LVwG-400085/19/Gf/Mu

Linz, 07.10.2015

I M  N A M E N  D E R  R E P U B L I K !

 

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des S D, gegen (u.a.) Spruchpunkt 2) des Straferkenntnisses des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 5. März 2015, Zl. VerkR96-13880-2014/JK, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes

 

 

z u  R e c h t  e r k a n n t:

 

 

I. Insoweit, als die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2) des angefochtenen Straferkenntnisses gerichtet ist, wird dieser gemäß § 50 VwGVG dahin stattgegeben, dass die verhängte Geldstrafe auf 200 Euro herabgesetzt wird; im Übrigen wird diese hingegen als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde ermäßigt sich nach § 64 Abs. 2 VStG auf 20 Euro; für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich ist gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach § 25a VwGG nicht zulässig.

 


 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

 

I.

 

Gang des Behördenverfahrens;

entscheidungswesentlicher Sachverhalt

 

 

1. Mit Spruchpunkt 2) des Straferkenntnisses des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 5. März 2015, Zl. VerkR96-13880-2014/JK, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 5 Tage; Verfahrenskostenbeitrag: 30 Euro) verhängt, weil er am 1. Juni 2014 gegen 8:00 Uhr ein KFZ mit einem Gesamtgewicht von nicht mehr als 3,5 Tonnen gelenkt und mit diesem die Autobahn A 1 benutzt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben; denn an seinem Fahrzeug seien lediglich zwei Zwei-Monats-Vignetten, deren Gültigkeitsdauer bereits am 31. März 2014 bzw. am 31. Jänner 2014 abgelaufen gewesen sei, angebracht gewesen. Dadurch habe er eine Übertretung des § 10 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 des Bundesstraßen-Mautgesetzes, BGBl I 109/2002 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 99/2013 (im Folgenden: BStMG), begangen, weshalb er nach § 20 Abs. 1 BStMG zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die ihm angelastete Tat aufgrund der mit Lichtbildern untermauerten Anzeige der Autobahnpolizeiinspektion S vom 1. Juni 2014, Zl. VStV/914100221540/001/2014, sowie des von der Behörde anschließend durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzusehen sei; danach habe zweifelsfrei der Rechtsmittelwerber selbst – und nicht eine von ihm angegebene andere Person – das verfahrensgegenständliche Fahrzeug im Tatzeitraum auf der Autobahn A 1 ohne gültige Mautvignette gelenkt.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien keine Erschwerungsgründe hervorgekommen, während die bisherige einschlägige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers als mildernd zu werten gewesen sei; seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen (monatliches Nettoeinkommen: 1.400 Euro; kein Vermögen; keine Sorgepflichten), weshalb insgesamt besehen bloß die Mindeststrafe zu verhängen gewesen sei.

 

2. Gegen dieses ihm am 19. März 2015 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 7. April 2015 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Beschwerde.

 

In dieser wird im Wesentlichen eingewendet, dass der Rechtsmittelwerber zum Tatzeitpunkt zwar (noch) Eigentümer und Zulassungsbesitzer des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges sei. Allerdings habe er damals nach einer durchzechten Nacht dieses wegen starker Trunkenheit nicht selbst gelenkt; vielmehr sei er von einem Bekannten eines früheren Arbeitskollegen in diesem KFZ von einer Diskothek in Salzburg nach St. Georgen i.A. chauffiert worden, wobei es im Bereich einer Autobahnbaustelle kurz vor Erreichung des Fahrtzieles zu einem Verkehrsunfall gekommen sei. Daraufhin habe sich der Lenker noch vor dem Eintreffen der Polizei vom Unfallort entfernt, wobei anschließend von ihm unternommene Versuche, diesen ausfindig zu machen, erfolglos geblieben seien.

 

Daher wird – erschließbar – die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.  

 

3. Der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck hat dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 13. April 2015 den Bezug habenden Akt zu Zl. VerkR96-13880-2014 vorgelegt; von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat die belangte Behörde abgesehen. 

 

 

 

II.

 

Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich

und Zulässigkeit der Beschwerde

 

 

1. Die vorliegende, auf Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG gegründete Beschwerde richtet sich gegen ein Straferkenntnis einer Verwaltungsbehörde und wurde innerhalb der Vier-Wochen-Frist des § 7 Abs. 4 VwGVG bei der belangten Behörde eingebracht; da der Inhalt dieser Beschwerde den Anforderungen des § 9 VwGVG entspricht und auch sonstige Prozesshindernisse nicht vorliegen, ist sie insgesamt als zulässig anzusehen.

 

2. Weil diesbezüglich weder im BStMG noch im VwGVG Abweichendes angeordnet ist, hatte das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich im vorliegenden Fall gemäß Art. 135 Abs. 1 B‑VG durch seinen hinsichtlich Spruchpunkt 2) des angefochtenen Straferkenntnisses in der Präambel angeführten geschäftsverteilungsmäßig zuständigen Einzelrichter zu entscheiden.

