LVwG-350010/7/GS/KR/TK

Linz, 29.04.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Maga. Gabriele Saxinger über die Beschwerde des Herrn x vertreten durch den Sachwalter Rechtsanwalt x, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 12. November 2013, GZ: 0048507/2007_ASJF, wegen Gewährung der Hauptleistung Fähigkeitsorientierter Aktivität nach § 11 Abs.2 Z.3 Oö. Chancengleichheitsgesetz (Oö. ChG, LGBl. Nr. 41/2008 in der geltenden Fassung)

zu Recht    e r k a n n t :

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 12. November 2013, GZ: 0048507/2007_ASJF, hat hinsichtlich des in Beschwerde gezogenen Teiles zu lauten:

Der Betreuungsschlüssel wird mit 1:2 festgesetzt.

 

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Auf Grund des vorgelegten Verfahrensaktes, der Beschwerdeausführung und der gutachterlichen Stellungnahme aus heil- und sonderpädagogischer Sicht von x vom 27. März 2014 steht folgender Sachverhalt fest:

 

I/1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom
12. November 2013, GZ: 0048507/2007_ASJF, wurde dem Antrag von x, vom 12.12.2012 auf Gewährung der Hauptleistung Fähigkeitsorientierte Aktivität nach § 11 Abs.2 Z.3 Oö. ChG stattgegeben.

Es wurde x, vertreten durch Herrn x, unter Zugrundelegung des ermittelten Assistenzplans vom 6.3.2013, die Hauptleistung Fähigkeitsorientierte Aktivität folgendermaßen gewährt:

Betreuungsschlüssel: 1:3

38,5 Wochenstunden

ab 27.11.2012

in der Werkstätte x.

Da x für die Wohnunterbringung im xder Promente Oö. bereits 80 % des Pflegegeldes als Beitrag leistet, war kein Beitrag vorzuschreiben.

Begründend wurde festgehalten, dass auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens feststeht, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Hauptleistung vorliegen. Die getroffene Feststellung gründet sich auf den vorliegenden Akt, insbesondere auf

-      das Ergebnis der Assistenzkonferenz vom 6.3.2013,

-      Erhebungsbogen zur Ermittlung des individuellen Hilfsbedarfes,

-      den Assistenzplan vom 6.3.2013.

Die persönlichen Voraussetzungen gemäß § 4 Oö. ChG für die Inanspruchnahme einer Leistung nach dem Oö. ChG sowie die Voraussetzungen für die Gewährung einer Leistung nach § 11 Abs.2 Z.3. Oö. ChG wurden geprüft und werden erfüllt.

 

I/2. In der von Herrn x, vertreten durch seinen Sachwalter Rechtsanwalt x, mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2013 eingebrachten Berufung (nunmehr Beschwerde) wurde vorgebracht, dass der Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz insoweit angefochten wird, als der darin angenommene Betreuungsschlüssel von 1:3 nicht richtig ist; vielmehr hätte ein solcher von 1:1 oder ein solcher von 1:2 festgesetzt werden müssen. Es wird auf die beiliegende psychologische Stellungnahme vom 18.11.2013 von Frau x vom psychologischen Dienst des Evangelischen Diakoniewerks verwiesen, aus der hervor geht, dass der im angefochtenen Bescheid festgelegte Betreuungsschlüssel von 1:3 unzutreffend ist und nicht den Bedürfnissen bei der Betreuung des Betroffenen gerecht wird. Herr x kann kaum Aktivitäten selbständig aufrechterhalten, da er dazu die Präsenz der Mitarbeiterinnen bzw. Bezugspersonen benötigt. Dies zeigt sich daran, dass er auch nur bei kurzer Abwesenheit der Bezugsperson seine Tätigkeit unterbricht und seine gesamte Energie und Kraft einsetzt, um die Präsenz der Bezugsperson wieder zu erreichen. Erst in ihrem Beisein kann er dann Aufgaben selbständig meistern bzw. seine bereits erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten entfalten. Ein weiterer zentraler Aspekt in der Begleitung des Betroffenen ist die Prävention und Deeskalation seiner Auto- und Fremdaggression bzw. gegebenenfalls Selbst- und Fremdschutzmaßnahmen. Der Betroffene reagiert bei Abweichung vom erwarteten Tagesablauf, bei emotionalen Überforderungen, bei Müdigkeit, bei Konflikten, aber teilweise auch spontan mit auto- und fremdaggressiven Verhaltensweisen. Dies bedeutet dann, dass sich Herr x selbst schlägt oder Gegenstände in seiner Nähe auf den Boden oder nach anderen Personen wirft, oder, dass er andere Personen schlägt, an den Haaren reißt, beißt oder stößt. In diversen Situationen von Übermüdung, inneren und äußeren Konflikten usw. zeigt er auch häufig Weglauftendenzen. Da sich die Erlebnisgruppe regelmäßig im Freien aufhält, kann es dazu kommen, dass er sich im Straßenverkehr unkontrolliert bewegt und sich somit selbst gefährdet. Daher ist in diesen Situationen erhöhter Aufsichtsbedarf bzw. eine erhöhte Reaktionsbereitschaft seitens der Betreuerinnen erforderlich. Auf Grund seiner eingeschränkten Fähigkeit der Planung von Handlungen und Handlungsketten bzw. der angemessenen Selbstbeschäftigung ist Herr x auf eine Tagesstrukturierung von außen angewiesen, die mit Einsatz von unterstützter Kommunikation und x angeboten wird. Eine für den Betroffenen profitable Begleitung erfordert daher ein intensives Maß an physischer und psychischer Präsenz, Reflexionsfähigkeit und intensive Auseinandersetzung mit pädagogischen Inhalten eines Mitarbeiters. Im umgekehrten Fall von nicht ausreichender Anwesenheit einer Bezugsperson lässt sich feststellen, dass der Betroffene eine situative und drastische Abnahme an selbständiger Ausübung seiner Fähigkeiten erleidet bzw. einen Rückfall in auto- und fremdaggressive Verhaltensweisen. Im angefochtenen Bescheid wurde somit die psychologische Sicht der Dinge nicht ausreichend berücksichtigt, die eine intensive Begleitung des Betroffenen sowohl in der Qualität, als auch in der Quantität notwendig macht, um längerfristig eine psychische Stabilisierung, Teilhabe am Arbeits- und Gruppenalltag und eine positive Entwicklung seiner Persönlichkeit zu ermöglichen. Es ergeht daher der Antrag, es möge in Stattgebung dieser Berufung der Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 12.11.2013 dahin abgeändert werden, dass ein Betreuungsschlüssel von 1:1 anstatt 1:3 festgesetzt wird; in eventu, dass ein Betreuungsschlüssel von 1:2 anstatt 1:3 festgesetzt wird.

