LVwG-650425/2/MZ

Linz, 21.07.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des V L, geb. x 1977, vertreten durch RA Dr. G S, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 5.6.2015, GZ: FE-496/2015,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 5.6.2015,     GZ: FE-496/2015, wurde über den Beschwerdeführer (in Folge: Bf) wie folgt entschieden:

 

„Die Landespolizeidirektion Oberösterreich

1) entzieht die von der LPD , am 01.07.2014, unter der Zahl F14/234981, für die Klassen AM, A(79.03;79.04), B, C1, C, BE, C1E, CE und F erteilte Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 8 Monaten gerechnet ab Zustellung des Bescheides.

2) entzieht eine allenfalls bestehende ausländische Nicht-EWR-Lenkberechtigung oder EWR-Lenkberechtigung für die Dauer von 8 Monaten gerechnet ab Zustellung des Bescheids.

3) Der Führerschein ist unverzüglich der Behörde abzuliefern.

4) Einem Rechtsmittel gegen diesen Bescheid wird wegen Gefahr in Verzug die aufschiebende Wirkung aberkannt.“

 

Ihre Entscheidung begründet die belangte Behörde nach Wiedergabe einschlägiger Rechtsvorschriften wie folgt:

 

„Die Landespolizeidirektion – Verkehrsamt erhielt am 18.05.2015 vom LG Linz, unter der Zahl 12 Hv 4/15b-9 eine Strafkarte (Verständigung von einer rechtskräftigen Verurteilung) nach § 83 StGB. Daraufhin wurde am 18.05.2015 beim LG Linz das Urteil angefordert und ein Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung eingeleitet.

 

Diesem Urteil ist zu entnehmen, dass Sie unter anderem schuldig gesprochen wurden, am 12.02.2015 in Linz, Ihre Gattin durch Versetzen eines Kopfstoßes gegen die Stirn in Form einer Rötung im Stirnbereich am Körper verletzt zu haben.

 

Sie haben dadurch das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB begangen und wurden zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 Monaten verurteilt.

 

Gemäß § 494a Abs. 1 Z 2 StPO wird die Probezeit auf 5 Jahre verlängert.

 

Gemäß § 389 Abs. 1 StPO wurden Sie zum Ersatz der Kosten dieses Verfahrens verurteilt.

 

Bei der Strafbemessung wertete das Gericht Ihr Geständnis als mildernd, als erschwerend zwei einschlägige Vorstrafen, sowie mehrere strafbare Handlungen.

 

Im Detail wird auf das Ihnen vollinhaltlich bekannte Urteil verwiesen.

 

Bei Wertung der angeführten Tatsache musste auch berücksichtigt werden, dass Sie bereits im Jahre 2012 nach § 87 Abs. 1 StGB rechtskräftig bestraft wurden.

 

Im Detail wird auf das Ihnen vollinhaltlich bekannte Urteil verwiesen.

 

Die Behörde hat hierzu wie folgt erwogen:

 

Die Behörde kommt zu dem Schluss, dass erst nach Ablauf der festgesetzt[en] Zeit von 8 Monaten angenommen werden könne, dass Sie keine schweren strafbaren Handlungen mehr begehen werden, wobei bei der Festsetzung der Frist die seit der Tat vergangene Zeit mitbewertet wurde. Diese Frist erscheint insbesondere als erforderlich, um feststellen zu können, ob bei Ihnen eine Änderung der Sinnesart „im Geiste des § 7 FSG“ stattgefunden habe und Sie somit im Sinne des Gesetzes über eine ausreichende Verkehrszuverlässigkeit verfügen, die Sie dazu geeignet mache, als verantwortlicher Lenker eines Kraftfahrzeugs am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen.

 

Gem. § 7 Abs. 3 Z. 9 FSG liegt bei einer Person die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor, wenn diese Delikte u.a. gem. § 84 bis 84 StGB oder wiederholt gem. § 83 StGB begangen hat. Gem. § 7 Abs. 4 FSG sind für die Wertung der in Absatz 1 genannten und im Absatz 3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend. Sie haben aufgrund des zitierten Urteiles somit eine bestimmte Tatsache gesetzt, aufgrund derer Ihnen der Gesetzgeber die Verkehrszuverlässigkeit abspricht, unabhängig davon, ob bei der Verwirklichung dieser Tatsache ein Kraftfahrzeug verwendet wurde.

