LVwG-410286/29/Gf/Mu

Linz, 18.03.2015

I M  N A M E N  D E R  R E P U B L I K !

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof über die Beschwerde der M  S  GmbH, x, x, vertreten durch RA Dr. F  M , x, x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 31. Mai 2012, Zl. Pol96-142-2010, wegen einer Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz

 

 

 

 z u  R e c h t  e r k a n n t:

 

 

 

I.          Der Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

II.         Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

 

 


 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.

 

Vorgängiges Behörden- und Verwaltungsgerichtsverfahren

 

 

1. Wegen des Verdachtes des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Glücksspielgesetz haben Exekutivorgane der Finanzpolizei am 30. November 2010 in einem Tankstellenshop in R. eine Kontrolle durchgeführt. Laut Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck sei im Zuge dieses Augenscheines festgestellt worden, dass dort zumindest seit dem 11. November 2010 zwei Geräte ohne behördliche Konzession betriebsbereit aufgestellt gewesen seien, an denen nach entsprechender Geldeingabe unterschiedliche Spiele (hauptsächlich sog. "virtuelle Walzenspiele"), die – weil keinerlei Möglichkeit bestanden habe, auf das Zustandekommen gewinnbringender Symbolkombinationen gezielt Einfluss zu nehmen – nach dem Glücksspielgesetz als Glücksspiele zu qualifizieren seien, hätten durchgeführt werden können. Um weitere künftige Verstöße gegen das Glücksspielgesetz zu verhindern, seien diese Geräte (samt zwei Schlüsseln und vier Klinkensteckern) vorläufig in Beschlag genommen worden (und zwar derart, dass die Geräte vor Ort belassen, jedoch mit amtlichen Siegeln versehen worden seien).

 

Über diese vorläufige Beschlagnahme wurde der Tankstellenbetreiberin (als Geräteinhaberin), einer d. Staatsangehörigen, eine entsprechende Bestätigung ausgehändigt.

 

2. In der Folge hat der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck dieser gegenüber als Unternehmerin (und damit Veranstalterin bzw. Betreiberin der Glücksspielgeräte) den Bescheid vom 16. Dezember 2010, Zl. Pol96-142-2010, erlassen, mit dem die vorläufige Beschlagnahme vom 30. November 2010 insgesamt vollinhaltlich bestätigt wurde.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen auf die zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage verwiesen.

 

3. In weiterer Folge hat die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck die nunmehrige Rechtsmittelwerberin als Eigentümerin der beschlagnahmten Geräte ermittelt und dieser eine Ausfertigung des gegenüber ihr als Unternehmerin erlassenen Bescheides zugestellt.

 

4. Gegen diesen Bescheid hat zunächst die Tankstellenbetreiberin eine Berufung erhoben, die vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Beschluss vom 2. Februar 2011, Zl. VwSen-300990/5/Gf/Mu, als verspätet zurückgewiesen wurde.

 

5. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 31. Mai 2012, Zl. Pol96-142-2010, wurde die Einziehung der beiden am 30. November 2010 beschlagnahmten Geräte verfügt.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der mit diesen Geräten begangene Verstoß gegen das Glücksspielgesetz als zweifelsfrei erwiesen anzusehen und zudem nicht geringfügig gewesen sei.

 

6. Gegen letzteren ihr am 5. Juni 2012 zugestellten Bescheid richtete sich die am 19. Juni 2012 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Beschwerde der Rechtsmittelwerberin an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

Darin wurde – auf das Wesentliche zusammengefasst – vorgebracht, dass es sich  – von groben Verfahrensmängeln bezüglich Bescheidbegründung, Sachverhaltsfeststellung und unrichtiger Gesetzesanwendung abgesehen – bei den beschlagnahmten Geräten nicht um eigenständige Spielautomaten, sondern bloß um Eingabeterminals handle. Diese seien mit einem in einem anderen Bundesland situierten Server, von dem aus die Spielentscheidungen ausschließlich getroffen werden, verbunden gewesen, sodass die einschreitende Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides jedenfalls örtlich unzuständig gewesen sei. Davon abgesehen handle es sich bei sämtlichen Automaten nicht um Glücksspiel-, sondern vielmehr um Geschicklichkeitsgeräte. Schließlich hätte die belangte Behörde im gegenständlichen Fall zwingend auch die im Hinblick auf § 168 des Strafgesetzbuches bestehende Subsidiarität sowie zu beachten gehabt, dass die von ihr angewendeten, zudem dem Determinierungsgebot von Strafnormen nicht genügenden Bestimmungen aus innerstaatlich-verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich erscheinen.

 

7. Unter anderem aus Anlass dieser Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat mit Schriftsatz vom 10. August 2012, Zln. VwSen-740121/2/Gf/Rt u.a., gemäß Art. 267 AEUV einen Antrag auf Vorabentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen Union gestellt.

 

7.1. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass nach § 3 des Glücksspielgesetzes, BGBl.Nr. 620/1989 in der in den gegenständlichen Fällen maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 50/2012 (im Folgenden: GSpG), das Recht zur Durchführung von Glücksspielen dem Bund vorbehalten sei ("Glücksspielmonopol" [so ausdrücklich die Überschrift vor und der Klammerausdruck in § 3 GSpG] des Bundes), soweit es sich nicht um Ausspielungen mit Glücksspielautomaten auf Grund landesrechtlicher Vorschriften nach § 5 GSpG (bzw. um sonstige [in § 4 GSpG angeführte Einzel-]Ausnahmekonstellationen) handle.

 

Davon ausgehend könne der Bund sein exklusives Recht zur Durchführung be-stimmter Arten von Lotterien (Lotto, Toto, Zusatzspiele, Sofortlotterie, Klassenlotterie, Zahlenlotto, Nummernlotto, Elektronische Lotterie [auch im Wege von Video-Lotterie-Terminals], Bingo und Keno; vgl. die §§ 6 bis 12b GSpG) gemäß § 14 GSpG durch die Erteilung einer (einzigen) Konzession unter den in den §§ 14 bis 16 näher festgelegten Bedingungen auf einen Dritten übertragen, der hierfür eine Abgabe zu entrichten hat (§ 17 GSpG); während der aufrechten Laufzeit einer solcherart vergebenen Konzession (d.i. für die Dauer von [höchstens = in der Regel] 15 Jahren; vgl. § 14 Abs. 4 Z. 1 GSpG) dürfe eine weitere Lotterie-Konzession nicht vergeben werden.

 

In analoger Weise könne der Bund nach § 21 GSpG sein ausschließliches Recht zur Durchführung von Glücksspielen im Wege einer Spielbank (Roulette, Kar-tenspiele im Lebendspiel, Glücksspielautomaten mit Einsätzen und/oder Gewin-nen oberhalb der Betragsgrenzen des in § 5 Abs. 5 GSpG geregelten sog. "Klei-nen Glücksspiels", etc.) durch Erteilung einer Konzession unter den in den §§ 21 bis 27 GSpG näher festgelegten Bedingungen auf einen Dritten übertragen, der hierfür eine Abgabe zu entrichten hat (§§ 28 und 29 GSpG). Insgesamt dürften nach § 21 Abs. 5 GSpG höchstens 15 solcher Spielbank-Konzessionen vergeben werden, wobei während aufrechter Laufzeit dieser Konzessionen (d.i. für die Dauer von [höchstens = in der Regel] 15 Jahren; vgl. § 21 Abs. 7 Z. 1 GSpG)  – abgesehen von einer (einzigen) zusätzlichen Konzession zum Betrieb eines Pokersalons (für Pokerspiele ohne Bankhalter im Lebendspiel) gemäß § 22 GSpG – eine weitere Konzession nicht vergeben werden dürfe.

 

Ähnliches gelte nach den §§ 32 ff GSpG für die – im Folgenden außer Betracht bleibenden – weniger lukrativen Glücksspielarten der Lotterien ohne Erwerbszweck (Sonstige Nummernlotterien, Tombolaspiele, Glückshäfen und Juxspiele).

 

7.2. Nach § 5 GSpG könne weiters auch jedes Land einem Dritten im Wege einer Konzession ein Recht zur Durchführung von Ausspielungen mittels Glücksspielautomaten unter den dort näher festgelegten ordnungspolitischen Mindestanforderungen an Bewilligungswerber und besonderen Begleitmaßnahmen zur Spielerschutzvorbeugung erteilen, und zwar derart, dass solche Ausspielungen (sog. "Kleines Glücksspiel") entweder in Automatensalons – mit mindestens 10 und höchstens 50 Glücksspielautomaten und einem Höchsteinsatz bis zu 10 Euro sowie einem Höchstgewinn bis zu 10.000 Euro pro Spiel – oder in Form der Einzelaufstellung – mit höchstens 3 Glücksspielautomaten und einem Höchsteinsatz bis zu 1 Euro sowie einem Höchstgewinn bis zu 1.000 Euro pro Spiel – durchgeführt werden, wobei die Anzahl der gleichzeitig (jeweils bis zur Höchst-[= Regel‑]Dauer von 15 Jahren; vgl. § 5 Abs. 2 Z. 8 GSpG) aufrechten Bewilligungen zum Betrieb von Glücksspielautomaten mit höchstens 3 pro Bundesland beschränkt sei (vgl. § 5 Abs. 1 zweiter Satz GSpG).

 

7.3. Gesamthaft betrachtet sei damit die Durchführung von Glücksspielen im Wege von Lotterien, von Spielbanken und Pokersalons sowie von Glücksspielautomaten für das "Kleine Glücksspiel" an die vorherige Erteilung einer zahlenmäßig jeweils bloß begrenzt zur Verfügung stehenden behördlichen Bewilligung (Konzession) gebunden.

