LVwG-600659/2/MB/Bb

Linz, 01.07.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter            Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde der M K, geb. 1993, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. R S, vom 4. Dezember 2014, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 28. November 2014, GZ VerkR96-3126-2014, betreffend Verwaltungsübertretungen nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO),

 

zu Recht  e r k a n n t :

 

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde zu Tatvorwurf 1) abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

Betreffend Tatvorwurf 2) wird der Beschwerde stattgegeben, dieser Spruchpunkt behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß    § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II.         Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin zu Tatvorwurf 1) zusätzlich zu den behördlichen Verfahrenskosten einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 20 Euro zu leisten.

 

Betreffend Tatvorwurf 2) hat die Beschwerdeführerin weder einen Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens (§ 66 Abs. 1 VStG) noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren zu leisten (§ 52 Abs. 9 VwGVG).

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt (im Folgenden: belangte Behörde) hat M K (der nunmehrigen Beschwerdeführerin - im Folgenden kurz: Bf) mit Straferkenntnis vom 28. November 2014, GZ VerkR96-3126-2014, unter Tatvorwurf 1) die Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 11 Abs. 1 StVO und unter Tatvorwurf 2) eine Übertretung gemäß § 11 Abs. 2 StVO vorgeworfen und über sie Geldstrafen in Höhe von 1) und 2) gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO jeweils 100 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafen Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils zwei Tagen, verhängt. Weiters wurde sie von der belangten Behörde gemäß § 64 VStG zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von insgesamt 20 Euro verpflichtet.

 

Dem Schuldspruch liegen folgender Tatvorwürfe zugrunde (auszugsweise Wiedergabe):

„1) Sie haben die Fahrtrichtung geändert, ohne sich davon zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

 

2) Sie haben die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung nicht angezeigt, wodurch sich andere Straßenbenützer auf den bevorstehenden Vorgang nicht einstellen konnten.

 

Tatort: Gemeinde Linz, Gemeindestraße Ortsgebiet, G.straße nächst dem Haus Nr. x.

Tatzeit: 14.07.2014, 18:06 Uhr.

Fahrzeug: Kennzeichen x, PKW, Seat Ibiza, schwarz.“

 

Ihre Entscheidung begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Rechtfertigungsangaben der Bf insgesamt nicht dazu geeignet gewesen seien, um sich zu entlasten. Ihre Sachverhaltsdarstellung habe die Behörde nicht davon zu überzeugen vermocht, dass ihrerseits kein Verschulden hinsichtlich der angelasteten Verwaltungsübertretungen vorliege. Als Beweis seien die Wahrnehmungen der Zeugin gewertet worden. Diese habe in ihrer Aussage zweifelfrei die Begehung der vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen bestätigt.  Die jeweils mit 100 Euro bemessene Geldstrafe wurde unter Hinweis auf § 19 VStG, der bisherigen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit der Bf im dortigen Verwaltungsbereich und den angenommenen persönlichen Verhältnissen der Bf begründet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 2. Dezember 2014, erhob die Bf mit Schreiben vom 4. Dezember 2014, bei der belangten Behörde eingelangt am 4. Dezember 2014, binnen offener Frist durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter das Rechtsmittel der Beschwerde, mit welchem im Ergebnis die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Verfahrenseinstellung beantragt wird.

 

Die Bf bestreitet in ihrem Rechtsmittel die ihr vorgeworfenen Tathandlungen und trägt diesbezüglich zur näheren Begründung – auf das Wesentliche verkürzt - vor, dass sie das Umkehrmanöver, um links einparken zu können, rechtzeitig durch linkes Blinken angezeigt und sich auch von der Gefahrlosigkeit des Manövers überzeugt habe. Sie behauptet, dass überhöhte Geschwindigkeit und ein Reaktionsverzug der Unfallgegnerin schuld am Zustandekommen des gegenständlichen Unfalles gewesen seien.

