LVwG-350272/15/KLi/BHu

Linz, 22.12.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Lidauer über die Beschwerde vom 10.10.2016 der A S, geb. x, x, E, vertreten durch Dr. E A F, Rechtsanwältin, x, L, gegen den Bescheid der Bezirkshaupt­mannschaft Gmunden vom 14.9.2016, GZ: BHGMSO-2015-18298/45-Sl, wegen Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs – Rück­erstattung (Oö. BMSG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Ver­handlung,

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 14.9.2016, GZ: BHGMSO-2015-18298/45-Sl, ersatzlos aufge­hoben.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 14.9.2016, GZ: BHGMSO-2015-18298/45-Sl, wurde dem Antrag des Trägers der bedarfs­orientierten Mindestsicherung (S G) vom 25.8.2016 über die Rückerstattung bedarfsorientierter Mindestsicherung stattgegeben und die Beschwerdeführerin verpflichtet, den im Zeitraum von 3.8.2015 bis 1.9.2016 entstandenen Über­bezug in Höhe von 7.009,92 Euro zurückzuerstatten. Zur Rückerstattung würden bis auf weiteres Teilbeträge in der beim automatischen Zahlungslauf vorge­sehenen Höhe von weiteren Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung in Abzug gebracht werden. Ab dem Zeitpunkt, ab welchem von der Beschwerde­führerin keine Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung mehr in Anspruch genommen würden, habe die Einzahlung entsprechender Teilbeträge von ihr direkt zu erfolgen. Die Höhe der Teilbeträge sei in diesem Fall noch in einem persönlichen Gespräch zu vereinbaren. Rechtsgrundlage sei § 35 Oö. BMSG.

 

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe im Zeitraum von 3.8.2015 bis 1.9.2016 laufend Hilfe zur Sicherung des Lebens­unterhaltes und des Wohnbedarfs in Höhe von durchschnittlich monatlich 830,82 Euro bezogen, obwohl eine Änderung der Einkommensverhältnisse ein­getreten sei. Seit 3.8.2015 habe sie zusätzlich zur Notstandshilfe in Höhe von 6,02 Euro täglich eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes in Höhe von 18,21 Euro täglich bezogen – der Bezug dieser Beihilfe sei lediglich in der Zeit von 15.8.2015 bis 23.8.2015 unterbrochen gewesen. Seit 1.1.2016 habe die Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes, welche sie zusätzlich zur Notstands­hilfe bezogen habe, 18,77 Euro täglich betragen. Im Zeitraum von 24.8.2016 bis 31.8.2016 habe sie nur Notstandshilfe in Höhe von 6,02 Euro pro Tag bezogen.

 

Der Bezug der Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes habe eine Ver­ringerung ihres Anspruches zur Folge gehabt. Da sie eine Anzeige an die zustän­dige Bezirksverwaltungsbehörde unterlassen habe, sei ein Überbezug in Höhe von 7.009,92 Euro entstanden.

 

Unter Anführung der Bestimmung des § 35 Oö. BMSG führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin verpflichtet sei, den Überbezug zurückzuerstatten. Im Hinblick auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse und die Höhe des Überbezuges sei davon auszugehen, dass eine Rückerstattung mit Einmalzahlung nicht möglich bzw. zumutbar sei. Daher sei eine Bewilligung in angemessenen Teilbeträgen ausgesprochen worden. Diese Teilbeträge würden von weiteren Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung in Abzug gebracht werden. Ab dem Zeitpunkt, ab welchem sie keine Leistungen aus der Mindestsicherung mehr beziehen würde, seien entsprechende Teilbeträge zur Rückerstattung von ihr direkt zur Einzahlung zu bringen.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 10.10.2016, mit welcher die Aufhebung des Bescheides beantragt wird bzw. eine Abänderung dahingehend, dass auf allfällige Überbezüge verzichtet werde.

 

Begründend führt die Beschwerdeführerin aus, dass die Rückforderungs­ansprüche ihrer Ansicht nach nicht den gesetzlichen Bestimmungen des Oö. BMSG entsprechen würden.

 

Erklärend wolle sie vorausschicken, dass sie sehr tragische Lebensumstände von Kind an in so eine soziale Notlage und zum Bezug der Mindestsicherung gebracht hätten. Ein sehr wesentlicher Teil ihrer Problematik von Jugend an sei die zeit­weise völlige Überforderung mit der Regelung ihrer persönlichen Notwendigkeiten des Lebens, diese zu erfassen und zu ordnen, was sich unter anderem durch für sie in einem nicht mehr bewältigbaren Stapel unaufgearbeiteter Post und anderer Dinge, wie Schulden oder der Unfähigkeit, zeitgerecht Termine wahrzunehmen, äußere. Diese Umstände seien den Sachbearbeiterinnen der BMS-Behörde sehr gut bekannt. Am Beginn des Zeitraumes des vermeintlichen Überbezuges sei sie auch in psychologischer Betreuung gewesen, um das Leben mit ihrem Sohn besser bewältigen zu können, was der BMS-Behörde auch bekannt gewesen sei. Die von den Sozialarbeiterinnen der Sozialabteilung mit Nachdruck eingeforderte und von ihr nach kleineren Startschwierigkeiten erfolgreiche Teilnahme an der Maßnahme für Bezieherin der bedarfsorientierten Mindestsicherung in der Ein­richtung „P“ im B S habe sie diesbezüglich auf einen guten Weg gebracht. Sie werde von „P“ nun sogar im Rahmen einer Arbeitsstiftung zur Landschafts­gärtnerin ausgebildet.