 

Mit Blick auf die unterschiedlichen Arten von Glücksspielen stellten Lotterie und Pokersalon ein echtes Monopol dar; die Ausweitung im Wege einer generellen Legalisierung des "Kleinen Glücksspiels" mittels Automaten in Form eines Oligopols sei erst durch die GSpG-Novelle BGBl.Nr. I 73/2010 erfolgt, wobei die Motivation – wie sich aus den entsprechenden Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu dieser Novelle zweifelsfrei ergebe  – darin gelegen sei, einerseits den Spielerschutz, andererseits aber – im Wege der gleichzeitigen Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes 2008 – auch die Staatseinnahmen zu erhöhen (vgl. 657 BlgNR, 24. GP, insbesondere S. 1 ["Beim Automatenglücksspiel sollen noch stärker Jugendschutz und Spielerschutz im Vordergrund stehen. Automatensalons sowie Automaten in Einzelaufstellung sollen unter strengen Spielerschutzbestimmungen und Aufsichtsregeln in Landeskompetenz bleiben. Sie werden mit einer geteilten Abgabe belegt. ..... Die Automaten und Video Lotterie Terminals (VLT's) werden einer geteilten Abgabe unterworfen und die bisherigen Erlaubnisländer erhalten gesetzlich garantierte Mindesteinnahmen. ..... Es wird ..... davon ausgegangen, dass das Aufkommen inkl. Zuschlag der Länder ..... über 150 Mio. Euro p.a. liegen wird und somit die Mindereinnahmen ..... überkompensiert werden."], S. 3 ff ["Die bisherigen 'Erlaubnisländer' erhalten zusätzlich eine Finanzzuweisung des Bundes, wenn ihre Einnahmen aus dem Zuschlag bestimmte Garantiebeträge, die aus den bisherigen Einnahmen aus Vergnügungssteuern abgeleitet wurden, nicht erreichen. ..... Suchtprävention und Suchtberatung sind wichtige Anliegen, weshalb dazu eine eigene Stelle im Bundesministerium für Finanzen eingerichtet werden soll. ..... Mit dieser Maßnahme soll ein Beitrag zu einem Glücksspiel mit Verantwortung geleistet werden. ..... Da mit der Durchführung von entgeltlichem Glücksspielangebot auch eine hohe gesellschaftspolitische Verantwortung einhergeht, müssen die Bewilligungswerber ordnungspolitisch zuverlässig sein."] und S. 11 f ["Die bisherigen Erlaubnisländer Niederösterreich, Steiermark und Kärnten erhalten eine Bedarfszuweisung des Bundes, wenn ihre Einnahmen aus dem landesgesetzlich geregelten Zuschlag der Länder bestimmte Jahresbeträge, die aus den erwarteten  Einnahmen aus der bisherigen Vergnügungssteuer abgeleitet werden, nicht erreichen. Damit werden die Länder auch dagegen abgesichert, dass die Einnahmen nicht den Erwartungen entsprechen. ..... Die Garantiebeträge werden aliquot gekürzt, wenn in einem Land das Höchstausmaß des Zuschlags nicht ausgeschöpft wird, wenn die höchstzulässige Anzahl von Glücksspielautomaten nicht oder nicht ganzjährig erreicht wird, wenn Glücksspielautomaten nicht ganzjährig betrieben werden, oder wenn in den Bewilligungen die Bedingungen für den Spielverlauf unter den Grenzen des § 5 Abs. 5 GSpG bleiben. Bei dieser aliquoten Kürzung wird daher darauf Bedacht genommen, in welchem Umfang, aber auch wie lange in einem Land die bestehenden Möglichkeiten nicht ausgenützt werden."]).

 

7.4. Für jeden an den Bund gerichteten Konzessionsantrag sei nach § 59a Abs. 1 GSpG ein Betrag von 10.000 Euro, im Falle einer Konzessionserteilung sei für jede dieser Konzessionen an den Bund zusätzlich ein Betrag von 100.000 Euro zu entrichten (vgl. dazu 981 BlgNR, 24. GP, insbesondere S. 148 ["Die Höhe der Gebühren in Zusammenhang mit der Antragstellung und der Konzessionserteilung ergeben sich aus der Notwendigkeit zur Durchführung aufwändiger Konzessionierungsverfahren. ..... Zudem besteht auf Grund der Ertragskraft der glücksspielrechtlichen Konzessionen ein hohes Interesse der Konzessionswerber an der Erteilung einer Konzession, in deren Licht die Höhe der Gebühren keinesfalls unangemessen ist."]). Für den auf einer Konzessionserteilung fußenden Spielbetrieb betrage sodann die laufende Konzessionsabgabe zwischen 16% und 40% pro Kalenderjahr (vgl. die §§ 17, 28 und 57 GSpG).

 

7.5. Von dieser systematischen Grundkonzeption ausgehend werde zunächst im GSpG selbst jeder Eingriff in das Recht zur Durchführung eines Glücksspiels – also in das Glücksspielmonopol gemäß § 3 GSpG –, der sich nicht auf eine zuvor erteilte behördliche Genehmigung stützen könne, nach § 52 GSpG einer verwaltungsbehördlichen Strafsanktion unterworfen. Wie sich aus dem darin enthaltenen Verweis auf § 2 GSpG ergebe, seien mit dieser behördlichen Strafkompetenz zugleich umfassende behördliche Sicherungsbefugnisse – bzw. aus der Sicht der über die Glücksspielautomaten Verfügungsberechtigten: umfassende Eingriffsbefugnisse der Behörde – verbunden, um – auch bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem die allfällige Strafbarkeit einer Handlung noch in keiner Weise feststehe – prophylaktisch weitere Verletzungen des Glückspielmonopols i.S.d. § 3 GSpG hintanhalten zu können, nämlich die Befugnis zur vorläufigen und dauerhaften Beschlagnahme von Glücksspielautomaten und sonstigen Eingriffsgegenständen (§ 53 Abs. 1 und 2 GSpG) sowie deren Einziehung und nachfolgende Vernichtung (§ 54 Abs. 1 und 3 GSpG) und schließlich die Befugnis zur Betriebsschließung (§ 56a GSpG).

 

Parallel dazu sehe § 168 des Strafgesetzbuches, BGBl.Nr. 60/1974 in der derzeit geltenden Fassung BGBl.Nr. I 61/2012 (im Folgenden: StGB), eine – auf die Sicherungsbefugnisse der Beschlagnahme und des Verfalls (vgl. die §§ 115 und 115a der Strafprozessordnung, BGBl.Nr. 631/1975, in der geltenden Fassung BGBl.Nr. I 61/2012) beschränkte – gerichtliche Strafbarkeit des verbotenen Glücksspiels vor.

 

Weil § 168 Abs. 1 StGB an den bloßen Umstand, dass "ein Spiel ..... verboten ist", anknüpft und aus § 52 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 2 Abs. 4 GSpG hervorgehe, dass Ausspielungen, für die keine Konzession erteilt wurde, jedenfalls verboten sind, resultiere auf Basis dieser Rechtslage für jede Person, die in einer gewissen "Nahebeziehung" zu Glücksspielautomaten steht, eine (grundsätzlich) doppelte, nämlich sowohl gerichtliche als auch verwaltungsbehördliche Strafbarkeit samt den entsprechenden (vorläufigen und dauerhaften) Sicherungsbefugnissen sowie den damit bereits verbundenen negativen Folgewirkungen (wie insbesondere Stigmatisierung und "Beweislastumkehr" i.S. einer Verpflichtung zur Führung eines Entlastungsbeweises [vgl.  § 5 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes]).

 

Nach dem weit gefassten Begriff des "Unternehmers" (§ 2 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 GSpG) seien hingegen alle Rechtsträger erfasst, die selbständig eine nachhaltige, allenfalls auch nicht auf Gewinn gerichtete Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausüben, indem sie entweder Glücksspiele veranstalten, organisieren, anbieten oder zugänglich machen. Auf Grund des Tatbestandsmerkmals des bloßen "Zugänglich-Machens" würden hierzu nicht nur diejenigen, die im Ausland, insbesondere in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (in erlaubter Weise) solche Glücksspiele durchführen, sofern (z.B. via Internet) eine Teilnahme daran von Österreich aus möglich ist (vgl. § 52 Abs. 3 GSpG), sondern mit Blick auf die ho. anhängigen Anlassfälle beispielsweise auch der – u.U. auch ausländische – Eigentümer, Verkäufer oder der Vermieter von Glücksspielautomaten zählen (vgl. z.B. die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes [im Folgenden: VwGH] vom 10. Mai 2010, Zl. 2009/17/0202, und vom 15. September 2011, Zl. 2011/17/0133, jeweils m.w.N.).

 

Die Bestimmung des § 52 Abs. 2 GSpG lege fest, dass eine allfällige ver-waltungsbehördliche Strafbarkeit nach dem GSpG dann hinter eine Strafbarkeit nach § 168 StGB zurücktritt, wenn der Einsatz pro Spiel mehr als 10 Euro be-trägt, weil es sich diesfalls nicht mehr um "geringe Beträge" i.S. der letztzitierten Bestimmung handle. Dies bedeute jedoch nicht, dass bei unterhalb dieser Betragsgrenze gelegenen Spieleinsätzen a priori keine gerichtlich strafbare Handlung vorliegen kann, weil der Tatbestand des § 168 StGB nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (im Folgenden: OGH) auch bei geringen Einsätzen dann erfüllt ist, wenn – wie gerade bei Glücksspielautomaten häufig – sog. "Serienspiele" vorliegen (vgl. z.B. OGH vom 3. Oktober 2002, 12 Os 49/02).

 

Im Ergebnis stelle sich die Rechtslage daher so dar, dass jede – weit gefasste – unternehmerische, jedoch konzessionslose Affinität zu Glücksspielautomaten eine nahezu lückenlose, nur mit subtilem verfahrensmäßigen Aufwand wechselseitig von einander abgrenzbare verwaltungsbehördliche und/oder gerichtlich strafbare Verantwortlichkeit nach sich zieht.

 

7.6. Nach Art. 56 AEUV seien Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs – worunter gemäß Art. 57 lit. a AEUV insbesondere auch gewerbliche Tätigkeiten fallen würden – innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, grundsätzlich verboten bzw. anders gewendet: nur insoweit zulässig, als solche Beschränkungen durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sowie geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten und dabei gleichzeitig nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (vgl. z.B. EuGH vom 10. März 2009, C 169/07 [Hartlauer]).

 

Mit Blick auf die Durchführung von Glücksspielen habe der EuGH in diesem Zusammenhang speziell in Bezug auf die österreichische Rechtslage insbesondere in den Rechtssachen "Engelmann" (vgl. EuGH vom 9. September 2010, C 64/08) sowie "Dickinger/Ömer" (vgl. EuGH vom 15. September 2011, C 347/09) bereits (u.a.) klargestellt, dass

 

* die Zulässigkeit entsprechender Beschränkungen davon abhänge, ob damit tatsächlich Ziele i.S.d. Art. 52 Abs. 1 AEUV (öffentliche Ordnung, Sicherheit, Gesundheit) oder i.S.d. der Rechtsprechung des EuGH (Verbraucherschutz, Betrugsvorbeugung, Vermeidung von Anreizen für überhöhte Spielausgaben, Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung) verfolgt werden sowie, ob diese Ziele entweder eine Rechtfertigung im Rahmen einer ausdrücklichen Ausnahmeregelung nach dem AEUV oder eines von der Rechtsprechung des EuGH anerkannten zwingenden Grundes des Allgemeininteresses darstellen sowie bejahendenfalls als verhältnismäßig er-scheinen;

 

* nicht die Art des Schutzsystems, sondern der Umstand, ob dieses tatsächlich dem Schutz der Spieler, der sonstigen Konsumenten und/oder der Sozialordnung oder sonstigen zwingenden Allgemeininteressen dient, entscheidend sei, weil den nationalen Behörden insoweit im Hinblick auf die jeweiligen sittlichen, religiösen und kulturellen Besonderheiten ein entsprechendes Ermessen zukomme, sodass Staaten, die ein besonders hohes Schutzniveau gewährleisten wollen, daher auch ein Monopolsystem wählen könnten;

 