 

Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben (sogenannte Gewaltdelikte) stellen einen besonders schweren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar und sind daher als verwerflich und gefährlich anzusehen. Die gegenständlichen Vorfälle haben gezeigt, dass Sie eine überdurchschnittlich hohe Bereitschaft zur Gewaltanwendung aufweisen. Darüber hinaus ist festzustellen, dass einem Wohlverhalten während anhängiger Straf- und Entziehungsverfahren grundsätzlich – wenn überhaupt – nur geringe Bedeutung beigemessen werden kann.

 

Unmaßgeblich ist, ob die Gewalttaten im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges begangen wurden (VwGH 28. Juni 2001, 2001/11/0114), weist die Begehung solcher strafbarer Handlungen doch auf eine Sinnesart hin, aufgrund derer anzunehmen ist, dass Sie im Sinne des § 7 Abs. 1 FSG auch im Straßenverkehr beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährdet werde, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten. Daher muss von Kraftfahrzeuglenkern wegen der im Straßenverkehr häufig auftretenden Konfliktfälle eine nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Sinnesart verlangt werden (VwGH 26. Februar 2002, 2001/11/0379).

 

Unbeherrschte Aggressivität lässt befürchten, dass die betreffende Person entweder mit betont aggressiver Fahrweise oder aggressivem Verhalten auf vermeintliches oder tatsächliches Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer reagiert.

 

Weiters ist zu beachten, dass Sie bereits in der Vergangenheit straffällig wurden und eine Verurteilung nach § 87 StGB vorliegt. Diese Tat wurde im Zeitraum von August 2010 bis 15. Februar 2011 begangen. Wenngleich dieses Delikt bereits länger zurückliegt, ist dies zu Ihrem Nachteil zu berücksichtigen, da im Rahmen der Wertung nach § 7 Abs. 4 FSG das gesamte Verhalten des Betreffenden, sogar wenn es schon länger zurückliegt, zu berücksichtigen ist (z.B. VwGH 28. Oktober 2003, 2001/11/0299). Dementsprechend ist jedenfalls eine entsprechende Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung gerechtfertigt.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bilden bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit allfällige berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind, kein wie immer geartetes Beweisthema.

 

Dass die Entziehung der Lenkberechtigung als Nebenwirkung mittelbar die Erwerbstätigkeit verhindert oder verhindern könnte, ist bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit sowie Festsetzung der Entziehungsdauer rechtlich bedeutungslos.

 

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern um eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vor verkehrsunzuverlässigen Kraftfahrzeuglenkern.

 

Nach diesem Sachverhalt sind Sie nicht verkehrszuverlässig. Nicht verkehrszuverlässigen Kraftfahrzeuglenkern ist die Lenkberechtigung zu entziehen bzw. ist das Lenken von Kraftfahrzeugen zu untersagen. Aufgrund der Verwerflichkeit des Verhaltens und der Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen die Taten begangen wurden, wird die Verkehrsunzuverlässigkeit erst nach Ablauf der festgesetzten Zeit wieder erlangt.

 

Nicht verkehrszuverlässige Lenker von Kraftfahrzeugen stellen eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer dar und sind daher von der Teilnahme am Straßenverkehr als Fahrzeuglenker auszuschließen.“

 

Die Behörde beschließt ihren Bescheid mit Ausführungen betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung.

 

 

II.            Mit Telefax vom 29.6.2015 erhob der Bf im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

Der Bf macht im Wesentlichen geltend, er sei lediglich einmal und nicht – wie von § 7 Abs. 3 Z 9 FSG gefordert – wiederholt nach § 83 StGB verurteilt worden. Eine Anknüpfung an die Verurteilung nach § 87 StGB würde zu einer angenommenen, unverhältnismäßigen Verkehrsunzuverlässigkeit in der Dauer von 39 bzw. 47 Monaten führen.

 

Der Bf beantragt daher, den angefochtenen Bescheid nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufzuheben.

 

 

III.           a) Die Landespolizeidirektion Oberösterreich hat die Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsaktes mit Vorlageschreiben vom 2.7.2015, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gem. § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG abgesehen werden, weil sich bereits aus der Aktenlage ergibt, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem unstrittigen Sachverhalt aus:

 

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Linz vom 1.3.2012 wurde der Bf gemäß §§ 15, 12 zweiter Fall und 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von     15 Monaten verurteilt (zehn Monate bedingt).

 

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 30.4.2015 wurde der Bf gemäß §§ 15 und 105 StGB, § 83 StGB, § 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.

 

Dem Urteilspruch vom 30.4.2015 zufolge ist der Bf schuldig,

am 12.2.2015 seine Gattin

„A.) durch Versetzen eines Kopfstoßes gegen die Stirn in Form einer Rötung im Stirnbereich am Körper verletzt:

B.) mit Gewalt bzw. durch gefährliche Drohung mit zumindest der Zufügung einer Körperverletzung zu Unterlassungen genötigt bzw. zu nötigen versucht, und zwar

1.) zur Abstandnahme von Hilferufen dadurch, dass er … an den Oberarmen packte und vom Balkon in die Wohnung zerrte;

2.) zur Abstandnahme einer Anzeigeerstattung gegen ihn dadurch, dass er äußerte: `Wenn das vorbei ist, dann wirst du tot sein!´, wobei er sie zuvor ersuchte, von einer Anzeige abzusehen, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist.“

 

Strafmildernd wurde das Geständnis des Bf, straferschwerend zwei einschlägige Vorstrafen und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen gewertet. Zugleich wurde dem Bf ein Strafaufschub 31.12.2015 gewährt.

 

Dass bei der Verwirklichung der Straftaten in irgendeiner Art und Weise ein Kraftfahrzeug mit im Spiel war, kann dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht entnommen werden und wird auch von der belangten Behörde nicht ins Treffen geführt.

 

 

IV.           Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a) Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des FSG lauten idgF auszugsweise:

 

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die: ...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7), ...

 

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird. …

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand: ...

9. eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat;...

(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist. …

 

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder …

(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. …

(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. …

 

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. …

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen. …

 

 

b) Dem Bf wurde der die Entziehung bewirkende Bescheid vom 5.6.2015 am 11.6.2015 zugestellt und damit die 8-monatige Entzugsfrist ausgelöst. Die belangte Behörde hat also die Auffassung vertreten, dass der Bf bis zum 11.2.2016 verkehrsunzuverlässig sei. Die Verkehrsunzuverlässigkeit ist ab Begehung der Tat – im ggst. Fall also ab 12.2.2015 – zu beurteilen; die belangte Behörde geht daher insgesamt von einer Unzuverlässigkeitsdauer des Bf von etwa 12 Monaten aus.

 

Die Basis für den Entzug der in Rede stehenden Lenkberechtigungen des Bf und die damit einhergehenden Spruchteile des angefochtenen Bescheides bildet die Verurteilung des Bf durch das LG Linz vom 1.3.2012 gemäß §§ 15, 12 zweiter Fall und 87 Abs. 1 StGB sowie vom 30.4.2015 wegen § 83 StGB. Im Hinblick auf diese rechtskräftigen Verurteilungen besteht für die belangte Behörde wie auch das Landesverwaltungsgericht Oö. Bindungswirkung, sodass von der Verwirklichung einer bestimmten Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z 9 FSG auszugehen ist.

 

Dem Vorbringen des Bf, die zuletzt genannte Norm bedinge eine wiederholte Begehung des § 83 StGB und er sei lediglich einmalig entsprechend verurteilt worden, geht ins Leere: Wenn der Gesetzgeber eine wiederholte „einfache“ Körperverletzung als bestimmte Tatsache ansieht, muss umso mehr eine absichtliche schwere und eine „einfache“ Körperverletzung als bestimmte Tatsache gelten. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass in § 7 Abs. 3 Z 9 FSG enthaltene Aufzählung von Tatbeständen lediglich demonstrativ und damit erweiterbar ist.

 

 

c) Für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs. 1 Z 2 FSG genügt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach jedoch nicht schon das Vorliegen einer bestimmten Tatsache, sondern es muss auf Grund der gemäß § 7 Abs. 4 FSG vorzunehmenden Wertung anzunehmen sein, der Betreffende werde sich wegen seiner Sinnesart weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden (vgl etwa VwSlg 15.059 A/1998).

 

Zu Recht weist die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.6.2001, 2001/11/0114, hin, in welchem der Gerichtshof ausgesprochen hat, dass es „[b]ei Gewaltdelikten … nicht darauf an[kommt], dass sie `im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen begangen´ werden“ (zum Zusammenhang einer strafbaren Handlung mit der Verwendung eines KFZ siehe jedoch auch VwGH 26.2.2008, 2006/11/0149).

 

Das bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass die Begehung eines Gewaltdelikts in jedem Fall indiziert, dass sonstige schwere strafbare Handlungen durch die Verwendung eines KFZ typischerweise erheblich erleichtert werden. Im konkreten Fall hat die Behörde die Verurteilung des Bf nach § 83 StGB, wonach er seiner Gattin einen zu einer Stirnrötung führenden Kopfstoß versetzt hat, als verfahrenswesentlich herangezogen. Hinsichtlich der Vorverurteilung nach § 87 StGB finden sich im angefochtenen Bescheid keine Ausführungen und enthält der Verwaltungsakt auch keine weiteren Informationen. Eine Nahebeziehung zwischen dem Lenken eines KFZ und den vom Bf verwirklichten Delikten kann im konkreten Fall daher nicht hergestellt werden. Es ist für das erkennende Mitglied des Landesverwaltungsgerichtes Oö. auch nicht ersichtlich, inwiefern ein Entzug der Lenkberechtigung hintanhalten sollte, dass der Bf wiederum seine Gattin (oder eine andere Person) am Körper verletzt.

 

Der ggst. Sachverhalt wäre jedenfalls anders zu beurteilen, hätte der Bf bspw. gezielt ein KFZ benutzt, um zur Verwirklichung der Tat an den Tatort zu gelangen oder hätte er gar ein KFZ zur Verwirklichung der Tat selbst eingesetzt. Auch eine Anwendung des § 7 Abs. 1 Z 1 FSG, wonach die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr gefährdet sein muss, vermag bei dem völlig ohne im Zusammenhang mit einem KFZ stehenden entscheidungsrelevantem Sachverhalt kaum erkannt zu werden.

 

Schon vor diesem Hintergrund dürfte der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben sein.

 

 

d) Geht man jedoch entgegen obiger Annahme von der grundsätzlichen Zulässigkeit eines Entzugs der Lenkberechtigung aus, ist in Folge die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit des Bf aufgrund des von ihm gesetzten Verhaltens zu prüfen. Die Behörde ging bei der in Rede stehenden Entscheidung – ohne weitere Begründung – von einer etwa 12-monatigen Verkehrsunzuverlässigkeit aus. Dabei dürfte die belangte Behörde die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht weiter recherchiert haben. Diese hatte sich mit der Beurteilung der Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von Personen, die dem Beschwerdefall vergleichbare strafbare Handlungen gegen Leib und Leben begangen hatten, bereits mehrfach zu beschäftigen:

 

Im Erkenntnis vom 30.6.1992, 91/11/0124, das eine Person betraf, die eine absichtliche schwere Körperverletzung (Schuss gegen die Schulterregion eines Dritten) begangen hatte und nach §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB bestraft worden war, hielt der Verwaltungsgerichtshof die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit für die Dauer von insgesamt 15 Monaten für verfehlt.

 

Im Erkenntnis vom 28.6.2001, 2001/11/0114, das eine Person betraf, die einem Dritten durch mehrere Faustschläge gegen den Kopf und den Oberkörper eine schwere Verletzung zugefügt hatte und wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB, darüber hinaus aber des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 und 106 Abs. 1 Z 1 StGB verurteilt worden war, wobei die verhängte Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen wurde, hielt der Verwaltungsgerichtshof die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit für eine Dauer von 18 Monaten für verfehlt. Der Verwaltungsgerichtshof bezog sich dabei ua auf die bisherige Unbescholtenheit des Betreffenden.