 

 

 

III.

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck zu Zl. VerkR96-13880-2014 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 29. September 2015, zu der als Parteien der Beschwerdeführer einerseits und AR T W als Vertreterin der belangten Behörde andererseits sowie die Zeuginnen Insp. T H und GI M S (beide Autobahnpolizeiinspektion S) und der Zeuge S G erschienen sind.

 

1. Im Zuge dieser Beweisaufnahme konnte folgender, für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt werden:

 

1.1. Am 1. Juni 2014 wurde das verfahrensgegenständliche, damals noch im Eigentum des Rechtsmittelwerbers gestanden habende KFZ gegen 9:00 Uhr von den beiden Zeuginnen in einem Baustellenbereich in der Nähe der Autobahnabfahrt St. Georgen im Attergau abgestellt vorgefunden. Auf der Windschutzscheibe dieses Fahrzeuges befanden sich lediglich zwei bereits (am 31. Jänner 2014 bzw. am 31. März 2014) abgelaufene Zwei-Monats-Vignetten.

 

1.2. Diese insoweit allseits unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich einerseits aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt sowie aus den glaubwürdigen und schlüssigen sowie insoweit jeweils übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers und der beiden in der öffentlichen Verhandlung einvernommenen Zeuginnen.

 

2. Hinsichtlich der Frage, ob dieses KFZ vor dem Abstellen vom Rechtsmittelwerber selbst oder von einer anderen Person, bei der es sich um einen flüchtigen Bekannten des Zeugen S G gehandelt haben soll, gelenkt wurde, gaben die beiden Zeuginnen übereinstimmend und glaubwürdig an, dass bei ihrem Eintreffen am Unfallort keine Person im Wagen sitzend angetroffen werden konnte und sich im Übrigen lediglich der Beschwerdeführer in der Nähe des Fahrzeuges aufgehalten hat.

 

Der Rechtsmittelwerber selbst brachte diesbezüglich – zusammengefasst – vor, dass er damals seinen PKW wegen starker Trunkenheit nicht selbst gelenkt hatte, sondern in diesem vielmehr von einem Bekannten – von dem er nur den Vornamen („M“ bzw. „M“) kenne – seines früheren Arbeitskollegen (nämlich: des Zeugen S G) von einer Diskothek in Salzburg nach St. Georgen i.A. befördert worden sei, um dort eine Familienangelegenheit zu erledigen. Im Zuge dieser Fahrt sei es im Bereich einer Autobahnbaustelle zu einem Unfall gekommen, bei dem Verkehrsleiteinrichtungen beschädigt worden seien. Deshalb habe sich der Lenker noch vor dem Eintreffen der Polizei vom Unfallort entfernt, wobei anschließende Versuche, diesen ausfindig zu machen, erfolglos geblieben seien.

 

Diese Angaben wurden vom Zeugen S G (lediglich) insoweit bestätigt, als auch dieser angab, am 1. Juni 2014 infolge Trunkenheit fahruntauglich gewesen zu sein, weshalb er dem Beschwerdeführer eine im Lokal anwesende, ihm von einigen früheren Lokalbesuchen her flüchtig bekannte Person mit dem Vornamen „M“ als Fahrer vermittelt habe; Letztere habe er aber seit diesem Vorfall nicht mehr gesehen.

 

 

 

IV.

 

Rechtliche Beurteilung

 

 

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erwogen:

 

1. Nach § 20 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 BStMG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe von 300 Euro bis zu 3.000 Euro zu bestrafen, der als Lenker eines Kraftfahrzeuges, dessen höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, die zeitabhängige Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG haben Lenker solcher KFZ die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette i.S.d. § 11 Abs. 2 BStMG am Fahrzeug zu entrichten, wobei die näheren Bestimmungen über die Beschaffenheit der Mautvignetten, über ihre Anbringung an den Fahrzeugen und über das Mitführen der Mautvignetten an Stelle der Anbringung in der Mautordnung[1] getroffen sind.

 

2.1. Im gegenständlichen Fall wurde – allseits unbestritten – am 1. Juni 2014 gegen 8:00 Uhr mit einem KFZ, das ein Gesamtgewicht von nicht mehr als 3,5 Tonnen aufgewiesen hat, zum Tatzeitpunkt noch im Eigentum des Beschwerdeführers stand und auch auf ihn zugelassen war, die Autobahn A 1 in Fahrtrichtung Wien benutzt. Da die Autobahn A 1 gemäß Teil A, Pkt. 2.1. der MautO zum mautpflichtigen Straßennetz zählt, unterlag dessen Lenker sohin nach § 10 BStMG der Verpflichtung, hierfür eine zeitabhängige Maut in Form der Anbringung einer gültigen Mautvignette am Fahrzeug (vgl. § 11 BStMG) zu entrichten.