* solche Systeme aber in jedem Fall den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügen müssten, wobei ausschließlich das nationale Gericht zu prüfen habe, welche Ziele mit der jeweiligen Regelung tatsächlich verfolgt werden; das Gericht habe daher festzustellen, ob im präjudiziellen Zeitraum tatsächlich die Kriminalitätsbekämpfung und der Spielerschutz oder nicht etwa bloß eine Erhöhung der Staatseinnahmen das wirkliche Ziel waren, wobei dies der Staat entsprechend nachzuweisen habe und eine bloße Maximierung der Staatseinnahmen ein Monopolsystem jedenfalls nicht zu rechtfertigen vermöge; dem gegenüber habe sich das Gericht zu vergewissern, ob die staatlichen Kontrollen über die Tätigkeit des Monopolisten ge-währleisten könnten, dass dieser tatsächlich dazu in der Lage sein wird, die Ziele der Kriminalitätsbekämpfung und des Spielerschutzes mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieser Ziele quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen;

 

* in diesem Zusammenhang auch die Geschäftspolitik des Monopolisten von Bedeutung sei, wobei insoweit eine Ausweitung der Geschäftstätigkeit und eine wesentliche Steigerung der Einnahmen – da ein Schutz vor Spielsucht grundsätzlich nur schwer mit einer Expansion von Glücksspielen vereinbar ist – besondere Aufmerksamkeit erfordern würde, weil nur eine kontrollierte Expansion mit maßvoller, eng auf die Zielerreichung begrenzter, nicht zu aktiver Spielteilnahme anregender oder in Verbindung mit karitativen Zwecken ein positives Image kreierender Werbung – vornehmlich deshalb, um das Glücksspiel und die Spielsucht in legale Bahnen zu lenken – als tolerabel erscheine, während eine Förderung gemeinnütziger Einrichtungen nicht das Hauptziel, sondern stets nur eine nützliche Nebenfolge sein könne; das Gericht habe daher – erstens – zu prüfen, ob Kriminalität und/oder Spielsucht im Entscheidungszeitraum ein erhebliches Problem darstellten und – zweitens – diesen insbesondere durch eine Expansion von zugelassenen Spieltätigkeiten hätte abgeholfen werden können;

 

* eine Begrenzung der Anzahl von Konzessionen zwar ein Hemmnis für die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit darstelle, jedoch grundsätzlich dazu geeignet sei, ein Ziel des Allgemeininteresses zu erreichen, indem sie die Hindernisse für die Teilnahme an Glücksspielen verstärke;

 

* auch die Begrenzung der Laufzeit einer Konzession auf 15 Jahre dadurch gerechtfertigt zu sein scheine, dass der Konzessionär ausreichend Zeit benötige, um seine Gründungskosten amortisieren zu können; sowie,

 

* dass nationale Regelungen, die eine bestimmte Wirtschaftstätigkeit unter Strafe stellen, gegen die Grundfreiheiten des Unionsrechts nicht verstoßen dürften.

 

7.7. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des EuGH sowie angesichts des Umstandes, dass es keineswegs ausgeschlossen erscheine, dass auch Angehörige anderer Mitgliedstaaten, die dort oder im Bundesgebiet ohne Konzession der österreichischen Behörden mittels Glücksspielautomaten entsprechende, nach § 52 Abs. 1 und 3 GSpG und/oder § 168 StGB verbotene Ausspielungen durchführen, (vielfach auch ohne deren Wissen) von der zuvor dargestellten nationalen Regelung betroffen sind, erhebe sich damit in den beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich anhängigen Ausgangsfällen die Frage, ob die dem österreichischen Glücksspielgesetz zu Grunde liegende Systematik der lückenlos strafsanktionierten (Quasi‑)Monopolregelung generell bzw. hinsichtlich ihrer konkreten Ausgestaltung mit den Grundsätzen des Unionsrechts vereinbar ist.

 

Davon ausgehend, dass die Behörden bislang in keinem der ho. anhängigen Fälle i.S.d. Urteils des EuGH vom 15. September 2011, C-347/09, auch nur ansatzweise versucht hätten, nachzuweisen, dass die Kriminalität und/oder die Spielsucht im präjudiziellen Zeitraum tatsächlich ein erhebliches Problem darstellte(n) und bejahendenfalls, dass diesem insbesondere nur durch ein Monopolsystem mit kontrollierter Expansion von zugelassenen Spieltätigkeiten hätte abgeholfen werden können, sowie, dass tatsächlich die Kriminalitätsbekämpfung und der Spielerschutz – und nicht etwa bloß eine Maximierung oder massive Erhöhung der Staatseinnahmen – das wahre Ziel der Monopolregelung bilden würden und dass sich die Geschäftspolitik der Monopolisten ohnehin bloß auf eine kontrollierte Expansion mit einer maßvollen, eng auf die Zielerreichung begrenzten, nicht zu aktiver Spielteilnahme anregender oder in Verbindung mit karitativen Zwecken ein positives Image kreierender Werbung beschränkt habe – was insbesondere schon angesichts der aus den Gesetzesmaterialien resultierenden fiskalpolitischen Intentionen und des gerichtsbekannten "enormen" und "aggressiven Werbeaufwandes" (vgl. z.B. das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 23. April 2012, 1 Cg 190/11 y-14, S. 3 und 8) geboten gewesen wäre – scheine sich zunächst zu ergeben, dass die im GSpG konkret normierte Ausgestaltung des Glücksspielmonopols des Bundes schon dem Grunde nach nicht mit der in den Art. 56 ff AEUV garantierten Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist.

 

Diese in Art. 62 i.V.m. Art. 52 Abs. 1 AEUV wurzelnde Problematik resultiere in gleicher Weise auch vor dem Hintergrund der in den Art. 15 und 16 EGRC garantierten Berufsfreiheit und unternehmerischen Freiheit der Unionsbürger.

 

Selbst wenn aber eine solche Beschränkung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses grundsätzlich gerechtfertigt wäre, scheine jedoch jedenfalls ein einsichtiger Grund dafür zu fehlen, dass das beabsichtigte besonders hohe Verbraucherschutzniveau nur im Wege einer solcherart restriktiven Regelung, die lediglich 1 Lotterie-Konzession und 1 Pokersalon-Konzession – bei gleichzeitiger Ausweitung der Spielbankkonzessionen (15) und der Konzessionen für das "Kleine Glücksspiel" mit Spielautomaten (27) und damit verbundener Erhöhung der Staatseinnahmen – zulässt und somit letztlich ein (Oligo- bzw. Quasi-)Monopol institutionalisiert, und nicht auch durch weniger einschneidende Maßnahmen in gleicher Weise effektiv und kohärent erreicht werden kann. Die konkret getroffene Regelung erscheine daher in ihrer Zusammenschau nicht geeignet, die in der Rechtsprechung des EuGH geforderte Gesamtkohärenz (vgl. z.B. EuGH vom 8. September 2010, C-46/08, RN 69 u. 71 [Carmen Media Group]) auch tatsächlich zu gewährleisten, und somit im Ergebnis als überschießend und damit als in-adäquat.

 

Sollte sich die Monopolregelung des GSpG dennoch als sowohl mit den Art. 52 und 56 AEUV als auch mit den Art. 15 und 16 EGRC vereinbar erweisen, ergäben sich jedoch weiters Bedenken dahin, ob sich die damit gleichzeitig verbundene, im Ergebnis personell umfassende und zugleich systematisch nahezu lückenlose strafrechtliche Sanktionierung nicht bloß eines unmittelbaren, sondern – noch dazu im Wege höchst unbestimmter Gesetzesbegriffe – auch weitreichender Formen bloß beitragstäterischen Zuwiderhandelns (vgl. § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG i.V.m. § 2 Abs. 2 und 4 GSpG [selbständige und nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen durch Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisches Zugänglich-Machen von Ausspielungen]) unter dem Aspekt der Erreichung der damit verfolgten Ziele – insbesondere im Lichte des Kohärenzgedankens – als geeignet und verhältnismäßig erweist.

 

Wäre selbst dies noch zu bejahen, so stelle sich schließlich noch die Frage, ob der Umstand, dass die Abgrenzung zwischen dem gerichtlich strafbaren Tatbestand des § 168 StGB und dem verwaltungsbehördlich strafbaren Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG nicht unmittelbar im Gesetz selbst erfolgt, sondern einer kasuistischen und zudem für einen Durchschnittsbürger ex ante nur schwer vorhersehbaren höchstgerichtlichen Rechtsprechung überlassen wird, der jeweils ein subtil-aufwändiges und damit regelmäßig auch lang dauerndes Ermittlungsverfahren vorauszugehen hat, sowohl mit den demokratischen und rechtsstaatlichen Anforderungen, wie sie dem Art. 16 EGRC offensichtlich zu Grunde liegen, als auch mit dem Fairness- und Effektivitätsgebot des Art. 47 EGRC und dem unionsrechtlichen Transparenzgebot des Art. 49 AEUV (vgl. dazu z.B. EuGH vom 9. September 2010, C 4/08 [Engelmann], RN 49) vereinbar ist. Hinzu komme, dass damit jeweils (unterschiedlich) eingriffsintensive Sofort- und Präventivmaßnahmen in das Eigentumsrecht i.S.d. Art. 17 EGRC verbunden sind, die bis zu einer Betriebsschließung reichen können, obwohl zu diesem Zeitpunkt regelmäßig noch gar nicht geklärt ist, ob überhaupt ein verwaltungsbehördlich strafbarer Tatbestand vorliegt (im gerichtlichen Strafverfahren ist eine derartige Maßnahme nicht vorgesehen), und zum anderen auch Bedenken im Hinblick auf das Doppelbestrafungs- und -verfolgungsverbot des Art. 50 EGRC bestehen: Denn die Frage, ob im konkreten Fall der Einsatz zwar unter 10 Euro pro Spiel betragen, aber dennoch ein "Serienspiel" vorgelegen sei, lasse sich in der Regel erst nach der Durchführung eines entsprechenden Strafverfahrens klären, wobei der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) zur Parallelbestimmung des Art. 4 des 7. ZPMRK im Fall "Zolotukhin" (vgl. EGMR vom 10. Februar 2009, 14939/03) klargestellt habe, dass insoweit nun nicht mehr auf die rechtliche Qualifikation oder auf die "essential elements" der Strafdrohung, sondern ausschließlich auf die Identität der Tathandlung ("substantial facts") abzustellen ist. 

 

7.8. Weil diese Problemfelder bislang – soweit ersichtlich – inhaltlich noch nicht geklärt worden seien und prozessuale Hindernisse (insbesondere im Hinblick auf die RN 34 bis 41 des EuGH-Urteils vom 1. Juni 2010, C 570/07) aus h. Sicht nicht entgegen stehen dürften, erlaube sich daher der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, im Wege seines nach der Geschäftsverteilung hierfür zuständigen Mitgliedes dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

 

1. Steht das in Art. 56 AEUV und in den Art. 15 bis 17 EGRC zum Aus-druck kommende Verhältnismäßigkeitsprinzip einer nationalen Regelung wie den in den Ausgangsverfahren maßgeblichen Bestimmungen der §§ 3 bis 5 sowie §§ 14 und 21 GSpG, die die Durchführung von Glücksspielen mittels Automaten nur unter der – sowohl strafsanktionierten als auch unmittelbar sacheingriffsbedrohten – Voraussetzung der Erteilung einer vorangehenden, jedoch nur in begrenzter Anzahl verfügbaren Erlaubnis ermöglicht, obwohl bislang – soweit ersichtlich – von staatlicher Seite in keinem einzigen gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren nachgewiesen wurde, dass eine damit verbundene Kriminalität und/oder Spielsucht tatsächlich ein erhebliches Problem, dem nicht durch eine kontrollierte Expansion von zugelassenen Spieltätigkeiten auf viele Einzelanbieter, sondern nur durch eine kontrollierte, mit bloß maßvoller Werbung verbundene Expansion eines Monopolisten (bzw. sehr weniger Oligopolisten) abgeholfen werden kann, darstellen, entgegen?

