LVwG-840095/3/Kl/Rd

Linz, 17.03.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Ilse Klempt über den Antrag der A GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. P G, x, S, vom 14. März 2016 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der E AG O K GmbH betreffend das Vorhaben "Fernwärme R – Heizcontainer mit Erdgasbetrieb X",

zu Recht    e r k a n n t :

I.         Dem Antrag wird gemäß §§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 90/2013, statt­gegeben und der Auftraggeberin E AG O K GmbH die Erteilung des Zuschlages für die Dauer des Nachprüfungsver­fahrens, längstens aber bis 14. Mai 2016, untersagt.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Mit Eingabe vom 14. März 2016 hat die A GmbH (im Folgenden: Antragstellerin) Anträge auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung und der nachträglichen Festlegung der Gewichtung der Zuschlagskriterien hinsichtlich des Kriteriums "Angebotene Technik (Subkriterien Thermischer Wirkungsgrad des Kessels, Minimumleistung der Kesselanlage, Emissionswert)" sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von  insgesamt 4.500 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hierzu aus, dass die Aus­schreibung unter ABl. Nr. 2015/S-195-353979 europaweit bekannt gemacht worden sei, obwohl lediglich ein Verfahren (Bauauftrag) im Unterschwellen­bereich gewählt wurde.

Es werde die mit E-Mail vom 7. März 2016 bekanntgegebene Zuschlags-entscheidung bekämpft. Mit E-Mail vom 8. März 2016 seien die Zuschlags-kriterien konkretisiert und die spezielle Gewichtung hinsichtlich des Kriteriums "Angebotene Technik" (Zuschlagskriterium 2 gemäß Pkt. A6 der AU Teil A) erst detailliert bekannt gegeben worden. Mit einem weiteren E-Mail vom 8. März 2016 sei schlussendlich das Bewertungsergebnis hinsichtlich des Angebotes der Antragstellerin unvollständig (lediglich in Zahlen ausgedrückt und ohne verbale Begründung) bekannt gegeben worden.

 

Zwar stelle die Bekanntgabe von Zuschlagskriterien nach der Zuschlagsent­scheidung grundsätzlich keine gesondert anfechtbare Entscheidung iSd § 2 Z 16 BVergG 2006 dar, dennoch sei nicht ausgeschlossen, dass das vorliegende Verfahren nach einer möglichen Aufhebung der Zuschlagsentscheidung weiter­geführt werde. Daher werde auch die nachträgliche Festlegung und Konkre­tisierung der Zuschlagskriterien und weitere Differenzierung für die möglich zu erreichenden Punkte angefochten.

 

Da sich die Antragstellerin am gegenständlichen Vergabeverfahren beteiligt und fristgerecht ein ausschreibungskonformes Angebot gelegt habe, sei ihr Interesse am Vertragsabschluss evident. Zudem habe sie ein großes wirtschaftliches und strategisches Interesse am Auftrag und erachte sie sich auch weiter an ihr abgegebenes Angebot gebunden.

 

Zum drohenden bzw. eingetretenen Schaden wurde ausgeführt, dass ein Schaden in der Höhe des mit diesem Auftrag verbundenen marktüblichen entgangenen Gewinns von zumindest 7 % der Netto-Auftragssumme von 666.045 Euro, sohin zumindest von ca. 46.000 Euro, drohe. Ferner drohe ein Schaden in der Höhe der frustrierten Kosten für die Angebotserstellung von ca. 8.000 Euro sowie 3.000 Euro für die anwaltliche Vertretung. Zudem drohe der Verlust eines wichtigen Referenzprojekts.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihrem Recht auf

- klare und nachvollziehbare Durchführung des Vergabeverfahrens und Transparenz

- rechtzeitige Bekanntgabe nachvollziehbarer Zuschlagskriterien

- rechtzeitige und ausreichend nachvollziehbare Begründung der Zuschlags­entscheidung bzw der für den Antragsteller als Bieter letzten Entscheidung im Vergabeverfahren

- richtige Durchführung des Vergabeverfahrens gemäß den Bestimmungen des BVergG 2006