 


 

I/3. Da mit 1.1.2014 die Zuständigkeit in Beschwerdeangelegenheiten in Sachen der unmittelbaren Landesverwaltung auf das Oö. Landesverwaltungsgericht (Oö. LVwG) übergegangen ist, wurde die verfahrensgegenständliche Berufung (nunmehr Beschwerde) mit Schreiben vom 8. Jänner 2014 von der Oö. Landesregierung dem Oö. LVwG zur Entscheidung übermittelt.

 

I/4. Das Oö. LVwG hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme gemäß § 22 Abs.3 Oö. ChG aus heil- und sonderpädagogischer Sicht durch Frau x.

In dieser gutachterlichen Stellungnahme vom 27. März 2014 ist im Befund festgehalten, dass am 20.3.2014 die Erhebung des individuellen Hilfebedarfs im Bereich „Fähigkeitsorientierte Aktivität“ in der Werkstätte x im Beisein von Herrn x, Frau x (Einrichtungsleitung), Frau x (Betreuerin) und x (Sachverständige des Landes Oö.) stattfand. Herr x war während der Dauer der Erhebung anwesend, konnte jedoch nur bedingt in die Befragung einbezogen werden. Zu Beginn wirkte er auf die Sachverständige sehr nervös (Zittern der Hände, vermehrter Speichelfluss, motorische Unruhe) und konnte nur durch die Zuwendung der Betreuungsperson zur Teilnahme motiviert werden. Beim Kunden wurde eine reduzierte Aufmerksamkeit und Konzentration und geringes Sprachverständnis (maximal 2 bis 3 Wortsätze) beobachtet. Er konnte sich verbal mitteilen – sprach jedoch nur in einzelnen Wörtern. Er trug eine Mappe mit verschiedenen Fahrplänen von öffentlichen Verkehrsmitteln aus Linz bei sich. Eine Kontaktanbahnung war über dieses persönliche Interessensgebiet für kurze Zeit möglich. Frau x berichtet, dass Herr x seit 27.11.2013 in der Werkstätte x einer Beschäftigung im Rahmen einer „Fähigkeitsorientierten Aktivität“ nachgeht. Er ist der Gruppe „x“ zugeordnet, welche einen vorwiegend basalen, erlebnispädagogischen Betreuungsansatz für derzeit 4 Kundinnen verfolgt. Im Zuge der Ersterhebung, welche am 10.1.2013 durch die Bedarfskoordinatorin erfolgt ist, wurde ein Betreuungsschlüssel von 1:3 ermittelt. Laut Auskunft von Frau x und Frau x liege bei Herrn x ein erhöhter Betreuungsbedarf vor. Er würde ständig die Aufmerksamkeit einer Betreuungsperson an sich binden. Herr x zeige immer wiederkehrende Weglauftendenzen, fremd- und autoaggressive Verhaltensweisen meist ohne unvorhersehbaren Auslöser und könne sich von sich aus nur für kurze Sequenzen für eine Beschäftigung motivieren. Er würde ständig Aufforderungen benötigen, damit er eine Aufgabe fortführen könne. Die Angaben über den Unterstützungsbedarf und den Betreuungsalltag wurden bei der Erhebung des individuellen Hilfebedarfs berücksichtigt und einbezogen. Zur Festlegung des individuellen Hilfebedarfs wurde der Erhebungsbogen zur Ermittlung des individuellen Hilfebedarfs von Menschen mit körperlichen, geistigen und / oder mehrfachen Beeinträchtigungen im Fach „Fähigkeitsorientierte Aktivität“ eingesetzt.