 

2. Für den Fall, dass diese erste Frage zu verneinen ist: Steht das in Art. 56 AEUV und in den Art. 15 bis 17 EGRC zum Ausdruck kommende Verhältnismäßigkeitsprinzip einer nationalen Regelung wie den §§ 52 bis 54 GSpG, § 56a GSpG und § 168 StGB, durch die im Wege unbestimmter Gesetzesbegriffe im Ergebnis eine nahezu lückenlose Strafbarkeit auch vielfältiger Formen von nur sehr entfernt beteiligten (u.U. in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässigen) Personen (wie bloßen Vertreibern, Verpächtern oder Vermietern von Glücksspielautomaten) eintritt, entgegen?

 

3. Für den Fall, dass auch die zweite Frage zu verneinen ist: Stehen die demokratisch-rechtsstaatlichen Anforderungen, wie diese offenkundig dem Art. 16 EGRC zu Grunde liegen, und/oder das Fairness- und Effizienzgebot des Art. 47 EGRC und/oder das Transparenzgebot des Art. 56 AEUV und/oder das Doppelverfolgungs- und  bestrafungsverbot des Art. 50 EGRC einer nationalen Regelung wie den §§ 52 bis 54 GSpG, § 56a GSpG und § 168 StGB, deren wechselseitige Abgrenzung mangels eindeutiger gesetzlicher Regelung für einen Bürger ex ante kaum vorhersehbar und berechenbar, sondern im konkreten Einzelfall jeweils erst im Wege eines aufwändigen förmlichen Verfahrens klärbar ist, an die sich jedoch weitreichende Unterschiede hinsichtlich der Zuständigkeiten (Verwaltungsbehörde oder Gericht), der Eingriffsbefugnisse, der damit jeweils verbundenen Stigmatisierung und der prozessualen Stellung (z.B. Beweislastumkehr) knüpfen, entgegen?

 

4. Für den Fall, dass eine dieser drei ersten Fragen zu bejahen ist: Steht Art. 56 AEUV und/oder Art. 15 bis 17 EGRC und/oder Art. 50 EGRC einer Bestrafung von Personen, die in einer der in § 2 Abs. 1 Z. 1 und § 2 Abs. 2 GSpG genannten Nahebeziehung zu einem Glücksspielautomaten steht, und/oder einer Beschlagnahme bzw. Einziehung dieser Geräte und/oder einer Schließung des gesamten Unternehmens solcher Personen entgegen?

 

8. Mit Urteil vom 30. April 2014, C-390/12, hat der EuGH ausgesprochen, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, sofern diese Regelung nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und nicht tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen.

 

Begründend wurde dazu u.a. ausgeführt (vgl. die RN 39 bis 64), dass eine Regelung eines Mitgliedstaats wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende, die den Betrieb von Glücksspielautomaten ohne vorab erteilte behördliche Erlaubnis verbietet, eine Beschränkung des durch Art. 56 AEUV garantierten freien Dienstleistungsverkehrs darstellt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Placanica u. a., C 338/04, C 359/04 und C 360/04, EU:C:2007:133, RN 42).

 

Daher ist zu prüfen, ob eine solche Beschränkung im Rahmen der Ausnahmeregelungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die in den nach Art. 62 AEUV auch auf dem Gebiet des freien Dienstleistungsverkehrs anwendbaren Art. 51 AEUV und 52 AEUV ausdrücklich vorgesehen sind, zulässig oder gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (Urteil Garkalns, C 470/11, EU:C:2012:505, RN 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs können Beschränkungen der Glücksspieltätigkeiten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein (vgl. in diesem Sinne Urteil Carmen Media Group, EU:C:2010:505, RN 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

Im vorliegenden Fall gehören die angeführten Ziele der in den Ausgangsverfahren fraglichen österreichischen Regelung, d.h. die Spieler zu schützen, indem das Angebot von Glücksspielen begrenzt wird, und Straftaten im Zusammenhang mit Glücksspielen zu bekämpfen, indem diese im Rahmen einer kontrollierten Expansion reguliert werden, zu den Zielen, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Beschränkungen von Grundfreiheiten auf dem Gebiet des Glücksspiels rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteil Costa und Cifone, C 72/10 und C 77/10, EU:C:2012:80, RN 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

Weiters ist darauf hinzuweisen, dass die von den Mitgliedstaaten auferlegten Beschränkungen die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs insoweit aufgestellten Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung erfüllen müssen. Danach ist eine nationale Regelung nur dann geeignet, die Erreichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C 42/07, EU:C:2009:519, RN 59 bis 61 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der bloße Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, kann keinen Einfluss auf die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben. Diese sind allein im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und auf das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen (Urteil HIT und HIT LARIX, C 176/11, EU:C:2012:454, RN 25 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im besonderen Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen verfügen die staatlichen Stellen nämlich über ein ausreichendes Ermessen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben. Soweit die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Voraussetzungen im Übrigen beachtet werden, ist es Sache jedes Mitgliedstaats, zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten in Bezug auf Spiele und Wetten vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteile Stoß u. a., C 316/07, C 358/07 bis C 360/07, C 409/07 und C 410/07, EU:C:2010:504, RN 76, sowie Carmen Media Group, EU:C:2010:505, RN 46). Außerdem steht fest, dass im Gegensatz zur Einführung eines freien und unverfälschten Wettbewerbs auf einem traditionellen Markt die Betreibung eines derartigen Wettbewerbs auf dem sehr spezifischen Markt für Glücksspiele, d. h. zwischen mehreren Veranstaltern, die die gleichen Glücksspiele betreiben dürfen, insofern nachteilige Folgen haben könnte, als diese Veranstalter versucht wären, einander an Einfallsreichtum zu übertreffen, um ihr Angebot attraktiver als das ihrer Wettbewerber zu machen, so dass für die Verbraucher die mit dem Spiel verbundenen Ausgaben und die Gefahr der Spielsucht erhöht würden (Urteil Stanleybet International u. a., C 186/11 und C 209/11, EU:C:2013:33, RN 45).

 

Für die Feststellung, welche Ziele mit der nationalen Regelung tatsächlich verfolgt werden, ist jedoch im Rahmen einer Rechtssache, mit der der Gerichtshof nach Art. 267 AEUV befasst worden ist, das vorlegende Gericht zuständig (vgl. in diesem Sinne Urteil Dickinger und Ömer, EU:C:2011:582, RN 51). Außerdem hat das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung der Hinweise des Gerichtshofs zu prüfen, ob die durch den betreffenden Mitgliedstaat auferlegten Beschränkungen den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. Urteil Dickinger und Ömer, EU:C:2011:582, Rn. 50). Insbesondere muss es sich – vor allem im Licht der konkreten Anwendungsmodalitäten der betreffenden restriktiven Regelung – vergewissern, dass sie tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern, die Tätigkeiten in diesem Bereich zu begrenzen und die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen (vgl. Urteil Dickinger und Ömer, EU:C:2011:582, Rn. 50 und 56).

Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass es dem Mitgliedstaat, der sich auf ein Ziel berufen möchte, mit dem sich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen lässt, obliegt, dem Gericht, das über diese Frage zu entscheiden hat, alle Umstände darzulegen, anhand deren dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt (vgl. Urteil Dickinger und Ömer, EU:C:2011:582, RN 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). Jedoch lässt sich aus dieser Rechtsprechung nicht ableiten, dass einem Mitgliedstaat nur deshalb die Möglichkeit genommen wäre, zu belegen, dass eine innerstaatliche restriktive Maßnahme diesen Anforderungen genügt, weil er keine Untersuchungen vorlegen kann, die dem Erlass der fraglichen Regelung zugrunde lagen (vgl. in diesem Sinne Urteil Stoß u. a., EU:C:2010:504, RN 72). Folglich muss das nationale Gericht eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen, unter denen eine restriktive Regelung, wie sie in den Ausgangsverfahren in Rede steht, erlassen worden ist und durchgeführt wird.

 

Im vorliegenden Fall haben die nationalen Behörden nach Ansicht des vorlegenden Gerichts nicht nachgewiesen, dass die Kriminalität und/oder die Spielsucht im präjudiziellen Zeitraum tatsächlich ein erhebliches Problem darstellten. Das vorlegende Gericht scheint ferner anzunehmen, dass das wahre Ziel der fraglichen restriktiven Regelung nicht in der Kriminalitätsbekämpfung und dem Spielerschutz liegt, sondern in einer bloßen Maximierung der Staatseinnahmen, obwohl der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass das Ziel, die Einnahmen der Staatskasse zu maximieren, für sich allein eine solche Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nicht rechtfertigen kann (vgl. Urteil Dickinger und Ömer, EU:C:2011:582, RN 55). Diese Regelung erscheine, so das Gericht, jedenfalls unverhältnismäßig, da sie nicht geeignet sei, die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs geforderte Kohärenz zu garantieren, und über das hinausgehe, was zur Erreichung der angeführten Ziele erforderlich sei. Sollte das vorlegende Gericht bei dieser Auffassung bleiben, müsste es zu dem Ergebnis kommen, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

 

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, sofern diese Regelung nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und nicht tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen.

 

Eine im Hinblick auf Art. 56 AEUV restriktive nationale Regelung wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende kann auch die Berufsfreiheit, die unternehmerische Freiheit und das Eigentumsrecht, wie sie in den Art. 15 bis 17 der Charta niedergelegt sind, einschränken. Nach Art. 52 Abs. 1 der Charta muss eine solche Einschränkung, damit sie zulässig ist, gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Freiheiten und Rechte achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit darf sie außerdem nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich ist und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entspricht. Wie die Generalanwältin in den Nrn. 63 bis 70 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren eine nicht gerechtfertigte oder im Hinblick auf den in Art. 56 AEUV verankerten freien Dienstleistungsverkehr unverhältnismäßige Einschränkung auch nicht nach Art. 52 Abs. 1 der Charta in Bezug auf deren Art. 15 bis 17 zulässig. Folglich erfasst im vorliegenden Fall eine Prüfung der Einschränkung, die die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung in Bezug auf Art. 56 AEUV darstellt, auch mögliche Einschränkungen der Ausübung der in den Art. 15 bis 17 der Charta vorgesehenen Rechte und Freiheiten, so dass es keiner getrennten Prüfung in dieser Hinsicht bedarf.

 

Die zweite und die dritte Frage sind dem Gerichtshof nur für den Fall vorgelegt worden, dass die erste Frage verneint wird. Unter Berücksichtigung der Antwort auf die erste Frage brauchen die zweite und die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.