- sachlich nachvollziehbare Bestbieterermittlung und –entscheidung, insbe­sondere Nichtberücksichtigung von Angeboten, die bei richtiger Bewertung nach den Zuschlagskriterien nicht Bestbieter oder Billigstbieter sind

- Bietergleichbehandlung auf Grundlage der Vorgaben in den bestandfesten Ausschreibungsunterlagen

- Zuschlagserteilung an (sie als) die richtige Bestbieterin

- Nichtigerklärung der rechtswidrigen Zuschlagsentscheidung und auch nach­­prüfende Beurteilung der Angebote anhand der Ausschreibungs­unter­lagen

- Grundsatz des fairen, freien und lauteren Wettbewerbs,

verletzt.

 

Zum Sachverhalt und den Gründen, auf die sich die Rechtswidrigkeit stützt wurde vorgebracht, dass die Ausschreibungsunterlagen (AU) in vielen Bereichen unklar und unvollständig geblieben und teils widersprüchlich sowie hinsichtlich der Zuschlagskriterien unzureichend seien. Es sei keinesfalls auf Grundlage der Festlegungen in der AU nachvollziehbar, warum der präsumtive Bestbieter als Bestbieter ausgewählt worden sei.

 

Unklar sei auch die Festlegung in Pkt. A.4. zur Art des Ausschreibungsverfahrens, da unklar sei, ob ein Wettbewerb oder ein Verhandlungsverfahren gewählt worden sei. Noch gravierender sei aber die hier enthaltene Vergaberechts­verletzung dahingehend, dass sich die Auftraggeberin (willkürlich) vorbehalte, mit einzelnen Bietern Gespräche zu führen und nicht klar festgelegt sei, unter welchen Voraussetzungen dies erfolge, da sie dies gemäß ihrer Festlegung ausdrücklich vom Ergebnis der Angebotsevaluierung vom zu erwartenden wirtschaftlichen Erfolg sowie dem dafür vertretbaren Aufwand abhängig mache. Ein solches Vorgehen widerspreche dem Grundsatz der Bietergleichbehandlung und dem Gebot eines fairen Wettbewerbs.

 

Diese Festlegung entspreche nicht der Möglichkeit des Auftraggebers mit dem Bieter des bestgereihten Angebots gemäß § 105 Abs. 4 BVergG 2006 zu ver-handeln, da gemäß der ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung dies eben nur mit dem Bieter des bestgereihten Angebots möglich wäre. Die Auftrag­geberin behalte sich aber vor, mit einer nicht bestimmten Anzahl von Bietern Ver­gabegespräche zu führen, was eben nicht nur von der Angebotsevaluierung sondern auch von dem erwarteten wirtschaftlichen Erfolg und dem notwendigen Aufwand abhängig sei.

 

Diese Festlegungen seien derartig gravierend vergabewidrige, dass diese Bestim­mungen nicht bestandfest werden können und auf Grundlage eines solcherart ermittelten Bestbieters keine vergabegemäße Bestbieterentscheidung möglich sei und die Ausschreibung bereits aus diesem Grund zu widerrufen wäre.

 

Die Antragstellerin vermute, dass die Auftraggeberin willkürlich mit einem Bieter, welcher ein Erstangebot gelegt habe, nämlich der präsumtiven Zuschlagsempfän­gerin, weitere Verhandlung durchgeführt und solange nachverhandelt habe, bis dieses Angebot schlussendlich erstgereiht worden sei. Dies widerspreche dem Gleichheitsgebot und sei wettbewerbswidrig und unzulässig.