 

Sie habe mit dem Projekteinstieg in die BMS-Maßnahme „P“, Anfang August 2015 innerhalb von 7 Tagen ihre Projektteilnahmevereinbarung bei der belangten Behörde vorgelegt. Damit sei sie überzeugt gewesen, ihrer Anzeigepflicht nach § 35 Oö. BMSG mit bestem Wissen und Gewissen nachgekommen zu sein. Der Mindestsicherungsbehörde seien die grundlegenden finanziellen Bedingungen für Teilnehmerinnen (AMS-Bezug, Schulungsgeld und BMS-Bezug) bei Projekt­teilnahme bei „P“ durch die enge Zusammenarbeit mit den Sozialbetreuerinnen dieses Projektes als Maßnahme für die Zielgruppe BMS-Bezieher und durch die ständige Zusammenarbeit mit dem AMS sicher geläufig.

 

Zum Zeitpunkt des Projekteinstieges sei ihr nicht einmal bewusst gewesen, dass sich an ihrer Einkommenssituation etwas verändern würde. Eine Bezugsbestä­tigung des AMS sei möglicherweise in ihrer Überforderung untergegangen. Dass sie in der Projektlaufzeit ihr Leben finanziell plötzlich besser bestreiten habe können, führe sie über viele Monate nicht auf das erhöhte Einkommen zurück, das sie zahlenmäßig beachtet habe, sie sei in gutem Glauben gewesen, die fach­lich geschulten Mitarbeiterinnen der BMS-Behörde hätten ihre vom Land Ober­österreich vorgesehene Zusammenarbeit mit dem AMS wahrgenommen und alles richtig berechnet.

 

Ihrer Ansicht nach sei bei der Rückforderung laut Bescheid dem § 2 Abs. 1, der Bedachtnahme auf besondere Umstände des Einzelfalles sowie dem § 3 Oö. BMSG, dem Verlassen auf die fachliche Kompetenz der Behörde, sowie deren Zusammenarbeit mit dem AMS nicht ausreichend Beachtung geschenkt worden. Entgegen der Bescheidbegründung sei von ihr die Anzeigepflicht gemäß § 35 Oö. BMSG sehr wohl im Rahmen ihrer Fähigkeiten (die der Behörde bekannt seien) wahrgenommen worden. Außerdem wolle sie anfügen, dass im Falle einer Rückforderung die Punkte I und II nach § 35 Oö. BMSG in besonderem Maße er­füllt seien, da sie alleinerziehend und nun in Ausbildung sei und bereits zahl­reiche andere Schulden, die durch ihre persönliche Problematik entstanden seien, zu bewältigen habe. Durch die Einforderung eines allfälligen Überbezuges be­stehe die Gefahr, dass der Erfolg für die genannten Maßnahmen der bedarfs­orientierten Mindestsicherung durch Perspektivenlosigkeit gefährdet sei.

 

Sie stelle den Antrag, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge den angefochtenen Bescheid aufheben und dahingehend abändern, dass auf die Rückerstattung eines allfälligen Überbezuges der bedarfsorientierten Mindest­sicherung im Zeitraum von 3.8.2015 bis 25.8.2016 verzichtet werde. Ferner beantrage sie, ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

 

I.3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich beraumte daraufhin für
2.12.2016 eine öffentliche mündliche Verhandlung an, zu welcher sowohl die Beschwerdeführerin, als auch zwei Vertreterinnen der belangten Behörde und die von der Beschwerdeführerin stellig gemachte Zeugin C P erschienen sind. Mit der Beschwerdeführerin und ihrer nunmehrigen Rechtsvertreterin sowie den Ver­treterinnen der belangten Behörde wurde die Sach- und Rechtslage umfassend erörtert. Ferner erfolgte eine Vernehmung der Beschwerdeführerin sowie der von ihr stellig gemachten Zeugin C P.

 

I.4. Mit Stellungnahme vom 19.12.2016 brachte der S vor, dass zu berück­sichtigen sei, dass die Beschwerdeführerin nicht auf ihr Konto gesehen habe. In diesem Zusammenhang sei fraglich, ob sie das Geld monatlich verbraucht habe oder ob sie zu einem späteren Zeitpunkt einen größeren Geldbetrag auf einmal abgehoben habe. Ferner sei zu beachten, dass die Beschwerdeführerin ein Auto erworben habe um zur Berufsschule zu fahren. Diese befinde sich in L und sei auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut zu erreichen. Diese Umstände seien bei der Entscheidung zu berücksichtigen.

 

 


 

II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

II.1. Die Beschwerdeführerin ist am x geboren und wohnt gemeinsam mit ihrem minderjährigen Sohn, P S, geb. x, in E, x.

 

Die Beschwerdeführerin bezieht bedarfsorientierte Mindestsicherung. Zuletzt wurde ihr mit Bescheid vom 16.10.2015, GZ: BHGM-2015, 18298/35-ZW, auf Grund ihres Antrages vom 27.4.2012 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunter­haltes und des Wohnbedarfs für sich und ihren minderjährigen Sohn ab 1.9.2015 Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs in Form von laufenden monatlichen Geldzahlungen zuerkannt.

 

Für sie selbst wurde ihr der Mindeststandard für Personen, die alleinerziehend sind gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 Oö. BMSV zuerkannt. Für ihren mj. Sohn P S, geb. x, wurde ihr der Mindeststandard für unterhaltsberechtigte minderjährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, gemäß § 1 Abs. 1 Z 5 lit. a Oö. BMSV zuerkannt. Als eigene Mittel wurden für sie selbst Arbeitslosengeld und für ihren Sohn Kindesunterhalt des Kindesvaters angerechnet. Sie habe Kindesunterhaltsansprüche für ihren Sohn geltend zu machen und der Behörde Änderungen umgehend vorzulegen. Diese Leistung werde gemäß § 7 Abs. 2 Z 4 Oö. BMSG unter der Voraussetzung zuerkannt, dass gemäß § 35 Oö. BMSG der Hilfeempfänger (deren gesetzliche Vertreter) jede Änderung der für die Hilfeleistung maßgeblichen Umstände, insbesondere Änderungen der Vermögens-, Einkommens-, Familien- oder Wohn­verhältnisse, Aufenthalte in Kranken- oder Kuranstalten sowie maßgebliche Umstände (Dauer einer Freiheitsstrafe, Dauer eines Aufenthaltes außerhalb von Oberösterreich) unverzüglich nach deren Eintritt oder Bekanntwerden, längstens aber binnen zwei Wochen bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde anzu­zeigen habe. Zu Unrecht empfangene Hilfe sei grundsätzlich zurückzuerstatten.