 

Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 56 AEUV sowie 15 bis 17 und 50 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie Sanktionen wie denen entgegenstehen, die in der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung vorgesehen sind und zu denen die Einziehung und Vernichtung der Glücksspielautomaten sowie die Schließung des Betriebs gehören, in dem diese Automaten öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Im Kontext der Ausgangsverfahren ist jedoch festzustellen, dass der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine Regelung im Glücksspielbereich nicht zu Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung mit Art. 56 AEUV nicht vereinbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteile Placanica u. a., EU:C:2007:133, RN 63 und 69, sowie Dickinger und Ömer, EU:C:2011:582, RN 43).

 

9.1. Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 8 zweiter Satz B-VG ist die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 u.a. bei den Unabhängigen Verwaltungssenaten anhängig gewesenen Verfahren auf die Verwaltungsgerichte übergegangen.

 

Da im vorliegenden Zusammenhang keine Sonderregelungen i.S.d. Art. 131 Abs. 2 bis 4 B-VG zum Tragen kommen, hatte daher das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich gemäß der Generalklausel des Art. 131 Abs. 1 B-VG das gegenständlich anhängige Beschwerdeverfahren fortzuführen.

 

9.2. Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich  unter Berücksichtigung der vom EuGH in seinem Urteil vom 30. April 2014, C 390/12, geäußerten Rechtsansicht mit Erkenntnis vom 9. Mai 2014, Zl. LVwG-410286/4/Gf/Rt, der Beschwerde der Rechtsmittelwerberin stattgegeben und den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 31. Mai 2012, Zl. Pol96-142-2010, aufgehoben.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass bislang weder die im gegenständlichen Verfahren belangte Behörde noch eine andere staatliche Institution den Versuch unternommen habe, in einer in einem rechtsstaatlichen Verfahren verwertbaren Form (d.h. vornehmlich im Wege eines Sachverständigengutachtens) zu belegen, dass die Kriminalität – worunter nicht bloß Verstöße gegen ordnungspolitische und/oder Monopolsicherungsvorschriften, sondern vielmehr erhebliche Eingriffe in die Rechtssphäre anderer Personen, insbesondere der Spieler und deren Angehörigen, zu verstehen sind (vgl. z.B. EuGH vom 31. März 2011, C 347/09, RN 84, m.w.N.) – und/oder die Spielsucht im präjudiziellen Zeitraum tatsächlich ein erhebliches Problem darstellte(n) und bejahendenfalls, dass diesem insbesondere nur durch ein Monopolsystem mit kontrollierter Expansion von zugelassenen Spieltätigkeiten hätte abgeholfen werden können, sowie, dass tatsächlich die Kriminalitätsbekämpfung und der Spielerschutz – und nicht etwa bloß eine Maximierung oder massive Erhöhung der Staatseinnahmen – das wahre Ziel der Monopolregelung bilden würde(n).

 

Mit dem nunmehrigen Urteil vom 30. April 2014, C 390/12, habe der EuGH seine diesbezügliche bisherige Judikatur bekräftigt, wenn dort in RN 50 ausdrücklich statuiert wird, „dass es dem Mitgliedstaat ..... obliegt, dem Gericht ..... alle Umstände darzulegen, anhand deren dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt“. In diesem Zusammenhang habe auch bereits die Generalanwältin in ihrem Schlussantrag (vom 14. November 2013, Nr. 58, unter Verweis auf das EuGH-Urteil vom 8. September 2010, C 316/07, RN 71) dezidiert festgestellt, dass „die Beweislast dafür, dass die Beschränkung verhältnismäßig ist, die österreichischen Behörden tragen“.

 

Implizit sei damit zugleich die von der Österreichischen Bundesregierung in ihrer im Zuge dieses Vorabentscheidungsverfahrens erstatteten Stellungnahme (vom 11. Dezember 2012, Zl. BKA-VA.C-390/12/0002-V/7/2012, Nr. 41 [S. 14]) geäußerte gegenteilige Rechtsauffassung, wonach „der nationale Richter das Vorliegen der Umstände, an Hand derer die Verhältnismäßigkeit beurteilt werden kann, ..... von Amts wegen“ zu erforschen hätte, verworfen.

 

Ganz abgesehen davon, dass die Geltung eines Amtswegigkeitsprinzips – wie dieses in § 39 Abs. 2 AVG für das behördliche Verfahren vorgesehen (und durch § 17 VwGVG bzw. § 38 VwGVG für das Verfahren der Verwaltungsgerichte zumindest nicht explizit ausgeschlossen) ist – in einem (nunmehr) gerichtlichen Strafverfahren schon generell gravierende verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf (Art. 90 Abs. 2 B-VG sowie auf) Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 EGRC hervorruft, sei damit aber für den spezifischen Bereich der Regelung des Glücksspielmonopols nunmehr letztinstanzlich und unmissverständlich klargestellt, dass dieses jedenfalls insoweit nicht zum Tragen komme.

 

Wenn die Österreichische Bundesregierung in ihrer vorzitierten Stellungnahme vom 11. Dezember 2012 weiters darauf hingewiesen habe, dass „nach Ansicht namhafter Experten dem Spiel mit Glücksspielautomaten ein hohes Suchtpotenzial zu Grunde liegt und insbesondere das Automatenglücksspiel als Gefahr für die Ausbreitung von Spielsucht angesehen wurde“ (vgl. Nr. 32 [S. 11]), so sei ihr darin zwar wohl tendenziell zuzustimmen.

 

Im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens, insbesondere eines gerichtlichen Strafverfahrens, gehe es allerdings stets um die Erbringung von objektiv verifizierbaren Nachweisen für derartige Behauptungen, die regelmäßig in Form eines entsprechenden Sachverständigengutachtens zu erfolgen hätten. Ein bloßer Verweis auf kommentierte Gesetzesausgaben, wissenschaftliche Aufsätze, etc. könne hierfür hingegen regelmäßig schon deshalb nicht ausreichen, weil bei derartigen Publikationen nicht vorbehaltlos angenommen werden könne, dass sie ausschließlich der Objektivität verpflichtet sind und nicht auch in mehr oder weniger großem Ausmaß die persönliche Meinung der Autoren widerspiegeln – dies ganz abgesehen davon, dass sich für die von einem bestimmten Autor bzw. von einer spezifischen Autorengruppe vertretene Ansicht nicht selten auch andere Publikationen finden lassen, die in weiten Bereichen oder sogar zu einem gänzlich diametralen Ergebnis kommen.

 

Schließlich spreche auch die jüngst erfolgte Novellierung des GSpG durch BGBl.Nr. I 13/2014 deutlich gegen die Annahme, dass das illegale Glücksspiel ein maßgebliches Kriminalitätsproblem darstellt:

 

Angesichts dessen, dass § 52 Abs. 2 GSpG in seiner zuvor maßgeblichen Fassung festlegte, dass bei einem Einsatz von mehr als 10 Euro pro Spiel ex lege von einer nicht bloß behördlich, sondern vielmehr von einer gerichtlich strafbaren Handlung nach § 168 StGB auszugehen war, ordne nämlich § 52 Abs. 3 GSpG in seiner nunmehr geltenden Fassung an, dass ein Beschuldigter dann, wenn er durch seine Tat sowohl den Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 52 GSpG als auch den Tatbestand des § 168 StGB verwirklicht hat, nur nach den Verwaltungsstrafbestimmungen des § 52 GSpG zu bestrafen ist.

 

Im Ergebnis werde damit aber objektiv besehen eine vergleichsweise ganz essentielle Einschränkung des rechtspolitischen Unwerturteils zum Ausdruck gebracht, knüpfen sich doch an eine bloß behördliche Bestrafung wesentlich geringfügigere Folgen als an eine strafgerichtliche Verurteilung. Eine derartige gesetzgeberische Maßnahme wäre schon unter dem Aspekt des Sachlichkeitsgebotes des Gleichheitsgrundsatzes freilich nicht vertretbar, wenn die Kriminalität und/oder die Spielsucht im präjudiziellen Zeitraum tatsächlich ein erhebliches Problem darstellt bzw. dargestellt hätte.

 

Dass dies objektiv nicht zugetroffen habe, werde im Übrigen auch aus den Gesetzesmaterialien, in denen die geringe Zahl strafgerichtlicher Verurteilungen (insgesamt nur 13 in zwei Jahren) sogar ausdrücklich hervorgehoben wird, deutlich, wenngleich mit den dort – in zumindest fahrlässig irreführender Weise – verwendeten Begriffen „Kriminalität“ und „Verurteilungen“ die gerichtliche einerseits und die behördliche Strafbarkeit andererseits in unzulässiger Weise gleichgesetzt würden. Vielmehr resultiere insgesamt und objektiv besehen zweifelsfrei, dass die Novelle BGBl.Nr. I 14/2013 ausschließlich den Zweck einer verfahrensrechtlichen Effizienzsteigerung zur Sicherung des bestehenden Monopolsystems verfolgt habe, wenn es in den E zur RV (vgl. 24 BlgNR, 25. GP, S. 22) u.a. heißt: „Die Erfahrungen aus dem bisherigen Vollzug der zuständigen Verwaltungsbehörden zeigen die Wirksamkeit und Effektivität des gewählten Modells. In den Jahren 2010 bis 2012 kam es erstinstanzlich zu 638 Verurteilungen, 1.195 Beschlagnahmen und 164 Einziehungen, die rechtskräftig in zweiter Instanz zu 478 Verurteilungen, 1.125 Beschlagnahmen und 58 Einziehungen führten. Im Jahr 2012 gab es demgegenüber nur zwei gerichtliche Verurteilungen nach § 168 StGB, in beiden Fällen wurde jeweils eine Geldstrafe verhängt, im Jahr 2011 gab es elf gerichtliche Verurteilungen nach § 168, die zu insgesamt sieben Geldstrafen, jeweils einer bedingten und teilbedingten Freiheitsstrafe sowie zu zwei anderen Sanktionen führten (Statistik Austria, Gerichtliche Kriminalstatistik 2011 und 2012). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Umkehr der bisherigen Subsidiaritätsregel zu keiner ‚Entkriminalisierung‘ führt.“.

 

Als Zwischenergebnis lasse sich daher festhalten, dass ein verifizierbarer Nachweis dafür, dass die Kriminalität (in jener vom EuGH verstandenen Bedeutung) und/oder die Spielsucht im präjudiziellen Zeitraum tatsächlich ein erhebliches Problem darstell(t)e(n), objektiv besehen – und entgegen den vom EuGH in seinen Urteilen vom 9. September 2010, C 64/08, und vom 15. September 2011, C 347/09, aufgestellten Kriterien – nicht vorliegt.

 

Fehle es aber schon an dieser Voraussetzung, so entfalle damit auch die Möglichkeit der nach dieser höchstgerichtlichen Judikatur erforderlichen Klärung der Frage, ob diesem Problem insbesondere nur durch ein Monopolsystem mit kontrollierter Expansion von zugelassenen Spieltätigkeiten hätte abgeholfen werden können.