 

Zur zeitlichen Abfolge wurde festgehalten, dass die Antragstellerin am
12. Oktober 2015 die AU erhalten und sich um die Teilnahme beworben habe. Am 14. Dezember 2015 wurde sie durch Übermittlung der Angebotsunterlagen zum weiteren Verfahren zugelassen. Daraufhin wurde am 18. Jänner 2016 ein Erstangebot auf Basis der bereitgestellten Angebotsunterlagen mit einem Angebotspreis von 643.400 Euro abgegeben. Am 4. Februar 2016 habe eine Bieterverhandlung stattgefunden, in welcher das Angebot diskutiert und viele Punkte in Bezug auf die gewünschte technische Ausführung präzisiert worden seien. Der Angebotsumfang sei damit wesentlich erweitert worden, da die technische Beschreibung in der Ausschrei­bung ursprünglich mangelhaft gewesen sei. In der Folge sei das überarbeitete Angebot am 19. Februar 2016 mit einem Angebotspreis von 701.100 Euro abgegeben worden. Die Antragstellerin sei hierauf zur Letztpreisabgabe aufgefordert worden, welche am 25. Februar 2016 mit einem Angebotspreis von 666.045 Euro erfolgt sei.

 

In Pkt. A.6. der AU sei ursprünglich die Gewichtung der Zuschlagskriterien festgelegt worden. So sei der Angebotspreis und die Kosten für Ersatz- und Ver­schleißteile für 3 Jahre mit 70 %, die angebotene Technik, thermischer Wirkungs­grad des Kessels, Minimumleistung der Kesselanlage, Emissionswert mit 15 % und die Übereinstimmung des Angebots mit den Bedingungen der Ausschrei­bung, insbesondere betreffend Haftung, Schadenersatz und Vertragsstrafen mit 15 % gewichtet worden.

Das 3. Zuschlagskriterium sei dabei vergaberechtlich nicht verständlich, da Angebote ohnehin den AU entsprechen müssen und ansonsten auszuscheiden seien.

Jedenfalls sei festzuhalten, dass hinsichtlich aller drei genannten Kriterien keine Differenzierungen und keine Grundlagen genannt sind, wie diese beurteilt werden. Insbesondere Zuschlagskriterium 2, das in drei Subkriterium differen­ziert sei, ohne dass dies auch punktemäßig weiter differenziert worden sei.

 

Erst am 8. März 2016 sei mitgeteilt worden, dass offenbar das Kriterium "Angebotene Technik" weiter differenziert und mit folgenden Punkten versehen worden sei.

Thermischer Wirkungsgrad des Kessels: 9 %

Minimumleistung der Kesselanlage: 5 %

Emissionswerte: 1 %

Die diesbezügliche Gewichtung der Kriterien sei erstmalig nach Zuschlagsent­scheidung bekannt gegeben worden.

 

Weiters sei in Pkt. A.6 der AU festgelegt, dass die Auftraggeberin jedenfalls eine vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen habe.

Die bezügliche Festlegung erst nach Angebotsabgabe im Zuge der vertieften Angebotsprüfung "geeignet erscheinende Änderungen und Ergänzungen sowie auch Leistungsabgrenzungen einvernehmlich mit den Bietern zu vereinbaren", damit nach Angebotsabgabe Angebotsänderungen einzelner Bieter zuzulassen, sei grob vergabewidrig und widerspreche dem Wettbewerbsgebot und der Bietergleichbehandlung und sei derart gravierend, dass diese Vergabewidrigkeit auch nicht präkludieren könne. Damit sei eine vergabekonforme Zuschlags­entscheidung niemals möglich, weshalb damit ein zwingender Widerrufsgrund begründet sei. Diesbezüglich wurde auch auf die bisherige Judikatur verwiesen.

 

Nach Kenntnis der Antragstellerin sei zumindest deren Erstangebot preislich erstgereiht gewesen. Mit E-Mail vom 7. März 2016 habe die Antragstellerin die nun­mehr angefochtene Zuschlagsentscheidung erhalten, welche keine ausreichende Begründung enthalten habe und nicht nachvollziehbar gewesen sei, sodass am 8. März 2016 um Übermittlung der Vergabebeurteilung ersucht worden sei. Die Auftraggeberin sei dem Ersuchen am 8. März 2016 insofern nachgekommen, als die Gewichtung der einzelnen Vergabekriterien differenziert worden sei. Über nochmalige Nachfrage bezüglich der Beurteilung der unklaren nachträglich festgelegten Subkriterien hinsichtlich des Kriteriums "Angebotene Technik" er­folgte am 10. März 2016 eine weitere Differenzierung hinsichtlich der maximalen Punkteanzahl und der tatsächlich erreichten Punkteanzahl. Eine weitere verbale Begründung sei nicht vorgelegt worden, sodass nach wie vor unklar sei, weshalb das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin besser bewertet worden sei als jenes der Antragstellerin.