 

Begründend führte die belangte Behörde in diesem Bescheid aus, dass auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt feststehe: Sie wohne mit ihrem Sohn P an der angegebenen Adresse und bezahle 368,59 Euro an Mietkosten und beziehe Wohnbeihilfe in Höhe von 210 Euro. Vom AMS erhalte sie Arbeitslosengeld in Höhe von 6,02 Euro. Laut Beschluss des Bezirksgerichtes Bad Ischl sei der Kindesunterhalt ab Juli 2015 auf 100 Euro herabgesetzt worden.

 

Sie sei mit 24.8.2015 beim Projekt „P“ für die Dauer von ca. einem Jahr aufgenommen worden.

 

Sie befinde sich auf Grund der im Berechnungsblatt dargestellten Einkommens­situation in einer sozialen Notlage. Die Leistung sei daher unter der Maßnahme, dass die Vorgaben der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, sowie vom Projekt „P“ eingehalten würden, zu gewähren, da ansonsten eine 50%-Kürzung bzw. Ein­stellung der Leistung erfolgen könne.

 

II.2. Die Beschwerdeführerin befindet sich seit 24.8.2015 in Betreuung der Ein­richtung „P“, S G E, x, E.

 

Abgesehen vom Beginn der Teilnahme vom 24.8.2014 wurde eine Probezeit von zwei Monaten vereinbart. Darüber hinaus wurde die Weisungsgebundenheit gegenüber den Schlüsselkräften des „P“-Teams festgelegt. Die Dauer der Projektteilnahme ist im Normalfall auf zwölf Monate befristet. 25 Tage Er­holungsurlaub wurden vereinbart, sowie die wöchentliche Arbeitszeit mit 38,5 Stunden, wobei auch die Arbeits- und Pausenzeiten festgelegt wurden. Außerdem wurde die Meldung von Krankenständen geregelt. Ferner wurden Rahmenbedingungen für die Gartenarbeit, entsprechende Arbeitskleidung, Schutzkleidung, Wechselkleidung, etc. sowie die Verwendung von Arbeits­materialien und Werkzeug festgelegt.

 

II.3. In der Einrichtung „P“ wird die Beschwerdeführerin von der Zeugin C P betreut. Im Zeitpunkt der Unterfertigung der Betreuungsvereinbarung im August 2015 befand sich die Zeugin in Bildungskarenz. In dieser Zeit wurde sie von J N vertreten. J N hat die Betreuungsvereinbarung mit E-Mail vom 13.8.2015, 10:20 Uhr, an die belangte Behörde übermittelt.

 

Diese E-Mail hatte nachfolgendes Begleitschreiben zum Inhalt:

 

„Ich übermittle die Zusage der Aufnahme von A S bei uns ab 24.8.2015. Frau S kommt bis dato pünktlich und zeigt sich engagiert. Wir sind zuversichtlich, dass sie die Aufnahme als Chance sieht.“

 

Der belangten Behörde war daher seit 13.8.2015 der Eintritt der Beschwerde­führerin in die Betreuung bei „P“ bekannt. Dies zeigt sich auch darin, dass die belangte Behörde in ihrem Bescheid vom 16.10.2015 auf die Aufnahme der Beschwerdeführerin in diese Betreuungseinrichtung Bezug nimmt.

 

II.4. Am 27.8.2015 um 11:30 Uhr übermittelte J N die unterfertigte Projekt­teilnahmevereinbarung der Beschwerdeführerin. Diese E-Mail hatte nach­folgenden Begleittext:

 

„Anbei sende ich wie besprochen die Projektteilnahmevereinbarung von S A. Sie wird diese beim nächsten Termin im September zu Ihnen mitbringen und freut sich im Projekt zu sein. [...]“

 

Bereits davor wurde die belangte Behörde mit E-Mail vom 3.8.2015, 12:04 Uhr, wie folgt informiert:

 

„Frau S A ist heute wie vereinbart zum Schnupperpraktikum erschienen! Wir melden uns wieder, hoffentlich mit einer Aufnahme-Zusage nach unserer Teamsitzung nächste Woche!“

 

II.5. Die belangte Behörde war daher spätestens seit 27.8.2015 in Kenntnis davon, dass die Beschwerdeführerin in die Einrichtung „P“ aufgenommen wurde.

 

Das B S-P wird im Auftrag des L O tätig. Partner des B ist das A O.

 

II.6. Die Behörde hat nach Erhalt der Betreuungsvereinbarung am 27.8.2015 den zu II.1. dargestellten Bescheid erlassen.

 

Weitere Erhebungen dazu, inwiefern sich die Einkommensverhältnisse der Beschwerdeführerin durch die Aufnahme in das Projekt „P“ änderten, hat die belangte Behörde nicht getätigt.

 

Die belangte Behörde hat weder eine Anfrage an „P“ gerichtet, inwiefern die Beschwerdeführerin ein Einkommen erzielt bzw. in welcher Höhe; auch Erhebungen beim Partner der Einrichtung, dem AMS, erfolgten nicht. Auch die Beschwerdeführerin selbst wurde nicht dazu aufgefordert, ergänzende Unter­lagen zur Betreuungsvereinbarung – insbesondere im Hinblick auf ihre Einkom­mensverhältnisse (AMS-Bezüge, etc.) – vorzulegen.