 

Schließlich wendet die Bf auch Verfahrensmängel ein. Diese bestünden einerseits in einer unvollständigen Erhebung des relevanten Sachverhaltes durch Befragen der Beteiligten zu allen entscheidungsrelevanten Sachverhaltselementen, zum anderen darin, dass Fehler bei der Beweiswürdigung unterlaufen seien. Überdies rügt sie das Unterlassen der Einholung eines Kfz-technischen Sachverständigengutachtens durch die belangte Behörde. 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben vom 18. Dezember 2014, GZ VerkR96-3126-2014, ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Mit der Aktenvorlage wurde die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung begründet (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

 

 

 

II.

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt.

 

Gemäß § 44 Abs. 2 und Abs. 3 Z 3 VwGVG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung angesichts der Tatsache, dass hinsichtlich Tatvorwurf 1) der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt vorliegt, eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und die anwaltlich vertretene Bf trotz entsprechender Belehrung in der Rechtsmittelbelehrung des Straferkenntnisses eine Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat, und hinsichtlich Tatvorwurf 2) bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass dieser Spruchpunkt aufzuheben ist, unterbleiben.

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevantem Sachverhalt aus:

 

Die Bf lenkte am 14. Juli 2014 um 18.06 Uhr den Pkw, Seat Ibiza, mit dem Kennzeichen x, in Linz, auf der G.straße, aus Richtung P.Straße kommend in Richtung W.straße.

 

Zur gleichen Zeit lenkte auch C K den Pkw, VW C, Kennzeichen x, auf der G.straße, wobei sie hinter dem Fahrzeug der Bf nachfuhr.

 

Auf Höhe des Hauses G.straße x erblickte die Bf am linken Fahrbahnrand eine freie Parklücke und wollte ihren Pkw dort – in entgegengesetzter Richtung – einparken. Im Zuge des Wendemanövers kam es jedoch mit dem Pkw der nachfahrenden Lenkerin zu einer annähernd rechtwinkeligen Kollision. Dabei entstand an beiden Fahrzeugen Sachschaden und die Lenkerin des zweitbeteiligten Fahrzeuges sowie deren mitfahrenden beiden Kinder wurden leicht verletzt. Das Fahrzeug der Bf wurde im Bereich der Fahrerseite beschädigt, das Fahrzeug der Unfallgegnerin wies an der Vorderfront Beschädigungen auf.

 

Die Lenkerin des VW C schilderte den genauen Unfallhergang so, dass sie mit einer Geschwindigkeit von ca. 40 km/h hinter dem Pkw der Bf in einem Abstand von etwa drei Fahrzeuglängen nachgefahren sei. Auf Höhe G.straße x habe die vorausfahrende Lenkerin die Fahrgeschwindigkeit verringert und sei etwas nach rechts gefahren, wobei sie sich mit ihrem Pkw dem ohne Anzeige der Fahrtrichtungsänderung nach rechts fahrenden Pkw weiter genähert habe. Als sie sich beinahe auf gleicher Höhe mit dem gegnerischen Fahrzeug befunden habe, sei die Lenkerin plötzlich auf den linken Fahrstreifen gefahren, wobei es im Anschluss zur einer Kollision mit dem querenden Pkw gekommen sei.

 

Demgegenüber führte die Bf aus, dass sie beabsichtigt habe, auf Höhe Haus G.straße x in die auf der gegenüberliegenden Straßenseite freie Parklücke einzuparken. Da sie den Pkw in Fahrtrichtung stadtauswärts abstellen habe wollen, habe sie ihren Pkw umkehren wollen und dazu die Fahrgeschwindigkeit verringert und links geblinkt. Nachdem sie in den linken Außenspiegel und Rückspiegel gesehen habe, sei sie in einem Bogen nach links gefahren. Als sie mit dem Pkw quer zur Fahrbahn befunden habe, sei die hinter ihr fahrende Lenkerin mit der linken Fahrzeugseite ihres Pkws kollidiert.

 

Die Fußgängerin S gab auf Befragen zu Protokoll, dass sie sich zur Unfallzeit als Fußgängerin vor dem Haus G.straße x befunden habe, als die Lenkerin des Pkw, Kennzeichen x, auf der G.straße, in Richtung W.straße fuhr. Sie habe beobachtet, dass die Lenkerin ohne Anzeige einer Fahrtrichtungsänderung vorerst leicht nach rechts und anschließend in engem Bogen nach links gefahren sei, wobei es in der Folge zur Kollision mit dem nachfahrenden Fahrzeug, Kennzeichen x, gekommen sei.

 

3. Unbestritten ist, dass die Bf im Bereich G.straße x in Linz am 14. Juli 2014 gegen 18.06 Uhr im Zuge eines beabsichtigten Wendemanövers eine Fahrtrichtungsänderung vornahm, wobei es mit der nachfahrenden Lenkerin des Pkw, Kennzeichen x, zu einem Verkehrsunfall mit Sach- und Personenschaden kam. Insoweit stimmen die Angaben der Unfallbeteiligten und der Fußgängerin überein und kann daher dieser Sachverhalt als erwiesen erachtet werden.

 

Zur strittigen Frage, ob die Änderung der Fahrtrichtung durch die Bf entsprechend angezeigt wurde, wird in freier Beweiswürdigung Folgendes angemerkt:

Den diesbezüglichen Behauptungen der Bf, nämlich die Fahrtrichtungsänderung durch Blinkzeichen angezeigt zu haben, steht einerseits die Aussage der Unfallgegnerin als auch jene der Fußgängerin gegenüber. Was diese einzelnen Aussagen anlangt, so sind sowohl die Rechtfertigungsangaben der Bf, als auch die Aussagen der Zeugin nachvollziehbar und beide Darstellungen durchaus möglich. Die Bf konnte sich zwar in jeder Hinsicht verantworten, jedoch vermag das Landesverwaltungsgericht daraus nicht zwingend auf die Unglaubwürdigkeit ihrer Angaben zu schließen. Dies vor allem deshalb, da sie sich im gesamten Verfahren von Anbeginn im Ergebnis inhaltsgleich äußerte und auch im Beschwerdeschriftsatz abermals in überzeugender und glaubwürdiger Weise behauptete, Blinkzeichen abgegeben zu haben. Für das  Landesverwaltungs-gericht Oberösterreich ist daher im vorliegenden konkreten Falle mangels weiterer konkreter Anhaltspunkte oder Hinweise letztlich nicht zweifelsfrei gesichert, dass die Bf tatsächlich die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nach § 11 Abs. 2 StVO verwirklicht hat.

 

 

III.

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:

 

1.a) Gemäß § 11 Abs. 1 StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrtrichtung nur ändern oder den Fahrstreifen wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

 

Das strafbare Verhalten nach § 11 Abs. 1 StVO besteht in der Unterlassung des Lenkers, sich davon zu überzeugen, dass die Änderung der Fahrtrichtung oder der Wechsel des Fahrstreifens ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist (VwGH 25. Jänner 2005, 2001/02/0154).

 

Bei jeder Änderung der Fahrtrichtung und bei jedem Wechsel des Fahrstreifens gilt der Grundsatz, dass ein solches Manöver nur dann durchgeführt werden darf, wenn es der übrige Verkehr zulässt. Ein solches hat zu unterbleiben, wenn die bloße Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer gegeben ist. Eine Behinderung liegt insbesondere dann vor, wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer zum Bremsen oder Auslenken genötigt wird (Pürstl, StVO13, 2011, § 11 StVO, E 11).

 

Aufgrund der Sachverhaltsfeststellungen und den Ausführungen zur Beweiswürdigung steht erwiesen fest, dass die Bf im Zuge ihrer Fahrt am 14. Juli 2014 gegen 18.06 Uhr eine Fahrtrichtungsänderung im Sinne des § 11 Abs. 1 StVO vornahm. Dass sich die Bf im konkreten Fall vor ihrem beabsichtigten Fahrmanöver nicht in gehöriger und notwendiger Weise unter Anwendung der erforderlichen Aufmerksamkeit davon überzeugt hat, dass ihre Fahrtrichtungsänderung ohne Behinderung und Gefährdung anderer Straßenbenützer möglich war, ergibt sich evident daraus, dass es zur Kollision mit dem nachfahrenden Pkw gekommen ist.

 

Aus einem allfälligen Fehlverhalten der Unfallgegnerin kann nicht zwingend geschlossen werden, dass die Bf die vorgenommene Fahrtrichtungsänderung ordnungsgemäß durchgeführt hat, wozu noch kommt, dass sich die Bf auf ein ebenfalls rechtswidriges Verhalten der Zweitbeteiligten, sollte es vorgelegen sein, bei erwiesener Tatbestandsmäßigkeit ihres Verhaltens nicht mit schuld- und strafbefreiender Wirkung berufen kann (vgl. dazu VwGH 17. Jänner 1990, 88/03/0237).

 

Die Pflicht, sich von der Gefahrlosigkeit des beabsichtigten Fahrstreifenwechsels zu überzeugen, besteht unabhängig davon, ob sich die bei Bedachtnahme auf alle gegebenen Möglichkeiten in Betracht kommenden Verkehrsteilnehmer ihrerseits richtig verhalten oder nicht.

 

Die Bf hat daher jedenfalls das objektive Tatbild des § 11 Abs. 1 StVO verwirklicht. Es sind auch keine Umstände hervorgekommen, welchen sie im Bereich der subjektiven Tatseite entlastet hätten, sodass gemäß § 5 Abs. 1 VStG zumindest von fahrlässigem Verhalten auszugehen ist.

 

Der Aufnahme weiterer Beweise, insbesondere auch der Beurteilung durch einen verkehrstechnischen Amtssachverständigen, bedurfte es nicht (vgl. dazu allenfalls das zuvor zitierte Erkenntnis des VwGH vom 17. Jänner 1990).

 

1.b) Gemäß § 11 Abs. 2 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens so rechtzeitig anzuzeigen, dass sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können. Er hat die Anzeige zu beenden, wenn er sein Vorhaben ausgeführt hat oder von ihm Abstand nimmt.

 

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" reicht es für eine Bestrafung nicht aus, wenn die Begehung einer Verwaltungsübertretung durch einen Beschuldigten wahrscheinlich ist, sondern es müssen so eindeutige Beweise vorliegen, dass kein vernünftiger Grund verbleibt, an der Begehung der Übertretung durch den Beschuldigten zu zweifeln. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung unter 3. dargestellt, kann im konkreten Fall nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Bf die Fahrtrichtungsänderung nicht entsprechend angezeigt hat, weshalb im Zweifel das Verfahren diesbezüglich gemäß § 38 VwGVG iVm     § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen war.

 

2. Zur Strafbemessung hinsichtlich Tatvorwurf 1) wird folgendes festgestellt:

 

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG iVm § 38 VwGVG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG iVm § 38 VwGVG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Nach der Verwaltungsstrafbestimmung des § 99 Abs. 3 lit. a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges unter anderem gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.

 

Die Bf verfügt nach den – trotz nachweislicher Aufforderung – unwidersprochenen gebliebenen Schätzwerten der belangten Behörde über ein monatliches Einkommen in Höhe von 1.000 Euro, besitzt kein relevantes Vermögen und ist nicht sorgepflichtig. Von diesen Werten wird auch durch das Oö. Landesverwaltungsgericht ausgegangen, zumal auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens kein Vorbringen zu den persönlichen Verhältnissen erfolgte.