 

Weiters steht außer Streit, dass im Zuge der von den Sicherheitsorganen am 1. Juni 2014 durchgeführten Kontrolle festgestellt wurde, dass an diesem Fahrzeug lediglich solche Vignetten angebracht waren, deren Gültigkeitsdauer bereits zuvor – nämlich am 31. Jänner 2014 bzw. am 31. März 2014 – abgelaufen war.

 

Objektiv besehen ist daher der Tatbestand des § 20 Abs. 1 BStMG i.V.m. § 10 Abs. 1 und i.V.m. § 11 Abs. 1 BStMG zweifelsfrei als erfüllt anzusehen.

 

2.2. Hinsichtlich der subjektiven Zurechnung dieser Übertretung zur Person des Beschwerdeführers, insbesondere bezüglich der Frage, ob dieser das KFZ am 1. Juni 2014 auf der Autobahn A 1 selbst gelenkt hat (vgl. explizit: „Kraftfahrzeuglenker“ in § 20 Abs. 1 BStMG), liegt als direktes Beweismittel lediglich die eigene Aussage des Rechtsmittelwerbers vor, wonach er sein Fahrzeug an diesem Tag einer anderen Person überlassen habe, sodass nicht von ihm, sondern vielmehr von jener das mautpflichtige Straßennetz vorschriftswidrig benutzt worden sei.

 

2.2.1. Im Zuge der Beurteilung der Glaubwürdigkeit dieser Einrede sprechen im vorliegenden Fall aus der Sicht des erkennenden Richters einerseits insbesondere folgende explizite (d.h. sich aus dem Behördenakt ergebende oder in der öffentlichen Verhandlung dargelegte) oder sonst auf der Hand liegende Indizien eherd.h. unter gleichzeitiger Berücksichtigung entsprechender Kontraindikatoren – gegen das tatsächliche Zutreffen dieses Vorbringens (in Klammern deren jeweiliges Gewicht unter Zugrundelegung einer – hypothetischenzehnteiligen Skala, bei der das sichere Zutreffen eines Aspektes dem Wert „10“ entspricht):

 

·         Außer dem Rechtsmittelwerber selbst konnte von den einschreitenden Zeuginnen niemand im Bereich des Unfallortes wahrgenommen werden, der sonst als Lenker des Fahrzeuges in Frage gekommen wäre, insbesondere nicht jene als „M“ bezeichnete männliche Person, die ihn von Salzburg nach St. Georgen i.A. gefahren haben soll – dies unter dem Aspekt, dass entlang der Autobahn wahrgenommene Fußgänger in der Regel relativ rasch von passierenden Autolenkern der Polizei gemeldet werden, entsprechende Anrufe jedoch am Vorfallstag in der Dienststelle nicht eingegangen sind und auch eine zielgerichtete Nachschau der amtshandelnden Sicherheitsorgane im Umfeld des Unfallortes (Parkplätze, Autobahnabfahrt, Tankstelle, .....) zu einem negativen Ergebnis führte; allerdings wird an diesem Tag – der 1. Juni 2014 war ein Sonntag – und zu dieser Zeit (zwischen 8:00 Uhr [Tatzeitpunkt] und 9:00 Uhr [Eintreffen der Polizei an der Unfallstelle] vormittags) auch kein allzu dichtes Verkehrsaufkommen geherrscht haben, wobei eine autostoppende Person (auf diese Weise soll sich nämlich der Bekannte seines früheren Arbeitskollegen nach den Angaben des Beschwerdeführers vom Unfallort entfernt haben) hier freilich auch insbesondere deshalb schon sehr frühzeitig von einem passierenden Lenker aufgenommen worden sein könnte, weil der für Vorbeifahrende offensichtlich wahrnehmbare Verkehrsunfall durchaus die Annahme der Notwendigkeit von Hilfeleistung nahelegt haben könnte (7);    

 

·         Beim Eintreffen der beiden Sicherheitsorgane am Unfallort entsprach die Sitzeinstellung im PKW der Körpergröße des Rechtsmittelwerbers (etwa bzw. knapp über 1,80 m), während dem gegenüber die als Lenker angegebene Person erheblich größer – nämlich ca. 1,90 m – gewesen sein soll, sodass also für diese während der Fahrt eine andere als die von den einschreitenden Polizeibeamtinnen erhobene Position des Lenkersitzes erforderlich gewesen wäre; zudem hat der Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens in keiner Weise erläutert, dass und weshalb er nach dem Unfall wieder eine (Rück‑)Anpassung des Fahrersitzes an seine Körperproportionen vorgenommen hätte; von daher besehen hätte es sich für den Beschwerdeführer förmlich aufgedrängt, im Zuge seiner Stellungnahme eine solche Person als Lenker zu beschreiben, deren Körpergröße sich mit seiner eigenen deckt, um solcherart einen diesbezüglichen Widerspruch schon von vornherein gar nicht aufkeimen zu lassen; dies nicht getan zu haben, könnte allerdings auch den Schluss nahelegen, dass es sich bei der vom Rechtsmittelwerber angegebenen Person doch zumindest um eine real existierende handelt (8);  