 

II.7. Die Beschwerdeführerin wuchs in schwierigen sozialen Verhältnissen auf. Im Alter von drei Jahren ließen sich ihre Eltern scheiden. Die Beschwerdeführerin wohnte daraufhin bei ihrer Mutter, die selbst sowohl mit der Scheidung als auch mit ihren Lebensverhältnissen überfordert war. Die Beschwerdeführerin musste bereits als Kleinkind erleben, dass ihre Mutter mehrmals Suizidversuche vor­nahm. Die Kindesmutter war nicht dazu in der Lage, ihren eigenen Alltag zu bewältigen, sodass die Beschwerdeführerin nicht die Chance hatte, die Regelung des Alltages von ihrer Mutter zu lernen. Die Beschwerdeführerin konnte auf Grund ihrer Lebensumstände nicht erlernen, ihren Alltag zu strukturieren, Termine zu koordinieren und wahrzunehmen, Poststücke zu lesen und darauf entsprechend zu reagieren; ebenso erlernte sie keinerlei Umgang mit Geld, dieses einzuteilen und nach ihren finanziellen Möglichkeiten einzusetzen. Im Alter von 16 Jahren wurde die Beschwerdeführerin schwanger und verließ daraufhin die Wohnung der Mutter und lebte seither mit ihrem Sohn, P, geb. x, alleine. Sie lebt vom Kindesvater getrennt und bezieht Unterhalt des Kindesvaters für ihren Sohn.

 

Seit ihrer Aufnahme im Projekt „P“ haben sich die Lebensumstände der Beschwerdeführerin bedeutsam verbessert. Insbesondere erlernte sie die Struk­turierung ihres Alltages, die Führung eines Kalenders und die Wahrnehmung von Terminen. Im Hinblick auf die Bearbeitung der an sie gelangenden Poststücke bedarf sie weiterhin der Unterstützung und Koordinierung in der Betreuungs­einrichtung. Die Beschwerdeführerin wird diesbezüglich von der Zeugin C P betreut.

 

Seit ihrer Aufnahme bei „P“ hat die Beschwerdeführerin bedeutende Fortschritte gemacht. Insbesondere hat sie all jene Defizite bereits umfangreich aufholen können, die zuvor noch bestanden. Bei einem Scheitern des Projektes „P“ wären für die Beschwerdeführerin deutliche Rückschritte und ein Rückfall in alte Verhaltensmuster zu befürchten. Dies hätte wiederum auch Konsequenzen für ihren Sohn.

 

Dass die Beschwerdeführerin im Projekt „P“ überaus erfolgreich ist, zeigt sich darin, dass sie mittlerweile eine Lehrstelle als Landschaftsgärtnerin antreten konnte.

 

II.8. Mit E-Mail vom 7.9.2016, 15:40 Uhr, übermittelte die Betreuerin C P ein Schreiben mit nachfolgendem Inhalt an die belangte Behörde:

 

„Anbei sende ich den Abschlussbericht von Frau S A, die mit 1. September bei P die Lehre zur Landschaftsgärtnerin begonnen hat. Eine wirklich schöne Geschichte, wenn ein junger Mensch eine Chance so voller Freude ergreift!“

 

Der Teilnahmebericht hatte nachfolgenden Inhalt:

 

„Erstes Quartal

A konnte sich ohne Probleme in die Teilnehmergruppe integrieren, auch der Beziehungs­aufbau zum Betreuerinnen-Team fiel ihr leicht. A hat sehr gute soziale Kompetenzen, sie ist ein sehr angenehmes, wertvolles und allerseits geschätztes Gruppenmitglied. Vom ersten Tag ihrer Projektteilnahme an ist A sehr zuverlässig. Sowohl was ihre Arbeits­einstellung und ihre Arbeitsleistung betreffen, als auch im Hinblick auf das Einhalten von geltenden Regeln (Bringen von Bestätigungen, etc.). A wirkt psychisch stabil, was sich mit ihrer Eigenwahrnehmung und der Einschätzung des Therapeuten deckt.

Zweites Quartal

A ist hochkreativ, ideenreich, fleißig, ausdauernd und handwerklich sehr geschickt. Kritische Reflexionen ihrer Arbeit kann sie gut annehmen und ist bemüht Verbesserungen umzusetzen. Ihr schusseliges, temperamentvolles Verhalten ist als Persönlichkeits­ausdruck zu verstehen, es mindert ihre Arbeitsleistung nicht, erschwert ihr aber natürlich so manche gesellschaftliche Anforderungen. Die hohe Arbeitsmotivation ist für alle Betei­ligten eine Freude, ebenso ihr Sozialverhalten innerhalb der Gruppe. Auch in den Winter­monaten arbeitet A sehr gerne im Freien, sie liebt die körperliche Betätigung. Die kreativen Arbeiten in der Werkstatt kann sie auch genießen, noch mehr aber entspricht ihr das gärtnerische Arbeitsfeld.

Drittes Quartal

A ist sehr interessiert und fleißig bei der Vermehrung und Anzucht im Glashaus. Sie zeigt nach wie vor großes Interesse an jedem Arbeitsbereich eines Gärtners. Reflexionsthemen sind: Kindererziehung (ihr Sohn hat im Herbst Schulbeginn), Umgang mit emotional herausfordernden Themen, Zukunftsperspektiven. Im April hat A während der Arbeit einen Krampfanfall. Es folgt die neurologische Abklärung. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies ein erstmaliges Geschehen war ist hoch, da es sich um einen, durch diverse Um­stände (Schlafmangel, Stress, geringe Nahrungsaufnahme) provozierten Anfall gehandelt hat. Vorerst, für drei Monate, ist erhöhte Vorsicht geboten, das heißt, A darf in dieser Zeit nicht mit Maschinen - und nicht alleine auf einer Baustelle arbeiten.

Viertes Quartal

Gott sei Dank hatte A keinen Krampfanfall mehr, sie ist voller Freude wieder unein­geschränkt an Maschinen einsetzbar. Ein Thema, das erst jetzt bei uns zu Tage getreten ist, nachdem die Betreuung durch das Jugendamt im Herbst vorigen Jahres ausgelaufen ist, würde ich als Strukturierung, Organisation des Haushalts bezeichnen. Wir arbeiten mit A daran. Es gelingt, die Möglichkeiten der Kinderbetreuung so zu organisieren, dass A die Lehre zur Landschaftsgärtnerin anvisieren kann. Von Seiten des Landes , sowie vom AMS wird dieses Ziel unterstützt und somit kann A mit 01.09.2016 die Lehre bei P antreten!

