte. Er sei auf ihrer anderen Seite gewesen, nicht auf der der Zeugin, die damals zu ihr auch ausdrücklich gesagt habe, es sei eh nichts passiert. Auf Vorhalt ihrer eigenen Aussage vor der PI Eferding, wonach der Hund doch „plötzlich auf- und zu der Dame hin gesprungen sei, worauf sie die Dame gefragt habe, ob etwas passiert sei, und diese habe gesagt, es sei nichts passiert“, gab sie schließlich an, es könne sein, dass der Hund gemeint habe, er bekomme von der Zeugin ein „Leckerli“. Im Ergebnis war die Verantwortung der Bf in sich selbst widersprüchlich und unschlüssig und, bis auf die ohnehin unbestrittene Tatsache, dass sich die beiden Frauen nicht gekannt haben und Zigaretten vom Automaten wollten, insgesamt unglaubwürdig. Wenn der Hund der Zeugin A nicht nahekommen hätte können, weil er sich auf der anderen Seite der Bf befunden habe, hätte sich nämlich auch deren Frage, ob etwas passiert sei, erübrigt, und zwischen „nornalem Aufstehen“ und „plötzlichem Aufspringen“ besteht ein nicht unerheblicher Unterschied, wobei die Bf ihre eigene Wortwahl vor der PI Eferding mit ihrer völlig harmlosen Darstellung nicht zu erklären vermochte.

 

Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens hatte sie zwar den Hund an der kurzen Leine, war jedoch offenbar aufgrund der Überraschung durch die Annäherung der Zeugin A zum Hund nicht in der Lage zu verhindern, dass der Hund aufsprang und die Zeugin A in den Arm zwickte. Sie zog den Hund zwar sofort zurück, musste aber aufgrund ihrer unmittelbaren Nähe beobachtet haben, dass der Hund an den Arm der Zeugin geriet, was sie in der Verhandlung (nicht glaubwürdig) abstritt.

   

In der Verhandlung konnte auch zweifelsfrei geklärt werden, dass  es sich nicht um einen tatsächlichen „Biss“ des Hundes gehandelt hat, sondern um eher die Spuren einer Unmutsäußerung im Sinne eines Zwickens. Der Antrag auf Einholung eines gerichtsmedizinischen Gutachtens zur Qualifikation und zum Zustandekommen der Rötung am Unterarm der Zeugin A wurde in der Verhandlung nicht aufrechterhalten.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 15 Abs.1 Z2 OÖ. HHG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer einen Hund entgegen der Bestimmungen des § 3 Abs. 1 und 2 hält.

Gemäß § 3 Abs.2 leg.cit. ist ein Hund in einer Weise zu beaufsichtigen, zu verwahren oder zu führen, dass

1. Menschen und Tiere durch den Hund nicht gefährdet werden, oder

2. Menschen und Tiere nicht über ein zumutbares Maß hinaus belästigt werden, oder

3. er an öffentlichen Orten oder auf fremden Grundstücken nicht unbeaufsichtigt herumlaufen kann.

 

Der Bf wurde von der belangten Behörde zur Last gelegt, sie habe den Hund derart mangelhaft beaufsichtigt und verwahrt, dass er beim Herannähern der Zeugin aufgesprungen sei und dieser eine Bissverletzung zugefügt habe. Abgesehen davon, dass sich aus den Fotos keine „Bissverletzung“ im wörtlichen Sinn ergibt, was die Zeugin A auch glaubwürdig bestätigt hat, war die Bf aufgrund dieses Tatvorwurfs in der Lage, sich entsprechend zu verantworten und konkrete Beweise dazu geltend zu machen, auch wenn die belangte Behörde im Spruch § 3 Abs.2 OÖ. HHG als Ganzes zitiert, aber keine konkrete rechtliche Zuordnung des Tatvorwurfs zu einer der zitierten Bestimmungen vorgenommen hat.

 

Auf der Grundlage des Beweisverfahrens war davon auszugehen, dass die Bf den Hund zwar an der kurzen Leine hatte, dieser jedoch, als sich die Zeugin A nach vorne beugte, um auf dem Boden nach der nicht sofort auffindbaren Münze schaute, aufsprang und trotz der kurzen Leine in der Lage war, der Zeugin A hinaufzuspringen und sie in den Unterarm zu zwicken, wobei er sich mit der Pfote oberhalb der Hüfte abstützte, bevor er von der Bf zurückgezogen werden konnte.

Da keine Rede davon sein kann, dass der Hund an öffentlichen Orten oder auf fremden Grundstücken unbeaufsichtigt herumgelaufen wäre, scheidet eine Zuordnung dieses Vorfalls zu § 3 Abs.2 Z3 OÖ. HHG aus.

 

Die Zeugin A trug nach ihren glaubhaften weil auch mit den Fotos im Einklang stehenden Angaben einen Bluterguss an der Leiste und Rötungen am Arm davon, die keinen „Hundebiss“ und keine Verletzung im eigentlichen Sinn darstellen. Da aber die Bf offensichtlich nicht in der Lage war, die Intensität dieser Reaktion des Hundes auf die offenbar plötzlich zu große Nähe der Zeugin A zu beeinflussen, ist hier nicht mehr von einer bloßen über ein zumutbares Maß hinaus bestehenden Belästigung der Zeugin A sondern von deren tatsächlicher Gefährdung im Sinn des § 3 Abs.2 Z1 OÖ. HHG auszugehen. Insofern liegt auch eine mangelhafte Beaufsichtigung durch die Bf trotz der Führung des Hundes an der kurzen Leine vor, zumal die Bf nur im Nachhinein zu reagieren und ihren Hund zurückzuziehen vermochte. Dabei ist unerheblich, welche Prüfungen der Hund absolviert hat, weil sich derartige Situationen im täglichen Leben naturgemäß überraschend ergeben und der den Hund Beaufsichtigende in der Lage sein muss, den Hund davon abzuhalten, Menschen zu gefährden.

 

Die Bf hat damit den ihr nunmehr gemäß § 44a Abs.2 VStG – gemäß § 31 Abs.1 VStG zulässigerweise im Sinne einer konkreten rechtlichen Zuordnung – zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und, da ihr die Glaubhaftmachung (gänzlich) mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist, ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.      

 

Im ggst Fall sind die Voraussetzungen der Z4 erfüllt, wenngleich ein gewisses Maß an Fehlverhalten in dieser Situation auch der Zeugin A zuzuordnen ist, sodass das Verschulden der Bf als geringfügig einzustufen ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Zu II.:

 

Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt die Vorschreibung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren.

 

 

Zu III.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger