LVwG-150192/10/VG

Linz, 25.02.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Verena Gubesch über die Beschwerde (vormals Vorstellung) 1. der A. W., 2. des H. W. und 3. der W. Ges. m. b. H, alle vertreten durch x, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde A. vom 29. Dezember 2010, GZ: Bau-937-1/2010, in Verfolg der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2014, B 1114/2011, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben, den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I. Der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird stattgegeben. Der Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde A. vom 29. Dezember 2010, GZ: Bau-937-1/2010, wird aufgehoben und die Angelegenheit wird zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG an den Gemeinderat der Gemeinde A. zurückverwiesen.

 

II. Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers sowie der Drittbeschwerdeführerin wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen.

 

III. Gegen diesen Beschluss ist hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig. Hinsichtlich Spruchpunkt II. ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Verfahrensgang, Sachverhalt:

 

1. Die Erstbeschwerdeführerin ist Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ x, KG x, bestehend aus den Grundstücken Nrn. x und y. Das Grundstück Nr. x grenzt unmittelbar an das Grundstück Nr. xx der KG x. Auf dem Grundstück Nr. y befindet sich eine Tischlereibetriebsanlage (Drittbeschwerdeführerin), für die im Jahr 1992 die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung erteilt wurde und die seither an diesem Standort betrieben wird. Die Erstbeschwerdeführerin sowie der Zweitbeschwerdeführer sind nach den Angaben im Firmenbuch Gesellschafter der Drittbeschwerdeführerin. Der Zweitbeschwerdeführer war für den Zeitraum vom 27. Jänner 1986 bis 22. Februar 2010 auch Geschäftsführer der Drittbeschwerdeführerin.

 

2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde A. vom 4. Oktober 2006 wurde K. und M. A. (in der Folge: Bauwerber) über ihren Antrag vom 8. September 2006 die Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf ihrem Grundstück Nr. xx der KG x erteilt.

 

3. Der Erstbeschwerdeführerin wurde die Baubewilligung erst (nach Durchsetzung ihrer Parteistellung durch Entscheidungen der Oö. Landesregierung in zwei Vorstellungsverfahren) am 19. Juli 2010 zugestellt. Gegen diese erhoben in der Folge die Beschwerdeführer gemeinsam durch ihren Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 29. Juli 2010 Berufung, in der (neuerlich) der Einwand der heranrückenden Wohnbebauung geltend gemacht wurde, wobei auf die im Bauverfahren bereits vorgelegten Unterlagen (im Hinblick auf § 31 Abs. 5 Oö. BauO 1994) verwiesen wurde.

 

4. Mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde A. vom 29. Dezember 2010 wurde die Berufung der Erstbeschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Dies wurde zusammengefasst damit begründet, dass ihr der Nachweis von zulässigen Immissionen auf das Baugrundstück im Sinne des § 31 Abs. 5 Oö. BauO 1994 nicht gelungen sei. Die Berufung des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin wurde als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung wurde dazu sinngemäß ausgeführt, dass nur die Erstbeschwerdeführerin ihre Parteistellung im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren durchgesetzt habe.

 

5. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer gemeinsam durch ihren Rechtsvertreter Vorstellung, in der im Wesentlichen abermals die heranrückende Wohnbebauung vorgebracht wird. Mit Bescheid vom 4. August 2011 wies die Oö. Landesregierung die Vorstellung als unbegründet ab, wobei sie sich im Wesentlichen der Begründung des Gemeinderates anschloss. Zur Vorstellung des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin wurde ergänzend ausgeführt, dass diese insbesondere nicht behauptet hätten, (Mit-)Eigentümer eines Grundstückes zu sein, auf dem eine Betriebsanlage im Sinne des § 31 Abs. 5 Oö. BauO 1994 betrieben werde.

 

6. Gegen diesen Bescheid erhob die Erstbeschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 7. Oktober 2014, B 1114/2011, hob der Verfassungsgerichtshof den Bescheid der Oö. Landesregierung vom 4. August 2011 auf (Anlassfall). In der Begründung führte der Verfassungsgerichtshof – soweit hier wesentlich – aus, dass er aus Anlass der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des gesamten als „Siedlungs- und Freiraumkonzept“ bezeichneten Planes im örtlichen Entwicklungskonzept Nr. 2 der Gemeinde A. sowie der Widmung „Bauland-Wohngebiet“ für das Grundstück Nr. xx, KG x, im Flächenwidmungsplan Nr. 3 der Gemeinde A. eingeleitet habe. Mit Erkenntnis vom 7. Oktober 2014, V 42‑43/2014, habe der Verfassungsgerichtshof die in Prüfung gezogenen Bestimmungen zur Gänze als gesetzwidrig aufgehoben. Dies führe dazu, dass die Oö. Landesregierung (im gegenständlichen Anlassfall) eine gesetzwidrige Verordnung angewendet habe. Die Erstbeschwerdeführerin sei folglich durch den Bescheid der Oö. Landesregierung wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

 

7. Diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes samt den bezughabenden Akten des gegenständlichen Baubewilligungsverfahrens langte am 5. November 2014 zuständigkeitshalber beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ein.

 

8. In einem am 3. Februar 2015 geführten Telefonat teilte der Amtsleiter der Gemeinde A. der zuständigen Richterin des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich mit, dass – in Verfolg der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2014, V 42-43/2014 – ein neuer Flächenwidmungsplan und ein neues örtliches Entwicklungskonzept in Arbeit seien.

 

 

II.           Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und insbesondere aus dem bezughabenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2014, B 1114/2011 sowie aus eigenen Erhebungen des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich (Einholung aktueller Grundbuchsauszüge zu den Grundstücken der Erstbeschwerdeführerin und der Bauwerber sowie eines aktuellen Firmenbuchauszugs zur Drittbeschwerdeführerin, Telefonat mit dem Amtsleiter der Gemeinde A.).

 

 

III.         Maßgebliche Rechtslage:

Vorweg ist festzuhalten, dass das gegenständliche Baubewilligungsverfahren durch die Aufhebung des vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Bescheides der Oö. Landesregierung vom 4. August 2011 (Anlassfall) in jene Lage zurücktritt, in der es sich vor Fällung des angefochtenen Bescheides befunden hat. Die Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof wirkt somit ex tunc, als ob der aufgehobene Bescheid nie erlassen worden wäre (vgl. etwa VfSlg 17.045/2003 mwN; analoge Anwendung des § 42 Abs. 3 VwGG aF). Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2014, B 1114/2011, bewirkt somit, dass über die ursprünglich an die Oö. Landesregierung gerichtete Vorstellung neuerlich zu entscheiden ist. Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG ist die Zuständigkeit zur Weiterführung dieses Verfahrens auf das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich übergegangen. Die (wieder unerledigte) Vorstellung ist folglich als Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich im Sinne des VwGVG zu werten.

 

Die Bestimmung des § 31 Oö. BauO 1994, LGBl. Nr. 66/1994 in der hier noch maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 96/2006 lautet auszugsweise:

㤠31

Einwendungen der Nachbarn

(1) Nachbarn sind

1. bei Wohngebäuden einschließlich der zugehörigen Stellplätze für Kraftfahrzeuge sowie der allenfalls vorgeschriebenen Neben- und Gemeinschaftsanlagen: die Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens zehn Meter entfernt sind;

2. bei allen anderen Bauvorhaben sowie für die Nachbarrechte im Sinn des Abs. 5: die Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens 50 Meter entfernt sind.

Die Stellung als Nachbar besteht jedoch jeweils nur unter der Voraussetzung, dass diese Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind Grundeigentümern oder Grundeigentümerinnen gleichgestellt.

[…]

(5) Beim Neubau von Wohngebäuden auf bisher unbebauten Grundstücken (heranrückende Bebauung) sind auch Einwendungen zu berücksichtigen, mit denen Immissionen geltend gemacht werden, die von einer bestehenden benachbarten Betriebsanlage ausgehen und auf das geplante Bauvorhaben einwirken. Dies gilt jedoch nur für Immissionen, die auf Grund rechtskräftiger Bescheide zulässig sind. In diesem Fall hat der Nachbar die entsprechenden Nachweise beizubringen.“

 

 

IV.         Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat im Rahmen des durch § 27 und § 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG normierten Prüfungsumfanges durch seine gemäß § 2 VwGVG zuständige Einzelrichterin erwogen:

1.  Zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin (Spruchpunkt I.):

 

Mit dem bereits erwähnten Erkenntnis vom 7. Oktober 2014, V 42-43/2014, hob der Verfassungsgerichtshof aus Auslass der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin den Flächenwidmungsplan Nr. 3 der Gemeinde A., beschlossen vom Gemeinderat am 15. November 2005, im folgendem Umfang als gesetzwidrig auf:

„1. als ‚Siedlungs- und Freiraumkonzept‘ bezeichneter Plan im örtlichen Entwicklungskonzept Nr 2 zur Gänze und

2. Widmung ‚Bauland-Wohngebiet‘ für das Grundstück Nr xx, KG x.“

Der Verfassungsgerichtshof begründet seine Entscheidung zusammengefasst damit, dass im Vorfeld zur Erstellung des Flächenwidmungsplanes Nr. 3 der Gemeinde A. keine dem § 15 Abs. 1 Z 1 Oö. ROG 1994 entsprechende Raumforschung erfolgt sei. Insbesondere fehle auch jede Auseinandersetzung mit der Frage der an die Betriebsanlage auf dem Grundstück Nr. y heranrückenden Wohnbebauung.

Gemäß Art. 139 Abs. 6 B-VG ist eine vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Verordnung im Anlassfall nicht mehr anzuwenden. Diese Anlassfallwirkung bezieht sich nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich sowohl auf den (vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 7. Oktober 2014, B 1114/2011 bereits aufgehobenen) Bescheid der Oö. Landesregierung vom 4. August 2011 als auch auf den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde A. vom 29. Dezember 2010, mit dem den Bauwerbern im gemeindebehördlichen Instanzenzug die Baubewilligung für ein Wohnhaus auf ihrem als „Bauland - Wohngebiet“ gewidmeten Grundstück Nr. xx erteilt wurde. Mit der Aufhebung der angeführten Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof wurde somit die für den nunmehr angefochtenen Bescheid des Gemeinderates maßgebliche Rechtsgrundlage beseitigt. Die Aufhebung bewirkt folglich auch die in der Beschwerde (vormals Vorstellung) relevierte Rechtswidrigkeit des Bescheides des Gemeinderates (vgl. VwGH 24.4.2007, 2007/05/0043, mwN). Durch die Anwendung des als gesetzwidrig erkannten Teiles des Flächenwidmungsplanes Nr. 3 der Gemeinde A. (samt dem als „Siedlungs- und Freiraumkonzept“ bezeichneten Planes im örtlichen Entwicklungskonzept Nr. 2) wurde die Erstbeschwerdeführerin im Ergebnis in ihren Rechten verletzt, weshalb der angefochtene Baubewilligungsbescheid des Gemeinderates vom 29. Dezember 2010 nunmehr rechtswidrig ist.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ist gemäß § 28 VwGVG grundsätzlich zur meritorischen Entscheidung verpflichtet. Dies gilt gemäß Abs. 2 Z 1 leg. cit. jedoch nicht, wenn der maßgebliche Sachverhalt nicht feststeht. Da der Verfassungsgerichtshof den Flächenwidmungsplan Nr. 3 der Gemeinde A. im dargestellten Umfang als gesetzwidrig aufgehoben hat, wurde – wie ausgeführt – der den Bauwerbern erteilten Baubewilligung die Rechtsgrundlage entzogen. Der Wegfall dieser Grundlage bewirkt, dass die darauf bezogenen Sachverhaltsannahmen der Baubehörde nunmehr unzutreffend sind. Damit steht auch der für eine Sachentscheidung des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich maßgebliche Sachverhalt nicht (mehr) fest.

 

Bemerkt wird, dass eine Sachentscheidung des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich unter der Sachverhaltsannahme, dass für das hier relevante Grundstück Nr. xx der Bauwerber nunmehr keine Flächenwidmung gilt (mit der Folge, dass das gegenständliche Wohnhaus jedenfalls nicht im Widerspruch zu einer Flächenwidmung stehen würde, vgl. VwGH 24.2.2004, 2002/05/0005), schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil bei einer solchen Rechtsanschauung im Ergebnis die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes im Verordnungsprüfungsverfahren sowie im Anlassfall und insbesondere die dort angesprochene Thematik der an die Tischlereibetriebsanlage heranrückenden Wohnbebauung unterlaufen werden würde.

 

Abschließend wird festgehalten, dass die Bestimmung des § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG auf einen Fall wie den gegenständlichen nicht anwendbar ist, weil der für eine allfällige Sachentscheidung des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich maßgebliche Sachverhalt schon aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht festgestellt werden könnte. Es wird vielmehr Aufgabe des Gemeinderates als Verordnungsgeber sein, hinsichtlich des hier relevanten Grundstückes der Bauwerber eine Flächenwidmung zu erlassen, die der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes Rechnung trägt. Erst wenn eine solche Flächenwidmung vorliegt, kann der darauf bezogene für die gegenständliche Rechtssache maßgebliche Sachverhalt im Sinne des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG (wieder) festgestellt werden, sodass in weiterer Folge eine neue Sachentscheidung der Baubehörde (unter neuerlicher Einbindung der Nachbarn, insbesondere auch der Erstbeschwerdeführerin) getroffen werden kann.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

2.  Zur Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin (Spruchpunkt II.):

 

Vorweg ist festzuhalten, dass aufgrund der vorliegenden Beschwerde (vormals Vorstellung) lediglich zu prüfen ist, ob dem Zweitbeschwerdeführer und/oder der Drittbeschwerdeführerin im Sinne des § 31 Abs. 1 Z 2 Oö. BauO 1994 das Grundstück mit der hier relevanten Tischlereibetriebsanlage gehört und diese deshalb zu Recht (wie die Erstbeschwerdeführerin) als Nachbarn den Einwand der heranrückenden Wohnbebauung gemäß § 31 Abs. 5 Oö. BauO 1994 geltend machen können.

 

Nach dem klaren Wortlaut sowie der Systematik des § 31 Oö. BauO 1994 wird in dessen Abs. 1 geregelt, wer Nachbar im Baubewilligungsverfahren sein soll. In den folgenden Absätzen des § 31 Oö. BauO 1994 wird das Wort „Nachbar(n)“ ohne von Abs. 1 abweichende Definition verwendet. Die Frage, ob eine Person als Nachbar Parteistellung im Baubewilligungsverfahren hat, ist somit anhand des § 31 Abs. 1 Oö. BauO 1994 zu prüfen. Dies gilt auch für Abs. 5 dieser Gesetzesstelle. In diesem wurde nicht der Nachbarbegriff anders umschrieben als im Abs. 1, sondern nur die Möglichkeit des Nachbarn zur Erhebung öffentlich-rechtlicher Einwendungen, die im Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigen sind, erweitert. § 31 Abs. 5 Oö. BauO 1994 ermöglicht es, sich gegen „heranrückende Wohnbebauung“ zu „wehren“. Nach dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle ist diese Möglichkeit jedoch nur „Nachbarn“ eingeräumt (vgl. etwa VwGH 26.2.2009, 2008/05/0064). In diesem Sinne kann auch nur der (Mit‑)Eigentümer des Grundstückes, auf dem sich eine Betriebsanlage befindet, als Nachbar eine auf § 31 Abs. 5 Oö. BauO 1994 gestützte Einwendung erheben, nicht aber etwa der vom Grundstückseigentümer verschiedene Betriebsanlagenbetreiber (vgl. VwGH 15.10.1996, 96/05/0149). Dies ergibt sich auch unzweifelhaft aus dem Wortlaut der Bestimmung des § 31 Abs. 1 Z 2 Oö. BauO 1994, die ebenfalls ausdrücklich auf die Eigentümereigenschaft am Grundstück abstellt.

 

Die hier in Rede stehende Tischlereibetriebsanlage befindet sich auf einer Liegenschaft, die unstrittig im Alleineigentum der Erstbeschwerdeführerin steht. Damit war die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin wegen fehlender Nachbareigenschaft im Sinne des § 31 Abs. 1 Oö. BauO 1994 und damit mangels Parteistellung gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG mittels Beschluss als unzulässig zurückzuweisen (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 85).

 

 

V.           Zur Revision (Spruchpunkt III.):

Die ordentliche Revision ist in Bezug auf Spruchpunkt I. des gegenständlichen Beschlusses (betreffend die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin) zulässig, da diesbezüglich eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es liegt keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage vor, ob die Bestimmung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz iVm Abs. 2 Z 1 VwGVG das Verwaltungsgericht zu einer kassatorischen Entscheidung berechtigt, wenn die für eine meritorische Entscheidung des Verwaltungsgerichts maßgebliche Grundlage durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (hier: Aufhebung der für das Wohnbauvorhaben relevanten Widmung samt eines als „Siedlungs- und Freiraumkonzept“ bezeichneten Planes im örtlichen Entwicklungskonzept) nachträglich wegfällt.

 

Hinsichtlich Spruchpunkt II. des gegenständlichen Beschlusses (betreffend die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin) ist die ordentliche Revision nicht zulässig, da in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war (vgl. dazu die in diesem Beschluss zitierte Rechtsprechung des VwGH 15.10.1996, 96/05/0149; 26.2.2009, 2008/05/0064).

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision zu Spruchpunkt I. bzw. außerordentlichen Revision zu Spruchpunkt II. beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Verena Gubesch

Beachte:

Der angefochtene Beschluss wurde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

VwGH vom 20. Oktober 2015, Zl. Ro 2015/05/0019-6