 

Zudem ergebe sich aus den einschlägigen Gesetzesmaterialien, dass eine Einnahmenmaximierung zugunsten der öffentlichen Haushalte – wenn nicht das ausschließliche, so doch – ein Hauptziel (und nicht, wie die Österreichische Bundesregierung in ihrer Stellungnahme vom 11. Dezember 2012, Zl. BKA-VA.C-390/12/0002-V/7/2012, Nr. 32 [S. 11], ausführte, „bloß eine erfreuliche Nebenwirkung“) der GSpG-Novelle BGBl.Nr. I 73/2010 gewesen sei:

 

Wie bereits zuvor dargestellt, habe nämlich die Motivation des Gesetzgebers objektiv besehen zweifelsfrei – jedenfalls auch – darin gelegen, im Wege der gleichzeitigen Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes 2008 die Staatseinnahmen zu erhöhen (vgl. 657 BlgNR, 24. GP, insbes. S. 1 ["Beim Automatenglücksspiel sollen noch stärker Jugendschutz und Spielerschutz im Vordergrund stehen. Automatensalons sowie Automaten in Einzelaufstellung sollen unter strengen Spielerschutzbestimmungen und Aufsichtsregeln in Landeskompetenz bleiben. Sie werden mit einer geteilten Abgabe belegt. ..... Die Automaten und Video Lotterie Terminals (VLT's) werden einer geteilten Abgabe unterworfen und die bisherigen Erlaubnisländer erhalten gesetzlich garantierte Mindesteinnahmen. ..... Es wird ..... davon ausgegangen, dass das Aufkommen inkl. Zuschlag der Länder ..... über 150 Mio. Euro p.a. liegen wird und somit die Mindereinnahmen ..... überkompensiert werden."], S. 3 ff ["Die bisherigen 'Erlaubnisländer' erhalten zusätzlich eine Finanzzuweisung des Bundes, wenn ihre Einnahmen aus dem Zuschlag bestimmte Garantiebeträge, die aus den bisherigen Einnahmen aus Vergnügungssteuern abgeleitet wurden, nicht erreichen."] und S. 11 f ["Die bisherigen Erlaubnisländer Niederösterreich, Steiermark und Kärnten erhalten eine Bedarfszuweisung des Bundes, wenn ihre Einnahmen aus dem landesgesetzlich geregelten Zuschlag der Länder bestimmte Jahresbeträge, die aus den erwarteten Einnahmen aus der bisherigen Vergnügungssteuer abgeleitet werden, nicht erreichen. Damit werden die Länder auch dagegen abgesichert, dass die Einnahmen nicht den Erwartungen entsprechen. ..... Die Garantiebeträge werden aliquot gekürzt, wenn in einem Land das Höchstausmaß des Zuschlags nicht ausgeschöpft wird, wenn die höchstzulässige Anzahl von Glücksspielautomaten nicht oder nicht ganzjährig erreicht wird, wenn Glücksspielautomaten nicht ganzjährig betrieben werden, oder wenn in den Bewilligungen die Bedingungen für den Spielverlauf unter den Grenzen des § 5 Abs. 5 GSpG bleiben. Bei dieser aliquoten Kürzung wird daher darauf Bedacht genommen, in welchem Umfang, aber auch wie lange in einem Land die bestehenden Möglichkeiten nicht ausgenützt werden."] und 981 BlgNR, 24. GP, insbes. S. 148 ["Die Höhe der Gebühren in Zusammenhang mit der Antragstellung und der Konzessionserteilung ergeben sich aus der Notwendigkeit zur Durchführung aufwändiger Konzessionierungsverfahren. ..... Zudem besteht auf Grund der Ertragskraft der glücksspielrechtlichen Konzessionen ein hohes Interesse der Konzessionswerber an der Erteilung einer Konzession, in deren Licht die Höhe der Gebühren keinesfalls unangemessen ist."]).

 

Auf Grund der gegenwärtig dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich vorliegenden Faktenlage resultiere sohin als Ergebnis, dass das im GSpG verankerte Monopolsystem nur vordergründig das Ziel des Spielerschutzes und nicht wirklich das Ziel der Kriminalitätsbekämpfung, sondern in erster Linie vielmehr das Ziel einer Maximierung der Staatseinnahmen verfolge, sodass vor diesem Hintergrund die derzeit bestehende Monopolregelung in Verbindung mit dem unter einem zu dessen Effektuierung institutionalisierten strikten Sanktionensystem (das durch weitreichende Straftatbestände, durch hohe Strafdrohungen und durch unmittelbare Eingriffsbefugnisse – wie [auch vorläufige] Beschlagnahme, Einziehung und Betriebsschließung – gekennzeichnet ist) insgesamt besehen unverhältnismäßig sei.

 

Entsprechend den vom EuGH in seinem Urteil vom 30. April 2014, C 390/12, getroffenen Feststellungen (vgl. RN 54 bis 56) widerspreche daher eine solche nationale Regelung dem Art. 56 AEUV (sowie den Art. 15 bis 17 EGRC), wobei sich vor dem Hintergrund der Unvereinbarkeit des Monopolsystems des GSpG als solchem auch das darauf fußende Sanktionensystem als unionsrechtswidrig erweise.

 

10. Gegen dieses Erkenntnis hat der Bundesminister für Finanzen eine Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) erhoben.

 

11. Mit Erkenntnis vom 15. Dezember 2015, Zl. Ro 2014/17/0121, hat der VwGH dieser Amtsrevision stattgegeben und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 9. Mai 2014, LVwG-410286/4/Gf/Rt, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass vom Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich zunächst – und unabhängig von der Frage der Geltung des Amtswegigkeitsprinzips im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren – entsprechende Feststellungen zu treffen gewesen wären, auf Grund derer eine Beurteilung erfolgen könne, ob die Behörde überhaupt zur Entscheidung zuständig war. Denn gemäß § 52 Abs. 2 GSpG in der hier von der Behörde noch anzuwendenden Fassung BGBl.Nr. I 111/2010 hätte es sich für den Fall, dass im Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen von Spielern oder anderen vermögenswerte Leistungen in einer Höhe von über 10 Euro pro Spiel möglich gewesen wären, nicht mehr um geringe Beträge gehandelt, sodass insoweit eine allfällige Strafbarkeit nach dem GSpG hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurückgetreten wäre. Wäre daher auf Grund der Einsatzhöhe bereits erwiesen, dass für das Strafverfahren (ausschließlich) die gerichtliche Zuständigkeit besteht, könne sohin aufgrund der Subsidiarität des Verwaltungsstraftatbestandes des § 52 Abs. 1 GSpG kein (tatsächlicher) Verstoß gegen eines seiner Tatbilder angenommen werden, sodass der sich darauf gründende Beschlagnahmebescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 31. Mai 2012 schon mangels sachlicher Zuständigkeit dieser Behörde zu einer solchen Entscheidung vom Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich aufzuheben gewesen wäre. Wie sich aus dem Erkenntnis des VwGH vom 15. Dezember 2014, Zl. Ro 2014/17/0121, ergibt, vermöge daran auch der Umstand nichts zu ändern, dass seit der GSpG-Novelle BGBl.Nr. I 13/2014 gemäß § 52 Abs. 3 GSpG für den Fall, dass durch eine Tat sowohl der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 52 GSpG als auch der Tatbestand des § 168 StGB verwirklicht ist, nur nach den Verwaltungsstrafbestimmungen des § 52 GSpG zu bestrafen ist. Denn diese Bestimmung sei nämlich gemäß § 60 Abs. 34 GSpG i.d.F. BGBl.Nr. I 13/2014 erst am Tag nach der Kundmachung dieser Novelle im Bundesgesetzblatt und somit erst am 1. März 2014 in Kraft getreten, also im Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck noch nicht in Geltung gestanden. Eine Heilung einer allenfalls vorliegenden Unzuständigkeit der als erste Instanz entscheidenden Verwaltungsbehörde sei gesetzlich nicht vorgesehen und komme daher nicht in Betracht. Bei der Überprüfung der Frage, ob jene Verwaltungsbehörde, die als erste Instanz entschieden hat, auch tatsächlich zur Entscheidung zuständig war, sei also jene Zuständigkeitsvorschrift heranzuziehen, die im Zeitpunkt der Entscheidung durch diese in Geltung gestanden habe. Entscheidend sei daher, dass im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 31. Mai 2012 durch den Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck noch die Zuständigkeitsvorschriften gemäß § 52 Abs. 2 GSpG in der Fassung vor der Novelle BGBl.Nr. I 13/2014 gegolten hätten.

 

Wäre das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hingegen zu Feststellungen gelangt, aus denen die Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zur Entscheidung abzuleiten gewesen wäre, hätte es jedoch folgende Erwägungen anzustellen gehabt:

 

Gemäß der Verweisungsbestimmung des § 38 VwGVG gelte im Verwaltungsstrafverfahren vor den VwG gemäß § 25 Abs. 1 VStG das Amtswegigkeitsprinzip und gemäß § 25 Abs. 2 VStG der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit, wonach vom Verwaltungsgericht von Amts wegen unabhängig von Parteivorbringen und ‑anträgen der wahre Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweise zu ermitteln sei. Betreffend die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte sei festzuhalten, dass gemäß Art. 130 Abs. 4 erster Satz B-VG (s. auch § 50 VwGVG) in Verwaltungsstrafsachen das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden hat, woraus folge, dass in Verwaltungsstrafverfahren dem Verwaltungsgericht in jedem Fall auch die Befugnis und die Verpflichtung zu allenfalls erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen zukomme. Der Vollständigkeit halber sei auch erwähnt, dass der VwGH bereits ausgesprochen hat, dass im Verfahren vor den VwG gemäß § 17 VwGVG i.V.m. § 39 Abs. 2 AVG auch außerhalb des Verwaltungsstrafverfahrens das Amtswegigkeitsprinzip gelte (vgl. VwGH vom 26. Juni 2014, Zl. Ro 2014/03/0063).

 

Die vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis vertretene Rechtsansicht, gegen die Geltung des Amtswegigkeitprinzips in einem gerichtlichen Strafverfahren bestünden "verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf (Art. 90 Abs. 2 B-VG sowie auf) Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC" könne hingegen vom VwGH nicht nachvollzogen werden.