 

·         Prinzipiell widerspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, seinen PKW – noch dazu, wenn dieser einen nicht unerheblichen Verkehrswert aufweist (hier: Audi A4 TDI) – einer Person als Lenker anzuvertrauen, die einem nur flüchtig, d.h. insbesondere nicht mit vollem Namen, mit Personaldaten oder zumindest anhand der Handy-Nummer, eines angefertigten Handy-Fotos etc., bekannt ist; Gleiches gilt für den Umstand, eine solche Person, die mit diesem Fahrzeug einen Unfall verursacht hat, nicht daran zu hindern, sich von der Unfallstelle zu entfernen, wenn man die daraus resultierenden rechtlichen und versicherungstechnischen Konsequenzen in Betracht zieht; allerdings kann auch nicht gänzlich außer Acht gelassen werden, dass der Beschwerdeführer zum Vorfallszeitpunkt – wie die nachfolgende Testung erwiesen hat – noch erheblich alkoholisiert war, sodass er möglicherweise aus diesem Grund in Verbindung mit entsprechend fehlender Körperkraft rein faktisch nicht dazu in der Lage war, eine 1,90 m große Person am energischen Verlassen des Unfallortes zu hindern (7);

 

·         Als gemeinhin kaum nachvollziehbar erweist sich auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer im näheren zeitlichen Umfeld des gegenständlichen Vorfalles keinen nachdrücklichen Versuch zur Ausforschung jener von ihm als Lenker angegeben Person vorgenommen hat; vielmehr hat er sich darauf beschränkt, seinen Arbeitskollegen zu befragen und sich mit dessen negativer Auskunft gleichsam „achselzuckend“ abgefunden, obwohl an seinem PKW ein nicht unerheblicher Sachschaden entstanden ist; freilich kann auch nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass jemand – wenngleich dieser zuvor mehrfach in diversen Lokalen in der Stadt Salzburg gesehen wurde – ab einem gewissen Zeitpunkt dort überhaupt nicht mehr anzutreffen ist (so z.B. infolge eines dauerhaften Wohnsitzwechsels o.Ä.), obgleich die Wahrscheinlichkeit hierfür eher sehr gering ist (9);

 

·         Hinzu kommt die vom Rechtsmittelwerber erst über entsprechenden Vorhalt vorgenommene Korrektur des Namens des angegebenen Lenkers (ursprünglich „N“, später „M“) sowie das Nichtauffinden einer Notrufsäule im Zusammentreffen mit einem nicht mehr ausreichend geladenen Handy-Akku, wobei diese Aspekte vom Beschwerdeführer jeweils auf seine erhebliche Alkoholisierung und die dadurch verursachte Übelkeit zurückgeführt werden, während ihm dem gegenüber etwa die Buchstabierung des Namens und die Durchführung des Atemalkoholtests keine Probleme bereiteten; andererseits konnte auf Grund des Eindrucks, den der Beschwerdeführer bei der mündlichen Verhandlung hinterließ, hinsichtlich dessen allgemein-psychischer Grundhaltung festgestellt werden, dass er offenkundig nur geringe Erfahrung im persönlichen Umgang mit Behörden (und erst recht mit Gerichten) hat, sodass diesbezügliche objektiv banal erscheinende Kontakte bei ihm eine nicht unerhebliche Nervosität auslösen; da diese bei seiner Einvernahme am Unfallort infolge der nicht unbeträchtlichen Alkoholisierung und den Unfallschock zweifelsfrei noch gesteigert war, erscheint es daher als nachvollziehbar, dass Umstände wie das (falsche) Buchstabieren und die Verwechslung von Namen („N“ anstelle von richtig „N“, wobei dieser Vorname erst in späterer Folge auf „M“ korrigiert wurde) etc. nicht zwangsläufig auf einer Täuschungsabsicht basieren müssen, sondern auch tatsächlich auf einem Irrtum fußen können, noch dazu, wenn bzw. insoweit solche Aspekte (wie z.B. Vornamen) aus der subjektiven Sicht des Rechtsmittelwerbers ursprünglich als unerheblich erachtet wurden, sodass sein diesbezügliches Vorbringen insgesamt nicht a priori als gänzlich unglaubwürdig qualifiziert werden kann (6);

 