Ergebnis

A begann ihre Projektzeit im Gartenbau mit dem Ziel das Berufsfeld des Landschafts­gärtners kennen zu lernen und die persönliche Eignung dafür zu erproben. Vom ersten Tag an ist sie mit höchster Motivation bei der Sache, zuverlässig und fleißig. Steigen die Emotionen, oder gibt es Schwierigkeiten im Alltag mit dem Sohn, nimmt sie Unter­stützung durch die P-Sozialbetreuung gerne an und setzt sie nach besten Kräften um. Das Gefühl, nun endlich „ihre Berufung“ gefunden zu haben, samt den positiven Rück­meldungen durch die P-Gärtner, unterstützen sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Stabilisierung. Auf Grund der offensichtlichen Eignung für das Berufsfeld sowie der Zweifel, ob A einem regulären Lehrverhältnis am freien Markt gewachsen ist (Mehrfach­belastung durch Kindererziehung und Ausbildung, bei vorhandenen psychosozialen Problematiken), wurde die Idee geboren sie im Rahmen von P auszubilden. P kann auf diese Umstände situativ flexibel eingehen und A, neben der weiterlaufenden psycho­sozialen Betreuung, eine existenzsichernde Ausbildung in einem geschützten Bereich anbieten. Dauer der Stiftungsvereinbarung: 2 Jahre. Im Laufe der Ausbildungszeit gehen wir von einer Stabilisierung des familiären Feldes aus, P ist dann in der Volksschule integriert und A kann den erlernten Beruf zur Existenzsicherung der Familie ausüben. Wir wünschen A alles Gute und freuen uns auf die Zusammenarbeit!“

 

Die belangte Behörde hatte Kenntnis von der beruflichen Entwicklung der Beschwerdeführerin.

 

II.9. Mit Schreiben vom 25.8.2016 beantragte der S G den Rückersatz eines Betrages in Höhe von 7009,92 Euro. In der Zeit von 27.4.2012 bis 31.8.2016 seien insgesamt 31.768,50 Euro an Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs geleistet worden, wovon im Zeitraum von 3.8.2015 bis 1.9.2016 ein Betrag in Höhe von 7.009,92 Euro zu Unrecht bezogen worden sei.

 

Am 29.9.2016 sprach daraufhin die Beschwerdeführerin gemeinsam mit dem Projektleiter von „P“, DI V P, bei der belangten Behörde vor und ersuchte, von der Rückzahlung des entstandenen Überbezuges abzusehen.

 

In der Folge wurde der nunmehr angefochtene Bescheid vom 14.9.2016 erlassen.

 

 

III. Beweiswürdigung:

 

III.1. Die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin gehen aus dem Akt der belangten Behörde hervor. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin ihre Lebensgeschichte in der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht glaubwürdig und nachvollziehbar geschildert. Diese wurde auch von der Zeugin C P bestätigt und von der belangten Behörde nicht bestritten.

 

III.2. Das Einlangen der Betreuungsvereinbarung der Einrichtung „P“ bei der belangten Behörde ergibt sich ebenfalls aus dem Akteninhalt. Aus der
E-Mail-Korrespondenz zwischen der Einrichtung „P“ und der belangten Behörde ergibt sich, dass diese erstmalig am 3.8.2015 über die geplante Betreuung informiert wurde. Die endgültige Betreuungsvereinbarung wurde von „P“ vom 27.8.2015 an die belangte Behörde übermittelt.

 

Die Beschwerdeführerin hat auch persönlich in derselben Woche der Unter­fertigung der Betreuungsvereinbarung diese bei der belangten Behörde abge­geben. Die belangte Behörde ist seit 27.8.2015 in Kenntnis dieser Betreuungs­vereinbarung. Dass diese Betreuungsvereinbarung bei der belangten Behörde vorgelegt wurde, wird auch von der belangten Behörde selbst zugestanden.

 

Dass weitergehende Aufforderungen an die Beschwerdeführerin ergangen sind, diese Betreuungsvereinbarung zu ergänzen, weitergehende Unterlagen über ihr nunmehriges Einkommen, AMS-Auszahlungen, vorzulegen, nicht erfolgt sind, ergibt sich ebenfalls aus dem Akteninhalt. Auch von der belangten Behörde wurde ausgeführt, dass derartige Verbesserungsaufträge, Parteiengehör, etc. nicht erfolgt sind. Die belangte Behörde führte dazu außerdem aus, dass in den vorangegangenen Bescheiden und Niederschriften die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen worden sei, dass sie sämtliche Änderungen ihrer Lebensverhält­nisse, Einkommens- und Vermögensverhältnisse, etc. bekannt zu geben habe. Aus diesem Grund sei kein weiterer Verbesserungsauftrag an die Beschwerde­führerin ergangen.

 

Die Beschwerdeführerin war der Meinung, durch Abgabe der Betreuungs­vereinbarung ihrer Meldepflicht nachgekommen zu sein.

 

III.3. Der positive Verlauf der Betreuung bei „P“ ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, insbesondere aus den Berichten und Beurteilungen von „P“. Daraus geht auch hervor, dass die Betreuung der Beschwerdeführerin sehr erfolgreich war und die Beschwerdeführerin auf einem äußerst positiven Weg zur Verbesserung ihrer Lebensumstände und ihrer beruflichen Zukunft ist. Nachvoll­ziehbar und schlüssig hat sich ergeben, dass die Beschwerdeführerin seit ihrer Betreuung durch „P“ besser in der Lage ist, ihren Alltag zu gestalten, Termine zu koordinieren und wahrzunehmen, Verpflichtungen nachzukommen, sowie eine Ausbildung zu absolvieren.