 

Art. 90 Abs. 2 B-VG spreche aus, dass im (gerichtlichen) Strafverfahren der Anklageprozess gilt (Anklagegrundsatz). Damit sei klargestellt, dass dem Beschuldigten (Angeklagten) im Strafverfahren vor den ordentlichen Gerichten ein Ankläger gegenübersteht, sodass die Funktion des Anklägers von jener des Gerichts getrennt ist. Gemäß dem Anklagegrundsatz dürfe das Gericht die Anklage nicht überschreiten (§ 4 Abs. 3 StPO), d.h., es dürfe nur jenes Geschehen rechtlich beurteilen, welches in Form eines konkreten Sachverhaltes angeklagt worden ist. In der rechtlichen Beurteilung dieser Tat dürfe das Gericht aber gemäß § 4 Abs. 3 StPO von der Anklage abweichen. Daraus ergebe sich für das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten allerdings nicht, welche Funktion dem Gericht im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zukomme und wie es dabei vorzugehen habe. Im Übrigen gelte Art. 90 Abs. 2 B-VG im Verfahren vor den VwG nicht.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 StPO hätten Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht die Wahrheit zu erforschen und alle Tatsachen aufzuklären, die für die Beurteilung der Tat und des Beschuldigten von Bedeutung sind. Es gelte also der Grundsatz der materiellen Wahrheit, woraus sich u.a. ergebe, dass Tatsachenfeststellungen nicht auf gesetzlichen Vermutungen oder Beweislastregeln (d.h. eine von "in dubio pro reo" abweichende Beweislastverteilung) gegründet werden dürfen. Die Aufklärung der für die Entscheidung bedeutsamen Tatsachen erfolge durch eine Beweisaufnahme, die sich grundsätzlich auf alle erreichbaren Beweismittel erstrecken müsse, die in irgendeiner Form Rückschlüsse auf den zu beurteilenden Fall erwarten lassen. Eine Entscheidung nach dem Grundsatz in "dubio pro reo" sei erst dann zu treffen, wenn eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes nicht möglich ist. Im Hauptverfahren obliege es dem Gericht, von Amts wegen die der Anklage zu Grunde liegende Tat aufzuklären und die Schuld des Angeklagten zu prüfen. Der Amtswegigkeitsgrundsatz (§ 2 Abs. 2 StPO) und der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit (§ 3 Abs. 1 StPO) würden somit auch im Strafverfahren vor den ordentlichen Gerichten gelten. Weshalb der Umstand der Geltung des Amtswegigkeitsgrundsatzes in Verwaltungsstrafsachen vor den Verwaltungsgerichten verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC hervorrufen könnte oder sollte, sei vom Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich nicht dargelegt worden.

 

Das Unionsrecht verlange, dass zur Gewährleistung des effektiven Rechtsschutzes zumindest ein im Instanzenzug anrufbares Gericht insofern über eine ausreichende Rechts- und Tatsachenkognition verfügt, als es möglich sein müsse, alle für die Wahrung der in Rede stehenden individuellen Unionsrechte relevanten rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte zu überprüfen. Weshalb der Umstand, dass in Verwaltungsstrafsachen vor den Verwaltungsgerichten das Amtswegigkeitsprinzip gilt, daher in ein Spannungsverhältnis mit Art. 47 EGRC geraten könnte, sei nicht ersichtlich. Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts oder mindestens die Kontrolle durch unabhängige Instanzen (wenn der maßgebliche Sachverhalt bereits festgestellt wurde) sei im Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK und bei Geltendmachung gemeinschaftsrechtlicher (nunmehr unionsrechtlicher) Positionen geboten, weil nur so effektiver Rechtsschutz im Sinne dieser Vorgaben gewährleistet werden könne. Art. 47 GRC bzw. Art. 6 EMRK stünden daher – entgegen der im angefochtenen Erkenntnis vertretenen Rechtsansicht – keinesfalls der Geltung des Amtswegigkeitsgrundsatzes entgegen.

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich sei im angefochtenen Erkenntnis zu dem Ergebnis gelangt, dass das angefochtene Straferkenntnis wegen Widerspruches der diese Strafbarkeit tragenden nationalen Regelungen zum Unionsrecht aufzuheben gewesen sei. Zutreffend sei das Gericht davon ausgegangen, dass es von Amts wegen wahrzunehmen hätte, wenn eine in der österreichischen Rechtsordnung vorgesehene Regelung gegen das Unionsrecht verstoßen sollte und deswegen unangewendet zu bleiben hätte. Allerdings wäre, um zu einer derartigen Beurteilung zu gelangen, zunächst die Frage zu beantworten gewesen, ob das Unionsrecht im Anlassfall überhaupt anzuwenden ist, was auf Sachverhalte ohne Auslandsbezug nicht zutreffe (vgl. z.B. VwGH vom 27. April 2012, Zlen. 2011/17/0280 und 0281). Da das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich keinerlei Feststellungen getroffen habe – wobei die Darstellung des Verfahrensablaufes Feststellungen keinesfalls zu ersetzen vermöge (siehe z.B. VwGH vom 30. Mai 2011, Zl. 2007/12/0197) –, könne dies vom VwGH auch nicht beurteilt werden. Festgehalten sei, dass weder dem angefochtenen Erkenntnis noch den vorgelegten Verwaltungsakten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Sachverhalts mit Auslandsbezug entnommen werden könnten. Durch das Unterlassen des Treffens derartiger Feststellungen habe das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

 

Festgehalten sei zur Geltung des Amtswegigkeitsgrundsatzes im Allgemeinen, dass die Anwendung des Gemeinschaftsrechts (nunmehr: Unionsrechts) durch die Behörden der Mitgliedstaaten nach dem nationalen Verfahrensrecht zu erfolgen habe, soweit das Unionsrecht hier keine Verfahrensvorschriften enthält (Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten). Diese Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten sei nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch durch die (unionsrechtlichen) Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beschränkt (vgl. z.B. VwGH vom 10. Okober 2011, Zl. 2008/17/0113, oder vom 27. September 2013, Zl. 2010/05/0202). Dass die Geltung des Amtswegigkeitsprinzips nach der österreichischen Rechtslage dem Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes keinesfalls entgegenstehe, sei bereits ausgeführt worden. Auch jener der Äquivalenz spreche nicht dagegen, weil der Amtswegigkeitsgrundsatz gleichermaßen in Verwaltungsstrafverfahren gelte, in denen auf das Unionsrecht gestützte Rechte zu prüfen seien, wie in solchen mit ausschließlich innerstaatlichem Bezug. Vor diesem Hintergrund sei das Urteil des EuGH, C-390/12, Robert Pfleger u.a., nicht dahin auszulegen, dass der EuGH einem in Österreich geltenden Amtswegigkeitsprinzip eine Absage erteilt habe. Damit sei lediglich zum Ausdruck gebracht worden, dass ein Vorbringen betreffend die Rechtfertigung von Regelungen, mit denen der freie Dienstleistungsverkehr beschränkt wird, vom Mitgliedstaat bzw. dessen Behörden zu erstatten ist und – auch entsprechend dem Verbot zur Selbstbezichtigung – nicht von jenen Personen, gegen die das jeweilige Verwaltungsstrafverfahren im weiteren Sinn (betreffend Übertretungen des GSpG, Beschlagnahmen oder Einziehungen nach dem GSpG) geführt wird. Allenfalls könnten aus der genannten Entscheidung des EuGH noch gewisse Mitwirkungspflichten der Behörde des Mitgliedstaates abgeleitet werden. Gegen die vom VwG vorgenommene Auslegung, der EuGH habe der Geltung des Amtswegigkeitsprinzips eine Absage erteilt, würden insbesondere auch die weiteren Ausführungen im Urteil Robert Pfleger u.a., C-390/12 sprechen. So habe der EuGH ausgesprochen, dass für die Feststellung, welche Ziele mit der nationalen Regelung tatsächlich verfolgt werden, das vorlegende Gericht zuständig ist (RN 47 unter Hinweis auf Dickinger und Ömer vom 15. September 2011, C‑347/09, und Zeturf vom 30. Juni 2011, Rs C-2012/08). Weiters sei konstatiert worden, dass sich das nationale Gericht vergewissern müsse, dass die nationale Regelung tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern, die Tätigkeiten in diesem Bereich zu begrenzen und die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen (RN 49). Das nationale Gericht müsse eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen, unter denen eine restriktive Regelung, wie sie in den Ausgangsverfahren in Rede stehe, erlassen worden ist und durchgeführt wird (RN 52). Keinesfalls könne daher aus dem Urteil des EuGH, Robert Pfleger u.a., C-390/12, abgeleitet werden, der EuGH habe damit zum Ausdruck bringen wollen, dass die Geltung des Amtswegigkeitsprinzips im Zusammenhang mit der hier vom österreichischen Gericht zu prüfenden unionsrechtlichen Frage, ob Bestimmungen des GSpG, soweit damit Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit vorgenommen werden, im Sinne der Rechtsprechung des EuGH gerechtfertigt sind, ausgeschlossen sei. Wie bereits ausgeführt, würden daher gemäß § 38 VwGVG i.V.m. § 25 VStG im Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten der Amtswegigkeitsgrundsatz und der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit gelten. Es könne daher die Judikatur des VwGH hierzu auch für das Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten herangezogen werden. Betreffend die Ermittlung des Sachverhaltes bedeute dies, dass die Verwaltungsgerichte verpflichtet seien, von Amts wegen ohne Rücksicht auf Vorträge, Verhalten und Behauptungen der Parteien die entscheidungserheblichen Tatsachen zu erforschen und deren Wahrheit festzustellen. Der Untersuchungsgrundsatz verwirkliche das Prinzip der materiellen (objektiven) Wahrheit, welcher es verbiete, den Entscheidungen einen bloß formell (subjektiv) wahren Sachverhalt zu Grunde zu legen. Der Auftrag zur Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichte die Verwaltungsgerichte, alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen, um der Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen. In diesem Sinne seien alle sich bietenden Erkenntnisquellen sorgfältig auszuschöpfen und insbesondere diejenigen Beweise zu erheben, die sich nach den Umständen des jeweiligen Falles anbieten oder als sachdienlich erweisen können; die Sachverhaltsermittlungen seien ohne Einschränkungen eigenständig vorzunehmen; auch eine den Beschuldigten allenfalls treffende Mitwirkungspflicht enthebe das Verwaltungsgericht nicht seiner aus dem Grundsatz der Amtswegigkeit erfließenden Pflicht, zunächst selbst – soweit das möglich ist – für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen. Die Mitwirkungspflicht der Partei habe insbesondere dort Bedeutung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann (vgl. z.B. VwGH vom 20. September 1999, Zl. 98/21/0137).

 

Um rechtens zu der Beurteilung zu gelangen, dass Bestimmungen des GSpG dem Unionsrecht widersprechen, hätte das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich daher nach Durchführung eines im Sinne obiger Ausführungen dem Amtswegigkeitsprinzip entsprechenden Verfahrens konkrete Tatsachenfeststellungen zu treffen gehabt, aus denen abzuleiten gewesen wäre, dass durch anzuwendende Bestimmungen des GSpG vorgenommene Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Sinne der Rechtsprechung des EuGH nicht gerechtfertigt sind. Dadurch, dass das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich auf Grund einer unrichtigen Rechtsansicht nicht amtswegig ein Beweisverfahren durchgeführt und Feststellungen getroffen hat, habe es das angefochtene Erkenntnis ebenfalls mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet.