·         Weiters ist zu bedenken, dass sich der Beschwerdeführer und der Zeuge S G aus einer zweijährigen gemeinsamen beruflichen Tätigkeit bei einem Sicherheitsdienstleistungsunternehmen kennen, sodass die Möglichkeit einer wechselseitigen Absprache ihres Vorbringens nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. z.B. die Stellungnahme des Rechtsmittelwerbers vom 1. Juli 2014 einerseits sowie die Aussagen des Zeugen S G vom 24. Oktober 2014 sowie auch vom 2. März 2015 andererseits, in denen es jeweils wortgleich heißt: „Sein Vorname war M, er war ca. 1,90 cm groß, schlank, kurze schwarze Haare“); dem gegenüber kann der Umstand, dass sich während des Verfahrens und insbesondere auch im Zuge der öffentlichen Verhandlung keine Widersprüche zwischen den Darlegungen des Beschwerdeführers und dieses Zeugen ergaben, freilich auch darin begründet sein, dass das dementsprechende Vorbringen insoweit auch tatsächlich zutrifft, zumal der frühere Arbeitskollege andernfalls das Risiko einer Anzeige wegen Falschaussage in Kauf genommen hätte; zudem bezieht sich die diesbezügliche Übereinstimmung in der Sache ohnehin nur auf die (für den Rechtsmittelwerber nicht essentiell hilfreiche) Bereitschaft des Bekannten „M“, den Beschwerdeführer nach St. Georgen i.A. zu fahren, nicht aber auch darauf, dass der Zeuge S G darüber hinaus wahrgenommen hätte, dass der PKW (zumindest beim Wegfahren) von jener Person gelenkt wurde und der Rechtsmittelwerber bloß Beifahrer war (5);

 

·         Angesichts dessen, dass dem Beschwerdeführer als Folge einer allfälligen verwaltungsbehördlichen Bestrafung wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand (0,71 mg/l bzw. 0,73 mg/l) in weiterer Folge zudem die durchaus einschneidende Maßnahme der Entziehung der Lenkerberechtigung für einen Zeitraum von mindestens vier Monaten droht (vgl. § 26 Abs. 2 Z. 4 des Führerscheingesetzes, BGBl I 120/1997 i.d.g.F. BGBl I 74/2015, und die dementsprechenden, im Akt einliegenden e-mails der LPD Salzburg vom 11. Juli 2014 und vom 4. Februar 2015), erscheint es zum Zweck der Hintanhaltung derartiger negativer Folgen mehr als naheliegend, die Lenkereigenschaft nicht nur für sich selbst in Abrede zu stellen, sondern diese einer Person anzulasten, die realiter möglicherweise gar nicht existiert; dem lässt sich nur entgegenhalten, dass der Rechtsmittelwerber während des Verlaufes der öffentlichen Verhandlung keinen diesbezüglich engagierten, sondern vielmehr einen eher gleichgültigen Eindruck hinterließ (9).             

 

2.2.2. Für das Zutreffen des Vorbringens des Rechtsmittelwerbers sprechen dem gegenüber eher folgende Indizien:

 

·         Unter Bedachtnahme auf das (Teen- und Twen-)Milieu, in dem sich der Beschwerdeführer im Vorfallszeitraum (und möglicherweise auch gegenwärtig noch) bewegt(e), sowie auf die konkreten Umstände des vorliegenden Falles (Verlassen einer Diskothek erst in den frühen Morgenstunden, beträchtliche Alkoholisierung und dadurch bedingte Fahruntauglichkeit, Notwendigkeit eines Verwandtenbesuches) erscheint es nicht als abwegig, sein KFZ dem Bekannten eines früheren Arbeitskollegen in der Weise anzuvertrauen, dass man sich die ganze Zeit über selbst im Fahrzeug befindet und jene Person lediglich die Rolle eines Chauffeurs wahrnimmt; da unter solchen Umständen üblicherweise keine erhöhte Entwendungs- oder Beschädigungsgefahr o.Ä. besteht, ist es auch nachvollziehbar, wenn hier – wie heutzutage unter jungen Leuten üblich – keine näheren Erkundigungen über die Identität des Fahrbereiten eingeholt wurden, sondern dessen persönliche Bekanntschaft zum früheren Arbeitskollegen für die Begründung eines entsprechenden Vertrauensverhältnisses als hinreichend gewertet wurde, zumal die darauf basierende Dienstleistung nach einer knapp 50 km langen bzw. knapp halbstündigen Autobahnfahrt ohnehin wieder beendet sein sollte; dem steht lediglich gegenüber, dass die Höhe des vereinbarten Entgelts (50 Euro) unter Berücksichtigung des Zeitaufwandes und der Kosten für die Rückfahrt (z.B. ca. 15 Euro für ein Bahnticket) objektiv besehen nicht als übermäßig attraktiv erscheint (9);

 