 

 

IV. Rechtslage

 

„§ 35 - und Rückerstattungspflicht

 

(1) Hilfeempfänger (deren gesetzliche Vertreter) haben jede ihnen bekannte Änderung der für die Hilfeleistung maßgeblichen Umstände, insbesondere Änderungen der Ver­mögens-, Einkommens-, Familien- oder Wohnverhältnisse, Aufenthalte in Kranken- oder Kuranstalten sowie maßgebliche Umstände im Sinn des § 16, unverzüglich nach deren Eintritt oder Bekanntwerden, längstens aber binnen zwei Wochen bei jener Bezirks­verwaltungsbehörde anzuzeigen, in deren Zuständigkeitsbereich sie ihren Hauptwohnsitz, in Ermangelung eines solchen ihren Aufenthalt, haben.

(2) Hilfebedürftige oder deren gesetzliche Vertreter, denen bedarfsorientierte Mindest­sicherung

1. gemäß § 22 Abs. 5 oder

2. wegen Verletzung der Anzeigepflicht nach Abs. 1 oder

3. wegen bewusst unwahrer Angaben oder bewusster Verschweigung wesentlicher Tat­sachen

zu Unrecht zugekommen ist, haben diese rückzuerstatten oder dafür angemessenen Ersatz zu leisten. Rückerstattungspflichten wegen bewusst unwahrer Angaben oder bewusster Verschweigung wesentlicher Tatsachen unterliegen nicht der Verjährung.

(3) Der Träger bedarfsorientierter Mindestsicherung, der Hilfe geleistet hat, kann - sofern sein Anspruch nicht ohnehin anerkannt wird - über die Rückerstattung einen Vergleichs­versuch mit der oder dem Ersatzpflichtigen vornehmen. Einem Vergleich über die Rück­erstattung kommt, wenn er von der Behörde beurkundet wird, die Wirkung eines gericht­lichen Vergleichs (§ 1 Z 15 Exekutionsordnung) zu.

(4) Wird ein Vergleichsversuch nicht unternommen oder kommt ein Vergleich im Sinn des Abs. 3 nicht zustande, ist auf Antrag des Trägers der bedarfsorientierten Mindestsiche­rung über die Rückerstattung von der Behörde mit schriftlichem Bescheid abzusprechen. Dabei kann auch ausgesprochen werden, dass die Rückerstattung in Form einer Kürzung der laufenden Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung im Ausmaß von bis zu 50 % erfolgt, wobei die Deckung des Wohnbedarfs der rückerstattungspflichtigen Person sowie des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs der mit ihr in Haushaltsgemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Personen nicht gefährdet werden darf.

(5) Die Rückerstattung kann in angemessenen Teilbeträgen bewilligt werden, wenn sie auf andere Weise nicht möglich oder der rückerstattungspflichtigen Person nicht zumut­bar ist.

(6) Die Rückerstattung kann teilweise oder gänzlich nachgesehen werden, wenn

1. durch sie der Erfolg bedarfsorientierter Mindestsicherung gefährdet wird,

2. sie zu besonderen Härten für die rückerstattungspflichtige Person führt oder

3. das Verfahren mit einem Aufwand verbunden ist, der in keinem Verhältnis zu der zu Unrecht in Anspruch genommenen bedarfsorientierten Mindestsicherung steht.

(7) Empfängerinnen und Empfänger bedarfsorientierter Mindestsicherung (deren gesetz­liche Vertreter) sind anlässlich der Hilfeleistung nachweislich auf die Pflichten nach Abs. 1 und 2 hinzuweisen.

(8) Eine Rückerstattungspflicht besteht auch für Überbezüge im Sinn des § 13 Abs. 6, deren Abrechnung auf Grund der Einstellung der Leistung oder auf Grund der Wertgrenze nicht durch Einbehaltung von Leistungsbestandteilen durchgeführt werden kann.“

 

 

V. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hiezu erwogen:

 

V.1. Wesentliche Frage ist gegenständlich, ob die Beschwerdeführerin ihrer An­zeigepflicht gemäß § 35 Abs. 1 Oö. BMSG nachgekommen ist oder nicht und inwiefern sie daran anknüpfend zur Rückerstattung der bezogenen Mindest­sicherung bzw. eines Übergenusses verpflichtet ist.

 

V.2. § 35 Abs. 1 Oö. BMSG normiert, dass der Hilfeempfänger jede ihm be­kannte Änderung der für die Hilfeleistung maßgebenden Umstände, insbesondere Änderungen der Vermögens-, Einkommens-, Familien- oder Wohnverhältnisse [...] unverzüglich nach deren Eintritt oder Bekanntwerden, längstens aber binnen zwei Wochen bei jener Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen hat, in deren Zuständigkeitsbereich er seinen Hauptwohnsitz [...] hat.

 

Fest steht, dass die Beschwerdeführerin in der Woche des Abschlusses der Betreuungsvereinbarung mit „P“ diese persönlich bei der belangten Behörde abgegeben hat.

 

Selbst dann, wenn man davon ausgehen wollte, dass die Beschwerdeführerin diese Betreuungsvereinbarung nicht persönlich bei der belangten Behörde abge­geben hat, so erlangte die belangte Behörde dennoch Kenntnis von der Betreu­ungsvereinbarung. Die persönliche Betreuerin der Beschwerdeführerin bei der Betreuungseinrichtung hat die belangte Behörde über den Abschluss dieser Betreuungsvereinbarung informiert. Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass bereits im Vorfeld der Betreuungsvereinbarung die belangte Behörde auf deren Zustan­dekommen hingewiesen wurde bzw. darüber informiert wurde. Schon mit E-Mail vom 3.8.2015 erlangte die belangte Behörde von der Entwicklung der Betreu­ungsvereinbarung, insbesondere einem Schnuppertraining der Beschwerde­führerin, Kenntnis. In weiterer Folge wurde die belangte Behörde laufend von der Betreuungseinrichtung über den Fortgang der Betreuung informiert. Die vollstän­dige Betreuungsvereinbarung wurde unterfertigt von der Beschwerdeführerin und der Betreuungsvereinbarung der belangten Behörde am 27.8.2015 vorgelegt.