 

Hätte die Antragstellerin gewusst, dass eine Gliederung des Qualitätspunktes "Angebotene Technik" erfolge, hätte sie allenfalls ein anderes Angebot gelegt, um hier die maximale Punktezahl zu erreichen.

Es wurden die fehlende rechtzeitige Bekanntgabe von nachvollziehbaren Zu­schlagskriterien, die nicht nachvollziehbaren nachträglich bekanntgegebenen Zuschlagskriterien, die faktische Verkürzung der Anfechtungsfrist, Begründungs­mangel sowie die fehlende vertiefte Angebotsprüfung, als Rechtswidrigkeiten, die die Nichtigkeit der Zuschlagsentscheidung und den zwingenden Widerruf der Ausschreibung begründen, geltend gemacht. Die jeweiligen Rechtswidrigkeiten wurden im Antrag detailliert dargelegt.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde von der Antrag­stellerin zunächst auf die Ausführungen im Hauptantrag verwiesen. In Bezug auf die Abwägung der Interessen wurde vorgebracht, dass diese zugunsten der Antragstellerin ausfallen müsse. Ohne einer einstweiligen Verfügung könne die Auftraggeberin der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, deren Angebot mangels Bekanntgabe der Zuschlagskriterien nicht Bestbieter sein könne, den Zuschlag erteilen. Nach Zuschlagserteilung könnte die geltend gemachte Rechtswidrigkeit nur mehr zu Schadenersatzansprüchen führen, eine Zuschlagserteilung auf das Angebot der Antragstellerin wäre jedoch ausgeschlossen. Schon daraus sei evident, dass nur durch die Erlassung der einstweiligen Verfügung ein wirksamer Rechtsschutz auch iSd Rechtsmittelrichtlinie zu gewährleisten sei. Die Unter­sagung der Erteilung des Zuschlages sei gegenständlich das gelindeste Mittel um das Interesse der Antragstellerin abzusichern. Die Sicherstellung der Auftrags­erteilung an den tatsächlichen Bestbieter liege im Interesse aller Beteiligten und auch im öffentlichen Interesse. Besondere Umstände an einer raschen Auf­tragserteilung seien in der Ausschreibung nicht erwähnt worden. Auch habe die Auftraggeberin bei der Wahl des Vergabeverfahrens die Mindestangebotsfrist aus Gründen der Dringlichkeit nicht verkürzt, sodass auch daraus kein besonderes öffentliches Interesse einer raschen Auftragserteilung erkannt werden könne. Überdies habe der Auftraggeber die Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens und die damit einhergehende Verzögerung bei der Erstellung des Zeitplans mit einzuberechnen.    

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat die E AG O K GmbH als Auftraggeberin am Nachprüfungsverfahren beteiligt. Eine Stellungnahme bezüglich der Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht ergangen.

 

3.  Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs. 2 Z 2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Alleiniger Gesellschafter der E AG O K GmbH ist die E AG O, welche wiederum im mehrheitlichen Eigentum des Landes Oberösterreich steht. Die Vergabe fällt daher in den Vollzugsbereich des Landes iSd Art. 14b Abs. 2 Z 2 lit.c B-VG und unterliegt daher das gegenständliche Nachprüfungsverfahren den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.  

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs. 1 leg.cit.

 

3.2. Gemäß § 2 Abs. 3 Oö. VergRSG 2006 ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Bauauftrages sind die Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung ent­standene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antrag­stellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs. 3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4. Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art. 2 Abs. 4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art. 2 Abs. 5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessens­abwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftrag­geber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabeverfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlos­sen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Landesver­waltungsgericht Oberösterreich zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berück­sichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen
Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabekontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsver­fahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrig­keiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für das Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlagserteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs. 4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

 


II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen  durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt oder eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Dr. Ilse Klempt