 

Weiters wären den Parteien insbesondere gemäß § 38 VwGVG i.V.m. § 24 VStG und § 45 Abs. 3 AVG die Ergebnisse des bislang durchgeführten bzw. durchzuführenden Ermittlungsverfahrens vorzuhalten und ihnen die Möglichkeit einzuräumen gewesen, dazu ein Vorbringen zu erstatten und Beweise für die eigenen Behauptungen anzubieten (Grundsatz der Wahrung des Parteiengehörs). Die Einräumung des Parteiengehörs sei ein wichtiges Element des fairen Verfahrens im Sinne des Art. 6 EMRK und damit auch Inhalt des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz. Anzumerken sei, dass auch von einer Verletzung einer Mitwirkungspflicht der Partei nur dann auszugehen ist, wenn die oben angeführten Verfahrensschritte zur Gewährung des Parteiengehörs zuvor gesetzt worden sind (vgl. z.B. VwGH vom 20. September 1999, Zl. 98/21/0137).

 

In der Folge wären aufgrund eines erstatteten relevanten Parteienvorbringens und Beweisanbotes entsprechende Ermittlungen durchzuführen und im angefochtenen Erkenntnis entsprechende Feststellungen hierzu zu treffen gewesen. Zum notwendigen Inhalt der Entscheidungsbegründung eines Erkenntnisses eines VwG sei auf das Erkenntnis des VwGH vom 21. Oktober 2014, Zl. Ro 2014/03/0076, zu verweisen. Es könne sohin keinesfalls ausgeschlossen werden, dass das VwG bei Einräumung des Parteiengehörs zu einem anderslautenden Erkenntnis gelangt wäre.

 

Im Übrigen habe das VwG gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg.cit. fänden sich zulässige Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. Ein Absehen von der Verhandlung wäre nach dieser Bestimmung zu beurteilen und zu begründen gewesen (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 31. Juli 2014, Zl. Ra 2014/02/0011).

 

12. An diese vom VwGH in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 2015, Zl. Ro 2014/17/0121, geäußerte Rechtsansicht ist das LVwG OÖ im vorliegenden Fall gemäß § 63 Abs. 1 VwGG gebunden.

 

 

II.

 

Fortgesetztes Verfahren – Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung

 

 

1. Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich zunächst zwecks Klärung der Zuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides sämtliche Verfahrensparteien mit hg. Schreiben vom 16. Februar 2015 dazu aufgefordert, sich zu der Frage zu äußern, ob an einem oder beiden der hier gegenständlichen Glücksspielgeräte ein den Betrag von 10 Euro übersteigender Einsatz pro Spiel möglich war und/oder mit diesen vorsätzliche Serienspiele veranlasst bzw. durchgeführt werden sollten.

 

2.1. In ihrer Stellungnahme vom 6. März 2015 hat die belangte Behörde darauf bezogen ausgeführt, dass aus dem Behördenakt, insbesondere aus dem Aktenvermerk der Finanzpolizei vom 1. Dezember 2010 und der angeschlossenen Niederschrift vom 30. November 2010 über die Einvernahme der Beschwerdeführerin hervorgeht, dass die Rechtsmittelwerberin die Frage des höchstmöglichen Spieleinsatzes nicht beantworten konnte. Vielmehr sei sie nur durch die Reklamation einer Spielerin darauf aufmerksam gemacht worden, dass jene Person 10 Euro in den Automaten eingeworfen und diesen Betrag binnen 30 Sekunden ohne weitere Betätigung irgend einer Taste verspielt habe; darauf hin habe sie von ihrem Vorgesetzten in Erfahrung gebracht, dass man an den Automaten mittels „Auto-Start“-Taste und Betätigung einer weiteren Taste schneller spielen könne. Von den einschreitenden Beamten der Finanzpolizei wurde damals offensichtlich nicht erhoben, ob die Möglichkeit bestand, mit Höchsteinsätzen von mehr als 10 Euro pro Spiel zu spielen.

 

2.2. Das Finanzamt Gmunden-Vöcklabruck hat sich zu dieser Frage weder innerhalb der Stellungnahmefrist noch bis dato geäußert.

 

2.3. Die Beschwerdeführerin hat mit e-mail vom 6. März 2015 mitgeteilt, dass bei beiden verfahrensgegenständlichen Geräten jeweils ein Einsatz von 10,50 Euro pro Spiel möglich und diese mit einer funktionstüchtigen „Auto-Start“-Taste ausgestattet waren.

 

3. Da somit insgesamt besehen einander widersprechende Beweisergebnisse nicht vorliegen, kommt das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich sohin auf Grund des Akteninhalts und der von den Verfahrensparteien dazu abgegebenen Stellungnahmen in freier Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, dass an beiden bescheidmäßig eingezogenen Geräten einerseits ein Einsatz von mehr als 10 Euro pro Spiel möglich war und andererseits mit diesen auch Serienspiele veranlasst bzw. durchgeführt werden konnten, da diese jeweils mit einer sogenannten „Auto-Start“-Taste ausgestattet waren.

 

 

III.

 

Fortgesetztes Verfahren – Rechtliche Beurteilung

 

 

1. Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsgerichte verpflichtet, dann, wenn der VwGH einer Revision stattgegeben hat, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

 

Nach § 54 Abs. 1 GSpG in der im vorliegenden Fall noch maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 76/2011 konnte die Behörde solche Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen wurde, zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen einziehen, sofern der Verstoß nicht bloß geringfügig war.

 

Gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG beging u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und war von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen, der zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen veranstaltete, organisierte oder unternehmerisch zugänglich machte oder sich als Unternehmer daran beteiligte.

 

Nach § 168 StGB ist derjenige, der ein Spiel bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird.

 

Ob der Tatbestand gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG erfüllt war, hing – nachdem der VwGH (nach Änderung seiner früheren Judikatur) die Auffassung vertreten hatte, dass es auf den tatsächlich entrichteten Spieleinsatz ankäme (vgl. VwGH vom 22. August 2012, Zl. 2012/17/0156, u.v.a.), von dieser Rechtsmeinung jedoch im Gefolge des VfGH-Erkenntnisses vom 13. Juni 2013, B 422/2013, (neuerlich) wieder ausdrücklich abgegangen war (vgl. z.B. VwGH vom 23. Juli 2013, Zl. 2012/17/0249, u.v.a.) – davon ab, ob es Spielern im Zusammenhang mit ihrer Teilnahme an Ausspielungen möglich war, vermögenswerte Leistungen pro Spiel von höchstens 10 Euro zu erbringen; war hingegen ein Einsatz von mehr als 10 Euro je Spiel möglich, so handelte es sich ex lege nicht mehr um geringe Beträge mit der Folge, dass eine allfällige Strafbarkeit nach dem GSpG hinter einer allfälligen Strafbarkeit nach § 168 StGB zurücktrat.

 

2. Dem Umstand, dass nunmehr nach der materiellen Anordnung des § 52 Abs. 3 GSpG i.d.F. der Novelle BGBl.Nr. I 13/2014, wenn durch eine Tat sowohl der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 1 GSpG als auch der Tatbestand des § 168 StGB verwirklicht wurde, nur eine Bestrafung nach dem Verwaltungsstrafbestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG vorzunehmen ist, kommt für den vorliegenden Fall schon deshalb keine Relevanz zu, weil diese Novelle erst am 1. März 2014 – und damit erst lange nach dem im Spruch des angefochtenen Einziehungsbescheides angelasteten Tatzeitpunkt (11. Oktober bis 30. November 2010) – in Kraft getreten ist (vgl. § 60 Abs. 34 GSpG i.d.g.F.).

 

Anderes würde im Hinblick auf das in Art. 7 EMRK verfassungsmäßig verankerte Rückwirkungsverbot von Strafgesetzen allenfalls nur dann gelten, wenn § 52 Abs. 3 GSpG i.d.g.F. eine rein prozessuale Bestimmung verkörpern würde. Dies trifft jedoch offensichtlich schon deshalb nicht zu, weil gerade die Frage, ob bzw. inwieweit ein konkreter Straftatbestand von seinen inhaltlichen Voraussetzungen her überhaupt zum Tragen kommt, fraglos (jedenfalls auch) zum essentiellen Kernbereich des in der Erklärung eines derartigen Verhaltens als strafbar zum Ausdruck kommenden Unwerturteils und damit der materiellen Strafbarkeit als solcher zählt (vgl. in diesem Sinne auch Thienel, in: Korinek – Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, RN 6 zu Art. 7 EMRK; Renzikowski, in: Pabel – Schmahl [Hrsg.], Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, RN 33 f zu Art. 7 EMRK; sowie Grabenwarter – Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Aufl., München 2012, § 24, RN 138, unter Hinweis auf EGMR vom 17.12.2009, 19359/04[1]).

 

Im Übrigen ergibt sich im hier gegenständlichen Fall zudem auch in Bindung gemäß § 63 Abs. 1 VwGG an das VwGH-Erkenntnis vom 15. Dezember 2014, Zl. Ro 2014/17/0121, dass § 52 Abs. 3 GSpG i.d.F. BGBl.Nr. I 13/2014 aus den dort genannten Gründen (s.o., S. 21 f) jedenfalls keine Rückwirkung zukommt.  

 

3. Vor dem Hintergrund, dass sohin unter dem Aspekt der eigenständigen Beurteilung der Strafbarkeit des der Rechtsmittelwerberin angelasteten Verhaltens im Hinblick auf § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG einerseits dem möglichen Höchsteinsatz pro Spiel entscheidende Bedeutung zukommt und dieser potentielle Maximaleinsatz nach den Vorbringen der Verfahrensparteien (vgl. die zuvor angeführten Stellungnahmen der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde vom 6. März 2015) jeweils mehr als 10 Euro betrug, sowie andererseits mit den verfahrensgegenständlichen Geräten zudem zweifelsfrei auch Serienspiele durchgeführt werden konnten, steht sohin im Ergebnis fest, dass die Rechtsmittelwerberin mit dem ihr hier angelasteten Verhalten zufolge der in § 52 Abs. 2 GSpG i.d.F. BGBl.Nr. I 111/2010 ex lege vorgenommenen Abgrenzung allenfalls gegen (§ 15 StGB i.V.m.) § 168 Abs. 1 StGB, nicht jedoch gegen § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen hat.

 

Mangels Erfüllung der in § 54 Abs. 1 normierten Voraussetzungen erweist sich daher die von der belangten Behörde gemäß § 54 Abs. 1 GSpG i.d.F. BGBl.Nr. I 76/2011 angeordnete Einziehung der verfahrensgegenständlichen Geräte als rechtswidrig.

 

4. Davon ausgehend war daher der vorliegenden Beschwerde gemäß § 50 VwGVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid in Entsprechung zum Erkenntnis des VwGH vom 15. Dezember 2015, Zl. Ro 2014/17/0121, aufzuheben.

 

 

IV.

 

Revision an den Verwaltungsgerichtshof

 

 

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren insbesondere im Hinblick auf die unter III. angeführte höchstgerichtliche Judikatur keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, da eine Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bzw. des Verwaltungsgerichtshofes zu den im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen weder fehlt noch diese uneinheitlich ist noch mit der gegenständlichen Entscheidung von dieser abgewichen wird.

 

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb derselben Frist auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten.

 

 

 

Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich

 

 

Dr.  G r o f

 



[1] Vgl. insbesondere RN 134: „It therefore has to determine whether a measure ..... constituted in substance an additional penalty, or merely concerned the execution or enforcement of the penalty applicable at the time of the offence of which the applicant was convicted.