Als Schlussfolgerung und Zusammenfassung hielt die Sachverständige fest, dass bei der Auswertung des Fragebogens „Fähigkeitsorientierte Aktivität“ für Menschen mit körperlichen, geistigen und / oder mehrfachen Beeinträchtigungen ein Betreuungsschlüssel von 1:2 und eine wöchentliche Anwesenheitszeit von 38,5 Stunden erhoben wurden.

 

I/5. Im Rahmen des Parteiengehörs räumte das Oö. LVwG dem Beschwerdeführer zu Handen seines Sachwalters und dem Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz die Gelegenheit zur Stellungnahme zur gutachterlichen Stellungnahme von Frau x vom 27.3.2014 ein.

 

Mit E-Mail vom 2. April 2014 nahm der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz den neu ermittelten Hilfebedarf zur Kenntnis.

Laut telefonischem Anruf des Sachwalters des Beschwerdeführers vom 8.4.2014 und E-Mail vom 11.April 2014 wurde auch vom Beschwerdeführer der neu ermittelte Betreuungsschlüssel 1:2 nach Rücksprache mit dem Diakoniewerk zur Kenntnis genommen.

 

II. Beweiswürdigung:

 

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, dem Beschwerdevorbringen und der vom Oö. LVwG eingeholten gutachterlichen Stellungnahme der Sachverständigen x vom 27. März 2014 und ist in dieser Form unbestritten.

Die nunmehr eingeholten gutachterliche Stellungnahme aus heil- und sonderpädagogischer Sicht entspricht dem Eventualantrag des Beschwerdeführers.

 

III. Rechtslage:

 

§ 11 Abs.1 Oö. ChG 2008 besagt, dass für Menschen mit Beeinträchtigungen Maßnahmen der Arbeit und fähigkeitsorientierten Aktivität zu leisten sind, um ihnen einen Arbeitsplatz soeie die Erhaltung und Weiterentwickling ihrer Fähigkeiten durch entsprechende Aktivität zu ermöglichen.

Gem. § 11 Abs. 2 Z.3 leg.cit. kommt als Maßnahme insbesondere die fähigkeitsorientierte Aktivität in Einrichtungen zur Arbeitsorientierung, Entwicklungsorientierung oder Tagesstrukturierung in Betracht.

 

Gemäß § 7 Abs.1 Oö. ChG – Hauptleistungsverordnung, LGBl. Nr. 79/2008 in der geltenden Form, sind leistungsempfangende Personen für die Hauptleistung Arbeit und fähigkeitsorientierte Aktivität nach Maßgabe der Bestimmungen des Oö. ChG Menschen mit Beeinträchtigungen gemäß § 2 Oö. ChG, die einer Tätigkeit nachkommen wollen und für die jedoch andere Formen von Arbeitsangeboten, wie insbesondere das Angebot am allgemeinen Arbeitsmarkt, die berufliche Qualifizierung gemäß § 11 Abs.2 Z.1 Oö. ChG oder die geschützte Arbeit gemäß § 11 Abs.2 Z.2 Oö. ChG nicht geeignet sind.

Abs. 2 leg.cit bestimmt, dass die Fähigkeitsorientierte Aktivität ab der Beendigung der Schulpflicht beantragt werden kann.

 

 

IV. Ergebnis:

 

Auf Grund der vom Oö. LVwG eingeholten gutachterlichen Stellungnahme der Sachverständigen x vom 27. März 2014, GZ: SO-373638/42-2014/WP, aus heil- und sonderpädagogischer Sicht war der Betreuungsschlüssel nunmehr mit 1:2 festzusetzen, womit dem Eventualantrag des Beschwerdeführers entsprochen wurde.

Somit war der Beschwerde stattzugeben und der Betreuungsschlüssel spruchmäßig entsprechend zu ändern.

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde bzw. Revision ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt oder eine bevollmächtigte Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.


Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag.a Gabriele Saxinger