·         Grundsätzlich erscheint es auch nicht als lebensfremd, dass sich eine dem Eigentümer nicht näher bekannte Person schnellstmöglich von der Unfallstelle zu entfernen versucht, nachdem sie mit einem fremden Fahrzeug einen Verkehrsunfall mit einem nicht unerheblichen Sachschaden an diesem verursacht hat; da der Bekannte des früheren Arbeitskollegen des Rechtsmittelwerbers ebenfalls in der Diskothek angetroffen wurde, liegt es zudem auf der Hand, dass dieser dort zuvor – wie auch der Beschwerdeführer selbst – Alkohol konsumiert hatte und somit nach dem Unfall ebenfalls zu befürchten hatte, wegen einer entsprechenden Übertretung der Straßenverkehrsordnung mit nachfolgend drohendem Führerscheinentzug belangt genommen zu werden; als gleichsam „akzessorisches Indiz“ erscheint diese Annahme freilich nur dann als stichhaltig, wenn man zuvor als zutreffend unterstellt hat, dass nicht der Rechtsmittelwerber selbst, sondern tatsächlich der Bekannte seines Arbeitskollegen im Vorfallszeitraum das verfahrensgegenständliche KFZ gelenkt hat (7);       

 

·         Dass es der Beschwerdeführer bislang unterließ, den Bekannten seines früheren Arbeitskollegen ernsthaft ausfindig zu machen, lässt sich – deren reale Existenz vorausgesetzt – vernünftigerweise nur damit erklären, dass von jener Person (im Sinne eines Ausgleiches für die seinerzeitige Hilfeleistung) jegliche behördlichen und/oder gerichtlichen Unannehmlichkeiten ferngehalten werden soll(t)en, weshalb ein allfälliger Schadensausgleich auch gleichsam „einvernehmlich und intern“ zwischen ihr und dem Rechtsmittelwerber erfolgt sein könnte – dies allerdings wiederum nur unter der apriorischen Annahme, dass tatsächlich nicht der Rechtsmittelwerber selbst, sondern der Bekannte seines Arbeitskollegen das Fahrzeug gelenkt und mit diesem den Verkehrsunfall verursacht hat, sodass es sich insoweit wiederum um ein akzessorisches Indiz handelt (8).

 

2.2.3. Angesichts dessen, dass die Frage, ob im vorliegenden Fall das verfahrensgegenständliche Fahrzeug auf der Autobahn A 1 tatsächlich vom Beschwerdeführer selbst gelenkt wurde, nicht eine auf der Ebene des Verschuldens angesiedelte Problematik darstellt – sodass eine Heranziehung der in § 5 Abs. 2 VStG normierten Beweislastumkehr schon von vornherein ausscheidet –, kommt somit als allgemeiner Grundsatz zum Tragen, dass die Strafbehörde die Tatbestandsmäßigkeit des deliktischen Handelns nachzuweisen hat, widrigenfalls gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK im Zweifel vom Nichtvorliegen einer Straftat auszugehen ist.

 

Unterstellt man aber vor diesem Hintergrund unter Bedachtnahme auf die hier maßgeblichen konkreten Umstände, wonach der Rechtsmittelwerber nicht unmittelbar beim Lenken, sondern von den Sicherheitsorganen als nach dem Verkehrsunfall einzige beim Fahrzeug anwesende Person betreten wurde, dass er das KFZ vor dessen Abstellen gelenkt hat, ohne für diese Annahme über einschlägige weitere Nachweise zu verfügen, erhebt sich damit die grundsätzliche Frage nach den rechtlichen Grenzen der Überzeugungskraft eines bloßen Indizienbeweises. Diese Schranken sind bei Tätigkeitsdelikten – ein solches verkörpert § 20 Abs.i.V.m. § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 BStMG (Lenken eines KFZ auf dem mautpflichtigen Straßennetz ohne gültige Vignette) – wegen der regelmäßig eingeschränkteren Möglichkeiten eines erfolgsbezogenen hypothetischen Kausalverlaufes allerdings vergleichsweise niedriger anzusetzen als bei (kombinierten) Unterlassungsdelikten (vgl. dazu z.B. jüngst LVwG-400116 vom 28. September 2015).

 

Davon ausgehend erweist sich somit ein Indizienbeweis i.d.R. als hinreichend, um das Vorliegen der Tatbestandsmäßigkeit einer Handlung begründet voraussetzen zu können, wenn in der Gebotsnorm (lediglich) eine einzige konkrete Ursache als für den Erfolgseintritt maßgeblich angeführt ist – wie z.B. das Nichtvorhandensein einer gültigen Vignette beim Lenken eines KFZ auf dem mautpflichtigen Straßennetz – und deren Zutreffen nach Abwägung aller dafür gegenüber allen dagegen sprechenden Indizien im Ergebnis als deutlich überwiegend anzunehmen geboten ist (vgl. in diesem Zusammenhang auch das jüngst ergangene Urteil des EGMR vom 28. September 2015, 23380/09 [ECLI:CE:ECHR:2015:0928JUD002338009], RN 82, in dem der Gerichtshof betont, dass selbst hinsichtlich jener Bereiche, die unter allen Umständen zu wahrende Schutzbereiche verkörpern, zwar prinzipiell der „Ausschluss eines vernünftigen Zweifels“ gefordert, damit jedoch eine Beweisführung auf Grund hinreichend gewichtiger, klarer und naheliegender Schlussfolgerungen oder unwiderlegter Vermutungen in Bezug auf einen naheliegend wahrscheinlichen Kausalverlauf nicht gehindert ist).