 

Nach verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ist dann mit einer Einschätzung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorzugehen, wenn der Beschuldigte im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens Angaben über diese Umstände verweigert. Er hat es diesem Fall seiner unterlassenen Mitwirkung zuzuschreiben, sollte die Behörde über diese Einschätzung zu seinem Nachteil Umstände unberücksichtigt gelassen haben, die ohne seine Mitwirkung der Behörde nicht zur Kenntnis gelangen konnten (VwGH 22.4.1992, 92/03/0019, 21.1.2012, 2009/05/0123).

 

Zum Vorfallszeitpunkt war die Bf – zumindest im Verwaltungsbereich der belangten Behörde - verwaltungsstrafrechtlich unbescholten, weshalb dieser Umstand als strafmildernd zu berücksichtigen war. Straferschwerungsgründe lagen nicht vor.

 

Der Zweck der gesetzlichen Bestimmung des § 11 Abs. 1 StVO liegt ua. darin, Lenker unmittelbar nachfolgender Fahrzeuge vor einer Gefährdung und Behinderung zu schützen. Eine derartige Übertretung vergrößert daher die sich aus dem Straßenverkehr für das Leben, die Gesundheit und die körperliche Sicherheit von Menschen ergebenden Gefahren, wobei es konkret zu einem Verkehrsunfall kam, bei welchem auch Personen zu Schaden kamen und verletzt wurden. Der Unrechtsgehalt der von der Bf begangenen Übertretung ist daher nicht als unerheblich zu beurteilen.

 

Vor diesem Hintergrund erscheint die von der belangten Behörde verhängte Geldstrafen in Höhe von 100 Euro jedenfalls tat- und schuldangemessen und in der festgesetzten Höhe erforderlich, um die Bf auf den Unrechtsgehalt der begangenen Übertretungen hinzuweisen und künftighin von weiteren einschlägigen Tatbegehungen abzuhalten. Auch aus dem Blickwinkel der Generalprävention steht dieser Strafzumessung nichts entgegen.

 

Die festgesetzte Geldstrafe wurde noch im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens angesiedelt (§ 99 Abs. 3 lit. a StVO – 726 Euro) und beträgt 13,7 % der möglichen Höchststrafe, sodass eine Strafherabsetzung nicht in Betracht kam. Die Ersatzfreiheitsstrafe wurde in angemessenem Verhältnis zur verhängten Geldstrafe mit 2 Tagen festgesetzt.

 

Das Einkommen in der angenommenen Höhe wird der Bf die Bezahlung der Verwaltungsstrafe jedenfalls ermöglichen, wobei allenfalls die Möglichkeit der Zahlung in Teilbeträgen besteht. Ein diesbezüglicher Antrag auf Ratenzahlung müsste bei der belangten Behörde entsprechend beantragt werden.

 

3.a) Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist Abs. 2 leg. cit. zufolge für das Beschwerdeverfahren – worauf in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Straferkenntnisses auch zutreffend hingewiesen wurde – mit 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 Euro zu bemessen.

 

Im vorliegenden Fall war der Bf für das Beschwerdeverfahren betreffend Tatvorwurf 1) daher ein Betrag in der Höhe von 20 Euro vorzuschreiben.

 

3.b) Gemäß § 66 Abs. 1 VStG sind, wenn ein Strafverfahren eingestellt oder eine verhängte Strafe infolge Wiederaufnahme des Verfahrens aufgehoben wird, die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen, falls sie aber schon gezahlt sind, zurückzuerstatten.

 

Wird gemäß § 52 Abs. 9 leg. cit. eine verhängte Strafe infolge Beschwerde aufgehoben, so sind die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen, falls sie aber schon gezahlt sind, zurückzuerstatten.

 

Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens zu Tatvorwurf 2) entfällt gemäß § 66 Abs. 1 VStG die Verpflichtung der Bf zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen für das Verfahren vor der belangten Behörde als auch gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG  zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

 

IV.

 

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Für die Bf ist die Möglichkeit zur Revisionserhebung gemäß § 25a Abs.4 VwGG ex lege ausgeschlossen.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

 

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

 

 

 

H i n w e i s

 

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr.  Markus  B r a n s t e t t e r