 

In welcher Weise die belangte Behörde auf diese Betreuungsvereinbarung reagiert hat, ist aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich. Vielmehr muss davon aus­gegangen werden, dass die Betreuungsvereinbarung zwar in den Akt eingelegt wurde, aber keine weiteren Ermittlungen durch die belangte Behörde erfolgt sind. Insbesondere wurde die Beschwerdeführerin nicht darauf hingewiesen, dass diese Betreuungsvereinbarung allenfalls unvollständig sein könnte bzw. Nach­weise darüber, welches Einkommen sie im Rahmen der Betreuung erhält, zu erbringen habe. Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin diesbezüglich keinen Verbesserungsauftrag erteilt. Auch eigenständige Ermittlungen der belangten Behörde – z.B. Anfragen an das AMS – sind nicht erfolgt.

 

Allenfalls wäre aber sehr wohl davon auszugehen, dass unvollständige Urkunden­vorlagen im Rahmen eines Verbesserungsauftrages vervollständigt werden. Die belangte Behörde führt selbst in ihrem angefochtenen Bescheid aus, dass der von ihr erhobene Sachverhalt auf Grund eines Ermittlungsverfahrens feststehe. Tatsächlich hat sich aber ergeben, dass außer einer Zurkenntnisnahme der Betreuungsvereinbarung keine weiteren Ermittlungen stattgefunden haben.

 

Am 16.10.2015 wurde der Beschwerdeführerin weiterhin bedarfsorientierte Mindestsicherung gewährt; dies in Kenntnis der vorliegenden Betreuungs­vereinbarung mit „P“, ohne allenfalls zu erheben, inwiefern sich durch die Betreuungsvereinbarung die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin verändert haben. In diesem Bescheid wird außerdem ausgeführt, dass die Gewährung der bedarfsorientierten Mindestsicherung unter der Voraussetzung erfolgt, dass die Beschwerdeführerin die Vorgaben von „P“ einhält.

 

V.3. Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich in der Vergangenheit bereits mit einer Rückerstattungspflicht nach der im Wesentlichen wortgleichen Bestimmung im Kärntner Mindestsicherungsgesetzt auseinanderzusetzen. In diesem Verfahren führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14.6.2012, 2012/08/10/0027, Nachfolgendes aus:

 

„Festgehalten wird, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, dass für die Beurteilung der Pflicht zur Rückerstattung empfangener Sozialhilfeleistungen ab Inkrafttreten des KMSG, die dort normierten Regelungen des § 59 Abs. 3 und 4 KMSG maßgeblich sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27.3.2012, Zl. 2010/10/0170). Voraus­setzung einer Rückerstattungspflicht gemäß § 59 Abs. 3 leg. cit. ist, dass wegen Ver­letzung der Anzeigepflicht zu Unrecht Leistungen in Anspruch genommen wurden. Nach den Behauptungen in der vorliegenden Beschwerde hat der Beschwerdeführer Leistungen des deutschen Rentenversicherers erst ab dem 9.7.2007 erhalten. Gemäß § 59 Abs. 2 KMSG hat die Anzeige binnen 4 Wochen zu erfolgen. Da der Beschwerdeführer laut Ausweis der Verwaltungsakten die belangte Behörde am 6.4.2007 telefonisch verstän­digte, könnte in diesem Fall nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerde­führer in der Zeit von 1.5.2006 bis 30.4.2007 Leistungen der Sozialhilfe im Sinne des § 59 Abs. 3 KMSG 1996 zu Unrecht bezogen hätte; eine Verpflichtung zum Ersatz auf gewendeter Sozialhilfekosten könnte diesfalls nicht auf § 59 Abs. 3 leg. cit. gestützt werden.“

 

V.4. Auch im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin eine Verstän­digung an die belangte Behörde erstattet. Während der Verwaltungsgerichtshof in der oben zitierten Entscheidung sogar eine telefonische Bekanntgabe als aus­reichend erachtet hat, wurde im vorliegenden Fall die belangte Behörde über sämtliche Schritte der Betreuung bei „P“ stets informiert.

 

Ob diese Information nun durch die Beschwerdeführerin selbst oder für die Be­schwerdeführerin durch die Betreuungseinrichtung erfolgt ist, kann dahingestellt bleiben. Unerheblich ist auch, ob die Beschwerdeführerin die erhaltenen Zahlungen über den Verlauf einer gewissen Zeitspanne verbraucht hat, oder ein KFZ angeschafft hat. Auch eine laufende Information durch die Betreuungs­einrichtung stellt jedenfalls eine Anzeige im Sinne des § 35 Abs. 1 Oö. BMSG dar.

 

Eine Verletzung der Anzeigepflicht durch die Beschwerdeführerin ist insofern nicht erfolgt. Eine Verpflichtung zur Rückerstattung zu Unrecht bezogener Mindestsicherungsleistungen besteht daher ebenfalls nicht bzw. kann nicht auf § 35 Abs. 1 und 2 Oö. BMSG gestützt werden.

 

V.5. Darüber hinaus besteht die vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit, von der Rückerstattung Abstand zu nehmen:

 

Gemäß § 35 Abs. 6 Oö. BMSG kann die Rückerstattung teilweise oder gänzlich nachgesehen werden, wenn erstens durch sie der Erfolg bedarfsorientierter Mindestsicherung gefährdet wird, zweitens sie zu besonderen Härten für die rückerstattungspflichtige Person führt oder drittens das Verfahren mit einem Aufwand verbunden ist, der in keinem Verhältnis zu der zu Unrecht in Anspruch genommenen bedarfsorientierten Mindestsicherung steht.