 

2.2.4. Wie zuvor unter Pkt. IV. 2.2.1. und 2.2.2. dargetan wurde, resultiert auf Grund der im gegenständlichen Fall konkret vorliegenden Umstände, dass jene für die Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers sprechenden Umstände im Zuge einer Abwägung der gegen diese Annahme sprechenden Aspekte nach Auffassung des erkennenden Richters hier in einem Verhältnis von (ca.) 2:1 (konkret: 51 gegenüber 24 Einheiten) zu gewichten sind, sodass erstere im Sinne der vorstehenden Darlegungen unter Pkt. IV. 2.2.3. die letzteren deutlich überwiegen.

 

Als Ergebnis der Beweiswürdigung folgt daraus, dass im vorliegenden Fall davon auszugehen ist, dass das verfahrensgegenständliche KFZ vom Beschwerdeführer selbst gelenkt wurde.

 

2.3. Da das Vorliegen der übrigen Tatbildelemente des § 20 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 BStMG auch vom Rechtsmittelwerber selbst ohnehin nicht in Abrede gestellt wird, hat er somit im Ergebnis tatbestandsmäßig und – weil von einem durchschnittlich sorgfältigen Lenker erwartet werden kann, sich vor der Benützung einer mautpflichtigen Straße davon zu überzeugen, dass am KFZ eine gültige Vignette angebracht ist, der Beschwerdeführer dies jedoch offenkundig pflichtwidrig unterlassen hat – zumindest fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt.

 

Seine Strafbarkeit ist daher gegeben.

 

3.1. Im Zuge der Strafbemessung ist zunächst zu konstatieren, dass die von Amts wegen geschätzten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (monatliches Nettoeinkommen: 1.400 Euro; kein Vermögen; keine Sorgepflichten) vom Rechtsmittelwerber in keiner Phase des Verfahrens als unzutreffend oder sich mittlerweile zu seinen Gunsten geändert habend gerügt wurden.

 

In gleicher Weise wurde von ihm auch nicht beanstandet, dass die belangte Behörde weitere, neben seiner Unbescholtenheit in Betracht kommende Milderungsgründe nicht beachtet hätte, oder eingewendet, dass die Geldstrafe als überhöht empfunden wird.

 

Davon abgesehen wurde ohnehin bloß die Mindeststrafe verhängt, sodass sich objektiv besehen grundsätzlich kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass die belangte Behörde das ihr insoweit zukommende Ermessen nicht gesetzmäßig ausgeübt hätte.

 

3.2. Allerdings ist im vorliegenden Fall die lange, nämlich ein Jahr deutlich übersteigende Verfahrensdauer gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK i.V.m. Art. 13 EMRK in der Weise zu berücksichtigen, dass die Strafhöhe merklich reduziert wird.

 

4. Aus allen diesen Gründen war daher der gegenständlichen Beschwerde insoweit, als diese gegen Spruchpunkt 2) des angefochtenen Straferkenntnisses gerichtet ist, gemäß § 50 VwGVG dahin stattzugeben, dass die verhängte Geldstrafe auf 200 Euro herabgesetzt wird; im Übrigen war diese hingegen als unbegründet abzuweisen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis ermäßigt sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde nach § 64 Abs. 2 VStG auf 20 Euro; für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich war dem Beschwerdeführer hingegen gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG kein Kostenbeitrag für vorzuschreiben. 

 

 

 

V.

 

Revision an den Verwaltungsgerichtshof

 

 

Eine ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt; insbesondere wird mit der vorliegenden Entscheidung nicht von der Judikatur der Höchstgerichte abgewichen (s.o., Pkt. IV.2.).

 

 

 


 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Eine solche Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb derselben Frist auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigen Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Ver-waltungsgerichtshof zu entrichten.