 

In seinem Erkenntnis vom 23.4.2002, 2001/11/0346, das eine Person betraf, die als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB und darüber hinaus der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, der Nötigung nach § 105 Abs. 1 für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, davon 14 Monate bedingt nachgesehen, verurteilt worden war (der Betreffende hatte vier Mittäter dazu bestimmt, dass diese einem Dritten durch Schläge mit einer Metallrute und mit Holzknüppeln näher umschriebene schwere Verletzungen zugefügt hatten), erachtete der Verwaltungsgerichtshof ua im Hinblick auf mangelnde Vorstrafen und mangelnde frühere Entziehungen der Lenkberechtigung des Betreffenden die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit für mehr als 25 Monate als verfehlt und gab zu erkennen, dass die Behörde von einer Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von weniger als 18 Monaten hätte ausgehen müssen.

 

In seinem Erkenntnis vom 25.11.2003, 2003/11/0240, das eine Person betraf, der neben dem Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 205 Abs. 1 und nach § 206 Abs. 1 StGB überdies zwei Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB (eine davon eine an sich schwere Verletzung herbeiführend) zur Last fielen und die zwei Verurteilungen, eine zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten und eine zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe, erlitten hatte, hielt der Verwaltungsgerichtshof die von der Behörde vertretene Annahme einer Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit für mehr als 16 Monate für verfehlt.

 

Vor dem Hintergrund dieser einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann im Beschwerdefall die überwiegend auf dem Kopfstoß des Bf gegen seine Gattin beruhende Annahme der belangten Behörde, der Bf sei für eine Dauer von insgesamt rund 12 Monaten verkehrsunzuverlässig, nicht geteilt werden. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass das LG Linz dem Bf einen Strafaufschub bis zum 31.12.2015 gewährt und demzufolge eine vom Bf ausgehende akute Gefährdung wohl nicht erkannt hat.

 

 

e) Abschließend bleibt daher (allenfalls) die Frage zu beurteilen, ob dem Bf die Lenkberechtigung für einen kürzeren Zeitraum als von der Behörde angenommen zu entziehen ist. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Entziehung der Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit zufolge § 25 Abs. 3 FSG nur dann rechtmäßig, wenn die Behörde annehmen durfte, es liege die Verkehrsunzuverlässigkeit des Betroffenen vor und es werde die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von drei Monaten wieder eintreten (vgl nur VwGH 23.4.2002, 2001/11/0149; 17.10.2006, 2006/11/0120; 26.1.2010, 2009/11/0207). Da somit gem. § 25 Abs. 3 FSG eine Mindestdauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von (noch) drei Monaten im Entscheidungszeitpunkt bzw. im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Entzugs der Lenkberechtigung gegeben sein muss, um einen Entzug überhaupt zu rechtfertigen, würde dies im ggst. Fall bedeuten, dass der Bf – gerechnet ab Verwirklichung der Tat – in Summe mehr als acht Monate verkehrsunzuverlässig hätte sein müssen.

 

Diese Ansicht wird vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht vertreten:

Unter dem Wertungskriterium der Verwerflichkeit ist zwar ins Treffen zu führen, dass eine Vorgehensweise wie die des Bf zweifellos als sehr niederträchtig und gefährlich anzusehen ist. Es hat allerdings auch die Tatsache, dass dem Bf ein Strafaufschub gewährt wurde, er die Tat eingestanden hat und er (siehe Strafurteil des LG Linz vom 30.4.2015) ein AGT zu absolvieren gedenkt, entsprechend in eine Wertung einzufließen. Schließlich darf auch nicht völlig außer Betracht bleiben, dass der Bf bis dato nicht wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, sich somit seit der Anlasstat wohlverhalten hat und einer Beschäftigung nachgeht. Die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit in der Dauer von acht Monaten erscheint in Zusammenschau aller Umstände als angemessen.

 

Vor diesem Hintergrund ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der Auffassung, dass zum derzeitigen Zeitpunkt knapp nicht mehr von einer länger als dreimonatigen Verkehrsunzuverlässigkeit ausgegangen werden kann, weshalb zumindest deshalb der angefochtene Bescheid zu beheben und das Verfahren einzustellen ist.

 

 

V.            Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da der Frage, wie lange der konkret der Bf aufgrund der von ihm verwirklichten Straftaten allenfalls verkehrsunzuverlässig sein dürfte, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt und im Übrigen die Entscheidung der zitierten, einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht widerspricht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Zeinhofer