 

Die Beschwerdeführerin konnte durch die Betreuung in der Einrichtung „P“ ihre Lebensumstände deutlich verbessern. Nicht nur erlernte sie durch die Betreuung bei „P“ die Organisation und Strukturierung des Alltages, Koordinierung und Wahrnehmung von Terminen, entsprechendes Reagieren auf behördliche Schrift­stücke, vielmehr war es der Beschwerdeführerin auch möglich, einen Ausbil­dungsplatz zu finden und absolviert sie nun eine Lehre zur Landschaftsgärtnerin. Das Beispiel der Beschwerdeführerin zeigt insofern deutlich und anschaulich, welche Erfolge im Rahmen der bedarfsorientierten Mindestsicherung erzielt werden können. Wenngleich dem erkennenden Gericht durchaus bewusst ist, dass in vielen anderen Fällen keine vergleichbaren Ergebnisse erzielt werden (können), so zeigt die Entwicklung der Beschwerdeführerin, dass in ihrem Fall gerade die Ziele der bedarfsorientierten Mindestsicherung erreicht wurden.

 

Die positive Entwicklung der Beschwerdeführerin spiegelt sich auch in den im Akt befindlichen Beurteilungen und Berichten der Betreuungseinrichtung wieder, welche der belangten Behörde ebenfalls übermittelt wurden und dieser daher bekannt sind.

 

Die Voraussetzungen der Nachsicht von der Rückerstattung im Sinne von § 35 Abs. 6 Z 1 Oö. BMSG sind insofern erfüllt.

 

Darüber hinaus zeigen auch die Lebensumstände der Beschwerdeführerin, dass die Rückforderung der bedarfsorientierten Mindestsicherung für sie zu einer besonderen Härte führen würde. Nicht nur ist die Beschwerdeführerin durch die bedarfsorientierte Mindestsicherung und die Betreuung bei „P“ nunmehr in der Lage, ihre Lebenssituation deutlich zu verbessern, ihr wird auch die Chance geboten, einen Beruf zu erlernen und eine Ausbildung abzuschließen sowie eigenes Einkommen zu erzielen. Nach erfolgreicher Beendigung der Berufs­ausbildung kann auch davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin in der Lage sein wird, ohne bedarfsorientierte Mindestsicherung auszukommen und selbst für ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Nicht übersehen werden darf, dass die positive Entwicklung der Lebensumstände der Beschwerdeführerin auch Einfluss auf das Leben ihres minderjährigen Sohnes hat.

 

Letztendlich ist noch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin die Betreuungsvereinbarung bei „P“ der belangten Behörde vorgelegt hat bzw. die belangte Behörde von „P“ laufend über den Fortgang der Betreuung informiert wurde und daher zumindest dem Grunde nach in Kenntnis über die geänderten Lebensumstände der Beschwerdeführerin war.

 

Selbst dann, wenn man davon ausgehen wollte, dass die Beschwerdeführerin auch der Höhe nach ihre geänderten Lebensumstände nachweisen hätte müssen, so hat doch auch die belangte Behörde einen nicht unwesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass die Beschwerdeführerin trotz bekannter geänderter Lebensver­hältnisse weiterhin unverändert bedarfsorientierte Mindestsicherung bezogen hat.

 

Außerdem hat auch die Zeugin P in ihrer Vernehmung anschaulich ausgesagt:

„Wenn man bedenkt, dass 7.000 Euro zurückzuzahlen sind, da würde mich als Normal­bürgerin fast der Schlag treffen. Ich hoffe auch nicht, dass in diesem Fall Frau S dann das Projekt „P“ ‚schmeißen würde‘.“

 

Gemäß § 35 Abs. 6 Z 2 Oö. BMSG würde daher die Rückerstattung für die Beschwerdeführerin zu einer besonderen Härte führen.

 

Darüber hinaus würde auch das Verfahren mit einem Aufwand verbunden sein, der in keinem Verhältnis zu der zu Unrecht in Anspruch genommenen bedarfs­orientierten Mindestsicherung steht. Die Einbringlichmachung wäre mit einem hohen administrativen Aufwand sowie mit monatlichen Rückzahlungsbeträgen von maximal 50 Euro über mehrere Jahre durchzuführen; dies allerdings nur für den Fall, dass man von zu Unrecht in Anspruch genommener bedarfsorientierter Mindestsicherung ausgeht.

 

V.6. Gegenständlich steht fest, dass die Beschwerdeführerin ihre Anzeigepflicht gemäß § 35 Abs. 1 Oö. BMSG nicht verletzt hat bzw. von der belangten Behörde ein Verbesserungsauftrag zu erteilen gewesen wäre. Mangels Vorliegen der Voraussetzungen besteht daher die Rückerstattungspflicht der Beschwerde­führerin nicht. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass eine Rückerstat­tungsverpflichtung bestehen sollte, ist der Beschwerdeführerin die Verpflichtung zur Rückerstattung gemäß § 35 Abs. 6 Oö. BMSG zur Gänze nachzusehen.

 

V.7. Im Ergebnis war daher spruchgemäß zu entscheiden, der Beschwerde Folge zu geben und der angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom 14.9.2016, GZ: BHGMSO-2015-18298/45-SI, ersatzlos zu beheben.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

VI.1. Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zu­kommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwal­tungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

VI.2. Ferner steht die vorliegende Entscheidung im Einklang mit der Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere mit dem Erkenntnis vom 14.6.2012, 2008/10/0027, sodass auch aus diesem Grund die ordentliche Revision für unzulässig zu erklären war.

 

VI.3. Darüber hinaus stellt die gegenständliche Entscheidung jedenfalls eine Einzelfallentscheidung im Hinblick auf die persönlichen Umstände der Be­schwerdeführerin (positive Entwicklung im Projekt „P“, Bekanntgabe der Betreu­ungsvereinbarung, unveränderte Weitergewährung der bedarfsorientierten Min­destsicherung, fehlende Erhebungen zu den Einkommensverhältnissen durch die belangte Behörde) und den konkreten Sachverhalt dar, sodass dieser einer Ver­allgemeinerung nicht zugänglich ist. Auch aus diesem Grund war die ordentliche Revision für unzulässig zu erklären.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichts­hof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwal­tungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Lidauer