 

 

 

 

 

Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich

 

 

Dr.  G r o f

 

 

 

 

LVwG-400085/19/Gf/Mu vom 7. Oktober 2015

 

Normen:

Art. 6 Abs. 2 EMRK

§ 10 BStMG

§ 11 BStMG

 

* Angesichts dessen, dass die Frage, ob das KFZ tatsächlich vom Beschwerdeführer selbst gelenkt wurde, nicht eine auf der Ebene des Verschuldens angesiedelte Problematik darstellt – sodass eine Heranziehung der in § 5 Abs. 2 VStG normierten Beweislastumkehr schon von vornherein ausscheidet –, kommt als allgemeiner Grundsatz zum Tragen, dass die Strafbehörde die Tatbestandsmäßigkeit des deliktischen Handelns nachzuweisen hat, widrigenfalls gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK im Zweifel vom Nichtvorliegen einer Straftat auszugehen ist;

 

* Unterstellt man vor diesem Hintergrund unter Bedachtnahme auf die hier maßgeblichen konkreten Umstände, wonach der Rechtsmittelwerber nicht unmittelbar beim Lenken, sondern von den Sicherheitsorganen als nach dem Verkehrsunfall einzige beim Fahrzeug anwesende Person betreten wurde, dass er das KFZ vor dessen Abstellen gelenkt hat, ohne für diese Annahme über einschlägige weitere Nachweise zu verfügen, erhebt sich damit die grundsätzliche Frage nach den rechtlichen Grenzen der Überzeugungskraft eines bloßen Indizienbeweises; diese Schranken sind bei Tätigkeitsdelikten – ein solches verkörpert § 20 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 BStMG (Lenken eines KFZ auf dem mautpflichtigen Straßennetz ohne gültige Vignette) – wegen der regelmäßig eingeschränkteren Möglichkeiten eines erfolgsbezogenen hypothetischen Kausalverlaufes allerdings vergleichsweise niedriger anzusetzen als bei (kombinierten) Unterlassungsdelikten (vgl. dazu z.B. jüngst LVwG-400116 vom 28. September 2015);

 

* Davon ausgehend erweist sich ein Indizienbeweis i.d.R. als hinreichend, um das Vorliegen der Tatbestandsmäßigkeit einer Handlung begründet voraussetzen zu können, wenn in der Gebotsnorm (lediglich) eine einzige konkrete Ursache als für den Erfolgseintritt maßgeblich angeführt ist – wie z.B. das Nichtvorhandensein einer gültigen Vignette beim Lenken eines KFZ auf dem mautpflichtigen Straßennetz – und deren Zutreffen nach Abwägung aller dafür gegenüber allen dagegen sprechenden Indizien im Ergebnis als deutlich überwiegend anzunehmen geboten ist (vgl. in diesem Zusammenhang auch jüngst EGMR vom 28. September 2015, 23380/09, RN 82, in dem der Gerichtshof betont, dass selbst hinsichtlich jener Bereiche, die – wie Art. 3 EMRK – unter allen Umständen zu wahrende Schutzbereiche verkörpern, zwar prinzipiell der „Ausschluss eines vernünftigen Zweifels“ gefordert, damit jedoch eine Beweisführung auf Grund hinreichend gewichtiger, klarer und überzeugender Schlussfolgerungen oder unwiderlegter Vermutungen in Bezug auf einen naheliegend wahrscheinlichen Kausalverlauf nicht gehindert ist);

 

* Resultiert daher auf Grund der im gegenständlichen Fall konkret vorliegenden Umstände, dass jene für die Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers sprechenden Umstände (nämlich insbesondere, dass außer dem Bf. niemand im Umfeld der Unfallstelle wahrgenommen wurde, dass die von den Beamten vorgefundene Sitzeinstellung den Körperproportionen des Bf. entsprach, dass der Bf. vom vorgeblichen Lenker nur den Vornamen kannte, dass der Bf. den Lenker nicht am Entfernen vom Unfallort hinderte und in der Folge dessen ernsthafte Ausforschung unterließ sowie, dass ihm selbst eine mehrmonatige Führerscheinabnahme drohte) im Zuge einer Abwägung der gegen diese Annahme ins Treffen geführten Aspekte (nämlich, dass im Teen- und Twen-Milieu einer Identitätsversicherung heutzutage kein besonderer Stellenwert zukommt sowie, dass auch dem vorgeblichen Lenker ein Führerscheinentzug droht, der sich nur durch Nichtpreisgabe von dessen Identität hintanhalten lässt) nach Auffassung des erkennenden Richters in einem Verhältnis von etwa 2:1 (bzw. unter Zugrundelegung einer – hypothetischen – zehnteiligen Skala: 51 gegenüber 24 Einheiten) zu gewichten sind, so über-wiegen erstere die letzteren deutlich, weshalb von der Lenkereigenschaft des Bf. auszugehen war.

 

 

Schlagworte:

 

Direkter Beweis, Indizienbeweis, Lenkereigenschaft, Wahrnehmungen an der Unfallstelle, Sitzeinstellung im PKW, mangelnde Identitätskenntnis (nur Vorname), Unterlassung der Ausforschung, drohende Führerscheinabnahme (Entzug der Lenkerberechtigung), Tätigkeitsdelikt, Unterlassungsdelikt

 

 

 

 

 

 

 



[1] Vgl. die „Mautordnung für die Autobahnen und Schnellstraßen Österreichs“ (in der hier maßgeblichen „Version 39“), downloadbar unter: http://www2.asfinag.at/web/guest/maut/mautordnung/archiv.